Im Folgenden möchte ich einen kurzen Einblick in die kritische Diskussion um „A White Heron“ geben, mich aber besonders auf einige interessante Punkte konzentrieren, wie die Verwendung von Symbolen im Text und deren mögliche Interpretation. Danach möchte ich auf ein bestimmtes Symbol, die Kiefer, als besonderes Beispiel eingehen und die Ähnlichkeit der Geschichte mit einem Märchen erläutern. Da der letzte Paragraph der Kurzgeschichte ein auffällig ungewöhnlicher ist, möchte ich die verschiedenen Sichtweisen in der Literaturkritik hierzu vorstellen und abschließend und zusammenfassend Sylvias Entscheidung unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen analysieren.
Inhalt
I. Einleitung
Inhaltszusammenfassung der Kurzgeschichte und
Vorgehensweise
II. Hauptteil
Analyse der Kurzgeschichte „A White Heron“
- Symbole und Farben
- Der Baum der Erkenntnis
- „Rotkäppchen“ vs. „A White Heron“
- Der letzte Paragraph
III. Schluss
Zusammenfassung
Sylvias Entscheidung
IV. Anhang
Bibliografie
I. Einleitung
„A White Heron“ (1886) ist die Geschichte von Sylvia, einem neunjährigen Mädchen, das in den Wäldern von Maine, Neuengland, bei seiner Großmutter lebt und eines Tages eine wichtige Entscheidung treffen muss. Seit einem Jahr schon lebt sie auf der kleinen Farm allein mit ihrer Großmutter und einer Milchkuh, Mistress Moolly, ihrer einzigen ‚Spielgefährtin’. Aufgewachsen ist sie in einer der neuen großen Industriestädte, “a crowded manufacturing town” (Jewett, 104), in der sie “’[a]fraid of folks’” (Jewett, 104) wurde. Nun, in ihrer neuen Umgebung, scheint sie aufzublühen, ihr Zuhause gefunden zu haben, sie selbst sagt, es scheine, als ob sie “[...] never had been alive at all before she came to live at the farm” (Jewett, 104). Eines Abends im Sommer, als sie die Kuh nach Hause treibt, begegnet ihr ein junger Mann, der sich bei ihr nach einer Herberge für die Nacht erkundigt, und den sie schließlich mit zu sich nach Hause nimmt, wo er von der Großmutter freundlich aufgenommen wird. Es stellt sich heraus, dass er Ornithologe und auf der Jagd nach einem seltenen Vogel, dem Weißen Reiher, ist. Der Jäger, “[...] who proved to be most kind and sympathetic” (Jewett, 107), vermutet, dass Sylvia ihn zu dem Nest des seltenen Vogels bringen kann, da “Sylvy knows all about birds” (Jewett, 106) und “’[t]here ain’t a foot o’ ground she don’t know her way over, and the wild creatures counts her one o’ themselves. Squer’ls she’ll tame to come and feed right out o’ her hands, and all sorts o’ birds.” (Jewett, 106). Hier wird schon die enge Verbindung zwischen der sie umgebenden Natur und dem jungen Mädchen sichtbar. Am nächsten Tag also begleitet Sylvia den Jäger auf seiner Suche, aber “she did not lead the guest, she only followed” (Jewett, 108). An dieser Stelle der Geschichte wird es offensichtlich, dass Sylvia für den Fremden romantische Gefühle entwickelt, was nicht unerheblich ist im Verlauf der Geschichte. Die Suche bleibt an diesem Tag erfolglos, aber noch im Morgengrauen begibt sich Sylvia allein auf die Suche, sie folgt einer Vermutung und klettert auf eine alte gewaltige Kiefer, “the last of its generation” (Jewett, 108), von wo aus sie in der aufgehenden Sonne das Nest des Reihers entdeckt. Nun steht sie vor der wichtigsten Entscheidung ihres jungen Lebens. Als sie nach Haus kommt, warten Großmutter und Jäger bereits auf sie; der junge Mann ahnt, dass Sylvia das Geheimnis des Reihers ergründet hat, “she could make known the secret” (Jewett, 109). Doch, obwohl sie gegen ihre Gefühle für den jungen Wissenschaftler und auch ihre Vernunft- er hatte versprochen, die Entdeckung des seltenen Reihers mit zehn Dollar zu belohnen, und “they are poor now” (Jewett, 111)- ankämpfen muss, entscheidet sich Sylvia dafür, das Geheimnis des Vogels und so dessen Leben zu bewahren. Der Jäger verlässt die Farm enttäuscht und Sylvia kehrt zurück in ihr altes Leben.
Auf den ersten Blick scheint „A White Heron“ eine gewöhnliche Kurzgeschichte in der Art Sarah Orne Jewetts zu sein. Doch auch schon beim ersten Lesen fallen ungewöhnliche Gestaltungsmethoden, Symbole, Themen und ein Reichtum an Interpretationsmöglichkeiten ins Auge. Die Kurzgeschichte „A White Heron“ wurde 1886 das erste Mal veröffentlicht, wenn auch damals schon in Begleitung diverser Meinungsverschiedenheiten, und bietet seither Kritikern bis in unsere Zeit die Möglichkeit, ihre Sichtweise in der Geschichte wiederzufinden. Jewett selbst war sich auch nicht sicher, was sie mit ihrer Kurzgeschichte machen sollte1, zumal sie nicht dem üblichen Schema entsprach, dem sich alle in Zeitungen erscheinenden Geschichten unterordneten. Sie hatte Probleme, einen Herausgeber zu finden2; trotzdessen war sie sich der Aussagekraft und Schönheit ihrer Kurzgeschichte bewusst.
Im Folgenden möchte ich einen kurzen Einblick in die kritische Diskussion um „A White Heron“ geben, mich aber besonders auf einige interessante Punkte konzentrieren, wie die Verwendung von Symbolen im Text und deren mögliche Interpretation. Danach möchte ich auf ein bestimmtes Symbol, die Kiefer, als besonderes Beispiel eingehen und die Ähnlichkeit der Geschichte mit einem Märchen erläutern. Da der letzte Paragraph der Kurzgeschichte ein auffällig ungewöhnlicher ist, möchte ich die verschiedenen Sichtweisen in der Literaturkritik hierzu vorstellen und abschließend und zusammenfassend Sylvias Entscheidung unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen analysieren.
Ich hoffe, am Ende einen zufriedenstellenden Einblick in die fachliche Diskussion gegeben zu haben.
II. Hauptteil
„A White Heron“ ist eine Kurzgeschichte, das bedeutet, der Leser wird unvermittelt in einen literarischen Kontext ‚geworfen’, ohne vorherige Einleitung durch den Erzähler. Ebenso unvermittelt endet die Geschichte wieder, nachdem das Besondere im Leben der Protagonistin erzählt worden ist. Der Text ist in zwei Kapitel eingeteilt, von denen das erste Kapitel länger ist als das zweite. Jedes Kapitel ist wiederum unterteilt in mehrere Paragraphen, die jeweils eine Sinneinheit in chronologischer Abfolge umschließen. Schaeffert definiert: “Sarah O. Jewett divides her story into two parts: whereas part one provides the reader first with the exposition [...] then slowly builds up tension [...], in the second part Jewett prepares the climax, then directly goes on to the peak of action”(Schaeffert). Die Struktur und die Charaktere erinnern nach dem ersten Lesen stark an ‚Rotkäppchen und der böse Wolf’, es gibt ein kleines Mädchen, das im Wald mit seiner Großmutter lebt, einen Jäger und eine Reise, die die Protagonistin unternehmen muss. Hier handelt es sich allerdings eher um eine innere Reise, die Sylvia macht, und auch die Bedrohung, im Märchen umgesetzt durch das Raubtier, den Wolf, ist nicht sofort erkennbar. Da es sich um eine interne Reise handelt, ist die Bedrohung ebenfalls intern, bzw. ergibt sich aus den Konsequenzen von Sylvias Entscheidung.
Symbole und Farben
Die Bandbreite der von Jewett benutzten Farben ist bei genauerem Hinsehen nicht besonders weitgefächert und trotzdem äußerst effektvoll. Die Gegenüberstellung von ‚hell’ und ‚dunkel’, beispielsweise, lässt auf eine symbolische Verwendung der Farben schließen. “[F]ascinated, [...] with her [...] eyes dark with excitement” (Jewett, 108), beschreibt Sylvia, wie sie dem Jäger auf ihrer gemeinsamen Suche nach dem seltenen Reiher folgt und sich dabei immer mehr in ihn verliebt. Dass ihre Augen hierbei als ‚dunkel’ beschrieben werden, erinnert an das Verdunkeln von Katzenaugen, wenn die Katze sich konzentriert und erregt ist. Es wird wiederum die starke Verbindung zwischen Sylvia und der animalischen Natur hervorgehoben. Aber auch die dunklen Schatten, in denen sie sich vor dem Jäger zu verbergen sucht, erscheinen weniger bedrohlich als beschützend. Im Wald fühlt sich Sylvia “[...] as if she were a part of the gray shadows and the moving leaves” (Jewett, 104). Dem steht die ‚helle’ Seite gegenüber. Hierfür lassen sich weitaus mehr Beispiele finden, schon allein aus dem Titel der Kurzgeschichte strahlt das Weiß förmlich heraus und macht so den Reiher nicht nur zu etwas Besonderem, sondern auch zu einem Symbol, wie ich später noch genauer erläutern werde. Aber auch in der Heldin der Geschichte findet sich die Farbe, die mit Unschuld, Frieden und Reinheit assoziiert wird, wieder: “Sylvia’s face was like a pale star” (Jewett, 110). Darüber hinaus ist auch die Morgensonne, die Sylvia und der Weiße Reiher zusammen aufgehen sehen, ein weiterer Beleg für ‚das Weiße’; “[There are] images emphasizing her paleness [that] connect her specifically to the heron, as do images that connect both her and the heron with the rising sun” (Heller). Die äußere Beschreibung Sylvias weist jedoch eine Besonderheit in Bezug auf die Farbgebung auf, die wahrscheinlich in höchsten Maße intentional gewählt wurde: Das Kind hat graue Augen, “the solitary gray-eyed child” (Jewett, 110), und stellt somit die genaue Zwischenstufe zwischen Hell und Dunkel dar. Wird hier vielleicht schon der Hauptkonflikt der Geschichte durch Implizierung in die Charakteristik der Protagonistin vorweggenommen? Dies scheint wahrscheinlich, da Jewett sich der Bedeutung der ausgewählten Farben bewusst gewesen sein musste.
Bleibt die Farbe Grün, die eine nicht zu verneinende Rolle spielt. Sylvia lebt im Wald, der Zeitpunkt, wenn der Leser sie trifft, ist Sommer- das heißt, dass die Bäume sich noch nicht verfärbt haben und noch alle Blätter grün sind. Sie lebt in einer “sea of green tree branches” (Jewett, 110) und auch die große Kiefer, auf die sie klettert ist, ist grün, verliert sogar im Winter nicht sein grünes Kleid. Wiederum wird eine Verbindung zwischen der Natur und der Heldin, die schon durch ihren Namen für das Leben im Wald vorhergesehen scheint, hergestellt; das Setting wirkt sozusagen unterstützend für die Aussage der Kurzgeschichte.
Die Farben sind, ebenso wie die Symbole, die ich nun genauer beleuchten will, bedeutungstragend für den Verlauf oder den Ausgang der Geschichte. Sylvia selbst scheint ein gutes Beispiel für Jewetts Fähigkeit zu sein, scheinbar unbedeutenden Dingen eine symbolische Kraft zuzuweisen.Wie auch schon ihr Name3 verrät, geht Sylvia in der sie umgebenden Natur vollkommen auf. Diese Eigenschaft spielt denn auch eine große Rolle in Hinblick auf die Entscheidung, die sie am Ende treffen muss. Sie ist die Allegorie des Waldes und Kind von Mutter Natur, somit erklärt sich auch ihr besonderes Verhältnis zu Tieren, insbesondere zu Vögeln: “’[...] the wild creatures counts her one o’ themselves’” (Jewett, 106). So hat auch schon Terry Heller bemerkt, dass “Jewett [describes] [...] Sylvia as birdlike: her hands and feet like claws, her climbing upward as in first flight, her being at home in the trees, her desire to fly” (Heller4).
[...]
1 „’But what shall I do with my ‚White Heron’ now she is written? She isn’t a very good magazine story, but I love her, and I mean to keep her for the beginning of my next book.’” (Griffith). Zitat stammt aus “Sylvia as Hero in Sarah Orne Jewett’s ‘A White Heron’” (1985) und ist dort ein Zitat aus einem Brief an Annie Adams Fields. “William Dean Howells, who published a number of Jewett’s stories, rejected this one because it was too romantic.” (Heller).
2 “William Dean Howells, who published a number of Jewett’s stories, rejected this one because it was too romantic.” (Heller).
3 ‚Sylvan’ bedeutet das mit dem Wald oder Baum Verbundene.
4 Da ich die meisten relevanten Artikel aus dem Internet habe, kann ich leider keine Seitenangaben zu diesen Dokumenten machen.
- Quote paper
- Katja Buthut (Author), 2005, Sylvias Entscheidung in Sarah Orne Jewetts 'A White Heron', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134735
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