In der Wertheradaption „Die neuen Leiden des jungen W.“, erschienen 1972, zeichnet Ulrich Plenzdorf das Leben des Protagonisten Edgar Wibeau nach, indem dieser aus dem Jenseits erzählt, wie es zu seinem Tod gekommen ist. Da Edgar nicht nur Rezipient von Goethes „Werther“ ist und diesen zu allen möglichen Gelegenheiten zitiert, als seine „stärkste Waffe“ einsetzt, sondern auch viele Parallelen zu Werther aufweist, soll hier diskutiert werden ob und inwiefern Edgars Zugrundegehen vergleichbar mit dem Werthers ist. [...]
Vergleich des Zugrundegehens zwischen Goethes
'Werther' und Plenzdorfs 'Edgar Wiebeau'
In der Wertheradaption „Die neuen Leiden des jungen W.“, erschienen 1972, zeichnet Ulrich Plenzdorf das Leben des Protagonisten Edgar Wibeau nach, indem dieser aus dem Jenseits erzählt, wie es zu seinem Tod gekommen ist. Da Edgar nicht nur Rezipient von Goethes „Werther“ ist und diesen zu allen möglichen Gelegenheiten zitiert, als seine „stärkste Waffe“[1] einsetzt, sondern auch viele Parallelen zu Werther aufweist, soll hier diskutiert werden ob und inwiefern Edgars Zugrundegehen vergleichbar mit dem Werthers ist.
In erster Linie muss beachtet werden, dass Edgars Tod nicht geplant war. Während Werther seinen Jenseitsphantasien mit Lotte nachhängt und sich sicher ist, im Tod mit ihr vereint zu sein, dementsprechend Erlösung, Rettung und Erfüllung all seiner Wünsche zu erlangen, hegt Edgar weder solche Phantasien, noch will er sterben. Werthers Suizid erscheint ihm unnötig, für ihn selbst kommt Selbstmord nicht in Frage. Im Gegenteil, aus dem Jenseits erklärt er, er habe leben wollen, sein Tod sei ein „Unfall“ gewesen, also keines Falls beabsichtigt.
Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass Edgars Leben zwar viele Ähnlichkeiten mit dem Werthers aufweist, doch kann Edgar Werther, und dessen Handeln, nur bedingt verstehen: Insbesondere ist hier der Liebesdiskurs zu nennen. Edgar liebt ebenso wie Werther eine Frau, die bereits vergeben ist. Obwohl er anfänglich prahlt und behauptet, er hätte bei Lotte alles versucht um sie für sich zu gewinnen[2], erscheint ihm dies in der Realität mit Charlie nur schwer umsetzbar. Sicherlich geht er forscher mit der Situation um, als Werther es bei Lotte tut, doch bricht für ihn keine Welt zusammen, als ihm bewusst wird, dass er Charlie nie ganz für sich haben kann. Zwar ist Edgar, nach eigenen Aussagen, „am Boden wie noch nie“[3] nachdem Charlie ihn nach der gemeinsamen Bootsfahrt (die mit der letzten Begegnung Werthers und Lotten vergleichbar ist, nur ergreift hier die Frau die Initiative und fragt ob Edgar einen Kuss wolle) plötzlich stehen lässt, doch ist dies kein Anlass zum Tode. Ganz im Gegenteil: Als kurz darauf die Gefahr besteht, Edgars Unterkunft könnte mitsamt ihm von einem Bulldozer abgerissen werden, stellt sich Edgar dem „Panzerfahrer“ entgegen und rettet so sein eigenes Leben[4].
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[1] PLENZDORF, Ulrich: Die neuen Leiden des jungen W. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1976. S. 57
[2] Ebd. S. 28
[3] Ebd. S. 92
[4] Ebd. S. 93
- Quote paper
- Elisabeth Werdermann (Author), 2009, Vergleich des Zugrundegehens zwischen Goethes 'Werther' und Plenzdorfs 'Edgar Wiebeau', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134702