Die zentrale Aufgabe des Sachunterrichts besteht darin, die Schüler zu befähigen, sich „Ausschnitte der Lebenswirklichkeit“ zu erschließen. Folglich orientiert sich der Unterricht an der Umwelt und Erfahrungswelt der Kinder. Die naturwissenschaftlich-technischen Lernfelder des Sachunterrichts behandeln u.a. Naturphänomene, die einen Teil der Lebenswirklichkeit der Kin-der darstellen.
Die Kinder sind oft von diesen Phänomenen fasziniert und haben das Bestreben, nach einer Erklärung zu suchen. Sie entwickeln dabei eigene Strategien und Interpretationen, um hinter das Rätsel zu kommen.
Diese Arbeit versucht zu klären, wie sich Kinder mit Naturphänomenen auseinandersetzen. Insbesondere wird untersucht, ob sich die Erkenntnismethode des Experimentierens wirkungsvoll auf das kindliche Lernen und den Verstehensprozess auswirkt.
Bauer beschreibt im folgenden Zitat provokant und mit beeindruckender Klarheit die Legitimation der Experimente im Sachunterricht:
„Wer heute in Zusammenhang mit der Grundschule bei dem Wort „Experiment“ Unwohlsein verspürt oder gar einen Hautausschlag bekommt, der sollte sich als geeignete Salbe für diese Allergie einmal folgendes überlegen: Es gibt keine einzige ernstzunehmende Umschreibung der Erziehungs- bzw. Unterrichtsaufgaben für die Primarstufe, in der nicht die Forderung nach Umweltorientierung, Umwelterhellung, Umwelterschließung, Sachkompetenz – oder wie auch immer gewählte Formulierungen lauten mögen – erhoben würden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Wie Kinder Naturphänomene verstehen
2.1 Begriffsbestimmung „Naturphänomen“
2.2 Entwicklung der Denkfähigkeit aus entwicklungspsychologischer Sicht
2.3 Verstehensprozesse von Naturphänomenen
2.3.1 Kriterien zur Überprüfbarkeit der Verstehensprozesse von Kindern
3. Das Experiment im Sachunterricht
3.1 Begriffsbestimmung „fachspezifische Arbeitsweise“
3.1.1 Grundlegendes zu den Erkenntnismethoden
3.2 Begriffsbestimmung „Experiment“
3.3 Ablaufschemata von Experimenten
3.3.1 Das wissenschaftliche Experiment
3.3.2 Das „Unterrichtsexperiment“
3.4 Didaktische Funktion und Ziele von Experimenten im Sachunterricht
3.4.1 Didaktische Funktionsformen
3.4.2 Didaktische und methodische Begründungsaspekte für den Einsatz von Experimenten im
3.5 Grundsätze des Experimentierens im Sachunterricht
3.6 Die Bedeutung des Schülerexperiments für den Erkenntnisgewinn nach Aussagen der niedersächsischen Rahmenrichtlinien des Faches Sachunterricht
4. Planung der Unterrichtseinheit „Luft hat viele Eigenschaften“
4.1 Ziele der Unterrichtseinheit
4.2 Verlaufsplanung der Unterrichtseinheit
4.3 Zur Situation der Lerngruppe
4.3.1 Lern- und Sozialverhalten der Lerngruppe
4.3.2 Spezielle Lernvoraussetzungen
4.4 Sachanalyse zur Unterrichtseinheit „Luft hat viele Eigenschaften“
4.5 Didaktische Vorüberlegungen
4.6 Methodische Vorüberlegungen
5. Darstellung ausgewählter Unterrichtsstunden der Einheit
5.1 Auswahl und Begründung für die ausführlich dargestellten Stunden Ausführliche Planung der fünfte Unterrichtsstunde „Warme Luft dehnt sich aus“
5.2.1 Lernausgangslage der Klasse
5.2.2 Lernziele
5.2.3 Sachanalyse
5.2.4 Didaktische Vorüberlegungen
5.2.5 Methodische Vorüberlegungen
5.2.6 Unterrichtsverlauf
5.2.7 Reflexion der Unterrichtsstunde
5.3 Planung der Unterrichtsstunde: „Luft bremst II“
5.3.1 Lernausgangslage der Klasse
5.3.2 Lernziele
5.3.3 Sachanalyse
5.3.4 Didaktische Analyse
5.3.5 Methodische Analyse
5.3.6 Unterrichtsverlauf
5.3.7 Reflexion der Unterrichtsstunde
6. Gesamtreflexion der Examensarbeit
6.1 Reflexion der Unterrichtseinheit
6.2 Reflexion in Bezug auf die Zielsetzungen der Examensarbeit
6.3 Ausblick
7. Abbildungsverzeichnis
8. Literaturverzeichnis
Multimedia-Software
1. Einleitung
Die zentrale Aufgabe des Sachunterrichts besteht darin, die Schüler[1] zu befähigen, sich „Ausschnitte der Lebenswirklichkeit“[2] zu erschließen. Folglich orientiert sich der Unterricht an der Umwelt und Erfahrungswelt der Kinder. Die naturwissenschaftlich-technischen Lernfelder des Sachunterrichts behandeln u.a. Naturphänomene, die einen Teil der Lebenswirklichkeit der Kinder darstellen.
Die Kinder sind oft von diesen Phänomenen fasziniert und haben das Bestreben, nach einer Erklärung zu suchen. Sie entwickeln dabei eigene Strategien und Interpretationen, um hinter das Rätsel zu kommen.
Diese Arbeit versucht zu klären, wie sich Kinder mit Naturphänomenen auseinandersetzen. Insbesondere wird untersucht, ob sich die Erkenntnismethode des Experimentierens wirkungsvoll auf das kindliche Lernen und den Verstehensprozess auswirkt.
Bauer beschreibt im folgenden Zitat provokant und mit beeindruckender Klarheit die Legitimation der Experimente im Sachunterricht:
„Wer heute in Zusammenhang mit der Grundschule bei dem Wort „Experiment“ Unwohlsein verspürt oder gar einen Hautausschlag bekommt, der sollte sich als geeignete Salbe für diese Allergie einmal folgendes überlegen: Es gibt keine einzige ernstzunehmende Umschreibung der Erziehungs- bzw. Unterrichtsaufgaben für die Primarstufe, in der nicht die Forderung nach Umweltorientierung, Umwelterhellung, Umwelterschließung, Sachkompetenz – oder wie auch immer gewählte Formulierungen lauten mögen – erhoben würden.“[3]
Fahn räumt dem „Know how“ Vorrang vor dem „Know what“ ein.[4] Das bedeutet jedoch nicht, dass die Themen, die man experimentierend erarbeitet, unbedeutend sind. Das Thema „Luft hat viele Eigenschaften“ halte ich für ebenso bedeutend wie das Erkenntnisverfahren des Experimentierens. Denn wir experimentieren nicht um des Experimentierens Willen, sondern um an Erkenntnisse zu gelangen, die uns helfen, die Welt zu erklären.
Luft, eine der drei allgegenwärtigen Urkräfte menschlichen Lebens auf der Erde überhaupt, übt seit jeher besondere Faszination auf den Menschen aus. Auch die Kinder dieser Lerngruppe verfügen über vielfältige Erfahrungen mit der Luft. So hat z.B. der Großteil von ihnen schon mal einen Drachen steigen lassen.
Diese Unterrichtseinheit soll den Schülern verschiedene physikalische Aspekte der Luft über unterschiedliche Lerneingangskanäle experimentierend erschließen. In der vielfältigen, oft spielerischen Auseinandersetzung mit diesen Aspekten sollen grundlegende Erfahrungen gemacht und erste Einblicke in physikalische Sachverhalte vermittelt werden, die dazu beitragen können, die Lebenswelt der Schüler zu entmystifizieren und Phänomene erklärbar zu machen. Dabei bildet den methodischen Schwerpunkt der Einheit das Heranführen der Schüler an das Erkenntnisverfahren des Experimentierens, den inhaltlichen Schwerpunkt die Auseinandersetzung mit dem Thema „Luft hat viele Eigenschaften“.
Aus dem vorangegangenen Unterricht in der Klasse 3d sind für mich folgende Fragestellungen hervorgegangen, welche ich mit Hilfe dieser Arbeit beantworten möchte:
1. Eignet sich die Erkenntnismethode des Experimentierens, um das Phänomen „Luft“ mit seinen Eigenschaften verstehen zu können?
2. Wie frei kann diese Lerngruppe mit ihren Lernvoraussetzungen experimentieren, d.h. inwieweit ist sie in der Lage selbstständig Experimente durchzuführen und wie stark muss in diesem Rahmen gelenkt werden?
3. Inwieweit kann die Lerngruppe in diesem Rahmen dem Ablaufschema von Experimenten folgen, gelingt es den Schülern u.a., ihre Beobachtungen sprachlich von der Erklärung zu trennen?
Zur Überprüfung der Ergebnisse können die Lernvoraussetzungen der Kinder vor und nach der Unterrichtseinheit verglichen werden. Einen eingeschränkten Einblick in die Entwicklung der Methodenkompetenz und das erworbene Fachwissen der Schüler bieten die Arbeitsblätter und die Lernzielkontrolle im Anhang. Da in dieser Examensarbeit untersucht werden soll, inwieweit Schüler in dieser Altersstufe in der Lage sind Phänomene mit Hilfe der Erkenntnismethode des Experiments zu begreifen, ist der Theorieteil in zwei Teile gegliedert. Der Erste befasst sich damit, wie Kinder Phänomene der Natur verstehen (Kapitel 2). Der zweite Teil der theoretischen Einordnung befasst sich mit dem Experiment im Sachunterricht (Kapitel 3). Da das Experimentieren in dieser Arbeit in erster Linie als Erkenntnismethode innerhalb der fachspezifischen Arbeitsweise gesehen wird, befassen sich Kapitel 3.1 und 3.1.1 zunächst mit diesem Aspekt.
Die theoretischen Ausführungen der ersten beiden Teile sowie die Situation der Lerngruppe (Kapitel 4.3) und die Sachanalyse (Kapitel 4.4) bilden die Grundlage dieser Arbeit, auf die sich der daran anschließende praktische Teil beziehen kann. Anschließend folgen die ausführlichen Unterrichtsvorbereitungen der fünften und neunten Stunde (Kapitel 5). Die Gesamtreflexion in Kapitel 6 soll Aufschluss über den Verlauf der gesamten Unterrichtseinheit geben und einen Bogen zu der dargestellten Fragestellung schlagen.
Im Anhang befinden sich Arbeitsblätter von acht Kindern zur Veranschaulichung der Unterrichtseinheit. Cedrik, Lasse und Alina zeigen leistungsstarke Leistungen. Jasper, Sina und Merlin zeigen durchschnittliche Leistungen und Vanessa und Melanie schwache. Anhand dieser Kinder sollen „beispielhaft“ die Lernfortschritte der Lerngruppe dokumentiert werden. Die Arbeitsblätter, die sich im Anhang finden, wurden nur auf inhaltliche Fehler korrigiert. Rechtschreibfehler wurden nicht verbessert, da zu viele Korrekturen die Schüler hätten verunsichern oder entmutigen können. In dieser Einheit ging es hauptsächlich um inhaltliche und methodische Aspekte. Die von mir angeführten Anmerkungen sind nachträglich noch einmal eingefügt worden, da sich die originalen Kommentare aus Platzgründen auf den Rückseiten der Arbeitsblätter befanden.
2. Wie Kinder Naturphänomene verstehen
2.1 Begriffsbestimmung „Naturphänomen“
Das Wort Phänomen (von griechisch phainómenon: das Erscheinende), steht als eine Bezeichnung für das sich Zeigende, im übertragenen Sinn auch für etwas in seiner Erscheinung Ungewöhnliches.[5] Laut Wagenschein wirken Phänomene in der Natur auf uns, „ohne dass wir auf ein Vorurteil oder einen bestimmten Aspekt, zum Beispiel einen physikalischen oder ästethischen, festgelegt sind.“[6]
Schweizer / Minssen verstehen Phänomene als „Erscheinungen, in denen Natur als das Fremde, nicht vom Menschen Hergestellte vorherrschend und eindrücklich ist.“[7] Wagenschein beschreibt Phänomene „als das Ganze dessen, was man unmittelbar sehen, hören, fassen, riechen, kurz was man vorzeigen kann, was vorhanden ist…“[8]
Diese beiden Definitionen verdeutlichen, dass ein Phänomen keiner Fremdsteuerung bedarf und durch die verschiedenen Sinne wahrgenommen werden kann. Ein Phänomen der Natur ist folglich all das, was die Natur von sich aus zum Vorschein bringt und was wir mit Hilfe unserer Sinne wahrnehmen können.[9]
2.2 Entwicklung der Denkfähigkeit aus entwicklungspsychologischer Sicht
Bei der Hinführung zu naturwissenschaftlichen Phänomenen bestehen immer wieder Zweifel daran, ob Kinder bereits das entsprechende Alter (Entwicklungsstadium) erlangt haben, um eine Deutung des naturwissenschaftlichen Hintergrunds nachvollziehen zu können.[10]
Jean Piaget und andere Psychologen ordnen Lernfähigkeiten, Lernmöglichkeiten und Lernleistungen bestimmten Altersstufen zu.
Dabei unterteilt Piaget die Entwicklung der Denkfähigkeit eines Kindes in vier Phasen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Stufenmodell Piagets[11]
Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren (3. Schuljahr) befinden sich nach dem vorliegenden Schema in der Phase konkreter Operationen, d.h. die bisweilen vorherrschende Egozentrik wird sukzessive abgebaut. Für das Experimentieren sind folgende Voraussetzungen von Bedeutung: Die Fähigkeit der Assimilation und Akkomodation kann ausgebildet werden, d.h. Bekanntes kann auf Ähnliches angewandt werden (Transfer). Es kommt zur Ausbildung von Schemata. Die gewonnenen Schemata können ergänzt und umstrukturiert werden. Die Kinder lernen in Relationen zu denken, d.h. ihr Denken ist nicht isoliert. Das parallele Erfassen von Komplexen und Einzelteilen wird möglich. Auch die Fähigkeit zur Klassifizierung zum Erkennen von Ordnungsprinzipien und ein Denken in Beziehungsgefügen stellen sich sukzessiv ein. Kinder können erkennen, dass z.B. unterschiedliche Lagen dasselbe Objekt nicht beeinflussen. Es entwickeln sich fortgeschrittene „innere Bilder“. Die antizipierenden Vorstellungen ermöglichen es dem Kind mit realen / konkreten Gegenständen planend vorausdenken zu können.[12]
Die Ergebnisse jüngster Untersuchungen zum phänomistischen Denken lassen darauf schließen, dass Kinder noch viel früher als von Piaget angenommen in der Lage sind, den Zusammenhang zwischen Ursache und Folge zu verstehen, d.h. kausal zu denken. Dies ist eine wichtige Voraussetzung um Naturphänomene zu durchschauen und um die Übertragung einer Deutung auf ein anderes Naturphänomen leisten zu können.[13]
Unter der Leitung von Gisela Lück vom Institut für Chemiedidaktik der Christian-Albrechts-Universität Kiel wurde 1995 Untersuchungen an Kindergärten in Kiel und Köln durchgeführt. Diese Studie belegt, dass sich Kinder über den phänomenologischen Zugang hinaus auch auf kognitive Weise an naturwissenschaftliche Themen annähern. Eine gute Erinnerungsfähigkeit sei besonders dann zu beobachten, wenn eine sachlogische und zweckmäßige, von der Sache und auch vom Kinde her bedingte Reihenfolge gewählt wird. Phänomene sind keine Zaubertricks. Eine Aneinanderreihung von Experimenten, die Phänomene zeigen, ohne intensiv mit den Schülern daran zu arbeiten, sie auch zu verstehen, und ohne zu einem Produkt zu kommen, ist wirkungslos.[14]
Dies betont Donaldson in ihrem Buch „Wie Kinder denken“, indem sie verdeutlicht, dass Kinder bereichsspezifisch dann in der Lage sind, kognitive Fähigkeiten zu entwickeln, wenn die gestellten Aufgaben weitestgehend in einen situativen Lebenskontext konkreter Lebenssituationen eingebunden sind und praktische Erfahrungen und Inhalt und Form dem „kindlichen Alltag“ entstammen und somit für die Kinder eine Wichtigkeit erlangen.[15] „Diese Untersuchungen von Donaldson, [...] konnten in den letzten Jahren zunehmend empirisch untermauern, dass kognitive Entwicklungen nicht gleichzeitig in allen Bereichen in Abhängigkeit von Entwicklungsstadien ablaufen, sondern dass sich der Erwerb von Wissen in spezifischen Inhaltsbereichen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Sequenzen vollzieht.“[16]
2.3 Verstehensprozesse von Naturphänomenen
Die Entwicklungspsychologie bietet der Didaktik zwar entscheidende Hilfen, jedoch ist es falsch, allein entwicklungspsychologische Bedingungen für das Verstehen von Begriffen verantwortlich zu machen, da es bei dem Entstehen von Vorstellungen immer auch auf das jeweilige Umfeld des Kindes ankommt.[17] Das Denken des Kindes läuft auf anderen Ebenen ab als das des Erwachsenen. Somit haben Kinder auch andere Erklärungsmuster. Der Prozess des Lernens und Verstehens geht über einen langen Zeitraum in der Entwicklung des Kindes. Das Verstehen ist nicht das Ereignis eines einmaligen abgeschlossenen Vorganges, sondern muss als ein lebenslang andauernder Prozess gesehen werden, der im Wechselspiel zwischen Wahrnehmung und Verarbeitung ständigen Veränderungen unterworfen ist.[18] Wenn man sich um das kindliche Verstehen bemüht, muss man sich der Verstehensweise bewusst sein. Es gibt eine Reihe von Ansätzen, die Verstehensbemühungen von Kindern zu definieren. In Anlehnung an Wagenschein untergliedert Spreckelsen kindliches Verstehen in Animismus, Täter-Tat-Schema, deduktives Denken und transduktives Verstehen.
Beim Animismus versucht das Kind die vermutete Funktionsweise eines Phänomens auf sich selbst zu beziehen, es mit sich selbst in Verbindung oder auf eine menschliche Ebene zu bringen. So entstehen Äußerungen, wie „die warme Luft möchte aus der Flasche raus, aber die kalte möchte drinnen bleiben.“[19]
Einen weiteren Bereich der kindlichen Erklärungsmuster bildet das Täter-Tat-Schema. Es ist dem
animistischen Denken verwandt, da hier Vorgänge personifiziert werden: Es geschieht etwas, weil eine Kraft als Täter, wirkt. So kann bei den Kindern schon die Aussage auftreten „Die Luft hat Kraft“. Das Kind erklärt sich Vorgänge so, als stehe dahinter ein Täter. Aufgrund dieser Art und Weise des kindlichen Verstehens ist Wagenschein der Meinung, dass man im Unterricht diese Ebene des kindlichen Denkens aufgreifen und versuchen soll, physikalisches anzubahnen.[20]
Eine weitere Komponente kindlicher Erklärungsmuster liegt im deduktiven Denken. Die Kinder halten sich an bereits gemachte allgemeine Erfahrungen und übertragen diese auf Einzelfälle, bzw. das ihnen momentan begegnende Phänomen.[21] Es entstehen Argumente wie, „Wenn man jetzt die Hände [um die Flasche] drum macht, da kommt dann ganz viel Wärme [in die Flasche].“[22] Diese Art des Denkens rechtfertigt besonders das experimentelle Vorgehen im Unterricht. So soll Unterricht „den Kindern Einsichten in ihr eigenes Vorgehen ermöglichen, wobei er sich verstärkt an ihren natürlichen Vorgehensweisen, Erfahrungen und Strategien, an ihren intuitiven Theorien über ihr eigenes Lernen anlehnt.“[23]
Das transduktive Verstehen ist die am weitesten fortgeschrittene Version, da sie dem Denken des Erwachsenen bereits sehr nahe kommt. Hierbei handelt es sich um einen Einzelfallvergleich, da es das „Überleiten von einem Urteil zu einem ihm nebengeordneten Einzelurteil“ beinhaltet. Transduktives Verstehen meint Analogienbildungen, die ein schon bekanntes Phänomen mit einem anderen, neuen Phänomen zu verknüpfen versucht.
Spreckelsen hat diesen Bereich des Verstehens noch mal unterteilt in die „phänotypische“ und die „genotypische Analogienbildung“. Vergleiche, die das äußere Erscheinungsbild eines Phänomens betreffen, bezeichnet er als „phänotypische Analogienbildung“, so entstehen bei Grundschülern Äußerungen, wie: „Ist wie eine Schaukel, wie eine Wippe…Das schaukelt halt hin und her.“[24] Vergleichendes Vorgehen, das sich auf ein gemeinsames Funktionsprinzip bezieht, nennt er „genotypische Analogienbildung“. Charakteristisch hierfür sind Aussagen, wie: „Wärme steigt nach oben.“ …“Wie so ein Heißluftballon, der steigt auch nach oben.“[25] Das Bedürfnis nach genotypischer Analogisierung entwickelt sich bei Grundschulkindern spätestens ab der dritten Klasse. Der Forscherdrang der Kinder ist in diesem Alter besonders groß, worin die Entsprechungen liegen, Phänomene miteinander zu vergleichen.[26]
Die beschriebenen Formen kindlicher Erklärungsmuster sind nicht unmittelbar voneinander abzugrenzen. In der Entwicklung des Kindes gehen sie ineinander über und überschneiden sich. Bei gleichaltrigen Kindern treten daher auch verschiedene Erklärungsansätze auf.
Entscheidend für den Unterricht ist, dass man den Kindern die Gelegenheit gibt, selbst hinter Phänomene zu gelangen, diese selbst zu entdecken und experimentell zu erforschen.[27]
2.3.1 Kriterien zur Überprüfbarkeit der Verstehensprozesse von Kindern
Um in meiner Unterrichtseinheit überprüfen und nachvollziehen zu können, ob die Schüler die Ergebnisse ihres Experimentierens verstanden haben und welche Deutungen möglich sind, möchte ich an dieser Stelle die Kriterien zur Überprüfbarkeit des Verstehens vorstellen und kurz erläutern, warum ich diese für geeignet halte.[28]
An erster Stelle stehen die mündlichen Äußerungen der Schüler. Sie zeigen, ob die Schüler die Sachverhalte verstanden haben. Es sollte jedem Schüler ermöglicht werden, „den Ablauf und die ersten Deutungen des Prozesses selbst zu formulieren, um beweisen zu können, dass er ihn verstanden hat.“[29] So können sich Schüler mit ihren Worten bezüglich des Themas artikulieren. Sie ziehen ihre Schlussfolgerung aus dem Experimentieren und teilen das Verstandene mit ihren verbalen Möglichkeiten mit. Die sprachliche Auseinandersetzung zu einem Thema ist eine effektive Form zur Überprüfung des Verstehens, weil sich Schüler äußern können und sich gegenseitig Denkanstöße geben. „Beim Sprechen hat das Kind die Möglichkeit, seine Gedanken zu ordnen und dadurch zu einer größeren Klarheit
zu gelangen. Es ist daher wichtig, dass der Lehrer die Kinder dazu ermutigt, ihre Gedanken auszusprechen und miteinander zu diskutieren.“[30]
Eine weitere Überprüfungsmöglichkeit, die zeigt, ob das Kind das Angewandte verstanden hat und die in dieser Einheit besonders zum Tragen kommt, ist die Beobachtung der Durchführung von Experimenten. Erste Auseinandersetzung mit der Experimentieraufgabe findet für die Schüler in der ihrer Meinung nach richtigen Auswahl der Materialien statt. Durch eigene Lösungen, Erfolge und Misserfolge lernt der Schüler naturwissenschaftliche Zusammenhänge kennen und verstehen. Der Lehrer verfolgt den Prozess des Verstehens von Beginn des Experimentieraufbaus über die Schritte des Ausprobierens bis hin zum durchgeführten Experiment. Auf diese Weise kann er feststellen, wie jedem Schüler die Gesetzmäßigkeiten verständlich werden.
Eine andere Möglichkeit der Überprüfung ist die schriftliche Dokumentation. Beobachtungen und Erklärungen werden allein, mit einem Partner oder einer Kleingruppe aufgeschrieben. Bei schriftlichen Äußerungen Einzelner sind Überprüfungsmöglichkeiten der Arbeitsergebnisse klarer zu überschauen als wenn ein Protokoll gemeinsam in Partner- bzw. Gruppenarbeit angefertigt wird. Auf diese Weise erhalten auch die Schüler die Möglichkeit sich zu äußern, die im Klassenverband zurückhaltender sind, bzw. sich nicht trauen, vor anderen ihre Eindrücke darzustellen. Durch die schriftlichen Erklärungen kann der Lehrer feststellen, wie jeder einzelne Schüler die Lösung eines Problems verarbeitet und verstanden hat.
Ein letztes Mittel der Überprüfbarkeit des Verstehens von Beobachtungen experimenteller Inhalte ist in dieser Einheit die Zeichnung. Das Zeichnen eignet sich an der Stelle, wo Vorgänge auf darstellende Weise dokumentiert werden können. Mit Hilfe der Zeichnung kann der Schüler seine Erklärungen leichter beschreiben, da er sich den Ablauf des Experiments noch einmal direkt vor Augen führt. Oft begünstigt das Zeichnen „das Vorstellen von Phänomenen der Natur und deren naturwissenschaftlichem Sachverhalt. Oft können Kinder das Wissen, das sie von einer Sache haben, erst mit Hilfe von Zeichnungen äußern.“[31] Der Lehrer wiederum kann nachvollziehen, ob die Schüler den Ablauf ihres Experimentes korrekt wiedergegeben und verstanden haben.
3. Das Experiment im Sachunterricht
3.1 Begriffsbestimmung „fachspezifische Arbeitsweise“
In der Literatur findet sich eine Vielfalt von Bezeichnungen für wissenschaftliche Methoden. Im Folgenden wird der Definition von Eschenhagen u.a., die in der neuesten Literatur der Fachdidaktik Biologie zu finden ist, der Vorzug gegeben. Eschenhagen verwendet den Begriff der „fachgemäßen Arbeitsweisen“. In dieser Arbeit soll der Begriff der „fachgemäßen Arbeitsweisen“ dem der „fachspezifischen Arbeitsweisen“ gleichgesetzt werden.
Eine fachspezifische Arbeitsweise beinhaltet verschiedene Zielsetzungen. Sie dient zum einen der Veranschaulichung eines Sachverhaltes und zum anderen der Erlangung von Erkenntnissen. Daher unterteilt Eschenhagen diese Arbeitsweisen u.a. in Erkenntnismethoden und Darstellungsweisen, wobei die Erkenntnismethoden und die Darstellungsweisen eng mit einander verknüpft sind und sich wechselseitig bedingen und einander ergänzen.[32]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2
Eine enge Verknüpfung der Erkenntnismethode Experimentieren mit den Darstellungsweisen Protokollieren und Zeichnen sowie eine Verbindung zur Erkenntnismethode sind hier hervorzuheben.[33] Die Darstellungsweisen Protokollieren, Zeichnen und Verwenden von Sprache ermöglichen eine Veranschaulichung durch die Schüler und lassen Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Schüler zu. Daher werden sie in dieser Arbeit auch als Kriterien zur Überprüfung mit herangezogen.
3.1.1 Grundlegendes zu den Erkenntnismethoden
Der Weg der Erkenntnis wird in der Fachliteratur unterschiedlich interpretiert. Eschenhagen sieht den Weg der Erkenntnis über das Vorhandensein von Erkenntnissen und das von Hypothesen geleitete wissenschaftliche Untersuchen und Experimentieren. Eschenhagen ist der Meinung, dass sich der Weg der Erkenntnis über vier Stufen entwickelt:[34] Die Ausbildung einer Hypothese führt zu einer Problemstellung. Ein Plan zur Durchführung eines Experiments wird ausgearbeitet. Das Vorhaben wird durchgeführt und die Ergebnisse dokumentiert.[35] Die Ergebnisse werden gedeutet und mit den Hypothesen verglichen. Hieraus erklärt sich die Zuordnung der Experimente zu den Erkenntnismethoden.[36] Durch das Experimentieren wird das Verstehen (Begreifen) von Phänomenen möglich.
3.2 Begriffsbestimmung „Experiment“
In der Literatur finden sich weite Fassungen des Begriffes „Experiment“[37], die nach Klauer jede systematische Beobachtung als experimentell kennzeichnen lassen.[38] Auch Bauer stellt fest, dass es wohl kaum zu erwarten sei, dass ein Konsens über das bestehe, was mit „experimentellem Unterricht“ gemeint sei. Auch das „Experimentieren“, so fährt er fort, scheine hinsichtlich seiner Funktion und seiner Bedeutung für die Schule von unterschiedlichem Verständnis zu sein.[39]
Das Wort Experiment (experiri = versuchen, prüfen, erproben) steht für eine in der Neuzeit entwickelte Herangehensweise an wissenschaftliche Fragestellungen.[40] Das Experiment wird als charakteristische Forschungsmethode in den Naturwissenschaften angesehen, die auch in anderen Wissenschaften ihre Anwendung findet. Ein Experiment ist ein reproduzierbarer, planmäßiger, d.h. logisch aufgebauter und aus dem natürlichen Zusammenhang isolierter Vorgang, dessen Parameter kontrolliert und modifiziert werden können. Experimente dienen zur Überprüfung einer Hypothese oder zur Klärung eines unklaren Sachverhalts, d.h. sie sind theoriegeleitet.[41]
Aus dieser Definition lassen sich folgende Eigenschaften des Experiments ableiten:
Ein Experiment…
- wird planmäßig durchgeführt,
- ist künstlich hergestellt,
- ist variierbar,
- kann beliebig oft wiederholt werden,
- ist kontrollierbar.[42]
Grundsätzlich muss man zwischen dem Forschungs- und dem Unterrichtsexperiment unterscheiden. Im Unterricht wie in der wissenschaftlichen Forschung ist das Experiment eine „Frage an die Natur“. Es kann Ausgangspunkt für die Forschung oder auch Bestätigung einer gewonnenen Erkenntnis sein. Der im Unterricht ablaufende Erkenntnisprozess bei der Durchführung eines Experiments unterscheidet sich vom Erkenntnisprozess der Wissenschaft dadurch, dass der Schüler zu bereits bekannten Ergebnissen gelangt. Geht man jedoch davon aus, dass auch der Schüler vom Stadium des Nichtwissens zum Wissen und Erkennen kommt, könnte man grundsätzlich sagen, dass für den Wissenschaftler und den Schüler die Methoden der Erkenntnisgewinnung gleich sind. Trotzdem ist an dieser Stelle eine begriffliche Unterscheidung vom Experiment notwendig, da das Experiment im strengen wissenschaftlichen Sinn im Unterricht immer nur annähernd erreicht werden kann. So muss im schulischen Sprachgebrauch der Begriff „Experiment“ weiter gefasst werden als in der Wissenschaft, da auch Beobachtungsaufgaben und Messungen als Experimente bezeichnet werden.[43]
3.3 Ablaufschemata von Experimenten
3.3.1 Das wissenschaftliche Experiment
Wissenschaftlichen Experimenten liegt folgendes Ablaufschema zugrunde:[44]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3
Dieses rationale Ablaufschema, welches die Komplexität eines Forschungsexperiments reduziert auf seine logische Struktur wiedergibt, dient als Leitlinie für die Durchführung und Auswertung von Lehrerexperimenten, obwohl es als idealisierend und in logischer Hinsicht problematisch angesehen wird.[45] Schülerexperimente können je nach Alter und Vorerfahrung (Experimentiererfahrung) der Schüler diese Struktur in reduzierter Form wiedergeben. So sind z.B. Verallgemeinerungen und Deutungen für Grundschulkinder entwicklungsbedingt nur in Ansätzen möglich.[46]
3.3.2 Das „Unterrichtsexperiment“
Experimente können nach dem folgenden Schema im Unterricht realisiert werden:[47]
1. Entwicklung einer Fragestellung: Ein Phänomen wird beobachtet, das für den Fragenden (noch) nicht zu erklären ist.
2. Hypothesenbildung: Lehrer und Schüler entwickeln z.B. im Unterrichtsgespräch, durch Lehrervortrag oder Schülerberichte eine klare Fragestellung, Hypothese, Hypothesenbünde und / oder eine Vermutung.
3. Planung des Experiments: Lehrer und / oder Schüler überlegen, wie sie die Fragestellung überprüfen können und denken über den weiteren Versuchsablauf nach.
4. Durchführung des Experiments: Schüler führen das Experiment durch und dokumentieren die Beobachtungen und Versuchsergebnisse.
5. Interpretation der Ergebnisse: Hier findet der Rückbezug auf die eingangs gestellte Frage oder Vermutung statt. Die Ergebnisse werden diskutiert und überprüft. Verallgemeinerungen, Anwendungsmöglichkeiten, Folgen als Konsequenzen aus den Versuchen können, je nach Lerngruppe, erörtert werden. Zu bedenken ist jedoch, dass eine Verabsolutierung von Ergebnissen, welche auf einer Beobachtung von Einzelergebnissen beruht, zu vermeiden ist. Allgemeingültige Gesetze können aus Einzelbeobachtungen nicht herauskristallisiert werden.[48] Auch hier muss kritisches Denken über der Logik des Ablaufschemas (wissenschaftlicher) Experimente stehen.
3.4 Didaktische Funktion und Ziele von Experimenten im Sachunterricht
3.4.1 Didaktische Funktionsformen
Experimente können unterschiedliche didaktische Funktionen und Ziele verfolgen. Es lassen sich drei Formen von Experimenten entsprechend dem Einsatz bzw. ihrer Funktion im Unterricht unterscheiden:
1. Das Einführungsexperiment dient der Demonstration eines natur- oder sozialwissenschaftlichen Sachverhalts und hat die Aufgabe, die Neugierde und Fragehaltung der Schüler zu wecken. Das Einführungsexperiment wird oft als Einstieg in einen neuen Sachverhalt gewählt und zumeist vom Lehrer als Lehrer-Demonstrations-Experiment durchgeführt. Dabei bietet es eine Alternative für einen verbalen Impuls.
2. das entdeckende Experiment, durch welches nach einer Problemlösung gesucht wird,
3. das Bestätigungsexperiment findet man in der Literatur auch unter den Begriffen Verifikations-, Kontroll- oder Anwendungsexperiment[49]. Diese Termini sind synonym zu benutzen. Diese Art des Experiments dient dazu, die zuvor erarbeiteten Hypothesen oder Gesetze auf ihre Richtigkeit zu prüfen. In der Erarbeitungsphase einer Unterrichtsstunde können sie zum Erforschen der Objekteigenschaften von Beziehungen und Strukturen dienen. Sie können beweisenden Charakter besitzen oder bei der Überprüfung zuvor aufgestellter Hypothesen hilfreich sein. Bestätigungsexperimente (Kontroll- oder Anwendungsexperimente) am Ende einer Unterrichtsphase unterstreichen bereits bekannte Sachverhalte oder veranschaulichen und vertiefen dieselben.[50]
Weiterhin können Unterrichtsexperimente in Lehrerexperimente bzw. Lehrerdemonstrations- und Schülerexperimente unterteilt werden. In der Praxis sind häufig Mischformen anzutreffen.[51]
Lehrer-Demonstrations-Experimente können den Schülern einen Sachverhalt „veranschaulichen“ und bieten sich für „gefährliche“ Experimente oder für Experimente an, für die nur sehr eingeschränkte Materialien zur Verfügung stehen. Eine Untersuchung von Bäuml-Roßnagl hat ergeben, dass die befragten Lehrkräfte in ihrem Unterricht den Schülerversuchen in Partner- und Gruppenarbeit den Vorrang vor dem Lehrer-Demonstrations-Experiment geben.[52] Im Sinne eines handlungsorientierten Sachunterrichts, der den Schülern Möglichkeiten zur aktiven Selbsterfahrung und Erschließung der Lebenswirklichkeit bieten soll, kann dieser Experimenttyp auch nur eine untergeordnete Rolle spielen, da selbsttätiges Handeln nicht möglich ist.[53]
Im Schülerexperiment werden die Schüler selbst aktiv. Es wird „…eine aktive Beteiligung der Schüler in allen Phasen erwartet“[54]. Ihnen werden, soweit möglich, die Planung, die Durchführung und Auswertung der Experimente überlassen. Sie sollen ihr Wissen durch eigene Aktivität aufbauen, Fakten und Zusammenhänge selbstständig suchen und Lernvoraussetzungen zur Erweiterung ihrer Kenntnisse produktiv einsetzen. Dabei verzichtet der Lehrer auf ausgiebige Lenkungs- und Strukturierungsmaßnahmen.[55]
Beim Schülerexperiment können je nach Zielsetzung verschiedene Sozialformen berücksichtigt werden:
- Das arbeitsgleiche Schülerexperiment eignet sich, um die Schüler mit dem Verfahren des Experimentierens vertraut zu machen und somit allen Schülern eine Basis zu vermitteln. Es kann den Schülern einen (Ordnungs-) Rahmen und somit Sicherheit bieten. Unterschiedlichen Vorerfahrungen der Schüler sollte durch Anbieten von Differenzierungsangeboten begegnet werden.
- Arbeitsteilige Schülerexperimente bieten einzelnen Schülern je nach Sachverhalt, Interessenlage und Vorerfahrungen Raum für Spezialisierungen.
3.4.2 Didaktische und methodische Begründungsaspekte für den Einsatz von Experimenten im
Sachunterricht
Das Experiment ist eine der wichtigsten Handlungsformen im (handlungsorientierten) Sachunterricht. Es bietet den Schülern einen themenunabhängigen, spielerischen Weg, eine Methode, sich mit ihrer Lebenswelt selbstständig vertraut zu machen, sich mit ihr konkret-real auseinander zu setzen, sie besser zu verstehen und sie zu hinterfragen (z.B. Phänomene). In der Natur und Technik treten Phänomene selten in reiner Form auf, sondern in der Regel überlagern oder stören sich Vorgänge und Erscheinungen, so dass für Schüler oft komplexe Phänomene nicht durchschaubar sind. Im Experiment kann man störende Einflüsse verringern oder sogar beseitigen, indem man Aspekte der Natur isoliert betrachtet. Darin sieht Wilke einen „herausragenden Vorteil“ des Experiments. Das Experiment lässt sowohl die Bedingungen als auch die Vorgänge und Erscheinungen deutlich erkennen, insofern stellt es gleichzeitig eine Veranschaulichung wesentlicher Erkenntnisse dar.[56] Auf diese Weise kann man Gesetzmäßigkeiten finden. Soll z.B. das Phänomen „Luft dehnt sich beim Erwärmen aus“ untersucht werden, greift man zunächst den Sachverhalt „Luft braucht Platz“ auf und zeigt, dass Luft ein Körper ist. Mit Hilfe eines Experiments, z.B. „Der Luftballon in der Flasche“, kann dieser Sachverhalt verdeutlicht werden.
Darauf aufbauend schließt sich der Sachverhalt des Ausdehnens der Luft an.[57] Experimentell kann dies u.a. mit dem Experiment „Die hüpfende Münze“ demonstriert werden. Das Phänomen des Hüpfens der Münze erklärt sich durch das Vorhandensein der Luft und deren Erwärmung, wodurch sich die Luft ausdehnt und die Münze angehoben wird. Führt man das Experiment wiederholt durch, hüpft die Münze vielleicht schneller oder langsamer, aber die Gesetzmäßigkeit „Warme Luft dehnt sich aus“ bleibt bestehen. Naturphänomene sind durch kurze Erscheinungsdauer gekennzeichnet, daher sind Messungen dieser oft schwierig.[58] Die Augenblicklichkeit bei dem genannten Experiment besteht z.B. darin, dass die Temperatur der Hände schwanken kann und sich so das Hüpfen der Münze zeitlich verschieben kann. Auch andere Faktoren, wie z.B. die Raumtemperatur, können die Ergebnisse des Experiments beeinflussen. Phänomene werden durch ihre wesentlichen anschaulichen Eigenschaften in einem Grundmuster wahrgenommen und wiederholen sich unter gleichen bzw. ähnlichen Bedingungen. Die Behandlung von Naturphänomenen im Unterricht sollte dazu dienen, bei den Schülern Staunen, Faszination oder Verwunderung hervorzurufen. „Die Entwicklung unserer Denkwelt hängt gerade auch zum großen Teil von der Beobachtung eben dieser Phänomene ab. Denn wir betrachten diese nicht nur passiv, sondern nehmen sie als Mensch wahr, d.h. als Fragende.“[59] In dem genannten Beispiel besteht die Faszination darin, dass sich die Münze scheinbar von allein in Bewegung setzt. Die unsichtbare Kraft der warmen Luft besitzt für die Schüler etwas Geheimnisvolles. Wagenschein sieht ein Phänomen als ein Ereignis an, dessen Ursache und Zusammenhang den Kindern fragwürdig erscheint und so einer Erklärung bedarf.[60] Dieses Verlangen nach einer Erklärung entfacht bei den Kindern einen Forschungsprozess, der der wissenschaftlichen Vorgehensweise verblüffend ähnlich ist.[61] „Das Unerklärte, Überraschende … eines Phänomens ist es gerade, was zu dem Wunsch nach Klärung und damit zur Frage und zur Untersuchung führt. Der Umgang mit dem Phänomen trägt dazu bei, das Augenmerk auf den Sachverhalt zu richten.“[62]
Dies gewinnt in unserer technisierten Umwelt vor dem Hintergrund der Zunahme der Erfahrungen aus zweiter Hand immer mehr an Bedeutung. Schule kann der „Erlebnisarmut“, die unsere Sinne „verkümmern“ lässt, durch Schaffung von Realbegegnungen u.a. im Experiment entgegenwirken.
Nach Wilke ist das Experiment „in allen Phasen des Unterrichts dazu geeignet, die Aktivität der Schüler zu erhöhen.“[63] Bei Schülerexperimenten sind die Schüler in den Phasen der Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung aktiv. Auch bei Demonstrationsexperimenten, sollen die Schüler bei der Gestaltung des Aufbaus und der Durchführung einbezogen werden, um zu verhindern, dass sie nur rezeptiv am Lernprozess beteiligt sind.[64]
[...]
[1] Im Folgenden werde ich Schülerinnen und Schüler allgemein als Schüler bezeichnen.
[2] Niedersächsischer Kultusminister (1982), S. 5.
[3] Bauer (1984), S. 171.
[4] Fahn (1988), S. 75.
[5] vgl. Phänomen: Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional 2003 (1993-2002).
[6] Wagenschein (1980), S. 90.
[7] Schweitzer / Minssen (1998), S. 118.
[8] Wagenschein (1976), S. 55.
[9] vgl. Zacharias (1998), S. 97.
[10] vgl. Piaget (1975), S. 149.
[11] vgl. www.regiosurf.nez/supplement/entwi/piaget.
[12] vgl. Oerter / Montada (1996), S. 6f.
[13] vgl. Lück (2000), S. 119 f.
[14] Klusemann (2000), S. 42.
[15] Donaldson, zit. in Lück (2000), S. 100 f.
[16] Lück (2000) S. 101.
[17] vgl. Köhnlein (1994), S. 76f.
[18] vgl. Max (2000), S. 6.
[19] vgl. Spreckelsen (1997 in GS), S. 18.
[20] vgl. Wagenschein (1976), S. 72.
[21] vgl. Spreckelsen (1997 in Köhnlein u.a.), S. 114.
[22] Spreckelsen (1997 in Köhnlein u.a.), S. 115.
[23] Max (1997), S. 78.
[24] Spreckelsen (1997 in Köhnlein u.a.), S.117.
[25] Spreckelsen (1997 in Köhnlein u.a.), S.117.
[26] vgl. Spreckelsen (1997 in Köhnlein u.a.), S.117.
[27] vgl. Thiel (1990), S. 92.
[28] Die nachfolgenden Kriterien werden in Kapitel 3.1 und 3.1.1 im Sinne von Eschenhagen unter der
Erkenntnismethode „Experiment“ und den Darstellungsweisen „Protokollieren“, „Zeichnen“ und „Verwenden
von Sprache“ wieder zu finden sein.
[29] Nelson (1972), S. 20.
[30] Klewitz /Mitzkat (1979), S. 27.
[31] Biester (1991), S. 61.
[32] vgl. Eschenhagen (1998), S. 212.
[33] vgl. Eschenhagen (1998), S. 244.
[34] Eschenhagen (1998), S. 216.
[35] An dieser Stelle wird wieder die enge Verzahnung mit der Darstellungsweise deutlich.
[36] siehe Kapitel 3.3.
[37] angelehnt an Meyer (1987) und Kaiser (1997) wird in der vorliegenden Arbeit keine Unterscheidung zwischen
den Begriffen Versuch und Experiment vorgenommen.
[38] Klauer (1977), S. 165.
[39] vgl. Bauer (1984), S. 165.
[40] vgl. Bäuml (1979), S. 23f.
[41] Meyer (1987), S. 313.
[42] vgl. Bäuml (1979), S. 41.
[43] vgl. Meyer (1987), S. 316.
[44] vgl. Meyer (1987), S. 314 f.
[45] vgl. Meyer (1987), S. 315.
[46] siehe Kapitel 2.2 und 2.3.
[47] vgl. Meyer (1987), S. 314 und Bäuml (1977), S. 56.
[48] vgl. Meyer (1987), S. 316ff.
[49] vgl. Bader (1992), S. 299.
[50] vgl. Meyer (1987), S. 316 f. sowie Eschenhagen (1998), S. 240f.
[51] siehe auch Bäuml (1979), S. 22.
[52] vgl. Bäuml-Roßnagl (1981), S. 157.
[53] vgl. Meyer (1987), S. 317 und Unglaube (1997), S. 231.
[54] vgl. Borsum (1985), S. 88.
[55] vgl. Bäuml-Roßnagl (1979), S. 129.
[56] vgl. Wilke (1993), S. 6.
[57] siehe Kapitel 4.2 Verlaufplanung der Unterrichtseinheit.
[58] vgl. Schweitzer / Minssen (1998), S. 119
[59] Wagenschein (1977), S. 129.
[60] vgl. Wagenschein (1977), S. 137.
[61] vgl. Klusemann (2000), S. 5.
[62] vgl. Bosse (2000), S. 184f.
[63] Wilke (1993), S. 6.
[64] vgl. Bäuml (1979), S. 115.
- Quote paper
- Katja Diekmann (Author), 2004, Naturwissenschaftliche Phänomene begreifen durch Experimentieren im Sachunterricht , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134685
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