Nach der Aufführung relevanter Definitionen, z.B. des Bindungsverhaltens, werden in Abschnitt I zunächst unterschiedliche Faktoren zur Entstehung der Bindungsqualität aufgeführt. Da es sich bei der Mutter-Kind-Beziehung um einen wechselseitigen Anpassungsprozess handelt, beinhalten diese
Sowohl Verhaltensmuster, Reaktionsvermögen und sensorische und kognitive Fähigkeiten des Kindes als auch die frühe Mutter-Kind-Interaktion, den Kinderwunsch und Aspekte der mütterlichen Biografie.
In Abschnitt II werden die aus der Bindungsbeziehung folgenden Hauptbindungsmuster A, B und C
und das von Main und Salomon (1990) ergänzte unsicher-desorganisierte Modell (D) beschrieben und auf die Spielbeziehung, u.a. als Kompensation für fehlende Bindungssicherheit, und die sachorientierte Beziehung eingegangen. Diese entwickeln sich neben der Bindungsbeziehung.
Aufgrund des beidseitigen Einflusses von Säugling und Mutter auf die Bindungsqualität können
sich Bindungsstörungen entwickeln. In diesem Zusammenhang geht Abschnitt III auf die Anwendung und Umsetzung der Bindungstheorie in der Diagnostik familiärer Funktionsstörungen und Bindungsstörungen ein.
Zuletzt wird der komplementäre Ansatz zur Erfassung der Bindungsqualität aus der Säuglingsforschung vorgestellt (Abschnitt IV) und anhand eines Fallbeispiels von Brazelton und Cramer (1994) veranschaulicht (Abschnitt V).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung:
2 Entwicklung der Bindungsqualität
2.1 Bindungsdynamik im Familiensystem
2.2 aktive Rolle des Säuglings
2.3 Reflexe und Sinneswahrnehmungen
2.4 Verhaltenszustände
2.5 Frühe Interaktion
2.6 Kinderwunsch
2.7 Mütterliche Biografie
3 Hauptbindungsmuster und Beziehungsformen
3.1 Hauptbindungsmuster
3.2 Multiple Arbeitsmodelle
3.3 Kontinuität
3.4 Spielbeziehung
3.5 Sachorientierte Beziehung
4 Anwendung und Umsetzung der Bindungstheorie
5 Erfassung der Bindungsqualität
6 Zusammenfassung und Ausblick
7. Literatur:
1 Einleitung:
Die Hausarbeit befasst sich mit der Entwicklung der frühen Mutter-Kind-Bindung/ der Bindungsqualität zwischen Mutter und Kind/ dem Thema Mutter-Kind-Beziehung. Der Inhalt lässt sich stellenweise auch auf die männliche Bezugsperson übertragen. Diese wird aufgrund des Themas allerdings nicht berücksichtigt. Zu dem Thema sind Informationen aus dem Forschungs- und Praxisbereich der Bindungs- und Objektbeziehungstheorie zu ziehen.
Ansätze der Objektbeziehungstheorie legen ihren Schwerpunkt auf die Loslösung des Kindes aus der Mutter-Kind-Symbiose (Selbst-Objekt-Differenzierung), die Autonomieentwicklung sowie die frühe Mutter-Kind-Interaktion. Als Begründer gilt die Britische Schule, insbesondere die Arbeiten von Klein, Fairbairn und Winnicott (1950er bis 80er Jahre).
Für die Arbeit wurde Literatur von Brazelton und Cramer (1994) und Spangler und Zimmermann (2004) verwendet. Diese konzentrieren sich auf die Bindungstheorie zur Beschreibung der Mutter-Kind-Beziehung. Die Bindungstheorie wurde von dem britischen Psychiater Bowlby und der kanadischen Psychologin Ainsworth in den 1960er Jahren entwickelt. In ihren Annahmen befasst sie sich mit frühen Einflüssen der Eltern-Kind-Beziehung auf die (emotionale) Entwicklung des Kindes und versucht Aufbau und Veränderung von Bindungsbeziehungen im gesamten menschlichen Lebenslauf zu erklären. Damit verbindet sie ethologisches, entwicklungs-psychologisches, systemisches und psychoanalytisches Denken.
Brazelton und Cramer (1994) führen unterschiedliche Faktoren zur Entstehung der Bindungsqualität auf, z. B. die frühe Interaktion und transgenerationale Effekte und heben damit treffend hervor, dass es sich bei der Mutter-Kind-Beziehung immer um einen wechselseitigen Anpassungsprozess handelt. Zusätzlich werden der komplementäre Ansatz zur Bindungsdeutung und Fallbeispiele vorgestellt.
Spangler und Zimmermann (2002) stellen eine Ansammlung an Aufsätzen zusammen und behandeln dabei historische Hintergründe, theoretische Grundlagen, Bindungsforschung und Anwendungsmöglichkeiten der Bindungstheorie.
Da der Schwerpunkt nicht auf Störungen im Bindungsverhalten lag, wurde der ICD-10 für diese Arbeit hinzugezogen.
Im Hinblick auf mütterliches (emotionales) Verhalten sind laut experimentellen Untersuchungen (z. B. Grossmann 1989), keine signifikanten Effekte in Abhängigkeit vom kindlichen Geschlecht zu erkennen. Geschlechtsunterschiede finden sich nur im mütterlichen Verhalten in Spielsituationen (z. B. Grossmann 1984), weshalb die Bindung an Tochter oder Sohn in dieser Klausur nicht getrennt behandelt werden.
Nach der Aufführung relevanter Definitionen, z.B. des Bindungsverhaltens, werden in Abschnitt I zunächst unterschiedliche Faktoren zur Entstehung der Bindungsqualität aufgeführt. Da es sich bei der Mutter-Kind-Beziehung um einen wechselseitigen Anpassungsprozess handelt, beinhalten diese sowohl Verhaltensmuster, Reaktionsvermögen und sensorische und kognitive Fähigkeiten des Kindes als auch die frühe Mutter-Kind-Interaktion, den Kinderwunsch und Aspekte der mütterlichen Biografie.
In Abschnitt II werden die aus der Bindungsbeziehung folgenden Hauptbindungsmuster A, B und C und das von Main und Salomon (1990) ergänzte unsicher-desorganisierte Modell (D) beschrieben und auf die Spielbeziehung, u.a. als Kompensation für fehlende Bindungssicherheit, und die sachorientierte Beziehung eingegangen. Diese entwickeln sich neben der Bindungsbeziehung.
Aufgrund des beidseitigen Einflusses von Säugling und Mutter auf die Bindungsqualität können sich Bindungsstörungen entwickeln. In diesem Zusammenhang geht Abschnitt III auf die Anwendung und Umsetzung der Bindungstheorie in der Diagnostik familiärer Funktionsstörungen und Bindungsstörungen ein.
Zuletzt wird der komplementäre Ansatz zur Erfassung der Bindungsqualität aus der Säuglingsforschung vorgestellt (Abschnitt IV) und anhand eines Fallbeispiels von Brazelton und Cramer (1994) veranschaulicht (Abschnitt V).
2 Entwicklung der Bindungsqualität
Die Bindungsbeziehung ist durch Emotionalität, Stabilität und gemeinsame Geschichte gekennzeichnet. Die frühste Bindung ist in der Regel die primäre Bezugsperson. Bowlby (1969, 1973, 1980) - als Begründer der Bindungstheorie - beschreibt Bindung „als ein emotionales Band“, das über Raum und Zeit bestehen bleibt.
Bindungsverhalten ist ein Verhalten, das auf Personen ausgerichtet wird, die für fähiger gehalten werden, die aktuelle Situation zu bewältige mit dem Ziel Nähe und Kommunikation aufrecht zu erhalten, um damit ein Gefühl der Sicherheit zu bekommen.
In seinen ersten Forschungen fand Bowlby heraus, dass es sich bei dem Bindungsverhalten gemäß der Sekundärtriebtheorie um einen selbstständigen Prozess handelt, der nicht von dem Bedürfnis nach Sexualität oder Nahrung abhängig ist.
Die fünf angeborenen Instinkthandlungen (Triebreaktionen) der Säuglinge, Lächeln, Schreien, Nachfolgen, Anklammern und Saugen, führen zur zunehmenden Nähe zwischen Mutter und Kind. Im ersten Lebensjahr reifen diese heran und ab dem sechsten Monat werden sie in das Bindungsverhaltenssystem integriert und auf die Mutter ausgerichtet. Die Entwicklung einer Bindung ist demzufolge stabil. Die Bindungsqualität hingegen ist umweltlabil, d.h. sie wird sowohl durch Verhaltensdispositionen der Mutter (z.B. Körperkontakt, Responsivität, Feinfühligkeit) als auch durch Eigenschaften des Säuglings (z.B. Irritierbarkeit, Temperament) bestimmt. Die Säuglinge kommen mit der angeborenen Bereitschaft, Beziehungen einzugehen, auf die Welt. Komplementär dazu sind Mütter mit den Verhaltensbereitschaften ausgestattet, die auf die kindlichen Bindungsverhaltensweisen reagiere bzw. Sorge und Pflege begünstigen.
2.1 Bindungsdynamik im Familiensystem
An dieser Stelle werden allgemeine Informationen über die Bindungsdynamik im Familiensystem gegeben. Diese wurden ursprünglich von Scheuerer-Englisch (2002) im Rahmen der Arbeit in einer familientherapeutischen Praxis aufgestellt, sind aber für das Gesamtverständnis der Thematik sinnvoll. Es können das Bindungs-, das Fürsorge- und das Explorationsverhaltenssystem differenziert werden.
Ersteres (Kindband zu den Eltern) stellt die Nähe des Säuglings zur Mutter her. Neben der Funktion, das Überleben des Kindes zu sichern, befriedigt es das menschliche Grundbedürfnis nach Zuwendung, Zuneigung und Zugehörigkeit. Die Mutter dient als sichere Basis (secure base), so dass das Kind sich insbesondere in Situationen von emotionalem Stress beschützt fühlen kann.
Das Fürsorgeverhaltenssystem (Elternband zu dem Kind) bezieht sich auf elterliches, feinfühliges Verhalten in Pflegesituationen, demnach nach Ainsworth (1977) Feinfühligkeitskonzept sowohl auf die richtige Wahrnehmung und Interpretation kindlicher Signale als auch auf eine prompte, angemessene Reaktion (mütterliche Responsivität) darauf. Diese ist altersabhängig.
Das Explorationssystem, das komplementär zu dem Bindungsverhaltenssystem steht, beinhaltet die kindliche Neugier, Spiel und die Suche nach Bedeutungen und ist demzufolge ein lebensnotwendiger Lernprozess. Kinder beginnen ihre Umwelt zu erkunden, entfernen sich kurze Zeitspannen von der Mutter und wenden sich unbekannten Gegenständen und Personen zu. Die Explorationsbedürfnisse dienen zur Loslösung aus der Mutter-Kind-Symbiose, woran die Überschneidungen zur Objektbeziehungstheorie erkennbar sind.
2.2 aktive Rolle des Säuglings
Säuglinge haben eine aktive Rolle bei der Entstehung der Bindungsqualität, d.h. sie gestalten die Reaktionsweisen ihrer Mutter aktiv mit. Die Verhaltensmuster des Säuglings und die mütterlichen Reaktionen darauf treffen aufeinander und fördern die Entstehung einer Bindung. Gestörtes Reaktionsvermögen oder kognitive oder sensorische Defizite, z. B. Blindheit, gefährden die Bindungsqualität. Trotz mütterlicher Feinfühligkeit wäre der Anpassungsprozess gestört und es könnte kein optimales Fürsorgeverhalten gewährleistet werden.
2.3 Reflexe und Sinneswahrnehmungen
Voraussetzung für die Bindungsentwicklung sind die Reflexe des Säuglings, z. B. der Saugreflex, zur Herstellung von Nähe und Kommunikation zwischen Mutter und Kind und seine sinnliche Wahrnehmung.
Säuglinge haben ein angeborenes Interesse für reaktionsfähige Gesichter, weshalb sie durch den visuellen Sinn schon früh lernen, ihre Aufmerksamkeit auf die Mutter zu richten.
Im Hinblick auf den akustischen Sinn kommt es (auch) zu einem wechselseitigen Anpassungsprozess zwischen Mutter und Kind: die Mutter lernt schnell, welche Tonhöhe die Aufmerksamkeit des Kindes weckt und das Kind passt seine Bewegungen der Stimme der Mutter an. Auch die olfaktorische Wahrnehmung ist bei Säuglingen schon hoch entwickelt. Da diese sich z. B. weigern die Flasche zu nehmen, wenn sie die Brust der Mutter riechen, kann der olfaktorische Sinn die Bindung vertiefen.
In Bezug auf die gustatorische Wahrnehmung besteht die Möglichkeit zur Vertiefung der Interaktion zwischen Mutter und Kind während des Stillens. Säuglinge warten z. B. auf die Reaktion der Mutter im Trinkphasen-Pausen-Rhythmus`. Ähnlich trägt auch der taktile Sinn zur Bindungsentwicklung bei. Mütterliche Berührungen können stimulierend oder beruhigend wirken.
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- Mareike Lüdeke (Author), 2009, Die Entwicklung der frühen Mutter-Kind-Bindung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134609
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