Diese Arbeit soll einen Teilbereich der Gerontologie fokussieren, der erst seit den
70er Jahren eine breitere öffentliche Beachtung erfahren durfte.
Die Gewalt gegen ältere Menschen ist in unserer Gesellschaft mit ungleich stärkeren
sozialen Tabuisierungen besetzt als die Gewalt gegen Kinder oder Ehepartner. Dies
schlägt sich schon in so alten Aufzeichnungen wie der Bibel nieder, wo geschrieben
steht: „Du sollst Vater und Mutter ehren“ bzw. „Wer Vater und Mutter schlägt, der soll
des Todes sterben“ (2. Buch Moses, Kap. 21, Verse 15/ 17).
Aufgrund dieser stärkeren Tabuisierung erfuhr das Thema der Altenmisshandlung
sozialwissenschaftlich erst gegen Ende der 70er/ Anfang der 80er Jahre, lange nach
der „Entdeckung“ von Kindes- und Frauenmisshandlung, eine breitere öffentliche
Beachtung. Man kann deshalb mit Berechtigung davon sprechen, dass die Erforschung
dieses sozialen Tatbestandes noch in den Kinderschuhen steckt (Fattah/
Sacco 1989, S. 229); entsprechend ungesichert und streitbar sind auch empirische
Befunde und theoretische Ansätze auf diesem Gebiet.
Nach einer Begriffsdefinition und einführenden Vorstellung dieses Themas im Allgemeinen
möchte ich mich einem Teilaspekt zuwenden, den ich in dieser Art bisher in
keiner Abhandlung finden konnte: der Rolle der Frau beim Auftreten von Beziehungsgewalt
in Generationenbeziehungen.
Zunächst ist also zu betrachten, welchen sozialen Normen, Verpflichtungen und Erwartungen
die Frau in der Familie ausgesetzt ist, welche Rollen sie im Familiengefüge
übernimmt, welchen Benachteiligungen sie unterworfen ist. In engem Zusammenhang
damit steht die Tatsache, dass Frauen sehr viel häufiger Familien- und Pflegearbeiten
nicht nur zugunsten von Betagten auf sich nehmen; ein Phänomen, das von
der zunehmenden Eingliederung der Frau in den Arbeitsmarkt nicht beeinflusst zu
werden scheint.
Einen entscheidenden Einfluss üben hier die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
zwischen Mann und Frau und die teilweise diametral entgegengesetzten Normen
und Erwartungen an die Geschlechter in der westlichen Industriegesellschaft aus. Ich
möchte dabei versuchen, eine Reihe von typischen Risikofaktoren aufzuzeigen, die
aus der Konstellation der weiblichen Pflegeperson und ihres (oft, aber nicht immer
pflegebedürftigen) älteren Familienmitglieds entstehen können. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Gewalt im Alter
- begriffliche Eingrenzung: Gewalt gegen Ältere im sozialen Nahraum
- Definition
- empirische Fakten
- Familienbeziehungen und informelle soziale Netzwerke
- Definition
- die Rolle der Frau im sozialen Wandel
- Feminisierung des Alters
- Gewalt in Pflegebeziehungen
- Pflege in Familien durch Frauen
- empirische Fakten
- Frauen als „Täter": Risikofaktoren
- Frauen als „Opfer": Risikofaktoren
- Auswirkungen des gesellschaftlichen Wertewandels auf familiale Pflege
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Gewalt gegen alte Menschen, insbesondere mit der Rolle der Frau als Opfer und Täter in Pflegebeziehungen. Die Autorin analysiert die Ursachen und Risikofaktoren für Gewalt in diesem Kontext, wobei sie den Fokus auf den Einfluss des gesellschaftlichen Wandels und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung legt.
- Die Bedeutung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung für die Entstehung von Gewalt in Pflegebeziehungen
- Die Folgen der Feminisierung des Alters für die Situation von Frauen als Opfer und Täter von Gewalt
- Die Herausforderungen für die familiäre Pflege im Kontext des gesellschaftlichen Wertewandels
- Die Auswirkungen von Überlastung und Stress auf das Handeln von Pflegepersonen
- Die Rolle von Normen und Werten bei der Entstehung von Gewalt in Pflegebeziehungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Thema der Gewalt gegen alte Menschen und stellt die historische und gesellschaftliche Bedeutung des Themas dar. Im ersten Kapitel wird der Begriff der Gewalt gegen Ältere im sozialen Nahraum definiert und die empirische Datenlage beleuchtet. Dabei wird deutlich, dass die Dunkelziffer von Fällen von Altenmisshandlung sehr hoch ist und exakte Zahlen schwer zu erheben sind.
Das zweite Kapitel befasst sich mit Familienbeziehungen und informellen sozialen Netzwerken, wobei die Rolle der Frau im sozialen Wandel und die Feminisierung des Alters im Mittelpunkt stehen. Die Autorin zeigt, wie die traditionelle Rollenverteilung in der Familie dazu beiträgt, dass Frauen im Alter häufiger allein leben und somit einem höheren Risiko für soziale Isolation und Gewalt ausgesetzt sind.
Im dritten Kapitel werden die verschiedenen Formen von Gewalt in Pflegebeziehungen analysiert. Die Autorin stellt fest, dass Frauen sowohl als Täter als auch als Opfer von Gewalt in Pflegebeziehungen überrepräsentiert sind. Es werden verschiedene Risikofaktoren für die Entstehung von Gewalt in Pflegebeziehungen identifiziert, die sowohl aus der Lebenslage der Pflegeperson als auch aus der des Pflegebedürftigen resultieren.
Das vierte Kapitel untersucht die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wertewandels auf familiale Pflege. Die Autorin zeigt, wie die zunehmende Individualisierung und die veränderten Rollenbilder in der Familie die Situation von Pflegepersonen verändern und zu neuen Herausforderungen führen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Gewalt gegen alte Menschen, Pflegebeziehungen, Frauenrolle, Feminisierung des Alters, gesellschaftlicher Wandel, soziale Netzwerke, Risikofaktoren, Überlastung, Stress, Normen und Werte. Die Arbeit analysiert die Entstehung von Gewalt in Pflegebeziehungen aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive und beleuchtet die spezifischen Herausforderungen, denen Frauen in dieser Situation ausgesetzt sind.
- Arbeit zitieren
- Jenny Haroske (Autor:in), 2000, Gewalt gegen alte Menschen - Frauen als Opfer und Täter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13431
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