In dieser Hausarbeit werde ich mich mit den multiethnischen Konflikten in der Vergangenheit Siebenbürgens und dem heutigen Rumänien beschäftigen. Siebenbürgen, jahrhundertelang ein eigenständiges Fürstentum, gehört seit 1918 zu Rumänien. Die Angehörigen der unterschiedlichen Ethnien, Religionen, Kulturen und sozialer Schichten grenzten sich durch Selbst- und Fremdbilder voneinander ab, die von der politischen Entwicklung beeinflusst wurden und ihrerseits eine politische Virulenz entfalteten. Bis zum 1. Weltkrieg konnte jede Nation ihre Eigenart, die eigene Sprache, Volkskunst, das Brauchtum und die Kultur, die eigene Identität bewahren. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine nachhaltige Veränderung der ethnischen Struktur Siebenbürgens.
Während der kommunistischen Diktatur, unter der alle Völker des Landes zu leiden hatten, wurden die Gegensätze zwar nivelliert, nach dem Umbruch von 1989 brachen sie erneut auf und wurden erst durch den Abschluss des ungarisch-rumänischen Grundlagenvertrags weitgehend, jedoch nicht endgültig entschärft.
In dieser Arbeit möchte ich die drei größten Volksgruppen, die in Siebenbürgen gelebt haben, vorstellen und der Frage nachgehen, woher die Hegemonialansprüche der Rumänen rühren, die bis zum 19. Jahrhundert eine zwar zahlenmäßig starke aber dennoch wenig in den Vordergrund tretende Volksgruppe im Fürstentum Siebenbürgen dargestellt hat. Gründe und Ursachen dafür werde ich untersuchen. Dafür gehe ich auch auf das Phänomen Nationalismus genauer ein. Die Nationalitätenkonflikte, die vor 1848 stattgefunden haben, werde ich nicht thematisieren. In meiner Schlussbetrachtung werde ich vielmehr die Nationalitätenkonflikte nach 1918 bis in die Gegenwart zu interpretieren versuchen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung, Fragestellung und Forschungsstand
1.1. Vorbemerkung: Siebenbürgen aktuell
2. Hauptteil
2.1. Lage und Geographie des Landes
2.2. Geschichte der Einwanderungen in Siebenbürgen
2.2.1. Die Ungarn
2.2.2. Die Sachsen
2.2.3. Die Rumänen
3. Nationalismus im Europa des 19. Jahrhunderts
3.1. Der rumänische Nationalismus
3.1.1. Die rumänische Nationalität aus der Sicht der Ungarn
3.1.2 Die rumänische Nationalität aus der Sicht der Deutschen
4. Schluss
4.1. Interpretation
4.2. Ausblick
5. Literaturliste, Bibliografie
1. Einleitung, Fragestellung und Forschungsstand
In dieser Hausarbeit werde ich mich mit den multiethnischen Konflikten in der Vergangenheit Siebenbürgens und dem heutigen Rumänien beschäftigen. Siebenbürgen, jahrhundertelang ein eigenständiges Fürstentum, gehört seit 1918 zu Rumänien. Man kann sagen, dass Siebenbürgen auf mehrere verschiedene Vergangenheiten zurückblickt. Jedes Volk, das sich im Laufe der Geschichte auf dem Gebiet angesiedelt hat, nämlich auf die Seine. „1851 wurden hier 1 227 276 Walachen (Romänen), 536 011 Magyaren (Ungarn und Szekler), 192 482 Deutsche (samt Sachsen), 78 923 Zigeuner (Roma), 15 573 Juden, 7600 Armenier, 3743 Slaven (vornehmlich Tschechen, Slowaken und Bulgaren), 771 Individuen verschiedener Nationalitäten (Griechen, Italiener usw.) gezählt. Von diesen über zwei Millionen Einwohnern bekannten sich 648 410 zum griechisch-katholischen, 638 017 zum griechisch-orthodoxen, 295 721 zum reformierten, 215 385 zum römisch-katholischen, 198 851 zum evangelischen Glauben, 46 016 zum unitarischen, 15 574 zum mosaischen und 4336 zum armenisch-katholischen Glauben.“1 Die Angehörigen so unterschiedlicher Ethnien, Religionen, Kulturen und sozialer Schichten grenzten sich auch durch Selbst- und Fremdbilder voneinander ab, die von der politischen Entwicklung beeinflusst wurden und ihrerseits eine politische Virulenz entfalteten. Bis zum 1. Weltkrieg konnte jede Nation ihre Eigenart, die eigene Sprache, Volkskunst, das Brauchtum und die Kultur, die eigene Identität bewahren. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine nachhaltige Veränderung der ethnischen Struktur Siebenbürgens: Die meisten Juden fielen dem Holocaust zum Opfer, die Überlebenden wanderten seit Beginn der 50er Jahre in großer Zahl nach Israel aus. Viele Sachsen ließen sich vom Nationalsozialismus blenden, ihre Wehrpflichtigen wurden seit 1943 in die Waffen-SS einberufen, aus Nordsiebenbürgen flüchteten die meisten Deutschen im Jahre 1944, aus den anderen Landesteilen wurden die Arbeitsfähigen 1945 in die Sowjetunion deportiert, seit den Sechziger Jahren, verstärkt seit den 70ern und massenhaft nach der politischen Wende von 1989 siedelten sie nach Deutschland aus. Die Zahl der Rumänen wuchs durch Zuwanderung, jene der Ungarn nahm durch eine relativ geringe Auswanderung etwas ab.
Während der kommunistischen Diktatur, unter der alle Völker des Landes zu leiden hatten, wurden die Gegensätze zwar nivelliert, nach dem Umbruch von 1989 brachen sie erneut auf und wurden erst durch den Abschluss des ungarisch-rumänischen Grundlagenvertrags weitgehend, jedoch nicht endgültig entschärft.2
In dieser Arbeit möchte ich die drei größten Volksgruppen, die in Siebenbürgen gelebt haben, vorstellen und der Frage nachgehen, woher die Hegemonialansprüche der Rumänen rühren, die bis zum 19. Jahrhundert eine zwar zahlenmäßig starke aber dennoch unbedeutende Volksgruppe im Fürstentum Siebenbürgen dargestellt hat. Nicht nur, dass Rumänien die Herrschaft über Siebenbürgen erlangte. Bis vor Kurzem wurden andere Volksgruppen von den Rumänen stark unterdrückt. Gründe und Ursachen dafür werde ich untersuchen. Dafür gehe ich auch auf das Phänomen Nationalismus genauer ein. Die Nationalitätenkonflikte, die vor 1848 stattgefunden haben, werde ich nicht thematisieren. In meiner Schlussbetrachtung werde ich vielmehr die Nationalitätenkonflikte nach 1918 bis in die Gegenwart zu interpretieren versuchen. Aufgebrochen sind die schwelenden Konflikte nämlich erst durch die Entdeckung der Nationalitäten schlechthin und die „Rache“ der Rumänen vor Allem an den Ungarn im späteren Groß-Rumänien.
Der Forschungsstand zu einer objektiven Sicht auf die Nationalitätenkonflikte in Siebenbürgen ist dünn. Es gibt ausreichend Bücher über Siebenbürgen. Kaum eins aber, das nicht gefärbt ist von nationalistischer Haltung. Das ergab auch meine ausgedehnte Recherche im Osteuropainstitut der FU Berlin. Bei allen Volksgruppen stand die Stärkung der eigenen Gruppenidentität im Vordergrund. Sie beziehen sich auf ihre Historiker und nutzen andere Volksgruppen gerade noch als Möglichkeit für eine nationale Abgrenzung. Von objektiver Forschung kann also kaum die Rede sein. Dem Buch „Rumänien“ von Keno Verseck, ein freier Journalist, der schon viele Jahre lang Osteuropa-Korrespondent für verschiedene deutsche Zeitungen ist, konnte ich eine freie und aktuelle Einschätzung der Lage in Siebenbürgen entnehmen. Er erklärt den Forschungsstand wie folgt: „Die Historiographie inszeniert eine große, glorreiche Vergangenheit. Sie stellt auf eine geschichtliche Grundlage, was der eigentliche Verlauf
der Geschichte nicht oder nur rudimentär geschaffen hat; einen kontinuierlichen und
legitimierten staatlichen Rahmen und ein nationales Bewusstsein. Dieser Ethnohistorizismus ist mehr oder weniger überall in Osteuropa verbreitet und tragende Säule eines ethno-nationalistischen Nationalverständnisses.“3 Weiter heißt es, dass rumänische Historiker, die für eine objektive Geschichtsschreibung eintreten, immer noch die Minderheit bilden. Rumänische Historiker, selbst die Bedeutendsten, werden aus diesem Grund im Westen im Allgemeinen nicht wahrgenommen.
1.1. Vorbemerkung: Siebenbürgen aktuell
Im August 1994 ließ der Bürgermeister von Klausenburg (Cluj), Gheorghe Funar, auf dem zentralen Platz der Einheit ein dreißig Meter langes und vier Meter breites Loch ausheben. Es sollten darunter zweitausend Jahre alte römische Ruinen zu finden sein. Gegen die geplanten Ausgrabungen hatten vorher gewalttätige Auseinandersetzungen stattgefunden. Ungarn und Rumänen stritten schon lange darum, wer der erste Siedler in Cluj gewesen war. Der Ort existierte schon unter römischer Herrschaft. Mit der dakoromanischen Kontinuitätstheorie, auf die ich später noch kommen werde, erklärten sich Rumänen für die Ureinwohner dieses Territoriums. Das sollte bewiesen werden.
Es ging aber noch um viel mehr. Funar, damals Chef der ultranationalistischen Partei der nationalen Einheit Rumäniens, heute einer der Führer in der rechtsextremistischen, antisemitischen Großrumänien-Partei, war seit 1992 Bürgermeister von Cluj und führte einen hartnäckiger Kampf um die rumänische Vergangenheit Siebenbürgens. Fanatisch ging er gegen die in der Stadt lebende ungarische Minderheit vor, die etwa ein Viertel der 320 000 Einwohner ausmachte. Er verbot rumänisch-ungarische Aufschriften, ließ Büros von Institutionen der ungarischen Minderheit räumen und schlug sogar einen Bevölkerungsaustausch mit Ungarn vor. Hauptmittel im Kampf des nationalistischen Bürgermeisters aber war die Geschichte. „Die multiethnische Vergangenheit der siebenbürgischen Metropole, in der Rumänen, Ungarn, Deutsche, Juden und andere Nationalitäten seit dem Mittelalter zusammengelebt hatten, wollte er auslöschen. Funar ließ Statuen historischer rumänischer Persönlichkeiten aufstellen, zahlreiche alte Gedenktafeln entfernen und neue montieren, änderte Straßennamen und organisierte Kundgebungen, wie etwa das symbolische Begräbnis des 1996 abgeschlossenen
rumänisch-ungarischen Grundlagenvertrages. Ja, er ließ Parkbänke, Bordsteine, Straßenpoller und sogar Mülltonnen in den rumänischen Nationalfarben blau-gelb-rot streichen, was später in vielen rumänischen Städten nachgeahmt wurde.“4
Die Ausgrabungen auf dem Platz der Einheit hatten aber noch einen ganz anderen Grund. Auf dem Platz steht das Reiterstandbild des ungarischen Königs Mathias Corvinus (1458-1490), der auch über Siebenbürgen geherrscht hatte. Das Denkmal stammt aus der Zeit (1902), als Siebenbürgen noch zur Habsburger Monarchie gehörte. Die ungarische Inschrift („Mátyás Corvin“)wurde nach 1918 durch eine rumänische ausgetauscht, der König hieß jetzt „Matei Corvin“, ab 1940, als Ungarn Siebenbürgen besetzte, war er wieder ungarisch betitelt, nach dem Krieg hieß er „Mathias Rex“, weil die Kommunisten glaubten, mit einer lateinischen Inschrift den Streit zu beenden. Funar hatte 1994 die rumänische Inschrift wieder anbringen lassen, was sogar zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Rumänien und Ungarn geführt hatte.
Das reichte ihm aber noch nicht. Das Reiterstandbild sollte ganz verschwinden. Deshalb erklärte er den Platz zur archäologischen Ausgrabungsstätte und ließ unweit des Standbildes große Löcher graben. Funar schaffte es gegen den ungarischen Widerstand schließlich nicht, den Platz ganz und gar umzugraben. Und obwohl rumänische Archäologen mittlerweile zugegeben haben, dass die Ausgrabungen nichts zur historischen Forschung beitragen und wertlos sind, verteidigten Funars Anhänger die Schließung der Gruben, sogar gewaltsam. Erst ein Jahr nach Funars Abwahl, 2005, sollte der Statuenkrieg, der inzwischen in die politische Geschichte Rumäniens nach 1989 eingegangen ist, mit einer Geste beendet werden: der neue Bürgermeister Emil Boc und der ungarische Vizebürgermeister der Stadt Jenó Boros schaufelten gemeinsam und symbolisch die ersten Schütten in die Grube. Auch Boc allerdings, der bald als „nationaler Verräter“ beschimpft wurde, verließ irgendwann der Mut. Eine Grube wurde geschlossen. Die zweite steht bis heute offen.5
[...]
1 Siebenbürgisches Archiv Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde Das Bild der anderen in Siebenbürgen. Stereotype in einer multiethischen Region (Gündisch, Konrad, Höpken, Wolfgang und Markel, Michael (Hrsg.), Köln, Weimar, Wien, Böhlau 1998 S.3
2 Vgl. Eduard Albert Bielz: Handbuch der Landeskunde Siebenbürgens, Eine physikalisch-statistisch-topographische Beschreibung dieses Landes. Hermanstadt 1857 (Unveränderter Nachdruck als Festgabe für Ernst Wagner zum 75. Geburtstag. Köln, Weimar, Wien 1996 S. 160
3 Verseck, Keno: Rumänien. 1. Auflage 1998. 3. Neu bearbeitete Auflage. München 2007 S. 41
4 Verseck, Keno: Rumänien. 1. Auflage 1998. 3. Neu bearbeitete Auflage. München 2007. S. 38
5 Vgl. Verseck, Keno: Rumänien. 1. Auflage 1998. 3. Neu bearbeitete Auflage. München 2007. S. 39ff
- Arbeit zitieren
- Juliane Voigt (Autor:in), 2007, Siebenbürgen: Nationalitätenprobleme und Nationalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134281
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