Ein Steuerstrafverfahren ist für die Betroffenen eine psychische Ausnahmesituation. Neben dem Fokus, sich mit der Ermittlungsbehörde auseinanderzusetzen, treten meist weitere erhebliche Probleme auf. Diese können beispielsweise von Seiten der Finanzbehörde, des Gewerbeamtes oder der Krankenversicherung erfolgen. Im Rahmen der finanzbehördlichen Vorgehensweise können sich viele Probleme ergeben, wozu u.a. grobe Schätzungen, Zinsberechnungen und Zuschläge zählen.
Rechtswissenschaftlich interessant ist die Zinserhebung durch die Finanzbehörde hinsichtlich der Steuernachforderung, wenn diese als hinterzogen gilt.
Dieser Zinsanspruch ist in der Abgabenordnung gesetzlich niedergelegt. Parallel hierzu kann die Staatsanwaltschaft Vermögenswerte strafprozessual arrestieren. Somit werden Vermögenswerte, welche zur steuerlichen Befriedigung herangezogen werden könnten, zwangsweise in fiskalische Hand übergeleitet. Üblicherweise hindert dies nicht den Zinsanspruch der Finanzbehörde. Problematisch wird der Fall jedoch, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt, der der Staatsanwaltschaft aufträgt, die arrestierten Gelder an die Finanzbehörde auszukehren, die Staatsanwaltschaft dem jedoch nicht nachkommt. Somit wird weiterhin ein Zins erhoben, obgleich die Vermögenswerte, die zur Tilgung der Steuerschuld vorhanden wären, in fiskalischer Hand sind und nicht an das Finanzamt überwiesen werden.
I. Einleitung
Ein Steuerstrafverfahren ist für die Betroffenen eine psychische Ausnahmesituation. Neben dem Fokus, sich mit der Ermittlungsbehörde auseinanderzusetzen, treten meist weitere erhebliche Probleme auf. Diese können beispielsweise von Seiten der Finanzbehörde, des Gewerbeamtes oder der Krankenversicherung erfolgen. Im Rahmen der finanzbehördlichen Vorgehensweise können sich viele Probleme ergeben, wozu u.a. grobe Schätzungen, Zinsberechnungen und Zuschläge zählen.
Rechtswissenschaftlich interessant ist die Zinserhebung durch die Finanzbehörde hinsichtlich der Steuernachforderung, wenn diese als hinterzogen gilt. Dieser Zinsanspruch ist in der Abgabenordnung gesetzlich niedergelegt. Parallel hierzu kann die Staatsanwaltschaft Vermögenswerte strafprozessual arrestieren. Somit werden Vermögenswerte, welche zur steuerlichen Befriedigung herangezogen werden könnten, zwangsweise in fiskalische Hand übergeleitet. Üblicherweise hindert dies nicht den Zinsanspruch der Finanzbehörde. Problematisch wird der Fall jedoch, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt, der der Staatsanwaltschaft aufträgt, die arrestierten Gelder an die Finanzbehörde auszukehren, die Staatsanwaltschaft dem jedoch nicht nachkommt. Somit wird weiterhin ein Zins erhoben, obgleich die Vermögenswerte, die zur Tilgung der Steuerschuld vorhanden wären, in fiskalischer Hand sind und nicht an das Finanzamt überwiesen werden.
II. Rechtliche Würdigung
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung wird zunächst der Zinsanspruch als solcher besprochen und anschließend wird das Arrestverfahren dargestellt. Schließlich sollen zwei rechtliche Lösungsvorschläge präsentiert werden, die im Ergebnis zueinander abgewogen werden.
1. Zinsanspruch gem. §233a AO
Im Rahmen des Erhebungsverfahrens der Abgabenordnung sind Steuernachforderungen und Steuererstattungen zu verzinsen, §233a I AO. Sinn und Zweck des §233a AO ist es, objektive Zinsvorteile auszugleichen1, da auf Seiten des Steuergläubigers objektiv immer ein Zinsnachteil gegeben sei.2 Der Steuerpflichtige hat gem. §233a AO bei ausstehenden Steuernachforderungen und Steuererstattungen Zinsen zu zahlen, die durch eine Nichtzahlung nach Fälligkeit der Schuld entstehen. Die ausstehende Steuerschuld ist somit gem. §288 I BGB im Verzugsfall mit fünf Prozentpunkten zu verzinsen. Diese Geldschuld tritt verschuldensunabhängig ein. Dies ergibt sich schon aus dem zwingenden Wortlaut der Norm, gem. §233a I AO: »ist dieser [Unterschiedsbetrag] zu verzinsen«. Ein Ermessensspielraum der Behörde über die Erhebung des Zinsanspruchs ist insoweit nicht gegeben. Mithin liegt eine gebundene Norm vor.
2.) Arrestierung gem. §§111 f StPO
Der Vermögensarrest dient als Mittel der Zwangsvollstreckung der Durchsetzung von Forderungen. Im Steuerstrafverfahren dient dieser der Sicherung der ausstehenden Steuerforderungen. Das Finanzamt kann diesen entweder nach §111 f StPO oder §324 AO vollziehen. Die Praxis nutzt jedoch vorzugsweise den (dinglichen) strafprozessualen Arrest.3 Dieser Umstand folgt u.a. daraus, dass dieser mündlich erfolgen und direkt durch den Ermittlungsrichter bei reinem Tatverdacht angeordnet werden kann. Die Vermögensabschöpfung hat somit –unabhängig davon, nach welchen Normen vollstreckt wird–zur Folge, dass ein Schuldnerkonto zur staatlichen Forderungsdurchsetzung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung gepfändet werden kann und jeglicher Zugriff seitens des Steuerschuldners entzogen wird.
3.) Lösungsansätze
Fraglich ist, wie eine rechtssichere Lösung gefunden werden kann, die das Spannungsverhältnis zwischen strafprozessualer Arrestierung der Vermögenswerte, dem Zinsanspruch der Finanzbehörde und dem amtsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss gefunden werden kann. Sobald die Staatsanwaltschaft Vermögen arrestiert hat und es zudem einen amtsrichterlichen Aufhebungsbeschluss gibt, der die Auskehrung an das Finanzamt beschließt und die staatsanwaltschaftliche Behörde diesem Beschluss nicht nachkommt, muss eine Lösung für die Weitererhebung der Zinsen erfolgen.
a) Teleologische Reduzierung über § 242 BGB i.V.m. § 227 AO
Ein Ansatz könnte eine teleologische Reduzierung von § 233a AO sein, da die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenstehen, sodass im Ergebnis ein Erlass der Zinsen die Folge sein könnte.
Wie dargestellt, ist der Zinsanspruch eine gebundene Entscheidung. Von dieser dogmatischen Vorgehensweise muss es jedoch Ausnahmen geben, wie in der Rechtswissenschaft üblich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne nur im Rahmen von Treu und Glauben gem. §242 BGB gemacht werden. Dies sei zum Beispiel dann der Fall, wenn besondere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.4 Im konkreten Fall bedarf es somit einer Einzelfallwertung und gegebenenfalls der Berücksichtigung von Zurechnungssphären der Parteien, die unabhängig von einem Verschulden in der Entstehung der Zinsschuld anzusehen sind. Dabei sind nicht zuletzt die erheblichen Vollstreckungsmaßnahmen des Staates, wie der dingliche Arrest gem. §§111 f StPO, §324 AO, bei Bestehen der Zahlungsschuld im Steuerstrafverfahren zu berücksichtigen. Hier liegt der Fall so, dass das Geld, welches zur Steuerschuldbegleichung vorhanden wäre, gegen den Willen der Steuerpflichtigen – nämlich durch Arrest– in die fiskalische Hand übergeht, womit der Staat bereits die offene Steuer an sich gezogen hat. Gleichwohl ist zu beachten, dass das strafprozessuale Vorgehen ein anderes Telos verfolgt. Dieses wird jedoch aufgehoben, wenn der amtsgerichtliche Beschluss die Arrestierung aufhebt und die Überweisung an die Finanzbehörde anweist. Spätestens ab diesem zeitlichen Moment kann kein klassischer Zins erhoben werden. Die staatsanwaltschaftliche Behörde hat es in der Hand, ob und wann das Geld überwiesen wird. Der Steuerpflichtige kann darauf keinen Einfluss nehmen. Es erklärt sich nicht, weshalb ein Zins gegen den Steuerpflichtigen erhoben werden sollte, wenn die Staatsanwaltschaft das Geld nicht überweist. Soweit nämlich keine Arrestierung stattgefunden und der Steuerpflichtige somit seine Verfügungsgewalt über sein Vermögen behalten hätte, könnte dieser seiner Zahlungsverpflichtung entsprechend nachkommen.
Hat der Steuerpflichtige seine Zahlungsschuld bei einem dieser Organe beglichen und folglich das seinerseits Erforderliche getan und bestreitet eines der Organe den Zahlungseingang, kann der Steuerpflichtige staatlichen Vollstreckungsmaßnahmen wie dem (dinglichen) Arrest gem. §§111b, 111d, 111f StPO, §324 AO gegenüberstehen. Dieser Arrest hat zur Folge, dass der entsprechende Geldbetrag »festgehalten«, d.h. arrestiert wird und der Steuerpflichtige, selbst wenn er seine Schuld begleichen möchte, nicht in der Lage ist, über das Geld zu verfügen. Dieser Aspekt ist in der Wertung des §242 BGB zu berücksichtigen.
Weiterhin darf dem Steuerschuldner nicht zur Last gelegt werden, dass das Geld zwar in fiskalischer Hand ist, jedoch bei der »falschen Behörde« liegt. Angelehnt an §243 II BGB hat sich die Geldschuld durch ordnungsgemäßen nachweisbaren Eingang bei einer der Staatsorgane konkretisiert und die Leistung ist bewirkt. Dies gilt umso mehr, da die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt im Steuerstrafverfahren als »eine Partei« anzusehen sind, als »behördenübergreifende Handlungs- und Informationseinheiten«5, in denen erhebliche und anspruchsbegründende Leistungshandlungen übermittelt werden müssen und ein Säumnis zu ihren Lasten gehen muss. Überdies könnte der Rechtsgedanke aus §407 I BGB angewandt werden. Demzufolge muss der Geldeingang auf dem Arrestkonto der Staatsanwaltschaft auch der Finanzbehörde zugeordnet werden. Mithin muss ein Hoheitsträger eine Leistungsbewirkung, die dem anderen gegenüber erfolgt, gegen sich gelten lassen.
[...]
1 Klein/Rüsken, 16. Aufl. 2022, AO § 233a Rn.2, (BFH 2.7.1997 – I R 25/96, BStBl. II 1997, 714), BFH 3.12.2019 – VIII R 25/17, BStBl. II 2020, 214).
2 BFH: Zinsfestsetzung gem. § 233a AO auch bei verzögerter Veranlagung durch das FA (DStR 1997) S.966, BFH, Urteil vom 19.3. 1997 - I R 7/96.
3 Madauß, Vermögensabschöpfung im Steuerstrafverfahren Verhältnis von Stopp – Arrest und AO Arrest – Ein Diskussionsbeitrag aus der Praxis (NZWiSt 2013) S. 128 ff.
4 BFH: Treu und Glauben bei der Festsetzung von Nachforderungszinsen (DStR 1996), S. 221, BFH, Urteil vom 20.09.1995 - X R 86/94.
5 Kranenberg: Anfechtung von Geldzahlungen im Strafverfahren – Wer hat Kenntnis wovon? (NZI 2014), S. 988.
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- Clemens Eydt (Author), Leo Unland (Author), 2023, Die Abwehr des Zinsanspruchs § 233a AO im Steuerstrafverfahren. Zwei rechtliche Möglichkeiten im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1342660
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