Verschiedene meteorologische Eigenschaften von vergangenen Winterstürmen (ONDJFM 1969/1970-2001/2002) werden auf ihre Zusammenhänge zu verursachten monetären Sturmschäden untersucht. Zu diesem Zweck werden die diskreten Sturmereignisse als zusammenhängende Überschreitungen lokalklimatologischer Schwellwerte mithilfe eines Tracking-Algorithmus aus den horizontalen Windgeschwindigkeitsfeldern der ERA40-Reanalysen identifiziert. Ihre Eigenschaften werden auf Basis dieser Gitterpunktdaten berechnet. Dem gegenüber wird ein ereignisspezifischer Schadensindex gebildet, indem die Abschätzungen des Rückversicherers Münchener Rück bzgl. der einzelnen volkswirtschaftlichen Sturmschäden einer Inflationskorrektur unterzogen und durch die mittlere Bevölkerungsdichte im vom Sturm betroffenen Gebiet dividiert werden. Die Bevölkerungsdichte soll hier als Proxy der Wertekonzentrationen in unterschiedlichen Regionen dienen. Der Zusammenhang zwischen den Sturmeigenschaften sowie drei kombinierten Sturmstärkeindizes und Schadensindex wird mit drei verschiedenen Zusammenhangsmaßen untersucht. Es zeigt sich, dass die mittlere Sturmintensität, definiert als normierte Überschreitung eines lokalklimatologischen Schwellwerts der Windgeschwindigkeit, sowie die maximale Windgeschwindigkeit über Land und die Ausdehnung des Sturmereignisses über Land in signifikantem Zusammenhang zu resultierenden Schäden stehen. Dabei zeigen die kombinierten Sturmstärkeindizes, abhängig von ihrer Definition, tendenziell engere Zusammenhänge zu resultierenden Schäden als die Einzelgrößen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Daten und Methode
2.1 Verwendete Daten
2.1.1 ERA4O -Reanalysedaten
2.1.2 Schadenssummen gemä NatCat-SERVICE der Münchener Rück
2.1.3 Bevölkerungsdichte gemä CIESIN/CIAT-GPWv3
2.2 Methode
2.2.1 Sturm-Tracking
2.2.2 Abgleich der Sturm-Zugbahnen mit NatCat-Daten
2.2.3 Definition meteorologischer Parameter
2.2.4 Ereignisspezifischer Schadensindex
2.2.5 Zusammenhangsmaße
3 Ergebnisse
3.1 Zusammenhänge zwischen meteorologischen Einzelgrö en und Schadens-index
3.2 Integrale Maße der Sturmstärke und Zusammenhänge mit Schäden
4 Diskussion und Schlussfolgerungen
Literatur
Anhang
A Informationsindex
B Übersicht Winterst Li rme und Eigenschaften
1 Einleitung
Gemäl?, den Daten der Münchener Rück (2008) sind ca 79% der weltweiten versicherten Schäden infolge von Naturkatastrophen im Zeitraum 1950-2007 auf Sturmereignisse zu-rückzuführen. In Europa sind diesbzgl. insbesondere die sog. Winterstürme zu nennen, die hier ca. 56% der volkswirtschaftlichen und 64 % der versicherten Schäden infolge von Sturmereignissen im Zeitraum 1980-2006 verursachten, was ungefähr 25 Mrd. € bzw. 13 Mrd. € in Werten von 2006 entspricht (Münchener Rück, 2007).
Diese enormen Summen führen eindrucksvoll vor Augen, welche Bedeutung Winterstür-me für Gesellschaft und Wirtschaft besitzen. Vor diesem Hintergrund ist es erstrebens-wert, das Phänomen Wintersturm und seine Konsequenzen, im Sinne von resultierenden Schäden, genauer zu durchleuchten. Die vorliegende Arbeit untersucht zu diesem Zweck den Zusammenhang zwischen verschiedenen meteorologischen Eigenschaften historischer Winterstürme im Zeitraum 1972-2002 und den durch sie bewirkten volkswirtschaftlichen Schäden.
In der wissenschaftlichen Literatur findet man eine Reihe von Studien, die sich bereits mit der Schadenswirkung von Stürmen nicht nur im europäischen Raum beschäftigt ha-ben. Im Fokus dieser Arbeiten stehen von meteorologischer Seite zumeist die innerhalb der untersuchten Stürme erreichten Windgeschwindigkeiten. Im Einzelnen handelt es sich dabei (i.) um direkte Messergebnisse der über unterschiedliche Zeitintervalle gemit-telten Windgeschwindigkeit oder Maximalböen (z.B Rootzén and Tajvidi, 1997; Dor-land et al., 1999), (ii.) um aus Messungen mittels Interpolationsverfahren abgeleitete Windfelder (z.B. Münchener Rück, 2001) oder auch (iii.) um aus Fernerkundungsdaten oder Luftdruckfeldern berechnete geostrophische (z.B. Rootzén and Tajvidi, 2001) oder Gradient-Windgeschwindigkeiten (z.B. Sparks et al., 1994; Huang et al., 2001).
Klawa und Ulbrich (2003) stellen fest, dass hohe Windgeschwindigkeiten in exponier-ten Lagen häufig auftreten, ohne dabei stets mit Schäden verbunden zu sein. Vor die-sem Hintergrund nehmen sie eine Normierung der gemessenen Windgeschwindigkeiten mit dem lokalen klimatologischen 98. Perzentil der Windgeschwindigkeit vor, wobei nur Windgeschwindigkeiten, die diesen lokalen Schwellwert überschreiten als potentiell scha-denverursachend betrachtet werden. Die Entscheidung für das 98. Perzentil fiel für ihre Arbeit zur Abschätzung von Sturmschäden in Deutschland mit dem Wissen, dass jener Schwellwert bei deutschen Flachlandstationen (bzgl. täglicher Maximalbö) in etwa einer Windgeschwindigkeit von 20m/s entspricht, was wiederum für viele Versicherungen den Schwellwert darstellt, ab dem sie für durch Wind verursachte Schäden zahlen. Dies impli-ziert die Annahme, dass an jedem Ort in 2% aller Tage Schäden durch Wind entstehen, was im Einklang mit der auf Wiederkehrperioden von extremen Windgeschwindigkeiten basierenden Argumentation von Palutikof und Skellern (1991) für die Definition von sturmgefährdeten Gebieten steht. Heneka et al. (2006) verwenden bei der Untersuchung von Frequenz und Intensität vergangener Winterstürme ebenfalls lokalklimatologische Windgeschwindigkeiten zur Skalierung. Statt des 98. Perzentils nutzen sie aber das absolute Maximum der an der betreffenden Station jemals gemessenen Windgeschwindig-keiten. Bei der Abschätzung des Zerstörungspotentials von tropischen Zyklonen über ihre integrierte kinetische Energie (IKE) experimentieren Powell und Reinhold (2007) ebenso mit Windgeschwindigkeitsschwellwerten, in diesem Fall aber ohne lokalklimato-logische Differenzierung.
Für den numerischen Zusammenhang zwischen Windgeschwindigkeiten und Schäden durch Winterstürme verfolgen einige der schon genannten Studien einen Potenzansatz (Schaden ~ vα, z.B. Lamb, 1991; Münchener Rück, 1993, 2001; Klawa and Ulbrich, 2003; Heneka et al., 2006). Genauso gibt es für tropische Zyklonen Arbeiten, die die-sen Ansatz verfolgen (z.B. Bell et al., 2000; Emanuel, 2005; Powell and Reinhold, 2007). Dem gegenüber stehen Untersuchungen, die von einer exponentiellen Beziehung zwischen Windgeschwindigkeit und Schaden ausgehen (Schaden ~ αv, z.B. Dorland et al., 1999; Rootzén and Tajvidi, 2001; Huang et al., 2001).
Prinzipielle Einigkeit herrscht in der Wissenschaft darüber, dass neben der Windge-schwindigkeit weitere Eigenschaften eines Sturms für die durch ihn verursachten Schäden relevant sind. Dorland et al. (1999) erwähnen diesbezüglich die Sturmdauer und even-tuell vorhandene Niederschläge. Rootzén and Tajvidi (2001) vermuten darüber hinaus eine Relevanz von Temperatur bzw. Jahreszeit und Windrichtung. Völlig unstrittig ist die Bedeutung der räumlichen Ausdehnung von extremen Windgeschwindigkeiten (z.B. Heneka et al., 2006; Powell and Reinhold, 2007). Der Rückversicherer Swiss Re (1993) fand Belege für den Einfluss der Sturmdauer und Sparks et al. (1994) sowie Huang et al. (2001) belegten für Schäden durch tropische Zyklonen die Bedeutung von Nie-derschlag. Für den europäischen Raum dagegen stellt die Münchener Rück (2001) fest, dass die dort verbreitete Massivbauweise Sturmschäden zumeist auf die Gebäudehüllen beschränkt und Klawa und Ulbrich (2003) postulieren als Ergebnis persönlicher Gesprä-che mit mehreren Erst- und Rückversicherern, dass hier indirekte Sturmschäden durch Hagel oder Regen gegenüber den direkten (Wind-)Sturmschäden vernachlässigbar sind. Auf der Hand liegt die Tatsache, dass von Winterstürmen bewirkte Schäden nicht allein von den (meteorologischen) Eigenschaften der Stürme abhängen. Dabei ist klar, dass ein wesentlicher Faktor das vom jeweiligen Sturm betroffene Gebiet darstellt. Stürme über dem offenen Meer beispielsweise werden, abgesehen von eventuell betroffenen Schiffen, kaum Schäden verursachen können. Palmieri et al. (2006) stellen bei ihrer Studie zur Wirkung von tropischen Zyklonen in Zentralamerika fest, dass die Länge der Sturm-Zugbahn über Land in statistisch signifikantem Zusammenhang zur Schadenswirkung steht.
Doch auch über Land beeinflussen unterschiedliche ökonomische und soziale Faktoren massiv die Schadenswirkung von Stürmen. In Europa bilden ,,in erster Linie die enorm hohen Wertekonzentrationen [...] riesige Schadenpotenziale" (Swiss Re, 2000). Dreve-ton et al. (1998) stellen fest, dass Sturmschäden stark von der Bevölkerungsdichte im betroffenen Gebiet abhängen und Berz und Conrad (1993) beschreiben als Gründe für steigende Sturmschadenssummen in Europa, neben der wachsenden Bevölkerungsdich-te (insbes. in gefährdeten Regionen), u.a. wachsenden Wohlstand sowie komplexere und anfälligere Produktionsweisen und Wohnarten. Darüber hinaus beeinflussen unterschied-liche Verbreitungsgrade von Informationen und Frühwarnungen vor Sturmereignissen die später bewirkten Schäden (Münchener Rück, 2001).
Für die vorliegende Arbeit wurden die diskreten Sturmereignisse als zusammenhängende Überschreitungen lokalklimatologischer Schwellwerte mit einem Tracking-Algorithmus aus den horizontalen Windgeschwindigkeitsfeldern der ERA40 -Renalysen identifiziert. Auf der Basis dieser Gitterpunktdaten wurden auch die verschiedenen untersuchten Stur-meigenschaften berechnet. Zur Klassifizierung der Schadenswirkung der einzelnen Stur-mereignisse wurde ein Schadensindex aus den inflationskorrigierten volkswirtschaftlichen Schadensummen und der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte im betroffenen Gebiet gebildet. Letztere dient als Proxy der Wertekonzentration. Der Zusammenhang zwischen den Sturmeigenschaften sowie drei kombinierten Sturmstärkeindizes und Schadensindex wurde mit drei verschiedenen Zusammenhangsmal?,en untersucht.
Die zugrundeliegenden Eingangsdaten, sowie deren Aufbereitung werden zu Beginn die-ser Arbeit in Abschnitt 2.1 beschrieben. Anschliel?,end werden in Abschnitt 2.2 die an-gewendeten Methoden zur Identifikation eines Subsets von zu untersuchenden Winter-stürmen dargestellt. Auch werden hier die untersuchten meteorologischen Eigenschaften vorgestellt und beschrieben, wie versucht wurde, ihre Zusammenhänge zu bewirkten Schäden aufzudecken. In Abschnitt 3 werden die erzielten Ergebnisse dargestellt und abschliel?,end in Abschnitt 4 ausführlich diskutiert. Dabei werden auch die angewende-ten Methoden kritisch hinterfragt.
2 Daten und Methode
2.1 Verwendete Daten
2.1.1 ERA40-Reanalysedaten
Grundlage dieser Untersuchung sind die ERA40 -Reanalysedaten (siehe Uppala et al., 2005) des European Center for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF). Aus die-sen wurden die horizontalen Windgeschwindigkeitskomponenten (u- und v-Wind, Code 165 und 166) der Winterhalbjahre (ONDJFM) der Jahre 1959-2002 verwendet. Die Roh-daten lagen auf einem reduzierten N80-Gauss-Gitter vor und wurden, nach Berechnung des Betrags der horizontalen Windgeschwindigkeit für jeden Gitterpunkt und Zeitschritt, zunächst auf ein reguläres Gauss-Gitter konvertiert.
Reguläre Gauss-Gitter sind Koordinaten-Gitter auf der Basis von Längen- und Breiten-graden, wobei der Abstand zwischen zwei Gitterpunkten auf einem Breitengrad (also in Ost-West-Richtung) überall gleich grol?, ist. Im Fall des N80-Gauss-Gitters beträgt dieser Abstand 1,125°. Der Abstand zwischen zwei Gitterpunkten auf einem Längengrad (also in Nord-Süd-Richtung) dagegen ist nicht konstant. Stattdessen werden die Breitengra-de des Gitters über ihre Gauss-Quadratur festgelegt (siehe Washington and Parkinson, 2005, insbes. Appendix B: Legendre Polynomials and Gaussian Quadrature). Die reale Distanz benachbarter Gauss-Gitterpunkte auf einem Breitenkreis wird entsprechend des konstanten 1,125°-Abstandes vom Äquator zu den Polen hin immer geringer, was zu einem gewissen Mal?, an Redundanz führt. Reduzierte Gauss-Gitter besitzen deswegen zu höheren Breiten hin immer weniger Gitterpunkte auf einem Breitenkreis, so dass in grober Näherung der Abstand benachbarter Gitterpunkte global gleich bleibt.
Nach der Konvertierung auf ein reguläres Gauss-Gitter wurde ein Gebiet um den Nord-atlantik und Europa (110°W-60°E, 20°S-90°N) ausgeschnitten und dann mithilfe eines Inverse-Distance-Weighting-Verfahrens auf ein regelmäÿiges 1,125°x1,125°-Gitter für das endgültige Betrachtungsgebiet (90°W-38,25°E, 0°-87,75°N) interpoliert.
Die in Abschnitt 2.2.1 beschriebene Identifikation der Wintersturmereignisse, sowie alle weiteren Berechnungen basieren auf diesen 1,125°x1,125°-Windgeschwindigkeitsfeldern. Das regelmäÿige Gitter bietet dabei den Vorteil, dass Berechnungen bzgl. der Ausdeh-nung von Sturmfeldern oder der Entfernung zwischen zwei Sturmpositionen (siehe Ab-schnitt 2.2.1 und 2.2.3) einfacher durchzuführen waren als auf Basis eines Gauss-Gitters. Um die meteorologischen Eigenschaften von Stürmen gesondert nur über Land betrach-ten zu können (siehe Abschnitt 2.2.3), wurde auch die Land-See-Maske der ERA4O- Daten verwendet. Die Original-Land-See-Maske wurde vom reduzierten Gauss-Gitter auf ein reguläres Gauss-Gitter linear und anschlieÿend wiederum per Inverse-Distance-Weighting -Verfahren auf das regelmäÿige 1,125°x1,125°-Gitter interpoliert. Für die nach diesem Verfahren resultierende Land-See-Maske, die nun nicht mehr eindeutig (mit 1 oder 0) zwischen Land- und See-Gitterpunkten unterschied, wurde nach eingehender Betrachtung des Zwischenergebnisses ein Schwellwert (0,5) festgelegt, um diese Eindeu-tigkeit wiederherzustellen. Ein Ausschnitt der letztlich für diese Arbeit verwendeten Land-See-Maske ist in Abb. 1 links zu sehen.
2.1.2 Schadenssummen gemiß NatCat-SERVICE der Münchener Rück
Der NatCat-SERVICE ( siehe Münchener Rück, 2003) des Rückversicherers Münchener Rück bildet die Datenbasis bzgl. der von Winterstürmen verursachten Schäden. Für die-se Arbeit lag eine Liste (Stand Juli 2007) vor, welche alle Naturkatastrophen der Jahre 1970 bis 2006 aufführte, die monetären Schaden verursachten und/oder Menschenleben in Europa forderten. Für diese Arbeit wurden alle Einträge herausgefiltert, die nicht als Winterstürme klassifiziert waren. Für die folgenden Auswertungen wurden nur monetä-re Schäden bzgl. ihres Zusammenhangs zu den meteorologischen Parmetern untersucht. In der Schadensliste schlüsseln sich diese monetären Schadenssummen in versicherte Schäden (gemäÿ Markteinsicht der Münchener Rück) und Abschätzungen der volks-wirtschaftlichen Gesamtschäden auf. Versicherte Schäden sind stark durch den Grad der Versicherungsabdeckung und andere versicherungsmarktinterne Faktoren, sowie deren Entwicklung über den Betrachtungszeitraum beeinflusst. Deswegen wurden für die fol-genden Auswertungen nur die Abschätzungen der volkswirtschaftlichen Gesamtschäden verwendet. Zwar stellen diese Abschätzungen eine ebenfalls nicht zu vernachlässigen-de Fehlerquelle dar, trotzdem sind die volkswirtschaftlichen Schadenssummen stärker miteinander vergleichbar als die versicherten Schäden (persönliches Gespräch mit Mün-chener Rück). Da es sich bei den aufgeführten Schäden um Originalsummen handelte, mussten diese, um vergleichbar zu sein, um Inflationseffekte bereingt werden. Gemäÿ In-ternationalem Währungsfonds ( 2008) lag die durchschnittliche Inflationsrate (basierend auf durchschnittlichen Konsumentenpreisen) der Jahre 1980-2001 für die Region West- europa1 bei 4,82% (Daten für frühere Jahre waren nicht verfügbar). Deshalb wurden alle Schadenssummen mit einer jährlichen Inflationsrate von 5% auf das Preisniveau von 2001/2002 korrigiert.
In dem sich mit den ERA40 -Daten überschneidenden Zeitraum, also den Winterhalb-jahren 1969/1970-2001/2002, finden sich in der NatCat -Schadensliste insgesamt 80 Win-terstürme, die als Regionsereignis Europa, also als Ereignis mit länderübergreifenden Schadensauswirkungen im europäischen Raum, klassifiziert wurden. Da davon auszuge-hen ist, dass Winterstürme als Ereignisse auf der synoptischen Skala in Europa zumeist mehr als nur ein einziges Land betreffen sollten, wurden nur diese 80 Wintersturm- Regionsereignisse und die durch sie verursachten (inflationsbereingten) volkswirtschaft-lichen Schäden für diese Untersuchung betrachtet.
Zusätzlich zu den Schadensummen waren auch Angaben zur Lokalisierung der Schäden in Form von Längen- und Breitengrad enthalten. Auch diese (Punkt-)Koordinaten der Schäden wurden für die vorliegende Arbeit genutzt (siehe Abschnitt 2.2.2).
2.1.3 Bevölkerungsdichte gemäI CIESIN/CIAT-GPWv3
Das Problem unterschiedlicher Wertekonzentrationen in verschiedenen Regionen, welche sich stark in den von Winterstürmen verursachten Schäden niederschlagen, wurde be-reits erwähnt. Um diese Verzerrungen zu korrigieren (siehe Abschnitt 2.2.4), wurde der bereits von Walz (2001) sowie Klawa und Ulbrich (2003) verwendete Ansatz verfolgt, die Bevölkerungsdichte im Untersuchungsgebiet als Proxy der Werteverteilung zu nutzen. Für diese Arbeit wurde die Bevölkerungsdichte des Jahres 2000, verfügbar in 0,25°x0,25°-Auflösung über das Projekt Gridded Population of the World (Version 3) von CIESIN und CIAT (2005, in Zusammenarbeit mit der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAQ); siehe Balk und Yetman (2004)), genutzt. Für See-Gitterboxen waren diesem Datensatz Fehlwerte zugeordnet. Diese wurden auf Null gesetzt und dann das gesamte Feld mittels Conservative-Remapping -Verfahren auf das 1,125°-Gitter in-terpoliert.
Diese Methode berechnet die Werte der neuen Gitterpunkte bzw. Gitterboxen als flä-chengewichtetes Mittel der ganz oder teilweise enthaltenen Boxen des alten Gitters. Dieses Verfahren bietet für die hier verfolgten Ziele den wesentlichen Vorteil, dass das Resultat für die neue Gitterbox als flächengewichteter Mittelwert aller beinhalteten al-ten Gitterboxen den Inhalt der gesamten Gitterboxfläche repräsentiert. Polynombasierte Interpolationsverfahren hingegen berechnen aus den umliegenden Punkten ein (vom Po-lynomgrad abhängiges) kontinuierliches Feld und weisen der neuen Gitterbox den Wert ihres Mittelpunktes zu, welcher aber nicht zwangsläufig als repräsentativ für die gesamte Gitterboxfläche zu betrachten ist. Dadurch, dass die See-Gitterboxen des 0,25°-Gitters vorher auf Null gesetzt wurden, berücksichtigt das Conservative Remapping entlang von Küstenlinien sogar den Meeresflächenanteil der Gitterboxen im 1,125°-Gitter, indem sich dieser mindernd auf das Eregbnis für die Bevölkerungsdichte auswirkt.
Anschlieÿend wurde durch einen Abgleich mit der Land-See-Maske die Bevölkerungs-dichte von See-Boxen des 1,125°-Gitters auf Null gesetzt. Dieser Schritt wäre gemäÿ der gerade angeführten Argumentation bzgl. der Vorteile des Conservative Remapping nicht unbedingt nötig gewesen, sorgt aber für eine eindeutigere Trennung zwischen Land- und See-Gitterboxen, was im Zusammenhang mit den meteorologischen Parametern ,,über Land" (siehe Abschnitt 2.2.3) noch von Bedeutung ist.
In dem sich so letztlich ergebenden Bevölkerungsdichtefeld (Ausschnitt in Abb. 1 rechts) stechen trotz der vergleichweise groben Auflösung die Groÿstädte wie z.B. London oder Paris, aber auch ganze Regionen wie die BeNeLux-Staaten und das angrenzende Ruhr-gebiet oder die Midlands deutlich hervor.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ausschnitte der aus den ERA4O -Originaldaten abgeleiteten Land-See-Maske (links) und des aus den CIESIN/CIAT -Daten interpolierten Bevölkerungsdichtefeldes (rechts)
2.2 Methode
2.2.1 Sturm-Tracking
Die vorliegende Arbeit verwendet für die Untersuchung der meteorologischen Eigen-schaften von Stürmen keine Messdaten, sondern basiert auf den horizontalen Windge-schwindigkeiten 10m ü.G. des ERA4O-Reana1yse-Datensatzes. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass sich schadenverursachende Winterstürme als meteorologische ,,Extremer-eignisse" auf der synoptischen Skala auch in diesen räumlich und zeitlich vergleichsweise grob aufgelösten Daten deutlich aus der Klimatologie und dem umliegenden Windfeld hervorheben müssten. Dabei wäre der Vorteil, dass unabhängig von Zeit und Ort Wind-geschwindigkeitsdaten von gleichbleibender Qualität zur Verfügung stehen, ohne dass diese zuerst einer eingehenden Datenbereinigung und -homogenisierung unterzogen wer-den müssen.
Die Identifikation von Winterstürmen als diskreten Ereignissen aus den ERA4O -Daten wurde für diese Untersuchung auf der Basis dieser Windgeschwindigkeitsfelder vorgenom-men. Gemäÿ der auf Klawa und Ulbrich (2003) zurückgehenden Hypothese, dass Windge-schwindigkeiten jenseits des 98. Perzentils potentiell Schäden verursachen, wurde dieses zunächst aus den horizontalen Windgeschwindigkeiten der Winterhalbjahre 1959/19602001/2002 für das Untersuchungsgebiet berechnet (siehe Abb. 2). Anschlieÿend wurden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: 98. Perzentil der horizontalen Windgeschwindigkeit (m/s) 10m ü.G. gemä1 den ERA40 - Reanalysedaten der Winterhalbjahre 1959/1960-2001/2002 für das gesamte Untersuchungsgebiet
Sturmfelder als Bereiche räumlich zusammenhängender Überschreitungen dieses 98. Per-zentils für jeden Zeitschritt identifiziert. Für jeden Zeitschritt wurde der Schwerpunkt ei-nes Sturmfeldes berechnet, indem jede zugehörige Gitterbox mit ihrer breitengradabhän-gigen Fläche und der 3. Potenz der Windgeschwindigkeit gewichtet wurde. Diese Schwer-punkte sind rein rechnerische Positionen und keine Gitterpunkte oder -boxen. Diese Identifikation und Lokalisierung geschah mit einem vorhandenen Tracking-Algorithmus (siehe Leckebusch et al., 2008), welcher solche Sturmfelder in aufeinanderfolgenden Zeit-schritten über ihre Schwerpunkte unter Anwendung eines Nearest-Neighbour-Verfahrens als zusammenhängende Sturmereignisse klassifizierte. Die Aneinanderreihung der für alle Zeitschritte eines Sturmereignisses berechneten Sturmfeld -Schwerpunkte wird im Folgenden als Sturm-Zugbahn bezeichnet.
Vor dem Hintergrund, dass der Fokus dieser Untersuchung auf Winterstürmen als meteo-rologischen Ereignissen auf der synoptischen Skala liegt, wurden mehrere Schwellwerte eingeführt, welche die Ereignisauswahl auf ein in diesem Zusammenhang sinnvolles Maÿ beschränken sollten. Diese Schwellwerte wurden in enger Anlehnung an jene gewählt, die Leckebusch et al. (2008) verwendeten und sollen kurz beschrieben werden:
- Die Gröÿe bzw. Fläche eines Sturmfeldes zu jedem Zeitschritt durfte ein Mindest-maÿ nicht unterschreiten, wobei die breitengradabhängige Gröÿe der Gitterboxen berücksichtigt werden musste. Als Minimalgröÿe wurde das Äquivalent zu acht 1,125°x1,125°-Gitterboxen auf Höhe des Äquators festgelegt, was etwa 125000 km 2 entspricht. Kleinere Sturmfelder wurden nicht weiter berücksichtigt und keinem Sturmereignis zugeordnet.
- Die Zuggeschwindigkeit des Sturmereignisses durfte maximal 120 km/h betragen. Dazu wurde, angesichts der 6-stündlichen Auflösung der ERA40 -Daten, der maxi-male für das Nearest-Neighbour-Verfahren erlaubte Abstand zwischen zwei Sturm-feld -Schwerpunkten in aufeinanderfolgenden Zeitschritten auf 720km beschränkt.
- Die Lebensdauer eines Sturmereignisses durfte minimal 24 Stunden betragen. Das bedeutet, dass für mindestens vier aufeinanderfolgende Zeitschritte Sturmfelder unter den beiden zuvor genannten Beschränkungen zu finden und dem betreffenden Sturmereignis zuzuordnen sein mussten. Sturmereignisse, die über weniger als vier Zeitschritte identifiziert wurden, fanden keine weitere Berücksichtigung.
Für jedes derart identifizierte Sturmereignis wurden diverse meteorologische Eigenschaf-ten (im Einzelnen in Abschnitt 2.2.3 dargestellt) aus den ihm zugeordneten Sturmfeldern sowie zugehörigen Gitterboxen, Windgeschwindigkeiten und Zeitschritten abgeleitet.
2.2.2 Abgleich der Sturm-Zugbahnen mit NatCat-Daten
Nachdem mithilfe des Tracking-Verfahrens die diskreten Sturmereignisse identifiziert waren, wurden diese mit der NatCat -Liste abgeglichen. Dazu wurde individuell für jeden der in Abschnitt 2.1.2 erwähnten 80 Winterstürme beurteilt, ob sich im Zeitraum, der in der NatCat -Liste für das betreffenden Ereignis angeführt war, eine Sturm-Zugbahn finden lieÿ, die zumindest in der Nähe der aufgeführten Schadenskoordinaten verlief. Dabei durfte die Zugbahn ±5° bzgl. der geographischen Breite (ca. 555km) und ±8°bzgl. der geographischen Länge abweichen. Letzteres entspricht dabei ca. 300km in 70°N am nördlichen Rand Europas und ca. 680km am südlichen Rand bei 40°N.
Abb. 3 zeigt beispielhaft die mit diesem Verfahren gefundenen Tracks der Winterstürme ,,Daria" und ,,Martin" (rot), sowie die Koordinaten der aufgetretenen Schäden (blau) und deren Betrag (Originalsumme). Neben Anfang und Ende des Tracks finden sich noch die jeweiligen Zeitschritte und oberhalb der Plots der Zeitraum, in dem diese Ereignisse gemäÿ NatCat -Service Schäden verursacht haben. Das Beispiel von ,,Daria" zeigt sehr gute Übereinstimmung zwischen Track und Schadenskoordinaten. Im Fall von ,,Martin" ist eine gröÿere Abweichung des gefundenen Tracks von den Schadenskoordinaten zu verzeichnen, die aber immer noch im Rahmen des genannten Toleranzbereichs bleibt.
[...]
1 Österreich, Belgien, Zypern, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Island, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich
- Quote paper
- Tim Kruschke (Author), 2008, Zusammenhang zwischen verschiedenen meteorologischen Eigenschaften von Winterstürmen und resultierenden Schäden in Europa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133961
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