Die Beeinflussbarkeit der Politik durch alle Bürger scheint auf den ersten Blick eine Selbstverständlichkeit und ein Grundelement demokratischer Herrschaftsmodelle zu sein. Betrachtet man das Zustandekommen von Entscheidungen in demokratischen Staaten genauer, zeigt sich jedoch, dass Zielfindungsprozesse häufig so komplex sind, dass sie von der Mehrheit der Bürger weder nachvollzogen noch bewusst beeinflusst werden können. Diese Entwicklung hat in vielen Fällen zu einer Entfremdung zwischen den Bürgern und dem demokratischen System geführt. Viele der gesellschaftlich oder politisch engagierten Menschen haben den Parteien den Rücken gekehrt und sind heute in Nichtregierungsorganisationen oder Bürgerinitiativen aktiv. So hat seit der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre der Wunsch nach Mitbestimmungsmöglichkeiten tendenziell eher zugenommen, während die Bereitschaft zur Beteiligung im Rahmen des bestehenden Parteiensystems zurückgegangen ist. Langfristig ist eine Anpassung des demokratischen Systems an die gesellschaftlichen Verhältnisse notwendig, um dessen Bestand zu garantieren. Ein solcher Wandel des politischen Systems, hin zu mehr Mitbestimmung, wird in Deutschland verstärkt seit den 1990er Jahren vollzogen. Der Globalisierung der Probleme versucht man dabei mit einer Verörtlichung der Lösungen zu begegnen. Die dialogorientierten Instrumente der kooperativen Demokratie sollen eine sachliche Diskussion der Teilnehmer über politische Entscheidungen ermöglichen. Sie können einen neuen Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft herbeiführen und zur Findung konsensorientierter Lösungen für kommunale Probleme beitragen. Die Gestaltungsmöglichkeiten für Instrumente der kooperativen Demokratie sind sehr vielfältig. Eines der bekanntesten Verfahren unter ihnen ist der Bürgerhaushalt, der den Bürgern die Mitwirkung bei der Haushaltsplanung der Kommune ermöglichen soll. Der Bürgerhaushalt hat den Anspruch, die Bürgerschaft so in den Ablauf der Haushaltsplanung einzubinden, dass diese in der Lage ist qualifiziert über das Thema zu diskutieren und sinnvolle Vorschläge zum Haushaltsplan zu unterbreiten. Damit ist der Bürgerhaushalt eines der anspruchsvollsten und aufwändigsten Beteiligungsinstrumente der kooperativen Demokratie. Diese Arbeit geht unter anderem der Frage nach, inwieweit die in Deutschland durchgeführten Bürgerhaushaltsverfahren zur Umsetzung der kooperativen Demokratie auf kommunaler Ebene beitragen konnten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verwaltungsmodernisierung und das Leitbild der Bürgerkommune - Hintergründe der Verbreitung des Bürgerhaushalts in Deutschland
- Kooperative Demokratie in der Bürgerkommune
- Der Bürgerhaushalt als Partizipationsinstrument
- Der Ursprung des Beteiligungshaushalts in Porto Alegre
- Die Verbreitung des Beteiligungshaushalts in der Welt
- Die Verbreitung des Bürgerhaushalts in Deutschland
- Der Beteiligungshaushalt von Christchurch als Vorbild deutscher Verfahren
- Das Grundmodell der deutschen Bürgerhaushaltsverfahren
- Modellprojekte zum Bürgerhaushalt in deutschen Kommunen
- Das Reformnetzwerk „Kommunen der Zukunft"
- Das Projekt „Kommunaler Bürgerhaushalt" in Nordrhein-Westfalen
- Das Projekt „Bürgerhaushalt in Großstädten"
- Deutsche Bürgerhaushaltsverfahren - Zwei Beispiele aus der Praxis
- Der Bürgerhaushalt 2007 in Berlin-Lichtenberg
- Die Vorgeschichte des Bürgerhaushalts von Lichtenberg
- Das Bürgerhaushaltsmodell von Berlin-Lichtenberg
- Die Ergebnisse des ersten Bürgerhaushaltsverfahrens in Lichtenberg
- Der Bürgerhaushalt von Köln
- Die Vorgeschichte des Kölner Bürgerhaushalts
- Das Bürgerhaushaltsmodell von Köln
- Die Ergebnisse des Bürgerhaushalts von Köln
- Vergleich der Bürgerhaushaltsverfahren von Berlin-Lichtenberg und Köln
- Vergleich der Ausgangsbedingungen in Berlin-Lichtenberg und in Köln
- Vergleich der Bürgerhaushaltsmodelle von Lichtenberg und Köln
- Vergleich der Resultate der Bürgerhaushaltsverfahren in Lichtenberg und Köln
- Der Bürgerhaushalt 2007 in Berlin-Lichtenberg
- Bewertung des Bürgerhaushalts als Beteiligungsinstrument
- Kritik am deutschen Bürgerhaushalt
- Die Stärken des Bürgerhaushalts
- Fazit und Ausblick
- Literatur- und Quellenverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit analysiert den Bürgerhaushalt als Instrument der kooperativen Demokratie, dargestellt an den Beispielen der Bürgerhaushaltsverfahren von Berlin-Lichtenberg und Köln. Die Arbeit untersucht die Hintergründe der Verbreitung des Bürgerhaushalts in Deutschland im Kontext der Verwaltungsmodernisierung und des Leitbildes der Bürgerkommune. Sie beleuchtet die Geschichte und Entwicklung des Bürgerhaushalts, insbesondere die Vorbilder Porto Alegre und Christchurch.
- Kooperative Demokratie und Bürgerkommune als Leitbild lokaler Demokratie
- Der Bürgerhaushalt als Instrument der Bürgerbeteiligung
- Die Entwicklung des Bürgerhaushalts in Deutschland
- Die Umsetzung des Bürgerhaushalts in der Praxis
- Bewertung des Bürgerhaushalts als Instrument der kooperativen Demokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der kooperativen Demokratie und die Bedeutung des Bürgerhaushalts als Instrument der Bürgerbeteiligung ein. Sie beleuchtet die Entwicklung des politischen Systems in Deutschland und die Herausforderungen, die sich aus der Globalisierung und der Finanzkrise für das demokratische System ergeben.
Kapitel 2 beleuchtet die Verwaltungsmodernisierung und das Leitbild der Bürgerkommune als Hintergründe der Verbreitung des Bürgerhaushalts in Deutschland. Es analysiert die Reformen des New Public Managements und das Neue Steuerungsmodell, die zur Reformierung der Kommunalverwaltungen führten.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit der kooperativen Demokratie als Grundlage des Leitbildes der Bürgerkommune. Es definiert den Begriff der kooperativen Demokratie und stellt die wichtigsten Instrumente der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene vor.
Kapitel 4 stellt das Partizipationsinstrument Bürgerhaushalt vor. Es beschreibt den Ursprung des Beteiligungshaushalts in Porto Alegre und zeichnet die Entwicklung und Verbreitung des Bürgerhaushalts in der Welt nach.
Kapitel 5 beleuchtet die Verbreitung des Bürgerhaushalts in Deutschland. Es beschreibt den Beteiligungshaushalt von Christchurch als Vorbild deutscher Verfahren und stellt das Grundmodell der deutschen Bürgerhaushaltsverfahren vor.
Kapitel 6 stellt die drei wichtigsten Modellprojekte zur Verbreitung des Bürgerhaushalts in Deutschland vor: „Kommunen der Zukunft", „Kommunaler Bürgerhaushalt" in Nordrhein-Westfalen und „Bürgerhaushalt in Großstädten".
Kapitel 7 vergleicht die Bürgerhaushaltsverfahren von Berlin-Lichtenberg und Köln. Es analysiert die Ausgangsbedingungen, die Gestaltung der Verfahren und die Ergebnisse der beiden Beispiele.
Kapitel 8 bewertet den Bürgerhaushalt als Instrument der kooperativen Demokratie. Es beleuchtet Kritikpunkte am Verfahren und stellt die Stärken des Bürgerhaushalts heraus.
Das Fazit fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf die Zukunft des Bürgerhaushalts in Deutschland.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die kooperative Demokratie, das Leitbild der Bürgerkommune, die Verwaltungsmodernisierung, den Bürgerhaushalt als Partizipationsinstrument, die Geschichte und Entwicklung des Bürgerhaushalts, das Modell von Porto Alegre, das Modell von Christchurch, die Umsetzung des Bürgerhaushalts in der Praxis, die Beispiele Berlin-Lichtenberg und Köln, die Bewertung des Bürgerhaushalts als Instrument der kooperativen Demokratie, die Stärken und Schwächen des Bürgerhaushalts, die Zukunft des Bürgerhaushalts in Deutschland.
- Citation du texte
- Denise Engel (Auteur), 2009, Der Bürgerhaushalt als Instrument der kooperativen Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133872