In keinem anderen Werk der höfischen Literatur wird der Erziehung und Ausbildung
des Protagonisten ein so breiter Raum eingeräumt, wie es Gottfried von Straßburg im
Tristan tut, der um 1210 entstanden ist.1 Allein diese Tatsache verlangt nach Erklärungen.
Warum legt Gottfried so großen Wert nicht nur auf die Erziehung seines Helden,
sondern auch auf die adäquate Bildung von dessen Geliebter?
Der Tristan bildet im Blick auf die Beschreibung von Erziehung den Höhepunkt in der
höfischen Literatur. Die Bildung, welche die beiden Protagonisten Tristan und Isolde
aufgrund ihrer Erziehung erlangt haben, spielt für den gesamten Handlungsverlauf eine
eminent wichtige Rolle.
Zunächst wird kurz der Bildungsbegriff des Mittelalters dargestellt, um von dem heutigen
Bildungsbegriff, der sich in vielerlei Hinsicht von dem des Mittelalters unterscheidet,
abzurücken. Denn die Übertragung der modernen Bildungsmaßstäbe auf das Mittelalter
muß unweigerlich zu Mißverständnissen und Brüchen in der Deutung des zu untersuchenden
Materials führen.
Um einen Eindruck von der Erziehung junger Adeliger im Hochmittelalter zu bekommen,
wird diese zunächst kurz skizziert, wobei zwischen Jungen- und Mädchenerziehung
unterschieden wird.
Es folgt die Erziehung Tristans, die mit seiner Schwertleite ihren Abschluß findet. Die
Schwertleite findet hier nur unter dem Gesichtspunkt als Schlußpunkt einer adeligen
Erziehung Beachtung. Die Besonderheiten der Beschreibung, die bei Gottfried zu finden
sind, wie z.B. der Literaturexkurs, werden beiseite gelassen, da ihre Analyse im Rahmen
dieser Arbeit zu weit führen würde.
Parallel zu der Schilderung der Ausbildung Tristans wird die Erziehung Isoldes beschrieben,
um im Anschluß wieder die Besonderheiten des Ausbildungsganges aufzuzeigen.
Eine besondere Rolle im Rahmen der Erziehung der beiden Protagonisten spielt die
Musik. Diese ist der Bereich, in dem Tristan und Isolde zu vollkommener Harmonie
gelangen. Aus diesem Grund widmet sich ein breiter Teil der Arbeit zunächst den musikalischen
Fähigkeiten der beiden, um dann detailliert die Rolle der Musik im Tristan
Gottfrieds zu beschreiben.
1 zum Problem der Datierung vgl.: Huber, Christoph: Gottfried von Straßburg: Tristan. Berlin 2000, S.
27-30.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zum Verhältnis von Bildung und Erziehung
- Höfische Erziehung im Hochmittelalter
- Zum Problem der Quellenlage
- Erziehung zum Ritter
- Erziehung zur frouwe
- Die Erziehung als Thema bei Gottfried
- Die Erziehung Tristans
- Die Schwertleite als Abschluß der Ausbildung
- Die Besonderheiten der Erziehung Tristans
- Last durch Bildung
- Die Erziehung Isoldes
- Isoldes Ausbildung vor der Begegnung mit Tristan
- Erziehung durch den Spielmann Tantris
- Die Rolle der morålireü
- Isoldes Ausbildung als Voraussetzung für ihre Exzeptionalität
- Die Folgen der Erziehung für Isolde und für Tristan
- Die Rolle der Musik
- Tristan und die Musik
- Isoldes musikalische Fähigkeiten
- Tristan und Isolde musizieren in der Minnegrotte
- Bewertung der Rolle der Musik im Tristan
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Erziehung der Protagonisten Tristan und Isolde in Gottfried von Straßburgs Tristan. Sie untersucht, wie die Bildung der beiden Figuren die Handlung des Romans beeinflusst und welche Rolle die Musik in diesem Zusammenhang spielt.
- Die Darstellung der höfischen Erziehung im Mittelalter
- Die Besonderheiten der Erziehung von Tristan und Isolde
- Die Bedeutung der Musik für die Entwicklung der Beziehung zwischen Tristan und Isolde
- Die Rolle der Bildung für die Gestaltung der Liebesgeschichte
- Die Kritik an den traditionellen Werten der höfischen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz des Themas der Erziehung im Tristan dar und erläutert die Forschungsfrage. Das zweite Kapitel widmet sich dem Bildungsbegriff des Mittelalters und seinen Unterschieden zum heutigen Verständnis. Im dritten Kapitel werden die verschiedenen Aspekte der höfischen Erziehung im Hochmittelalter, getrennt nach Jungen- und Mädchenerziehung, vorgestellt. Das vierte Kapitel beleuchtet die Besonderheiten der Darstellung der Erziehung in Gottfrieds Tristan. Die Kapitel fünf und sechs analysieren die Erziehung von Tristan und Isolde im Detail. Dabei wird insbesondere auf die außergewöhnliche Ausbildung der beiden Figuren und deren Auswirkungen auf die Handlung eingegangen. Das siebte Kapitel untersucht die Folgen der Erziehung für die Beziehung zwischen Tristan und Isolde. Das achte Kapitel widmet sich der besonderen Rolle der Musik im Tristan, die als Ausdruck der Harmonie und geistigen Vereinigung von Tristan und Isolde dargestellt wird.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die höfische Erziehung, die Bildung im Mittelalter, Tristan und Isolde, Gottfried von Straßburg, Musik, Liebe, Harmonie, höfische Gesellschaft, Rittertum, morålüeif und Exzeptionalität.
- Arbeit zitieren
- Evelyn Overhoff (Autor:in), 2001, Die Erziehung Tristans und Isoldes bei Gottfried von Straßburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13377
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