Diese Arbeit legt das Selbstverständnis des Sozialarbeiters, die Kriterien der Professionalisierung und das Spannungsfeld von Theorie und Praxis dar. Was ist denn nun das wirklich grundlegende und fundamentale, was die soziale Arbeit bzw. Sozialpädagogik im Alltag des Berufs in der praktischen Tätigkeit hat? Auf was könnte man ein gleichbleibendes Verstehen der sozialen Arbeit gründen? Welches Fachwissen ist grundlegend essenziell und welche Fähigkeiten benötigt der Sozialarbeiter in seiner Arbeit? Welche Eigenständigkeit sollte den Sozialarbeitern gegenüber den Normen der Gesellschaft und im Verhältnis gegenüber den tragenden verwaltenden Institutionen eingeräumt werden?
Jeder, der in der sozialen Arbeit tätig ist, hat zwar eine berufliche Identität in dem Sinne, dass ihm bewusst ist, was er macht, doch diese entspringt meist durch die eigenen Erfahrungen, die im Beruf gemacht wurden und den eigenen Vorstellungen von dem, was die berufliche Tätigkeit im sozialen Bereich leisten soll. Die Identität im Beruf des Sozialen variiert einerseits in der Stabilität und andererseits auch von Mitarbeiter zu Mitarbeiter. Auch innerhalb desselben Arbeitsfeldes kann es gravierende Unterschiede bezogen auf das Selbstverständnis der eigenen Arbeit geben und somit auch was die Praxis in diesem Berufsfeld angeht.
Inhalt
1. Einleitung – Einführung des Themas
2. Über den Professionalisierungsdiskurs in der sozialen Arbeit
2.1 Selbstverständnis des Sozialarbeiters
2.2 Spannung der sozialen Arbeit zwischen Theorie und Praxis
2.3 Professionalisierung soziale Arbeit
3. Fazit und Stellungnahme
Literaturverzeichnis
1. Einleitung – Einführung des Themas
Obwohl die Sozialarbeit einen sehr gut begründbaren historischen Verlauf für ihr Ansehen als Profession hat, wird ihr im Allgemeinen trotzdem noch sehr viel Misstrauen entgegengebracht. Es gibt keine einheitliche Meinung darüber, was denn die soziale Arbeit ist – also was sie ausrichten kann und soll; und zwar nicht nur innerhalb der ihr gegenüberstehenden und sie umgebenden Gesellschaft, sondern vor allem auch im Spektrum der sozialen Arbeit selbst (Heiner, 2004). Wenn man einen Blick auf den Professionalisierungsdiskurs und der Diskussion um die Positionierung wirft, merkt man schnell, dass es vor allem daran liegt, dass es denjenigen, die in der sozialen Arbeit tätig sind, an einheitlicher und grundlegender Identität in ihrem Beruf mangelt. (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe, 2001). Jeder, der in der sozialen Arbeit tätig ist, hat zwar eine berufliche Identität in dem Sinne, dass ihm bewusst ist, was er macht, doch diese entspringt meist durch die eigenen Erfahrungen, die im Beruf gemacht wurden und den eigenen Vorstellungen von dem, was die berufliche Tätigkeit im sozialen Bereich leisten soll. (Schweppe, 2006). Die Identität im Beruf des Sozialen variiert einerseits in der Stabilität und andererseits auch von Mitarbeiter zu Mitarbeiter. Auch innerhalb desselben Arbeitsfeldes kann es gravierende Unterschiede bezogen auf das Selbstverständnis der eigenen Arbeit geben und somit auch was die Praxis in diesem Berufsfeld angeht. (Heiner, 2004).
Was ist denn nun das wirklich grundlegende und fundamentale, was die soziale Arbeit bzw. Sozialpädagogik im Alltag des Berufs in der praktischen Tätigkeit hat? Auf was könnte man ein gleichbleibendes Verstehen der sozialen Arbeit gründen? Welches Fachwissen ist grundlegend essenziell und welche Fähigkeiten benötigt der Sozialarbeiter in seiner Arbeit? Welche Eigenständigkeit sollte den Sozialarbeitern gegenüber den Normen der Gesellschaft und im Verhältnis gegenüber den tragenden verwaltenden Institutionen eingeräumt werden? Viele dieser Fragen können bis heute nicht endgültig geklärt werden und haben außerdem auch noch keinen Einzug in die Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik gefunden, um sich kritisch mit der eigenen Tätigkeit auseinanderzusetzen. Es gibt also nicht nur kein gleichbleibendes Bewusstsein der eigenen Arbeit des Sozialarbeiters, sondern es gibt auch kein Nachdenken über die eigene Arbeit und die Möglichkeit sich selbst in einer professionellen Identität innerhalb der Ausbildung und Praxisarbeit zu sehen (Schweppe, 2006). Die Folge ist, dass ein gleichbleibender Arbeitsalltag und Habitus fehlt, also eine grundlegende professionelle gleichbleibende Handlungs- und Denkweise, welche eine konsequente reflexive Einstellung voraussetzt. Um dieses zu bekommen, bedarf es einer grundlegenden theoretischen Ausbildung und gleichzeitig eine Einübung dieser Ausbildung durch praktische Tätigkeiten, um es zu verinnerlichen. Aufgrund dieser Einübung und Verinnerlichung wird sie Teil des Bewusstseins und somit der Grundstein der eigenen Identität im Berufsalltag. Wenn es diesen Habitus im Arbeitsalltag nicht gibt, wird es auch nicht erreicht werden, dass die Arbeit im sozialen Bereich als Profession angesehen und dort angelangen wird.
Wenn die eigene Identität im Beruf durch das konstante Gleichbleiben und Reflexion nicht gegeben ist, bedeutet dies, dass man vor allem auch in der Praxis in Uneinigkeit darüber bleibt, welche Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt werden und - in der Folge - welche Ziele dadurch erreicht werden sollen (Heiner, 2004). Das bedeutet auch des Weiteren, dass die gesellschaftliche Position der Sozialarbeit inklusive ihren Möglichkeiten und endgültigen Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes, dem Mitarbeiter in seinem Arbeitsalltag überhaupt nicht bewusst ist. Diese Unwissenheit über die eigene berufliche Rolle des Sozialarbeiters führt diesen zu Unsicherheiten in seinem Alltag und den beruflichen Methoden, die er ausführen soll. Ist es die Aufgabe des Sozialarbeiters auf der Seite des Klienten zu stehen oder ist es eher der kontrollierende Aspekt, dass sich dieser an die Vorgaben der Gesellschaft hält, um ihn dann bei Nichteinhaltung dieser Normen und Zielen zu sanktionieren? Geht es dabei eher darum, dass man jemanden fremdbestimmt oder eher darum, dass man ihn ein Leben von Selbstbestimmung führt beziehungsweise diese wiederherstellt. Also soll es in der Tätigkeit der Sozialen Arbeit darum gehen, dass man den Einzelnen aufbaut oder darum, dass die Gesellschaft funktioniert - und wie kann man es erreichen, dass man beides in Einklang bringt? (Heiner, 2004) Ein gutes Beispiel wäre hierbei die Arbeit in einer Kindertagesstätte und dabei die richtige Erziehung von Kindern. Viele dieser Fragestellungen wurden lange debattiert, ohne dass es dabei zu einem Ergebnis kam, dass einen professionellen Umgang als Lösung brachte und die Sozialarbeiter wurden im Endeffekt mit der Lösung dieser Spannungsfelder alleine gelassen (Heiner, 2004). Weder die Wissenschaften, noch die Ausbildungsbetriebe und Einrichtungen der Sozialarbeit, haben sich in genügendem Maße um die Lösung dieser Probleme bemüht und stehen daher im Mittelpunkt dieser Kritikpunkte. Es kommt allerdings auch erschwerend hinzu, dass die Sozialarbeiter selbst der Professionalisierung ihres eigenen Berufsfeldes manchmal im Wege stehen, weil sie (vielleicht zurecht) befürchten, dass sie bei noch größerer Zusammenarbeit noch mehr in ihren Kompetenzen ihrer Handlungen beschnitten werden würden und es dann in der Folge mehr zur Steuerung von Fremden, wie beispielsweise den Kostenträgern o.ä., kommen würde (Heiner, 2004). Es gibt aber weitaus mehr Möglichkeiten für die Kooperation zwischen Sozialarbeitern und Institutionen.
Wenn sich die Sozialarbeiter nicht darüber im Klaren sind, was ihre Aufgabe in der Gesellschaft ist und was dies für eine Rolle für ihrer Arbeit spielt und wenn des Weiteren es nicht klar ist, wie diese Aufgabe professionell auszuführen ist, sodass sie einen maximalen Nutzen für das Gemeinwohl und das Individuum bringt, dann können die Sozialarbeiter auch kein gleichbleibendes Bild der sozialen Arbeit vermitteln und dies demzufolge auch nicht nach außen transportieren. Den Kostenträgern, der Gesellschaft und den Einzelnen ist es durch diese Problematiken einer unklaren Identität in der sozialen Arbeit oftmals verständlicherweise unklar, warum sie sich auf Ratschläge und Ausführungen von Sozialarbeitern einlassen sollten, um zur Lösung von Krisensituationen im sozialen Alltag zu gelangen und warum dies im Endeffekt zu besseren Lösungen und im Endeffekt zu einer besseres Gesellschaft führen soll.
Dieses besondere Problem erschwert den Sozialarbeitenden und Sozialpädagogen ihren Berufsalltag in allen sozialen Handlungsfeldern und dies vor allem in 2 Hinsichten: 1. Die soziale Arbeit kann nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorgehen und wird auch von den Menschen nicht so ernst genommen und 2. dadurch wird die Sozialarbeit auch nicht von der Allgemeinheit so unterstützt, wie es nötig wäre, um zu einem optimalen Ergebnis zu gelangen. Beide Problematiken verstärken sich dabei zusätzlich noch gegenseitig.
Diese Situation wird zurzeit im Zuge des Wechsels „[...] der gesellschaftlichen Leitvorstellungen hin zu neoliberalen, neokapitalistischen und neokonservativen Maximen [...]“ noch problematischer. Die Soziale Arbeit „sieht [...] sich radikal in Frage gestellt. Ihr begegnet nicht nur Gleichgültigkeit, sondern offensive Feindseligkeit: Sie erzeuge Probleme, um sie zu lösen, die sie dann aber doch nicht lösen könne, sie sei ungedeckt anspruchsvoll und stärke eine soziale Konsumorientierung [...]“ (Schweppe, 2006).
Im Folgenden werde ich das Selbstverständnis des Sozialarbeiters, die Kriterien der Professionalisierung und das Spannungsfeld von Theorie und Praxis darlegen. Im Anschluss werde ich ein persönliches Fazit ziehen.
2. Über den Professionalisierungsdiskurs in der sozialen Arbeit
2.1 Selbstverständnis des Sozialarbeiters
Die Übereinstimmung der Meinung in der Sozialarbeit, auf dessen Fundament sich die Professionalisierung Sozialer Arbeit erst wird vollziehen können, ergibt sich wie bereits einleitend angesprochen wurde, aus wissenschaftlicher Verortung und gesellschaftlicher Position, bzw. Funktion der Sozialen Arbeit. Die Handlungslogik leitet sich im Endeffekt aus der Beschreibung in diesem Kapitel her. Diese soll nochmal unter Verweis der Rolle des Sozialarbeitenden und einem dementsprechenden Selbstverständnis des Berufes zusammengefasst und schließlich als übereinstimmende Meinung in der Sozialarbeit formuliert werden.
Die Aufgabe der sozialen Arbeit ist es der Vermittler zwischen dem Leben des Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes zu sein, mit dem wissenschaftlichen Fokus auf die Sozialpädagogik und die Erziehungswissenschaften – man ist also ein Vermittler im Dienst der Menschen bzw. des Menschen und der Gesellschaft. Der Mensch benötigt oft Hilfe, um im System der Gesellschaft erfolgreich sein zu können, denn die Gesellschaft ist ein System, das sich unabhängig von Einzelschicksalen entwickelt und dabei gnadenlos aussortiert. Entwicklungschancen, sowie Chancen auf Autonomie, sind aufgrund von gesellschaftlichen Bedingungen, sowie (auch durch die Folgen der Gesellschaft) auch in der Primär- und Sekundärsozialisation und im Privaten, nicht für alle ebenbürtig und es sind nicht immer alle nötigen Ressourcen und Chancen zugänglich, die für ein eigenständiges und menschenwürdiges Leben nötig sind.
Die Aufgabe des Sozialarbeiters ist es nun den Einzelnen in seinem individuellen Lebensabschnitt abzuholen und zu erkennen und in Zusammenarbeit mit Diesem, spezifisch auf seinen Fall zugeschnittene Interventionen zu entwickeln, um demjenigen zu ermöglichen die verpassten und nicht ermöglichten Chancen nachzuholen, um ihn langsam auf das Niveau der Entwicklung zu bringen, wo er ohne diese verpassten Chancen wäre. Der Sozialarbeiter muss dabei stets sowohl die zu behebenden Defizite als auch vorhandene Ressourcen und Stärken, wie beispielsweise Ängste, Bedürfnisse, eigene Muster der Deutung und auch Wünsche des Adressaten sehen und verstehen können, und sich auch bewusst sein über verschiedene Wirkungen seiner eigenen Vorgehensweisen, sowie sich auch seinen eigenen Empfindungen bewusst sein, um die Eigenständigkeit des Klienten befördern zu können, um ihn nicht umgekehrt in ein Abhängigkeitsverhältnis mit sich zu bringen. In diesem Fall muss der Mitarbeiter auf bestimmtes wissenschaftliches Wissen aus verschiedenen anderen Disziplinen, sowie auf konkrete sozialpädagogische Regeln und Methoden zurückgreifen, deren direkte Anwendung aber andererseits in jedem Fall variieren können.
Alle diese Voraussetzungen und Handlungsschritte, die in dieser Arbeit benötigt werden, zeigen, dass die Ausbildung eines professionellen, reflektierenden Habitus für den Umgang mit den Adressaten, unbedingt erforderlich ist (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe, 2001); es müssen unbedingt folgende Dinge reflektiert und beachtet werden: 1. Eigene Deutungen und auch Vorurteile gegenüber Menschen müssen überdacht werden, um sich nicht in die Gefahr zu begeben dem Adressaten eigene oder andere bekannte Lösungen vorzuschlagen 2. Die Lage des Klienten inklusive der stattfindenden Intervention und Einmischung von Fremden als Hilfe, aber auch Kontrolle 3. die Wünsche des Klienten 4. Die eigenen Wünsche, wie sich die Lage des Adressaten entwickeln soll, um sie den Wünschen des Adressaten gegenüberzustellen und so eine Überschneidung und Zusammenarbeit zu finden 5. der Fall im Gesamten
Auch muss man immer wieder die Funktion der Sozialarbeit und auch die Erwartungen der Gesellschaft an die Funktion der sozialen Arbeit reflektieren und bedenken; vor allem mit dem Gedanken an das Leitbild von Partizipation (Teilhabe) und Gerechtigkeit und dem Ziel der Sozialarbeit der Eigenständigkeit und Befähigung des eigenen Lebens der Adressaten.
„Professionalität materialisiert sich gewissermaßen in einer spezifischen Qualität sozialpädagogischer Handlungspraxis, die eine Erhöhung von Handlungsoptionen, Chancenvervielfältigung und die Steigerung von Partizipations- und Zugangsmöglichkeiten auf Seiten der KlientInnen zur Folge hat.“ (Dewe/Otto, 2002).
Professionelle Soziale Arbeit ist somit zu verstehen:
„[A]ls ein Unterstützungsangebot für die Bewältigung lebenspraktischer Krisen, das keine perfekten Lösungen anzubieten hat, sondern die Fähigkeit des Klienten zur Problembearbeitung ergänzt [Herv. im Orig.]. Es kann warten bis man es braucht und achtet die Autonomie des Klienten hinsichtlich der Wege und Ziele der Problembearbeitung. Hier wird die in der professionellen Handlungslogik angelegte Selbstbeschränkung deutlich, die aus der Einsicht kommt, dass eine Inanspruchnahme professioneller Dienste immer nur ein Teil der Auseinandersetzung mit Problemsituationen, nie jedoch die ausschließliche Basis lebenspraktischer Handlungsentscheidungen sein kann. Ein derartiges Verständnis rückt die dialogische Seite der Professionalität in der sozialpädagogischen Klienten-Beziehung in den Vordergrund [...].“ (Dewe, 2001: 32)
Als einheitliche Definition der Sozialen Arbeit lässt sich schlussfolgernd zusammengefasst sagen: die individuelle, fallbezogene Vermittlung sowie Befähigung, die sowohl für die Aufrechterhaltung der Gesellschaft als Ganzes, als auch die Eigenständigkeit des Individuums zum Ziel hat. Die Rolle des Sozialarbeitenden ist also einerseits kontrollierend und zur Anpassung der Gesellschaft anleitend und andererseits helfend und an den Adressaten angepasst. Der Sozialarbeitende ist also offener und reflektierend handelnder Vermittler zwischen der Gesellschaft und Bedürfnissen des Individuums, er ist Förderer von Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung dort, wo es für den Rest der Gesellschaft förderlich ist und es keine Probleme gibt. Er versucht diesem Spagat der Aufgabe gerecht zu werden, indem er Zugang zu Ressourcen verschafft, durch sofortiges Einwirken auf den Klienten, aber auch durch die Beeinflussung dessen Lebensumwelt und auch nicht zuletzt vor allem durch professionelles Handeln auf weiteren gesellschaftlichen und sozialen Ebenen mit Hilfe von beispielsweise Institutionen wie dem Jugendamt. Entscheidend für den Erfolg von Interventionen in der Sozialarbeit ist dabei immer das Bemühen darum, ein.passendes Gleichgewicht zwischen der individuellen Lebenspraxis der Klienten und der Intervention herzustellen. Auf diesem Aufgaben- und Rollenverständnis kann dann auch ein gleichbleibendes professionelles berufliches Verständnis der eigenen Tätigkeit der Sozialarbeitenden begründet werden.
Im Folgenden wird es um die Wichtigkeit einer stabilen Identität im Berufsalltag der sozialen Arbeit gehen und das dies eins der wichtigsten Kritikpunkte ist. Zuvor muss aber im Hinblick der bisherigen Hausarbeit der Frage nach dem Grad des Bedarfs der Professionalisierung nachgegangen werden.
2.2 Spannung der sozialen Arbeit zwischen Theorie und Praxis
Die alltägliche Arbeit des Sozialarbeitenden, bei der versucht wird zwischen dem Individuum auf der einen Seite und der Gesellschaft als Ganzes auf der anderen Seite zu vermitteln, nennt man allgemein Fallbearbeitung bzw. Fallarbeit. Während dieser Fallarbeit ist es von enormer Bedeutung eine Beziehung zu dem Klienten aufzubauen und diesen zu motivieren, sowie verschiedene Informationen in der Zusammenarbeit mit dem Adressaten zu sammeln, um eine Deutung der Krise zu ermöglichen, mit der er gemeinsam mit dem Klienten mögliche Interventionen und Lösungsvorschläge erarbeitet.
In jedem Fall variiert dabei die Fallarbeit, denn die Probleme sind natürlich stets anders und so auch die Ressourcen, Wünsche, Persönlichkeit etc. Daraus resultiert natürlich auch, dass die Fälle nicht nach einer gleichbleibenden Technik oder einem Rezept, wie in einem Kochbuch abgearbeitet werden können, sondern dass jeder Fall seinen Variationen bedarf. Wir benötigen hier ein hermeneutisches Verständnis, das heißt einer Fähigkeit die Situation individuell auszulegen und somit sind gleichbleibende Methoden nicht möglich immer anzuwenden (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe, 2001). In anderen Berufsfeldern können Experten ihres Fachs, also in Berufen, die keine Fallarbeit erfordern, ihr konkretes Wissen anwenden; ihr Fachwissen also unmittelbar zur Bearbeitung ihrer Aufgabe übertragen - so z.B. der Mechatroniker, der Gerüstbauer, der Speditionskaufmann, der Schmuckschmied, der Pilot, der Techniker. Für diese und viele andere Berufe ist ein entsprechendes umfangreiches Fachwissen entscheidend für die Qualität ihrer Arbeit.
Professionelles handeln in der sozialen Arbeit zeichnet sich im Gegensatz dazu nicht dadurch aus, dass man sich strikt an Regeln und Techniken hält, sondern durch das individuelle Fallverständnis, für das der Sozialarbeitende ein wissenschaftlich fundiertes Wissen benötigt, dass durch seine individuelle Erfahrung und seine Sensibilität zur Auslegung der Situation ergänzt wird. Es werden also die Regeln der Wissenschaft nicht blind befolgt, sondern interpretiert, ausgenutzt und auf den Fall und seine Umstände angewendet (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe, 2001).
In Berufen, wo einzelne Fälle bearbeitet werden, werden Theorien, die erlernt wurden, auf die Praxis im Berufsalltag angewendet und es ist hierbei nicht ausreichend nur über das Fachwissen zu verfügen. Der Mitarbeiter muss außerdem über die Fähigkeit verfügen dieses Fachwissen im individuellen Fall zu reflektieren und es auf den Einzelfall übertragen und wenn nötig abändern zu können – das bedeutet man muss bei der Anwendung des Fachwissens in der Lage sein professionell vorzugehen: So z.B. der Allgemeinarzt, der Rechtsanwalt, der Psychotherapeut, der Pädagoge und Sozialarbeiter.
Routinen werden von Krisen unterschieden und da die soziale Arbeit für den Klienten Krisen bewältigen soll, ist dies weder für den Mitarbeiter, noch für den Klienten, mit gleichbleibenden Techniken und Handlungen machbar. Jede Fallarbeit in der sozialen Arbeit bedarf also einer entsprechenden Zusammenführung der Theorie und Praxis. In der Theorie lernt man, dass es für eine erfolgreiche Intervention eines Bündnisses des Sozialarbeitenden und des Klienten bedarf. Doch wie dieses Bündnis zustande kommt ist von Fall zu Fall verschieden und muss in der Praxis erreicht werden. Was nötig ist um diese immens wichtige Beziehungsarbeit zu leisten, erfährt der Sozialarbeitende erst, wenn er bereits mitten in dieser Beziehungsarbeit ist. Diese Tatsache konstituiert insofern einen Professionalisierungsbedarf, dass sie, wie bereits erläutert wurde, nur im Sinne professionellen Handelns entsprechend gehandhabt werden kann (Oevermann, 1996).
Man wendet eben nicht nur blind sein Wissen an, sondern man wendet es spezifisch auf den Fall und Kontext zugeschnitten an. Diese Umwandlung des Fachwissens ist eine eigene Leistung des in der Profession Mitarbeitenden, die anders ist, als eine Übersetzung von beispielsweise naturwissenschaftlichen Gesetzen zu einem Ergebnis wie in der Chemie, wo man vorher schon weiß, was passieren wird (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe, 2001).
Diese Transformation von Wissen zur spezifischen Fallarbeit ist gerade in der Sozialarbeit vonnöten und daher ist auch die Professionalisierung notwendig. Die große Frage ist aber, wie die benötigte Professionalisierung auch eine professionelle Umsetzung durchgehen kann. Dies kann nur erreicht werden, wenn der Sozialarbeiter dahingehend ausgebildet wird durch einen professionellen Arbeitsalltag diesen Umwandlungsprozess zu vollbringen. Der Sozialarbeitende muss in jeder Falllage, so ungewiss und plötzlich sie auch ist, in der Lage sein sein, Praxis- und Theoriewissen dementsprechend zu verbinden, dass er eine professionelle reflektierende Haltung erlangt, die es ihm ermöglicht den individuellen Fall individuell zu deuten und individuelle Lösungen zu entwickeln (hermeneutisches Verstehen). Diese Professionalität, die dann mit der Zeit entsteht, kann man dann als professionellen Habitus im Arbeitsalltag bezeichnen.
Die Leistungen in der sozialen Arbeit sieht man dann in den einzelnen pädagogischen und sozialen Prozessen der Adressaten. Die erzielte Qualität dieser Interventionen hängt aber zu einem sehr großen Teil von dem Fachwissen ab, dass die Mitarbeiter in diesem Moment praktisch umsetzen können (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe, 2001). Der Sozialarbeitende muss also während er praktisch tätig ist, gleichzeitig theoretisches Wissen anwenden können. Er muss ein Theoretiker sein, der in der Lage ist Hypothesen über den Fall zu bilden, kritisch zu hinterfragen und Informationen zu verwerten – er muss beobachten und forschen. Ist dieser Habitus letztendlich vorhanden, muss er diesen gezielt verfolgen, sodass ihm in der Praxis ausreichend professionelle Möglichkeiten zur Intervention zur Verfügung stehen, bei denen er die Wirkungen einschätzen kann. Demzufolge muss dieser Habitus aber auch inhaltlich auf dem Fachwissen der Sozialarbeit beruhen und nicht nur aus eigenen guten Erfahrungen im Bezug aus der Praxisarbeit mit Klienten bestehen, die in der Vergangenheit gut geklappt haben. Dieser Habitus muss im Allgemeinen für Sozialarbeitende gelten, sodass in der Ausbildung auch eine eigene Identität erlernt werden kann. Dies ist auf jeden Fall möglich und die soziale Arbeit hat also nicht nur den Bedarf der Professionalisierung, sondern es ist auch möglich diese durchzuführen.
2.3 Professionalisierung soziale Arbeit
Wie wir festgestellt haben ist die soziale Arbeit ein notwendiges System der Hilfe in der heutigen Gesellschaft. Sie hat den Arbeitsauftrag zwischen dem Individuum und der Gesellschaft Mittler zu sein, sodass beide Welten davon profitieren. Es wird versucht sich auf das Individuum zu konzentrieren, wobei aber immer beide Seiten berücksichtigt werden müssen. Es sind eben Menschen und nicht die Gesellschaft, die Hilfe brauchen, um Lebenskrisen in ihrem individuellen Leben zu überwinden oder einfach in die Gesellschaft integriert zu werden. Der Schwerpunkt der Praxis, die in der Mischung von Arbeit und Pädagogik entstand, ist, dass es die Befähigung zur Selbstständigkeit des Adressaten bewirken soll. Auch die Erziehungswissenschaft kommt dann in der Schlussfolgerung dort hinein. Die Soziale Arbeit ist interdisziplinär, denn sie besitzt unterschiedliche Handlungsfelder und Ebenen, wo eingegriffen wird, um zu einem erfolgreichen Ergebnis in der Arbeit zu gelangen. Was bedeutet dies nun aber für die Professionalisierung der sozialen Arbeit?
Der wichtigste Punkt bei der Professionalisierung der sozialen Arbeit ist, dass der Mitarbeiter professionell auf die verschiedenen Felder der Spannungen und auch auf die verschiedenen Parteien (Gesellschaft, Individuum, Kostenträger etc.) reagieren muss. Man kann es zusammenfassend ausdrücken als Vermögen diesen Spannungsfeldern kritisch und reflektierend zu begegnen, was man dann im Endeffekt als Habitualisierung des Konsenses der sozialen Arbeit bezeichnen kann. Die 3 grundlegenden Spannungsfelder, die dem Sozialarbeitenden dabei begegnen werden sind: Praxis und Theorie, Verhalten in der Rolle des Sozialarbeiters und gleichzeitig in der sozialen Rolle, sowie das Wissen, wie er die Intervention zielführend und professionell anwenden kann. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass der Mitarbeiter weiß, dass er Beziehungsarbeit mit dem Klienten leisten muss und er durch dieses Bündnis den Adressaten zu motivieren und zu einem fruchtbaren Ergebnis zu führen hat, soweit dies in seiner Macht steht. Er muss professionellen Abstand vom Klienten halten und die Abstinenz beachten. Außerdem muss er ein Gleichgewicht zwischen der Autonomie, der Individualität, der Lebensführung und der erfolgreichen Intervention erreichen. Bezogen auf die Spannung zwischen helfen und kontrollieren, muss der Sozialarbeitende stets sich selbst reflektieren, um nicht seine Autoritätsposition zu missbrauchen. Weiter muss er auch noch mit den zusammenarbeitenden Institutionen professionell zusammenarbeiten und diese Professionalität auch transportieren und durch klare Kommunikation Prozesse der Professionalisierung einleiten. Als Letztes muss er auch den Spagat vom Verhältnis von sozialer Arbeit und der Gesellschaft gut hinbekommen, indem er um die Position der sozialen Arbeit weiß und ihm die Notwendigkeiten und Funktionen bekannt sind. Er muss die politischen Vorgaben und Normen der Gesellschaft kennen und sie in seine Arbeitsprozesse mit einbeziehen, um dann mit genug Reflektion optimale Ergebnisse zu erzielen. Auch dieses Wissen und Vermögen ist dem übereinstimmenden Fachwissen der Sozialarbeit zuzuordnen. Es ist auch wichtig zu sagen, dass beim übereinstimmenden Fachwissen in der Sozialarbeit auch ein Verständnis der Interdisziplinarität gehört, denn sonst werden weder die Regeln der Abstinenz befolgt werden, noch Bedingungen der Gesellschaft kritisch zu hinterfragen sein. Ohne des notwendige Fachwissen der entsprechenden Disziplinen, wird man hier auch nicht zu den gewünschten Ergebnissen gelangen. Diese Übereinstimmung muss Fundament in der professionellen Sozialarbeit sein und allen weiteren Methoden und Ideen als Grundlage dienen. Des Weiteren muss jeder Sozialarbeitende dieses Fachwissen annehmen und praktisch erlernen, um einen Habitus in seinem Berufsalltag zu entwickeln, der ihm dann in der Folge professionelles und erfolgreiches Handeln ermöglicht. Wird sich dies in der Praxis und dem Denken der sozialen Arbeit etablieren, dann wird sie sich auch schrittweise professionalisieren und dann auch in der Folge den Mitarbeitern eine eigene Identität in ihrem Beruf verleihen.
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2021, Das Selbstverständnis des Sozialarbeiters und die Frage nach der Professionalisierung der Sozialen Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1333893
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