Der Forschungsschwerpunkt dieser Masterarbeit liegt auf der Analyse der Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen im Hinblick auf die Verteilung der Flächenangebote der Verkehrsarten fließender Kraftfahrzeugverkehr, Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Radverkehr, Fußverkehr und ruhender Pkw-Verkehr sowie weiteren ausgewählten straßenquerschnittsbestimmenden Nutzungen. Daraus ergibt sich folgende forschungsleitende Frage: Wie groß ist das Flächenangebot für die verschiedenen Nutzungen an Hauptverkehrsstraßen und gibt es Unterschiede in der Straßenquerschnittsgestaltung der Untersuchungsstädte?
Die Debatten um das Verkehrsflächenangebot an Hauptverkehrsstraßen haben sich in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund der durch die Bundesregierung erklärten Zielsetzung zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auch in der öffentlichen Auseinandersetzung verfestigt. Die heute bestehenden Zielvorgaben einer nachhaltigen Verkehrsplanung bestehen in Fachkreisen jedoch bereits seit den 1970er Jahren. Diese postuliert insbesondere ein adäquates Verkehrsangebot zu Gunsten umweltverträglicher Verkehrsträger. Diese Masterarbeit untersucht mittels einer quantitativen Analyse des Verkehrsangebotes an Hauptverkehrsstraßen, inwiefern sich diese Vorsätze im Straßenquerschnitt manifestieren. Dabei wird die Straßenquerschnittsgestaltung von acht deutschen Städten, die im Rahmen eines Forschungsprojektes der Technischen Universität Dortmund ausgewählt wurden, miteinander verglichen.
Mit der durchgeführten sekundärstatischen Datenanalyse können nur bedingt Aussagen zur Verteilung des Verkehrsangebotes an Hauptverkehrsstraßen getroffen werden. Dies liegt zum einen an der grundsätzlichen Komplexität des Straßenentwurfes der untersuchten Straßen, die per se die Qualität einer quantitativen Studie einschränken, und zum anderen an den Auswertungsmöglichkeiten bezüglich der Datengrundlage.
Trotzdem ist eine Vorgehensweise entwickelt worden, die Gestaltung der Straßenquerschnitte an Hauptverkehrsstraßen in den Untersuchungsstädten vergleichend zu analysieren. Dabei konnten wesentliche Unterschiede herausgestellt werden. Zusätzlich wurde jedoch auch die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung eines jeden Straßenzuges unterstrichen, die in weiteren Forschungsarbeiten berücksichtigt werden sollte.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Entwicklung der Forschungsfrage
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen 6
2.1 Begriffsdefinitionen
2.2 Historisches Erbe der Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen
2.3 Die Hauptverkehrsstraße innerhalb der Systematik der RIN und der RASt
2.4 Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen
2.4.1 Grundsätze und Zielsetzung
2.4.2 Entwurfsprinzipien
2.4.3 Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter
2.4.4 Typische Entwurfssituationen
2.5 Zwischenfazit
3 Forschungsdesign
3.1 Datenerhebungstechnik
3.2 Möglichkeiten und Grenzen der Datengrundlage
3.2.1 Beschreibung des Datensatzes
3.2.2 Datenbereinigung
3.2.3 Umgang mit Problematiken des Datensatzes
3.2.4 Schlussfolgerungen für die Datenauswertung
3.3 Datenauswertungstechnik
3.4 Kritische Betrachtung der Methodik
4 Vorstellung der untersuchten Städte 49
5 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse 60
5.1 Straßenquerschnittsbreiten an Hauptverkehrsstraßen im Städtevergleich
5.2 Relative Verteilung der Nutzungsangebote an Hauptverkehrsstraßen im Städtevergleich
5.2.1 Vorbemerkung
5.2.2 Relative Verteilung der Nutzungsangebote - eine Gesamtsicht
5.2.3 Relative Verteilung der Nutzungsangebote in Abhängigkeit der Breitenklasse
5.3 Durchschnittliche Breite der Nutzungsangebote für den Fuß- und Radverkehr an Hauptverkehrsstraßen im Städtevergleich
6 Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse 92
6.1 Charakteristika der Straßenquerschnittsgestaltung in den Untersuchungsstädten
6.1.1 Straßenquerschnittsgestaltung in Alfter
6.1.2 Straßenquerschnittsgestaltung in Darmstadt
6.1.3 Straßenquerschnittsgestaltung in Leverkusen
6.1.4 Straßenquerschnittsgestaltung in Freiburg
6.1.5 Straßenquerschnittsgestaltung in Mönchengladbach
6.1.6 Straßenquerschnittsgestaltung in Münster
6.1.7 Straßenquerschnittsgestaltung in Bonn
6.1.8 Straßenquerschnittsgestaltung in Dortmund
6.2 Vereinbarkeit mit den Entwurfsprinzipien der Gestaltung von HVS
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang I
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Abbildung 2: Die immateriellen Ansprüche an den Stra ß e n ra u m
Abbildung 3: Verknüpfungsmatrix zur Ableitung der Verkehrswegekategorien für den Kfz- Verkehr
Abbildung 4: Zuordnung der Typischen Entwurfssituationen zu Straßenkategorien
Abbildung 5: Typische Entwurfssituationen
Abbildung 6: 2 Wege des Entwurfsvorgangs
Abbildung 7: Regelbreite eines Seitenraums
Abbildung 8: Grundmaße für die Verkehrsräume und lichten Räume des Radverkehrs
Abbildung 9: Breitenmaße von Radverkehrsanlagen und Sicherheitstrennstreifen
Abbildung 10: Beispiele der Bemessung von Verkehrsräumen und lichten Räumen beim Begegnen, Nebeneinanderfahren und Vorbeifahren
Abbildung 11: Grundmaße für Verkehrsräume und lichte Räume von Straßenbahnen mit maximaler Fahrzeugbreite und Grundmaße von Linienbussen mit maximaler Fahrzeugbreite
Abbildung 12: Abmessung von Parkständen und Flächenbedarf für Pkw im Straßenraum nach Aufstellart
Abbildung 13: Schritte für die Ermittlung des empfohlenen Querschnitts
Abbildung 14: Forschungsdesign
Abbildung 15: Abschnittsbildung bei Erhebungsrouten
Abbildung 16: Lage der Untersuchungsstädte
Abbildung 17: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Alfter
Abbildung 18: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Darmstadt
Abbildung 19: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Leverkusen
Abbildung 20: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Freiburg
Abbildung 21: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Mönchengladbach
Abbildung 22: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Münster
Abbildung 23: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Bo n n
Abbildung 24: Lage der untersuchten Hauptverkehrsstraßen in Dortmund
Abbildung 25: Durchschnittliche Straßenquerschnittsbreite
Abbildung 26: Relative Häufigkeitsverteilung der Straßenquerschnittsbreiten in den Breitenklassen
Abbildung 27: Relative Häufigkeitsverteilung der Breitenklassen in den Untersuchungsstädten
Abbildung 28: Relative Flächennutzungsverteilung des durchschnittlichen Beispielquerschnittes im Städtevergleich
Abbildung 29: Durchschnittliche Flächennutzungsaufteilung. Bezogen auf die ermittelte Durchschnittsbreite des Straßenquerschnitts
Abbildung 30: Durchschnittliches relatives Flächenangebot für Gehwege der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 31: Durchschnittliches relatives Flächenangebot für gemeinsame Geh- und Radwege der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 32: Durchschnittliches relatives Radverkehrsflächenangebot der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 33: Durchschnittliches relatives Flächenangebot für den Kfz-Verkehr der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 34: Durchschnittliches relatives Flächenangebot für Straßenbahnspuren der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 35: Durchschnittliches relatives Parkflächenangebot der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 36: Durchschnittliches relatives Flächenangebot für Grünstreifen der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Abbildung 37: Durchschnittliches relatives Flächenangebot für Trennstreifen der Richtungsfahrbahnen der jeweiligen Straßenraumbreitenklasse im Städtevergleich
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Typische Entwurfssituation und relativer Anteil der spezifischen Flächenangebote für die einzelnen Nutzungen im Straßenquerschnitt
Tabelle 2: Vorstellung des Datensatzes
Tabelle 3: Übersicht der Streckenanteile, die aus dem Datensatz ausgeschlossen wurden sowie prozentualer Anteil dieser vom verbleibenden Gesamtstreckennetz
Tabelle 4: Basisdaten der Untersuchungsstädte. Sortiert nach Einwohnerzahlen in aufsteigender Reihenfolge
Tabelle 5: Übersicht der erhobenen Streckenabschnitte und Knotenpunkte
Tabelle 6: Streckenlänge der untersuchten HVS nach Breitenklassen im Städtevergleich
Tabelle 7: Durchschnittliche ermittelte und gemessene Breite des Straßenquerschnitts im Vergleich
Tabelle 8: Mittlere absolute Abweichung der ermittelten und gemessenen Breite im Städtevergleich
Tabelle 9: Mittlere absolute Abweichung der relativen Flächenangebote für Gehwege sowie gemeinsame Geh- und Radwege vom Mittelwert
Tabelle 10: Mittlere absolute Abweichung des relativen Radverkehrsflächenangebot vom Mittelwert
Tabelle 11: Mittlere absolute Abweichung des relativen Flächenangebotes für den Kfz-Verkehr vom Mittelwert
Tabelle 12: Mittlere absolute Abweichung des relativen Flächenangebotes für Straßenbahnspuren vom Mittelwert
Tabelle 13: Mittlere absolute Abweichung des relativen Parkflächenangebotes vom Mittelwert
Tabelle 14: Mittlere absolute Abweichung des relativen Flächenangebotes für Grünstreifen sowie Trennstreifen der Richtungsfahrbahnen vom Mittelwert
Tabelle 15: Durchschnittliche Gehwegbreite in den Breitenklassen im Städtevergleich sowie durchschnittliche Abweichung vom Richtwert der RASt in %
Tabelle 16: Durchschnittliche Breite gemeinsamer Geh- und Radwege in den Breitenklassen im Städtevergleich sowie durchschnittliche Abweichung vom Richtwert der RASt
Tabelle 17: Durchschnittliche Breite der Nutzungsangebote für den Radverkehr in den Breitenklassen im Städtevergleich sowie durchschnittliche Abweichung vom Richtwert der RASt
Tabelle 18: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Alfter
Tabelle 19: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Darmstadt
Tabelle 20: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Leverkusen
Tabelle 21: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Freiburg
Tabelle 22: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Mönchengladbach
Tabelle 23: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Münster
Tabelle 24: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Bonn
Tabelle 25: Durchschnittliches Flächennutzungsangebot in Dortmund
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassung
Die Debatten um die Flächenverteilung an Hauptverkehrsstraßen und damit die Gestaltung der Straßenquerschnitte haben sich in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund der durch die Bundesregierung erklärten Zielsetzung zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auch in der öffentlichen Auseinandersetzung verfestigt. Die heute bestehenden Zielvorgaben einer nachhaltigen Verkehrsplanung bestehen in Fachkreisen jedoch bereits seit den 1970er Jahren. Diese postuliert insbesondere die Schaffung eines adäquaten und gleichberechtigten Verkehrsangebotes für alle Verkehrsteilnehmenden durch die Neuaufteilung des Straßenquerschnittes zugunsten umweltverträglicher Verkehrsträger gegenüber dem motorisierten Individualverkehr. Diese Masterarbeit untersucht mittels einer quantitativen Analyse des Verkehrsangebotes an Hauptverkehrsstraßen, inwiefern sich diese Vorsätze im Straßenquerschnitt manifestieren. Dabei wird die Straßenquerschnittsgestaltung von acht deutschen Städten, die im Rahmen eines Forschungsprojektes der Technischen Universität Dortmund ausgewählt wurden, miteinander verglichen.
Mit der durchgeführten sekundärstatischen Datenanalyse können nur bedingt Aussagen zur Verteilung des Verkehrsangebotes an Hauptverkehrsstraßen getroffen werden. Dies liegt zum einen an der grundsätzlichen Komplexität des Straßenentwurfes an Hauptverkehrsstraßen, die per se die Qualität einer quantitativen Studie einschränken, und zum anderen an den Auswertungsmöglichkeiten bezüglich der Datengrundlage.
Trotzdem ist eine Vorgehensweise entwickelt worden, die Gestaltung der Straßenquerschnitte an Hauptverkehrsstraßen in den Untersuchungsstädten vergleichend zu analysieren. Dabei konnten durchaus Unterschiede festgestellt werden. Zusätzlich wurde jedoch auch die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung eines jeden Straßenzuges unterstrichen, die in weiteren Forschungsarbeiten berücksichtigt werden sollte.
Abstract
The debates about the area distribution on major urban streets and thus the arrangement of street space have become more entrenched in recent years. Both in the public dispute and because of the federal government's declared goal of reducing greenhouse gas emissions in the transport sector. However, the targets for sustainable transportation planning that exist today have existed in professional circles since the 1970s. That postulates in particular the creation of an adequate and equal infrastructure for all users and uses by redistributing the street space in favor of environmentally compatible modes of transport over motorized individual transport. This master thesis investigates by means of a quantitative analysis of the infrastructure on main streets the extent to which these intentions are manifested in the street space. The study compares the arrangement of street space of eight German cities which have been selected within the framework of a research project of the Technical University of Dortmund.
With the secondary statistical data analysis that has been conducted, only limited conclusions can be drawn about the arrangement of the street space on major urban streets. This is due to the fundamental complexity of urban street design, which per se limits the quality of a quantitative study. Another reason are the limited evaluation possibilities regarding the data basis.
Nevertheless, an approach has been developed to comparatively analyze the arrangement of street space on major urban streets in the chosen cities. In addition, however, the need for a differentiated view of each part of the street was also emphasized and should be considered in further research.
Vorwort
Das Thema der vorliegenden Masterarbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Wirksamkeit strategischer Verkehrsplanung und Verkehrspolitik - Wie groß ist der Wendekreis der Verkehrswende“ der Fachgebiete Verkehrsplanung und Verkehrspolitik und Europäische Planungskulturen der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund. Gemeinsam mit meinem Betreue Prof. Dr. Holz-Rau, der gleichzeitig der Projektleiter des Forschungsprojektes ist, entwickelte ich den Untersuchungsschwerpunkt der Arbeit. Dieser liegt auf der Auswertung eines Datensatzes zur Verkehrsinfrastruktur an Hauptverkehrsstraßen in ausgewählten deutschen Städten, der zum Zwecke des Forschungsprojektes erhoben wurde. Der Datensatz wurde mir Ende Juli 2020 zur Verfügung gestellt. Im Kontext des Forschungsprojektes habe ich Ende Juli sowie im August zusätzlich Daten zur Verkehrsinfrastruktur in Darmstadt erfasst. Dabei wurde ich von Gregor Korte unterstützt, dem an dieser Stelle mein Dank gilt.
Die Auswertung des Datensatzes hinsichtlich der Forschungsfrage gestaltete sich im weiteren Arbeitsprozess als schwierig, sodass ich die ursprünglich geplante Vorgehensweise der Datenauswertung anpassen musste. Während des Arbeitsprozesses wurde ich von meinem Betreuer Herrn Prof. Dr. HolzRau sowie meiner Betreuerin Prof. Dr. Levin-Keitel mit wertvollen Tipps unterstützt. Wenn Fragen auftauchten, war Herr Prof. Dr. Holz-Rau stets erreichbar und konnte mir weiterhelfen. Insbesondere möchte ich mich für das mir entgegengebrachte Verständnis und die Anteilnahme an meiner persönlichen Situation, durch die sich die Bearbeitungszeit meiner Arbeit wesentlich verlängert hat, herzlichst bedanken. Dies ist nicht selbstverständlich und war für das Gelingen meiner Masterarbeit von großer Bedeutung.
Ebenso möchte ich mich auch für den Rückhalt und die Unterstützung meiner lieben Mutter, meiner Freunde sowie meines Arbeitsgebers bedanken, die mir in dieser schwierigen Zeit ihr Vertrauen geschenkt haben sowie Zuversicht und Kraft gaben. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle meinen lieben Korrekturleserinnen, Ratgeberinnen und Freundinnen Sabine, Mareike, Jana und Lisa.
Die schwere Krankheit meines Vaters hat mich auf der einen Seite an meine Grenzen gebracht, auf der anderen Seite aber auch bestärkt, diese Masterarbeit zu beenden. So widme ich diese Arbeit meinem lieben Papa. Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber überall dort, wo ich bin.
1 Einführung
Der Verkehrssektor ist in Deutschland für insgesamt 20 Prozent des CO 2 -Ausstoßes und damit für den drittgrößten Anteil an Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dazu trägt mit fast 60 % insbesondere der Pkw-Verkehr bei (BMU 2020, S. 36). So ist die Reduktion von Treibhausgasemissionen im Mobili- täts- und Verkehrssektor ein wesentlicher Bestandteil zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung. Die konkrete Zielsetzung wurde im Nachgang an die Klimaschutzkonferenz 2015 in Paris durch die Bundesregierung mit der Reduktion der Treibhausgasemission um 40-42 % im Verkehrssektor gegenüber 1990 festgesetzt (BMU 2016, S. 8.). Doch noch immer fließt der größte Teil der für die Verkehrsinfrastruktur bestimmten Bundesmittel in die Verbesserung des Kfz-Verkehrsangebotes, während der Pkw-Verkehr gegenüber 1990 kontinuierlich zunimmt und das Auto das bestimmende Verkehrsmittel der Deutschen bleibt (MID 2017, S. 4; Holz-Rau 2018, S. 128; BMU 2020, S. 36; BMVI 2021a).
1.1 Problemstellung
Kritische Stimmen an der hegemonialen Dominanz des Autos gibt es nicht erst seit der Klimaschutzkonferenz. So wurde bereits zu Beginn der 1970er Jahre vermehrt Kritik an der bis dato eher technischen Ausrichtung der Verkehrsplanung unter dem Leitbild der „autogerechten Stadt“ geäußert. Die zunehmende Abgas- sowie Lärmbelastung der Städte durch den Kfz-Verkehr führte dazu, dass ein Umdenken in der Verkehrspolitik und Verkehrsplanung stattfand. Die einseitige Ausrichtung der Verkehrsplanung zugunsten des motorisierten Verkehrs sollte durch die Schaffung eines adäquaten Infrastrukturangebotes für eine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmenden ersetzt werden. Zusätzlich bestand damals die Auffassung, dass das Verkehrsangebot in Städten die Verkehrsnachfrage maßgeblich beeinflussen kann. Diese Annahme ist seitdem und bis heute wesentlicher Bestandteil der Verkehrsforschung und Verkehrsplanung (Holz-Rau und Zimmermann o.J., S. 6; FGSV 2013a; Holz-Rau 2018). So wurden seither zahlreiche Verkehrsentwicklungspläne (VEP) von Städten, Kommunen sowie Regionen beschlossen, in denen die verkehrspolitischen Ziele und Maßnahmen für die kommenden 10 bis 15 Jahre definiert werden. Unter den Begriffen einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung oder dem Slogan der „Verkehrswende“ werden mittels der VEP mitunter die strategischen Ziele der Verkehrsvermeidung, der Verkehrsverlagerung sowie der verträglichen Abwicklung verfolgt (Gertz et al. 2018, S. 313; Planersocietät 2018, S. 15; Holz-Rau und Zimmermann o.J., S. 3).
Der Wirksamkeit der erstellten Verkehrsentwicklungspläne wird im Allgemeinen jedoch wenig Beachtung geschenkt. Wenn überhaupt wird diese anhand des Modal Splits evaluiert. Es bleibt weitestgehend unerforscht, wie sich das Verkehrsangebot der Städte genau manifestiert und wie sich die Gestaltung des Straßenraums der Städte untereinander unterscheidet (Holz-Rau und Zimmermann o.J., S. 6).
Das Forschungsprojekt „Wirksamkeit strategischer Verkehrsplanung und Verkehrspolitik - Wie groß ist der Wendekreis der Verkehrswende“ der Fachgebiete Verkehrsplanung und Verkehrspolitik und Europäische Planungskulturen der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität (TU) Dortmund knüpft an dieser Forschungslücke an. Das Forschungsvorhaben untersucht die Erfolge und Misserfolge der Verkehrsplanung und -politik der letzten Jahrzehnte. Dazu werden fünf ausgewählte deutsche Städte sowie fünf Städte aus dem Ausland, die als Vorreiter für eine nachhaltige Verkehrsplanung gelten, sowie fünf weitere deutsche Städte, die noch am Anfang stehen, hinsichtlich ihrer Wirkung der verkehrsplanerischen Zielsetzungen geprüft und vergleichend betrachtet (FG VPL 2020). In diesem Zusammenhang wird die Forschungsfrage dieser Masterarbeit entwickelt.
1.2 Entwicklung der Forschungsfrage
Die Vormachtstellung des Autos wird insbesondere am Straßenbild von innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen deutlich, deren Flächenangebote den Pkw-Verkehr zusätzlich verstärken (ILS 1998, S. 32; Planersocietät 2018, S. 11). Doch Hauptverkehrsstraßen (HVS) dienen nicht alleine der Erfüllung der Anforderungen des Kfz-Verkehrs, sondern haben zusätzlich „eine große öffentliche und städtebauliche, verkehrliche und wirtschaftliche Bedeutung“ (Arndt et al. 2015; S. 7). Eine wichtige Aufgabe zur Verwirklichung der verkehrspolitischen Zielsetzungen ist es demnach, die Verkehrsflächen an HVS zugunsten des Umweltverbundes neu aufzuteilen (Gertz et al. 2018, S. 306-307).
Die Gestaltung der Straßen bewegt sich demnach in besonderem Maße im Spannungsfeld der gleichzeitigen Erfüllung verschiedenster Funktionen mit unterschiedlichen Nutzungsansprüchen. Dazu zählen beispielsweise hohe Aufenthaltsqualitäten sowie sichere Querungsmöglichkeiten für den Fußverkehr, ein störungsarmer Ablauf des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), eine hohe Wohnumfeldqualität für Anwohner, ein leistungsfähiges Straßennetz für den MIV, gute Erreichbarkeiten und Parkmöglichkeiten für den Lieferverkehr, eine sichere und möglichst umwegfreie Radverkehrsinfrastruktur sowie nicht zuletzt die Barrierefreiheit (Arndt et al. 2015; FGSV 2006, S. 16).
Diese Anforderungen stehen sich nicht konfliktfrei gegenüber und müssen in komplexen Entwurfssituationen in Einklang gebracht werden, um das Konfliktpotenzial an Hauptverkehrsstraßen auf ein Minimum zu reduzieren, die Akzeptanz der Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Historisch bedingte beengte Verhältnisse im Straßenraum erfordern heute in der Regel planerische Abwägungsprozesse dieser Nutzungsansprüche, was wiederum zu Kompromissen in der Flächenzuweisung der einzelnen Nutzungen führt (Steierwald 2005, S. 534; vgl. Arndt et al. 2015). Auch in der geltenden Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) werden zwar typische, anzustrebende Entwurfssituationen in der Planung des Straßenraums beschrieben, gleichzeitig wird jedoch auf die Schwierigkeit der Flächenzuweisung in der Entwurfspraxis aufgrund häufiger „Besonderheiten des Einzelfalles“ verwiesen (FGSV 2006, S. 14). In der RASt wird zur Verdeutlichung des situativen Handlungsspielraums der Städte und Kommunen der Planung des Verkehrsangebotes folgende Formulierung angewendet: so sollen die zu „[entwickelnden] Lösung[en] [den] spezifischen Anforderungen der Entwurfsaufgabe nachweislich besser gerecht [werden]“ (FGSV 2006, S. 14). Damit wird den zuständigen Akteuren (i.d.R. Städte und Kommunen) ein hohes Maß an eigenverantwortlichem Handeln zugesprochen sowie die Fähigkeit zwischen verschiedenen Nutzungsansprüchen umfassend abwägen und im Sinne der Gemeinschaft agieren zu können. Schlussendlich sind die Entscheidungen der Städte und Kommunen somit auch politische Entscheidungen.
In dieser Masterarbeit wird dieser Aspekt aufgegriffen. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Analyse der Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen im Hinblick auf die Verteilung der Flächenangebote der Verkehrsarten fließender Kraftfahrzeugverkehr, Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Radverkehr, Fußverkehr und ruhender Pkw-Verkehr sowie weiteren ausgewählten straßenquerschnittsbestimmenden Nutzungen. Daraus ergibt sich folgende forschungsleitende Frage:
Wie groß ist das Flächenangebot für die verschiedenen Nutzungen an Hauptverkehrsstraßen und gibt es Unterschiede in der Straßenquerschnittsgestaltung der Untersuchungsstädte?
Dafür werden die Ansprüche der oben genannten Verkehrsarten und der straßenquerschnittsbestimmenden Nutzungen an ihren Straßenraum herausgearbeitet. Es soll untersucht werden, wie viel Fläche diesen zur Verfügung gestellt wird und ob diese Flächen die Anforderungen der einschlägigen Regelwerke der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) erfüllen. Das Forschungsinteresse wird durch folgende Teilfragen erschlossen:
- Wie gestaltet sich die Verteilung des Flächenangebotes von Hauptverkehrsstraßen?
- Welchen Nutzungsangeboten wird wie viel Raum eingeräumt und lassen sich Raumnutzungsvorteile für die eine oder andere Nutzung identifizieren?
- Welche Unterschiede lassen sich im Städtevergleich feststellen?
- Lassen sich charakteristische Raum- und Verkehrsangebote in den Städten feststellen?
- Inwieweit werden die Entwurfsprinzipien der Regelwerke beachtet?
Aufgrund der Einbettung dieser Masterarbeit in das Forschungsprojekt der TU Dortmund erfolgt die Untersuchung des Verkehrsangebotes an Hauptverkehrsstraßen in folgenden, durch das Projekt festgelegten deutschen Städten: Alfter, Bonn, Darmstadt, Dortmund, Freiburg, Leverkusen, Mönchengladbach und Münster.
1.3 Aufbau der Arbeit
Im ersten Teil dieser Arbeit werden die Grundlagen der Straßenquerschnittsgestaltung von Hauptverkehrsstraßen vorgestellt. Dazu werden zunächst die zum Verständnis dieser Masterarbeit relevanten Begriffe definiert. Danach folgt ein kurzer Abriss der Genese von Hauptverkehrsstraßen in deutschen Städten sowie eine Erläuterung der Grundlagen des Straßenentwurfs.
Im dritten Kapitel wird das Forschungsdesign skizziert. Dabei liegt der Fokus auf der Beschreibung der verwendeten Datengrundlage sowie der Erörterung damit zusammenhängender Problematiken hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten für die Forschungsfrage.
Daraufhin erfolgt in Kapitel vier eine kurze Vorstellung der raumstrukturellen Merkmale, der in dieser Masterarbeit untersuchten Städte.
Das fünfte Kapitel widmet sich der Darstellung und Interpretation der Ergebnisse der Datenauswertung. Die Hauptverkehrsstraßen der Untersuchungsstädte werden in Bezug auf ihr Flächenangebot der einzelnen Nutzungen städtevergleichend analysiert.
Im Anschluss daran erfolgt in Kapitel fünf die Zusammenführung und die kritische Diskussion der Ergebnisse hinsichtlich der Forschungsfrage.
Im sechsten Kapitel werden in einem Fazit wesentliche Erkenntnisse dargestellt und ein Ausblick auf zukünftige Forschung gegeben.
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2 Theoretische Grundlagen
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten Grundlagen im Zusammenhang mit Hauptverkehrsstraßen in deutschen Städten. Dazu gehören die Definition, die historische Entwicklung sowie die Gestaltung nach den maßgeblichen Regelwerken.
2.1 Begriffsdefinitionen
Der Arbeitstitel dieser Masterarbeit beinhaltet folgende Begrifflichkeiten: „Stadt“, „Straßenquerschnittsgestaltung“ sowie „Hauptverkehrsstraße“. Diese werden im Folgenden definiert.
Stadt
Der Begriff „Stadt“ wird innerhalb verschiedener Diskurse unterschiedlich definiert. Das führt dazu, dass eine Gebietskörperschaft in einem Diskurs als Stadt bezeichnet werden kann und in einem anderen Zusammenhang als Gemeinde. An dieser Stelle werden zwei Definitionen vorgestellt, die für diese Arbeit maßgeblich sind. Zum einen kann der Stadtbegriff nach den Raumabgrenzungen in Deutschland definiert werden, zum anderen kann dieser rechtlich verankert werden.
Innerhalb der raumstrukturellen Abgrenzungen teilt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung die Gebietskörperschaften in bestimmte Stadt- und Gemeindetypen ein: Landgemeinden, Kleinstädte, Mittelstädte und Großstädte. Die Einteilung orientiert sich an der Größe der Gemeinde (Bevölkerungszahl) sowie ihrer zentralörtlichen Funktion innerhalb des Gemeindeverbandes. Eine Gemeinde wird als Stadt bezeichnet, sobald sie mindestens grundzentrale Funktionen besitzt oder mindestens 5.000 Einwohner hat. Innerhalb der Gruppe der Städte erfolgt eine Unterteilung in Kleinstädte (5.000 bis 20.000 Einwohner oder mindestens grundzentraler Funktion) Mittelstädte (20.000 bis 100.000 Einwohner oder mindestens mittelzentraler Funktion) und Großstädte (über 100.000 Einwohner oder mindestens oberzentraler Funktion) (BBSR 2020).
Die rechtliche Bezeichnung als Stadt, mit der bestimmte Rechte und Pflichten einhergehen, wird in den Gemeindeordnungen der Länder geregelt. In Nordrhein-Westfalen führen beispielsweise alle Gemeinden „.die Bezeichnung „Stadt“, denen diese Bezeichnung nach dem bisherigen Recht zusteht. Sobald eine Gemeinde als Mittlere kreisangehörige Stadt zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen hat, führt sie unabhängig von der künftigen Einwohnerentwicklung die Bezeichnung „Stadt“ “ (§ 13 Abs. 2GO NRW). „Auf eigenen Antrag [könnte eine Gebietskörperschaft] zur Mittleren kreisangehörigen Stadt [bestimmt werden], wenn ihre maßgebliche Einwohnerzahl an drei aufeinanderfolgenden Stichtagen [.] mehr als 20.000 Einwohner beträgt“. Jedoch ist sie nur „von Amts wegen zur Mittleren kreisangehörigen Stadt zu bestimmen, wenn ihre maßgebliche Einwohnerzahl an fünf aufeinanderfolgenden Stichtagen ab dem 31. Dezember 2017 (Absatz 7) mehr als 25.000 Einwohner beträgt“ (§ 4 Abs. 2 GO NRW; § 13 Abs. 2 GO NRW).
Ein Beispiel dafür, dass die raumstrukturelle Einteilung der Gebietskörperschaft nicht mit der rechtlichen Bezeichnung „Stadt“ übereinstimmt, ist Alfter. Trotz einer Einwohnerzahl von über 20.000, wonach Alfter im Sinne der raumstrukturellen Abgrenzung als Mittelstadt einzuordnen wäre, besitzt Alfter kein Stadtrecht und ist im rechtlichen Sinne eine Gemeinde (Alfter 2020)1.
So befindet sich unter den Untersuchungseinheiten dieser Masterarbeit auch eine Gemeinde. Generell sagt die rechtliche Einordnung einer Gebietskörperschaft jedoch wenig über deren Raumstruktur aus. Selbst die Kategorisierung nach Stadttypen ist nicht eindeutig abgrenzbar und die Städte sind auch innerhalb eines Stadttyps sehr heterogen (vgl. BBSR 2020). Somit ist eine Unterscheidung in Stadt oder Gemeinde der Untersuchungseinheiten für die Beantwortung der Forschungsfrage irrelevant. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden dennoch die Formulierung „Untersuchungsstadt“ beibehalten. Um die Ergebnisse der Datenauswertung besser einordnen zu können, werden deshalb andere wichtige Kenndaten zur Raumstruktur der Untersuchungsstädte herangezogen und in Kapitel 4 vorgestellt. Denn die Einwohnerzahlen, die Flächenverfügbarkeit sowie die zentralörtliche Funktion einer Stadt sind relevant für die Bewertung der jeweiligen Straßenquerschnittsgestaltung der Hauptverkehrsstraßen.
Straßenquerschnittsgestaltung
Der Begriff der „Straßenquerschnittsgestaltung“ wird in der einschlägigen Literatur als solcher nicht verwendet. Dennoch beschreibt der Begriff am besten den in dieser Arbeit untersuchten Sachverhalt. In der RASt werden in dem hier gemeinten Zusammenhang folgende Ausdrücke verwendet "Gestaltung des Straßenraums" (FGSV 2006, S. 22), "Straßenraumgestaltung" (FGSV 2006, S. 42), "Querschnittsgestaltung" (FGSV 2006, S. 21) oder „straßenräumliche Gestaltung“ (FGSV 2006, S. 63). Alle diese Begrifflichkeiten haben gemein, dass sie sich auf die Nutzungsaufteilung eines Straßenquerschnitts und dessen konkreter Ausgestaltung im Straßenentwurf beziehen.
Der Straßenquerschnitt ist ein vertikaler Schnitt rechtwinklig zur Straßenachse, der durch die Straßenraumgrenze begrenzt wird (BMVI 2018, S. 13). Die Straßenraumgrenze begrenzt die amtlich vermessene und im Kataster ausgewiesene Fläche des Straßengrundstückes (BMVI 2018, S. 16).
Die Bezeichnungen Straßenraum oder Straßenraumgestaltung werden in der gängigen Literatur auch benutzt, um ästhetische Gestaltungsaspekte im öffentlichen Raum zu diskutieren. Ebenso hebt die RASt ausdrücklich neben der Erschließungs- und Verbindungsfunktion auch die Aufenthaltsfunktion von Stadtstraßen hervor und damit Aspekte des Straßenentwurfs, die über die reine funktionelle Aufteilung des Straßenquerschnittes hinausgehen.Diese gestalterischen Aspekte werden in den Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete (ESG) der FGSV vertieft (FGSV 2011). Der Straßenraum umfasst demnach „[...] mehr als Verkehrsfläche. Er ist zugleich Aufenthaltsraum, Wohnumfeld, Kommunikations- und Erlebnisraum, von dem aus die Stadt erlebt wird“ (Steierwald 2005, S. 431). Aus diesem Verständnis heraus adressiert der Raumbegriff also neben den materiellen Ansprüchen auch sogenannte immaterielle Ansprüche (vgl. Abbildung 2). Die Funktion Verkehr ist somit ein Baustein innerhalb der Funktionen des Straßenraums (Steierwald 2005, S. 433;vgl. FGSV 2011).
Diese Arbeit fokussiert jedoch insbesondere die konkrete Flä-che an den Straßenraum (Steierwald und geht nicht auf die ästhetische Gestaltung oder die Quali-tät öffentlicher Aufenthaltsflächen ein. Somit wird im Arbeitstitel auf den Begriff „Straßenraum“ verzichtet und stattdessen der Begriff „Straßenquerschnitt“ verwendet. Mit der „Straßenquerschnittsgestaltung“ ist schlussendlich die konkrete Implementierung spezialisierterFlächenangebote im Straßenquerschnitt gemeint.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die immateriellen Ansprü- che an den Straßenraum (Steierwald 2005, S. 433).
Hauptverkehrsstraße:
Für denBegriff der „Hauptverkehrsstraße“ (HVS) existiert in der Literatur keine allgemein gültige Definition. Häufig werden synonym auch die Begriffe Magistrale, Radiale2 und Ausfallstraße verwendet (BMVBS 2013, S. 13). Grundsätzlich sind damit Straßenzüge gemeint, die eine wichtige Verbindungsfunktion im Straßennetzerfüllen.
Dies kann sich grundsätzlich auf Straßennetze aller Verkehrsarten wie Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV, MIV sowie den motorisierten Güterverkehr beziehen, die sich teilweise auch überlagern können. Dennoch sind in der Regel, und so auch in dieser Arbeit, die Straßennetze des MIV gemeint, die oft mit einem hohen Kfz-Verkehrsaufkommen belastet sind.
Eine klare Abgrenzung der HVS ist aufgrund der Vielfalt an Erscheinungsformen und deren Nutzungsansprüchen trotzdem sehr schwer. Neben der verkehrlichen Bedeutung kommt ihnen ebenso eine sozioökonomische Bedeutung zu (vgl. „Straßenquerschnittsgestaltung“). So können sie genauso Aufenthalts- und Kommunikationsraum des städtischen Lebens mit „vielfältigen Nutzungszusammenhängen und Verflechtungen zwischen den Gebieten“ (Steierwald 2005, S. 534) sein. Die Nutzungskonflikte zwischen Verbindungs-, Erschließungs- und Aufenthaltsfunktion machen diese Straßen besonders problematisch im Entwurf und zudem sehr individuell in ihrer Erscheinungsform (Haller und Schnüll 1984; ILS 1998; BMVBS 2013, S. 13).
Auch die in dieser Masterarbeit untersuchten HVS weisen sehr unterschiedliche Charakteristika auf, was jedoch auch mit deren historischer Entwicklung zusammenhängt, die im nachfolgenden Kapitel kurz skizziert wird.
2.2 Historisches Erbe der Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen
Verkehrsräume haben schon immer eine große Bedeutung für die Wirtschafts- sowie Siedlungsentwicklung von Städten. So entstanden die Städte im Mittelalter entlang wichtiger Handelswege. Die damals angelegten Straßen bilden noch heute häufig die Grundstruktur für das Straßennetz in deutschen Städten (BMVBS 2013, S. 15 ff.).
Bis zur industriellen Revolution hatte die Straßenplanung vornehmlich gestalterisch-ästhetische und machtpolitische Motive. Der Straßenentwurf und somit auch der Entwurf von Hauptverkehrsstraßen war fester Bestandteil der städtebaulichen Gesamtplanung und damit auch eine künstlerische Aufgabe (BMVBS 2013, S. 15; Haller und Stieger 2019, S. 2). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts expandierten die Städte im Zuge der Industrialisierung und die Verbreitung des Automobils und der Eisenbahn förderte zunehmend Konflikte im Straßenraum. Die städtebauliche Ausrichtung der Straßenplanung musste in der Folge einer verkehrlichen Ausrichtung weichen. So begannen sich in den 1920er und 1930er Jahren der Verkehr und die Verkehrsplanung als Planungsmaxime durchzusetzen (Steierwald 2005, S. 3 ff.; BMVBS 2013, S. 16). Vor allem in der Phase des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit führte die zunehmende Motorisierung zu hohen Kfz-Verkehrsmengen, die die damalige Kapazität des Straßennetzes überstieg. In der Folge wurde die Stadtplanung, die bis dato als Gesamtaufgabe verstanden wurde, in mehrere sektorale Fachplanungen gegliedert, worunter die Verkehrsplanung eine Teildisziplin darstellt. Straßen wurden daraufhin hauptsächlich nach den Anforderungen des motorisierten Verkehrs entworfen. Unter dem Leitbild der autogerechten Stadt erfolgte in den 1960er Jahren eine Neuordnung des gesamten Straßenraums und eine funktionale Separation der Verkehrsarten. Nicht motorisierte Nutzergruppen wurden vermehrt über Umwege durch Unter- oder Überführungen vorbei an den großräumig angelegten Kfz-Straßenräumen geleitet (Horn und Schmitz 1986, S. 23; BMVBS 2013, S. 16; Haller und Stieger 2019, S. 2). Die Straße verlor ihre ursprüngliche „Funktion als multifunktionaler Raum [...] des Miteinanders [...] und wurde zunehmend zur Fahrfläche von Kraftfahrzeugen“ (Arndt et al. 2015, S. 9).
Die ersten kritischen Stimmen gegen die am Kfz-Verkehr monofunktional ausgerichteten Straßenräume kamen in den 1970er Jahren auf. Insbesondere standen die mangelnde städtebauliche Integration der Straßenräume, die fehlende Berücksichtigung der nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmenden sowie das Nicht-Erfüllen der sozialen Funktionen dieser Straßenräume im Fokus der Kritik. Negative Folgeerscheinungen wie Lärm, Abgase sowie Verkehrsunfälle gaben Anlass zu einem aufkommenden ökologischen Bewusstsein in der Gesellschaft und verstärkten die Diskurse (Steierwald 2005, S. 504;. BMVBS 2013, S. 17; Haller und Stieger 2019, S. 3).
All dies führte in den 1980er Jahren zu einem Wandel in der Verkehrspolitik und -planung. Die eindimensionale Ausrichtung der Verkehrsplanung im Sinne des Kfz-Verkehrs wurde sukzessiv durch die gleichberechtigte Behandlung aller Verkehrsarten ersetzt. Zunächst wurde dem ÖPNV, dann dem Radverkehr und zuletzt auch dem Fußverkehr mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Zusätzlich fand ein Dialog zwischen Stadtplanern, Architekten, Verkehrs- und Freiraumplanern statt, die seither interdisziplinäre Planungsansätze forcieren und fachübergreifend zusammenarbeiten. Auch der Grundgedanke der Verkehrspolitik wurde damals revolutioniert. Anstelle einer Verkehrsanpassungsplanung, also der Ableitung von Verkehrsräumen aus Verkehrsprognosen, war nun die Mehrheit der Entscheidungsträger der Auffassung, den Verkehr durch eine sogenannte Angebotsplanung gezielt steuern zu können. Dies bedeutet, dass durch die Schaffung von speziellen Angeboten, sei es mittels weicher Maßnahmen wie bspw. der Bepreisung des ÖPNV oder durch harte Maßnahmen, wie der Bereitstellung von Flächenangeboten für die Verkehrsarten, die Verkehrsnachfrage beeinflusst werden kann. Dies war der Beginn der sogenannten Verkehrsentwicklungsplanung, die bis heute andauert (Steierwald 2005, S. 504; HolzRau 2018, S. 116 - 123).
Der skizzierte Wandel der Grundgedanken in der Gestaltung von Straßenräumen von der städtebaulich-ästhetischen Gesamtplanung über die technische und Kfz-orientierte Anpassungsplanung bis hin zu einer interdisziplinären Planung und dem Grundsatz einer gleichberechtigten Behandlung aller Verkehrsarten manifestierte sich auch in der Gestalt von Hauptverkehrsstraßen. Dennoch wird der „weiche“ Wandel der Leitbilder aufgrund der „harten“ baulich gewachsenen Straßengestaltungen teilweise behindert. Mit der in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchung des Verkehrsangebotes an Hauptverkehrsstraßen kann nicht umfassend beantwortet werden, inwiefern die Entwicklungen der letzten Jahre sich im derzeitigen Straßenraumentwurf widerspiegeln. Doch zugleich wird damit weiteres Forschungspotenzial aufgezeigt.
So liegt der Fokus dieser Untersuchung auf der Darstellung des heutigen IST-Zustandes der Straßenquerschnittsgestaltung hinsichtlich des Grundgedankens einer Gleichberechtigung der verschiedenen Verkehrsarten. Dazu wird im folgenden Kapitel die Systematik der heute geltenden Regelwerke für den Straßenentwurf in deutschen Städten vorgestellt. Dies sind zum einen die „Richtlinie für integrierte Netzgestaltung“ (RIN) und zum anderen die „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 06) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. Danach wird auf die konkreten Prinzipien beim Entwurf von Stadtstraßen eingegangen, worunter auch die in dieser Arbeit betrachteten städtischen Hauptverkehrsstraßen fallen. Außerdem werden die Nutzungsansprüche der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden vorgestellt, die beim Entwurf maßgebend sind.
2.3 Die Hauptverkehrsstraße innerhalb der Systematik der RIN und der RASt
In den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung wird die Netzentwicklung der einzelnen Verkehrssysteme und der Aufbau systemübergreifender Verbindungen behandelt (FGSV 2008, S. 5). Die einzelnen Netzelemente werden in Verkehrswegekategorien eingeteilt(vgl.Abbildung 3). Diese ergeben sich aus der Verknüpfung ihrer Verbindungsbedeutunginnerhalb des Gesamtsystems (Verbindungsfunktions- stufe)sowie der Kategoriegruppe, die sich aus denUmfeldnutzungendes Straßenzuges ergeben(FGSV 2008, S. 5).
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Abbildung 3: Verknüpfungsmatrix zur Ableitung der Verkehrswegekategorien für den Kfz-Verkehr (FGSV 2008, S.
15). Rot umrandet: Geltungsbereich der RASt (FGSV 2006, S. 13).
Die funktionale Gliederung der RIN bildetdie Grundlage derRegelwerkefür den Entwurf und Betrieb von Straßen, darunter Autobahnen, Landstraßen, Stadtstraßen, Verkehrsanlagen für den ÖPNV, Radverkehrsanlagen sowie Fußverkehrsanlagen (FGSV 2006, S. 6). Im Bereich der Stadtstraßen, worin die in dieser Arbeit thematisierten HVSangesiedelt sind,ist die konkrete Ausgestaltung in der„Richtlinie für dieAnlage von Stadtstraßen“ (RASt) beschrieben (FGSV 2008, S. 6;BMVBS 2013). Die RAStgilt für dieKategoriengruppen VS, HS, ES der RINund deckt damit denEntwurf und die Gestaltung von anbaufreien Hauptverkehrsstraßen, angebauten Hauptverkehrsstraßen sowie Erschließungsstraßen ab (FGSV 2006, S. 13).Zur weiteren Ausdifferenzierung von Stadtstraßen, also der Kategoriengruppen VS II, VS III, HS III, HS IV, ES IV sowie ES V, werden diese sogenannten „Typischen Entwurfssituationen“ zugeordnet (Abbildung 4, S. 13).Dadiese Masterarbeit ausschließlich Hauptverkehrsstraßen im städtischen Zusammenhang fokussiert, sind die Typen „Wohnweg“, „Wohnstraße“,„Sammelstraße“sowie „Dörfliche Hauptstraße“ nicht relevant.
Entlang von Stadtstraßen, insbesondere von längeren Hauptverkehrsstraßen, kann sich die Funktion der einzelnen Streckenabschnitte ändern und somit auch die Einordnung der Straße in die Kategorien der „Typischen Entwurfssituation“. Somit können HVS abschnittsweise aus mehreren „Typischen Entwurfssituationen“ bestehen. Häufig auch mit unterschiedlichen Breiten des Straßenquerschnittes (FGSV 2006, S.18, S. 69; Haller und Stieger 2019, S. 4 ff.). Die Abschnittsbildung wird auch auf Abbildung 5 ersichtlich.
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Abbildung 4: Zuordnung der Typischen Entwurfssituationen zu Stra-ßenkategorien. Rot eingerahmt: relevante Entwurfssituationen für HVS (verändert nach: FGSV 2006, S. 17)
Zur Bestimmung der Straßenkategorie sowie zur Einordnung eines Streckenabschnittes in die „Typische Entwurfssituation“ werden sowohl verkehrliche als auch städtebauliche Merkmale herangezogen. Damit ist die Gestaltung des Straßenquer- Verkehrsplanung zu verorten. Einige Anhaltspunkte, die es beim Entwurf
der Stadtstraßen zu beachten gilt,werden in der RASt beschrieben. Sie ist daher als wichtige theoretische Grundlage dieser Masterarbeit anzusehen. In den nachfolgenden Kapiteln werden im Hinblick auf die Straßenquerschnittsgestaltung relevante Aspekte herausgearbeitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Typische Entwurfssituationen (FGSV 2006, S. 17).
2.4 Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen
Wie im vorausgegangenen Kapitel erläutert, geben sowohl verkehrliche als auch städtebauliche Merkmale wichtige Anhaltspunkte für die Straßenquerschnittsgestaltung. Der Entwurf der Straße ist damit Teil der städtebaulichen Gesamtplanung, der sich durch die Verknüpfung von überörtlichen Vorgaben der integrierten Netzentwicklung, der Siedlungs- und Flächenstruktur, raumspezifischen Gegebenheiten vor Ort sowie aktuellen Entwicklungen und Zielsetzungen auszeichnet (Steierwald 2005, S. 506 ff.; FGSV 2006, S. 15). Im Folgenden werden die Grundsätze und Zielsetzungen bei der Gestaltung von Hauptverkehrsstraßen in Deutschland vorgestellt. Danach werden die wichtigsten Entwurfsprinzipien erklärt, bevor im darauffolgenden Kapitel auf die Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter der straßenquerschnittsbestimmenden Nutzungsangebote eingegangen wird. Anhand der „Typischen Entwurfssituationen“ wird beispielhaft aufgezeigt, wie die Theorie in der Praxis umgesetzt werden kann. Zum Schluss wird erläutert, inwieweit die theoretischen Grundlagen der Gestaltung von HVS für die anschließende Untersuchung der Straßenquerschnittsgestaltung an Hauptverkehrsstraßen angewendet werden können.
2.4.1 Grundsätze und Zielsetzung
Die Zielsetzung der Gestaltung von Stadtstraßen wird in der RASt wie folgt definiert:
„Das Hauptziel bei Planung und Entwurf von Stadtstraßen ist die Verträglichkeit der Nutzungsansprüche untereinander und mit den Umfeldnutzungen, die auch die Verbesserung der Verkehrssicherheit einschließt. Diese Verträglichkeit muss in der Regel auf vorgegebenen Flächen unter Wahrung der städtebaulichen Zusammenhänge und unter Berücksichtigung gestalterischer und ökologischer Belange angestrebt werden“ (FGSV 2006, S. 15).
Neben dieser ausgewogenen Berücksichtigung aller Nutzungen sowie gestalterischer, ökologischer und städtebaulicher Aspekte, wird in der RASt explizit die Reduktion an Geschwindigkeit und Komfort für den motorisierten Verkehr zugunsten der Verträglichkeit aller Nutzungen sowie gleichzeitiger Förderung des Fußgänger- und Radverkehrs sowie des öffentlichen Personenverkehrs gefordert (FGSV 2006, S. 15). Dieser genannte Anspruch manifestiert sich heute vor allem unter der verkehrspolitischen Zielsetzung zur Förderung des Umweltverbunds3 und gleichzeitigen Schwächung des Angebotes für den motorisierten Individualverkehr.
ImFolgenden wird darauf eingegangen, wie diese Zielsetzungen beim Entwurf von Stadtstraßen realisiert werden sollen.
2.4.2 Entwurfsprinzipien
Grundsätzlich wird in der RASt zwischen Umbau, Neubau und Rückbau von Straßen unterschieden, wobei in der Praxis der Umbau von Straßen aufgrund der Straßenraumbegrenzung durch die umliegende Bebauung am häufigsten vorkommt. Somit ist in der Regel die straßenräumliche Situation, also die Begrenzung, die Straßenraumbreite sowie der Verlauf, als maßgebliche Entwurfsvorgabe gegeben (FGSV 2006, S. 19 ff.; Steierwald 2005, S. 510).
Der Straßenraumentwurf folgt dem typischen Schema eines Planungs-und Entwurfsprozesses von der Bestandserfassung und den überörtlichen Entwurfsvorgaben über die Erarbeitung von Zielsetzungen bis hin zur Umsetzung. Jeder Entwurfsvorgang ist ein Einzelfall. Daher ist es nicht möglich,diesen verbindlich zu regeln. In der RASt werden dennoch zwei Wege des Entwurfsvorgangs unterschieden. Der erste Weg sieht einen geführten Entwurfsvorgang ausgehend von zwölf empfohlenen Lösungsvor- schlägen,den „Typischen Entwurfssituationen“, vor. Der zweite Weg ist der individuelle Straßenraumentwurf mittels städtebaulicher Bemessung (vgl. Abbildung 6; FGSV 2006, S. 19 ff.; Haller und Stieger 2019, S. 3).
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Abbildung 6: 2 Wege des Entwurfsvorgangs (FGSV 2006, S. 21).
Beim individuellen Entwurfsvorgang werden zunächst die erforderlichen Flächen für die verschiedenen Verkehrsarten ermittelt, wobei ein 30:40:30 Verhältnis zwischen Seitenräumen und Fahrbahn angestrebt wird. In einem zweiten Schritt erfolgt ein Abgleich zwischen den erforderlichen Flächen mit den sich aus der Randbegrenzung ergebenden möglichen Flächen. In einem Abwägungsprozess zwischen den verschiedenen Nutzungsansprüchen wird dann der Straßenraumentwurf ermittelt. Im Unterschied dazu wird bei einem geführten Entwurfsvorgang davon ausgegangen, dass bereits alle Belange ausreichend berücksichtigt worden sind und eine umfassende Abwägung stattgefunden hat, sodass die Entwurfssituation nur noch angewendet werden muss.
Unabhängig von der Entwurfsmethodik ist die Verknüpfung der Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter der jeweiligen Nutzungen unabdingbar. Diese werden im Folgenden vorgestellt.
2.4.3 Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter
Grundsätzlich lassen sich Nutzungsansprüche an Straßenräume nur als Stichprobe während einer bestimmten Zeitdauer ermitteln und können damit zeitlichen Veränderungen unterliegen (FGSV 2006, S. 20). Die Nutzungen und Nutzungsanforderungen variieren bedingt durch den Typ der Stadtstraße, der sich aus den städtebaulichen und verkehrlichen Merkmalen ergibt. Die Anforderungen sind sowohl qualitativer als auch quantitativer Natur. Hinsichtlich der Forschungsfrage dieser Masterarbeit wird an dieser Stelle der spezifische Raumbedarf der straßenquerschnittsbestimmenden Nutzungen, also die quantitativen Anforderungen, vorgestellt.
Generell wird in der RASt bei der Aufteilung des Straßenraums zwischen Trennungsprinzip und Mischungsprinzip unterschieden. Das Trennungsprinzip sieht eine funktionale Trennung der Verkehrsarten im Straßenquerschnitt vor, die durch bauliche Elemente sichergestellt werden soll. Beim Mischungsprinzip wird versucht, durch gestalterische Maßnahmen ein verträgliches Miteinander der Verkehrsarten auf derselben Fläche zu gewährleisten. Bei Hauptverkehrsstraßen ist das Trennungsprinzip der Regelfall, weswegen im Folgenden ausschließlich auf die Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter der einzelnen Nutzungen bei Trennung der Verkehrsarten eingegangen wird4 (FGSV 2006, S. 69; Haller und Stieger 2019, S. 24).
Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter des Fußverkehrs
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Abbildung 7: Regelbreite eines Seitenraums (FGSV 2006, S. 81)
Anlagen für den Fußgänger sind bei allen angebauten Straßen erforderlich. Das Grundmaß für den lichten Raum des Fußverkehrs ist auf den Regelfall des Nebeneinandergehend von zwei Personen ausgelegt5.
Es beträgt 2,5 Meter, was sich aus einem Verkehrsraum von 1,8 Meter plus 0,7 Meter Sicherheitsraum zusammensetzt (0,2 m Abstand zur Einfriedung oder Gebäude und 0,5 m Abstand zur Fahrbahn oder Längsparkstreifen) zusammensetzt (vgl. Abbildung 7). In den Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zahlreiche weitere Faktoren die Bemessung von Fußverkehrsinfrastruktur beeinflussen (FGSV 2002, S. 12 ff.; FGSV 2006, S. 81). Dies sind u. a. das Nebeneinandergehen von Fußgängern, das Tragen von Regenschirmen oder Taschen sowie Anforderungen an die Aufenthaltsfunktion in bestimmten Bereichen. Bei besonderer Fußgängerkonzentration sollte auch die Fußgängerverkehrsstärke Einfluss auf die Bemessung nehmen. Zusätzlich bestehen be- sondere Anforderungen für mobilitätseingeschränkte Personen. Dies betrifft Personen mit einer Sehbehinderung oder einer körperlichen Behinderung sowie Personen mit Kinderwagen, Rollstuhl oder mit einer Begleitperson. In solchen Fällen sollte die Bemessung des Regelmaßes eines Gehweges größer als 2,5 Meter ausfallen (FGSV 2002, S. 8; FGSV 2006, S. 29).
Auch in der Nähe von wichtigen Infrastruktureinrichtungen, wie Schulen, Bahnhöfe sowie Einkaufsstandorte etc. sind Breitenzuschläge erforderlich, da dies Auswirkungen auf die Fußgängerkonzentration hat (FGSV 2002, S. 16-17). So werden für bestimmte Straßenabschnitte, abhängig von der Randnutzung, der Bebauungsdichte und der Kfz-Verkehrsbelastung, Gehwegbreiten von bis zu 6 Metern empfohlen (FGSV 2002, S. 15). Eine Ausnahme, bei der die Mindestbreite von 2,5 Metern unterschritten werden kann, ist die Anlage von Gehwegen an Engstellen in dörflichen Hauptstraßen (FGSV 2006, S. 35).
Gemeinsame Führung mit dem Radverkehr
Neben der separaten Führung auf Gehwegen kann der Fußverkehr auch gemeinsam mit dem Radverkehr geführt werden. Dabei gibt es zwei Arten von Führungsformen: Die benutzungspflichtige Führung auf gemeinsamen Geh- und Radwegen (Zeichen 240 StVO) sowie die zulässige Führung des Radverkehrs auf dem Gehweg (Zeichen 239 StVO („Fußgänger“) mit Zusatzzeichen 1022-10 StVO („Radfahrer frei“). Grundsätzlich kommt eine gemeinsame Führung von Fuß- und Radverkehr nur bei schwachen Fußgänger- und Radverkehrsströmen infrage, wobei der Radverkehr auf den Fußverkehr Rücksicht zu nehmen hat. Bei der Abwägung sind die Realisierbarkeit verschiedener Formen der Radverkehrsführung auf der Fahrbahn, Sicherheitsgründe sowie die Vertretbarkeit der gemeinsamen Führung zu beachten. In den Regelwerken ist eine Mindestbreite für gemeinsame Geh- und Radwege von 2,50 Metern vorgesehen, die je nach Fuß- und Radverkehrsstärke auf mehr als 4 Meter anwachsen kann (FGSV 2006, S.82; FGSV 2010, S. 27).
Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter des Radverkehrs
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Abbildung 8: Grundmaße für die Verkehrsräume und lichten Räume des Radverkehrs (Klammerwerte bei beengten Verhält-nissen) (FGSV 2006, S. 28)
Die Nutzungsansprüche des Radverkehrs ergeben sich aus der Bedeutung der Verbindung im Radverkehrsnetz, der Verkehrssicherheit sowie des angestrebten Fahrkomforts (FGSV 2006, S. 28). Der Radverkehr kann auf einer Vielzahl von Führungsformen geführt werden. In der RASt wird dabei zwischen folgenden Führungen differenziert (auch Überlagerungen möglich):
A) auf der Fahrbahn oder B) im Seitenraum
A) auf getrennten Flächen oder B) gemeinsam mit Kfz-Verkehr (auf der Fahrbahn) bzw. dem Fußgängerverkehr (im Seitenraum)
A) auf einer Straßenseite oder B) auf beiden Straßenseiten
A) im Einrichtungs- oder B) im Zweirichtungsverkehr (FGSV 2006, S. 82-83).
Welche Führungsform zur Anwendung kommt hängt von einer Vielzahl an Einflussfaktoren ab und kann und soll in dieserArbeit nicht umfassend diskutiert werden. Erste Einblicke,welche Radverkehrsführung bei welchen Kfz-Verkehrsmengen, Straßenraumbreiten sowie sonstigen Nutzungen bevorzugt werden sollte, geben die „Typischen Entwurfssituationen“, die im Anschluss dieses Kapitels erläutert werden. Hierbei ist zu beachten, dass jede Führungsform Mindestanforderungen an ihre straßenräumliche Bemessung stellen (siehe hierzu Abbildung 9).
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Abbildung 9: Breitenmaße von Radverkehrsanlagen und Sicherheitstrennstreifen (FGSV 2010, S. 16)
Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs
Die Nutzungsansprüche des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs bei Stadtstraßen ergeben sich aus deren Erschließungs- und Verbindungsbedeutung. Es werden die Stärke und Zusammensetzung des Kraftfahrzeugverkehrs ermittelt, woraus die notwendige Fahrbahnbreite resultiert (FGSV 2006, S. 26). Dabei sind die Bemessungsanforderungen je nach Nutzungsintensität und Nutzungsart des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs variabel (landwirtschaftlicher Verkehr, Linienbusverkehr, Kfz/h).
Die in Abbildung 10 dargestellten Querschnitte sind Beispiele für die Bemessung der Straßenräume von Stadtstraßen, die jedoch nicht der Herleitung von Querschnitten dienen sollen, sondern lediglich deren Überprüfung für das Begegnen, Nebeneinanderfahren und Vorbeifahren (FGSV 2006, S. 27; Lohse und Schnabel 2011, S. 105 ff.).
Trotz dieser Vielzahl an Bemessungsgrundlagen für die einzelnen Fahrzeugarten gibt die RASt als Entwurfsempfehlung ein Regelmaß von 3,25 Metern bei einstreifigen Fahrspuren vor. Mit markierten Schutzstreifen beträgt die Regelbreite 3,75 Meter und mit Radfahrstreifen 3,0 Meter (FGSV 2006, S. 34 & S. 69).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter des ÖPNV
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11: Grundmaße für Verkehrsräume und lichte von Straßenbahnen mit maximaler Fahrzeugbreite (2,65 m)(Bild oben) und Grundmaße von Linienbussen mit maximaler Fahrzeugbreite (2,55 m) (Bild unten) (FGSV 2006, S. 26)
Grundsätzlich zählen der Schienenpersonennahverkehr (bspw. S-Bahn), der kommunale Schienenver- kehr (bspw. Straßenbahn, Stadtbahn), der straßengebundene Personennahverkehr (Busse) sowie Sonderformen (bspw. Anrufsammeltaxen) zum ÖPNV (FGSV 2013b, S. 13). Dabei haben die verschiedenen Formen des ÖPNV unterschiedliche Ansprüche hinsichtlich ihrer Bemessung im Straßenraum. Entscheidend für die Straßenquerschnittsbemessung sind die Grundmaße der lichten Räume von Straßenbahnen sowie von Linienbussen. Die Breitenanforderungen von Straßenbahnen sind abhängig vom eingesetzten Fahrzeug. Die Fahrzeugbreiten betragen in der Regel zwischen 2,4 und2,65Meter. Für die Bemessung der Regelbreite des Verkehrsraums wird eine Fahrzeugbreite von 2,65 Metern angenommen. So ergibt sich bei einspurig geführten Straßenbahnen eine Regelbreite von 3,25 Meter und bei zweispurig geführten Straßenbahnen 6,3 Meter (vgl. Abbildung 11). Bei Linienbussen mit einer maximalen Fahrzeugbreite von 3,05 Metern beträgt der benötigte Raum bei einer zweispurigen Führung6,5Meter(vgl. Abbildung 11), was ebenfalls einem Regelmaß von 3,25 Metern bei einspuriger Betrachtung entspricht. Da Linienbusse in der Regel auf gemeinsamen Flächen mit dem Kfz-Verkehr geführt werden, ist an dieser Stelle jedoch nur die Bemessungsgrundlage bei separater Führung von Bedeutung. So beträgt das Regelmaß von Bussonderstreifen 3,5 Meter (FGSV 2006, S. 96).
Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter des ruhenden Pkw-Verkehrs
Die Anlagen des ruhenden Verkehrs sind „alle baulichen Anlagen, auf denen Fahrzeuge für kürzere oder längere Dauer ab- oder eingestellt werden“ (Lohse und Schnabel 2011, Band 1, S. 487). Die Anlagen können sowohl im als auch außerhalb des Straßenraums sein (privat oder öffentlich). Diese Arbeit bezieht sich ausschließlich auf Parkflächen für den Pkw-Verkehr innerhalb des Straßenraums. Auf den Liefer-und Ladeverkehr sowie auf besondere Abmessungen der Parkstände für größere Kraftfahrzeuge wird hier nicht eingegangen6.
Die Nutzungsansprüche des ruhenden Verkehrs leiten sich aus der Erschließungsfunktion der Stadt- straßen ab (FGSV 2006, S. 27). Es werden drei Aufstellarten unterschieden, die sich nach der Flächenverfügbarkeit im Straßenraum ergeben: Die Längsaufstellung, die Schrägaufstellung und die Senkrecht- aufstellung. Die notwendigeBemessung der Parkstände im Straßenraum ist in Abbildung 12 ersichtlich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Abmessung von Parkständen und Flächenbedarf für Pkw im Straßenraum nach Aufstellart (verändert nach: FGSV 2006, S. 78).
In der Datengrundlage, die in dieser Masterarbeit verwendet wird, wird nicht zwischen Schräg- und Senkrechtaufstellung unterschieden, sodass auch hier nur eine Unterscheidung zwischen Längsparkständen auf der einen Seite und Schräg- und Senkrechtparken auf der anderen Seite getroffen wird. Da bei Schrägaufstellung laut RASt (FGSV 2006, S. 78) vorzugsweise ein Winkel zwischen 50 und 70 gon gewählt werden sollte, wird für die Schrägaufstellung eine Tiefe von 4,45 Meter bei 60 gon angenommen. Somit wird eine Regelbreite von 2,0 Meter für die Längsaufstellung sowie der Mittelwert der Regelbreite von Schräg- und Senkrechtaufstellung ohne Überhangstreifen von 4,375 Meter (Summe aus 4,45 m und 4,30 m geteilt durch zwei) angenommen.
Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter sonstiger Nutzungen und Nutzergruppen
Neben den in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Nutzungsansprüchen und Entwurfsparametern der Verkehrsarten Fußverkehr, Radverkehr, fließender Kraftfahrzeugverkehr, ÖPNV und ruhender Pkw-Verkehr ergeben sich beim Entwurf von Stadtstraßen weitere Nutzungen, die die Straßenquerschnittsgestaltung maßgeblich bestimmen. Dazu zählen insbesondere Grünstreifen wie auch bauliche Trennstreifen der Richtungsfahrbahnen (TdR).
Die Nutzungsansprüche der Begrünung resultieren aus den klein- und großräumigen ökologischen sowie gestalterischen Zielen. Dabei hängt die Bemessung im Straßenraum vor allem von der Art des Bewuchses, deren Anforderungen an den Wurzelraum sowie den Abstand zu anderen Nutzungen ab (FGSV 2006, S. 29 ff.). Demzufolge ist es schwer, ein Regelmaß zu bestimmen. Der Einfachheit halber wird die Entwurfslösung aus den empfohlenen „Typischen Entwurfssituationen“ angenommen, in denen die Breite von Grünstreifen i. d. R. mit 2,5 Metern angegeben wird (FGSV 2006, S. 33 ff.).
Auch die baulichen TdR werden in den „Typischen Entwurfssituationen“ der RASt mit einer Regelbreite von 2,5 Metern angegeben (FGSV 2006, S. 33 ff.).
Unter Berücksichtigung aller in den vorherigen Kapiteln genannter Aspekte bietet die RASt mit den „Typische Entwurfssituationen“ Lösungen für typische Entwurfsaufgaben an Stadtstraßen. Diese werden im Folgenden vorgestellt.
2.4.4 Typische Entwurfssituationen
Die dargestellten Nutzungsansprüche und Entwurfsparameter an Stadtstraßen werden in den Querschnittsdarstellungen der insgesamt zwölf „Typischen Entwurfssituationen“ in verschiedenen Kombinationen angewendet. Es wird davon ausgegangen, dass mit diesen Empfehlungen ca. 70-80 % der gesamten Aufgaben der Entwurfspraxis abgedeckt ist (FGSV 2006, S. 33). Daher können die Empfehlungen und Breitenangaben der „Typischen Entwurfssituationen“ als Richtvorgaben für die Untersuchung der Straßenquerschnittsgestaltung an HVS angenommen werden. Die Verteilung der Flächenangebote für die verschiedenen Nutzungen an HVSin den Entwurfssituationen kann folglich auch als anzustrebende Zielvorgabe für die entsprechende Planungsaufgabe betrachtet werden.
Die Ermittlung des „richtigen“ Straßenentwurfs der „Typischen Entwurfssituationen“ folgt einem bestimmten Schema (vgl. Abbildung 13). Ausgangspunkt für die Ermittlung des empfohlenen Querschnitts sind die entwurfsprägenden Nutzungsansprüche. Darunter fallen die Nutzungsansprüche des Fußgängerverkehrs, des Aufenthaltes, des Radverkehrs sowie des ruhenden Verkehrs. In einem zweiten Schritt wird ermittelt, welche Belange des ÖPNV beim Entwurf des betrachteten Straßenabschnitts berücksichtigt werden sollten. Hier wird in der RASt eine Fallunterscheidung zwischen „Straßenbahn“, „Linienbusverkehr“ sowie „kein ÖPNV“ vorgenommen. Der darauffolgende entwurfsprägende Nutzungsanspruch betrifft den Kraftfahrzeugverkehr, dessen Entwurf anhand der Kraftfahrzeugverkehrsstärke bemessen wird (FGSV 2006, S. 33 ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 13: Schritte für die Ermittlung des empfohlenen Querschnitts (eigene Darstellung; angelehnt an Bild 24, FGSV 2006, S. 34).
Die schrittweise Ermittlung der Anforderungen, die an den betrachteten Straßenabschnitt gestellt werden, führen zu einem empfohlenen Straßenentwurf mit spezifischen Flächenangeboten für die einzelnen Nutzungen.
Die relative Verteilung der Flächenangebote im Straßenquerschnitt aller Entwurfsbeispiele von HVS (vgl. Kapitel 2.3, Abbildung 4, S. 13) werden mit Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt. Es ist ersichtlich, dass die relativen Flächenanteile der Nutzungsangebote sehr stark zwischen den Entwurfstypen, aber auch innerhalb derselben variieren. Diese Variation resultiert aus der Vielfalt an Konstellationsmöglichkeiten, die sich einerseits aus den unterschiedlichen entwurfsprägenden Nutzungsansprüchen der betreffenden Entwurfssituation, und andererseits aus der grundsätzlichen Flächenverfügbarkeit, die durch die Breite des Straßenquerschnittes bestimmt wird, ergeben. Daraus folgt, dass alle diese Aspekte zur Ermittlung der empfohlenen Gestaltung des Straßenquerschnitts an HVS unbedingt bekannt sein müssen.
Tabelle 1: Typische Entwurfssituation und relativer Anteil der spezifischen Flächenangebote für die einzelnen Nutzungen im Straßenquerschnitt (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Mit einer Einwohnerzahl über 20.000 Einwohnern (23.563; Stand 31.12.2019) könnte Alfter sich nach der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen auf eigenen Wunsch das Stadtrecht zusprechen lassen (§ 4 Abs. 2 GO NRW; § 13 Abs. 2 GO NRW; Alfter 2020).
2 Die Grundform des damaligen Straßenhauptnetzes in den Mittelalterstädten in Europa war das sogenannte Radial-System. Vom Stadtzentrum aus erschließen sogenannte Radialstraßen das Umland. Wenn das Stadtzentrum zusätzlich von einem Straßenring umschlossen wird, der damals die Wallanlage darstellte, wird das System als Radial-Ring-System bezeichnet. Ebenso ist das Tangenten-System in Europa weit verbreitet. Es unterscheidetsich vom Radial-Ring-System insofern, als dass die Radialen am Zentrum vorbei und nicht direkt durch das Zentrum durchgeführt werden (Lohse und Schnabel 2011,, Band 2, S. 133 ff).
3 Unter dem Überbegriff Umweltverbund (auch: Mobilitätsverbund) werden alle umweltfreundlichen Verkehrsmittel zusammengefasst. Dazu zählen der ÖPNV, der Rad- und Fußverkehr sowie Carsharing (BMVI 2021b).
4 In jüngeren Debatten wird das Mischungsprinzip ohne oder mittels „weicher“ separierender Elemente auch bei HVS immer beliebter. Insbesondere in räumlicher Nähe zu Geschäftsbereichen, wo eine besonders hohe Vielfalt unterschiedlichster Nutzungsansprüche an den Straßenraum besteht, werden vermehrt Entwurfslösungen des Shared Space, Begegnungszonen und Verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche und diskutiert und angewendet (BMVBS 2013, S. 19; Arndt et al 2015, S. 37). Zur näheren Information dieser Konzepte siehe beispielsweise FGSV 2011, Arndt et al 2015 und Planersocietät 2018.
5 Grundsätzlich lassen sich die Verkehrsräume der Verkehrsteilnehmenden und ihrer Fahrzeuge aus den Fahrzeugbreiten sowie den oberen und seitlichen Bewegungsspielräumen ableiten. Wird zu den Verkehrsräumen der situationsspezifische Sicherheitsraum addiert, ergibt sich daraus der lichte Raum, der als Ausgangspunkt für die Bemessung im Straßenraum dient (FGSV 2006, S. 25; Haller und Stieger 2019, 10 ff.).
6 In der verwendeten Datengrundlage dieser Masterarbeit werden die Flächen für den ruhenden Verkehr nicht differenziert in ihrer Breite betrachtet. Daher ist die weitere Ausführung an dieser Stelle nicht nötig. Weitere Informationen zum Entwurf, dem Betrieb, der Nutzung und der Abmessungen für Parkstände aller Kraftfahrzeuge können den „Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs“ (EAR 05) entnommen werden.
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Die Straßenquerschnittsgestaltung von Hauptverkehrsstraßen. Eine vergleichende Untersuchung ausgewählter deutscher Städte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1333342
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