Für den Berufsorientierungsunterricht sind Bildungs- und Kommunikationsinstrumente zentral, weshalb diese Masterarbeit der Frage nachgeht: Wie geschlechtersensibel sind ausgewählte Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung? Um die Frage zu beantworten, werden verschiedenste bestehende Instrumente der schulischen Berufsorientierung herangezogen und einer qualitativen empirischen Analyse unterzogen.
Denn betrachtet man die Berufs- und Studienwahl von Jugendlichen und die aktuelle Arbeitsmarktsituation, lässt sich eine deutliche Geschlechtssegregation sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Ebene erkennen. Langfristig führt das zu Engpässen bei der Rekrutierung von Fachkräften, Unzufriedenheit bei falscher Berufswahl aufgrund von stereotypen Vorstellungen und zur Verfestigung der Geschlechtstypik. Aus diesem Grund wird der schulischen Berufsorientierung eine wichtige Rolle zugeordnet, in der Geschlechtersensibilität forciert werden soll.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Relevanz von Geschlechtersensibler Berufsorientierung
2.1 Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt
2.2 Entstehung geschlechtsstereotyper Berufswahl
2.3 Berufsorientierung und Geschlecht
2.3.1 Genderkompetenz
2.3.2 Geschlechtersensible Berufsorientierung
3. Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung
3.1 Gendersensible Instrumente
3.2 Ausgewählte Bildungs- und Kommunikationsinstrumente zur Analyse
3.2.1 Schulbuch Startklar
3.2.2 Webseite planet-berufe.de
3.2.3 Berufswahlpass
4. Analyse ausgewählter Bildungs- und Kommunikationsinstrumente
4.1 Methodisches Vorgehen
4.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
4.1.2 Aufbau der Analyse
4.3 Ergebnisse
4.3.1 Ergebnis: Schulbuch Startklar
4.3.2 Ergebnis: Webseite planet-berufe.de
4.3.3 Ergebnis: Berufswahlpass
5. Diskussion der Ergebnisse
6. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis.
Anhang
Abstract
Betrachtet man die Berufs- und Studienwahl von Jugendlichen und die aktuelle Arbeitsmarktsituation, lässt sich eine deutliche Geschlechtssegregation sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Ebene erkennen. Langfristig führt das zu Engpässen bei der Rekrutierung von Fachkräften, Unzufriedenheit bei falscher Berufswahl aufgrund von stereotypen Vorstellungen und zur Verfestigung der Geschlechtstypik. Aus diesem Grund wird der schulischen Berufsorientierung eine wichtige Rolle zugeordnet, in der Ge- schlechtersensibilität forciert werden soll. Für den Berufsorientierungsunterricht sind Bil- dungs- und Kommunikationsinstrumente zentral, weshalb die Masterarbeit der Frage nachgeht: Wie geschlechtersensibel sind ausgewählte Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung? Um die Frage zu beantworten, werden bestehende Instrumente der schulischen Berufsorientierung herangezogen und einer qualitativen empirischen Analyse unterzogen.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Oberkategorie Sprache
Tabelle 2: Oberkategorie Darstellung von Personen auf Bildern
Tabelle 3: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern
Tabelle 4: Oberkategorie Handlungssituationen im Text
Tabelle 5: Verteilung der Codes auf die Oberkategorien
Tabelle 6: Oberkategorie Sprache im Schulbuch
Tabelle 7: Oberkategorie Darstellung von Personen auf Bildern im Schulbuch
Tabelle 8: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern im Schulbuch für weiblich
Tabelle 9: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern im Schulbuch für männlich
Tabelle 10: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern im Schulbuch ohne Geschlechterzuordnung
Tabelle 11: Oberkategorie Handlungssituationen im Text des Schulbuches für weiblich
Tabelle 12: Oberkategorie Handlungssituationen im Text des Schulbuches für männlich
Tabelle 13: Oberkategorie Handlungssituationen im Text des Schulbuches ohne Geschlechterzuordnung
Tabelle 14: Oberkategorie Sprache auf der Webseite
Tabelle 15: Oberkategorie Darstellung von Personen auf Bildern auf der Webseite
Tabelle 16: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern auf der Webseite für weiblich
Tabelle 17: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern auf der Webseite für männlich
Tabelle 18: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern auf der Webseite ohne Geschlechterzuordnung
Tabelle 19: Oberkategorie Handlungssituationen im Text auf der Webseite für weiblich
Tabelle 20: Oberkategorie Handlungssituationen im Text auf der Webseite für männlich
Tabelle 21: Oberkategorie Handlungssituationen im Text auf der Webseite ohne Geschlechterzuordnung
Tabelle 22: Oberkategorie Sprache im Berufswahlpass
Tabelle 23: Oberkategorie Darstellung von Personen auf Bildern im Berufswahlpass
Tabelle 24: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern im Berufswahlpass für weiblich
Tabelle 25: Oberkategorie Handlungssituationen auf Bildern im Berufswahlpass für männlich
Tabelle 26: Oberkategorie Handlungssituationen im Text im Berufswahlpass für weiblich
Tabelle 27: Oberkategorie Handlungssituationen im Text im Berufswahlpass für männlich
Tabelle 28: Oberkategorie Handlungssituationen im Text im Berufswahlpass ohne Geschlechterzuordnung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Durchschnittlicher Stundenverdienst von Frauen und Männer bis 2018
Abbildung 2: Ablaufmodell strukturierender Inhaltsanalyse allgemein
Abbildung 3: Klempner*innen
Abbildung 4: Kfz-mechatroniker*innen
Abbildung 5: Familie
Abbildung 6: Treffen mit Freund*innen
Abbildung 7: Bäckerin
Abbildung 8: Frau im Haushalt
Abbildung 9: Elektroniker
Abbildung 10: Industriemechaniker
Abbildung 11: Fußballspieler*innen
Abbildung 12: Schreiben
Abbildung 13: Männlich und Fußball
Abbildung 14: Weiblich und Reiten
Abbildung 15: Weiblich und Lesen
Abbildung 16: Weiblich und Malen
Abbildung 17: Maurer
Abbildung 18: Bürokaufmann
Abbildung 19: Holzarbeit
1. Einleitung
„Junge Frauen und Männer entscheiden sich mehrheitlich für Berufe und Studienrichtungen, in denen der Anteil des eigenen Geschlechts überwiegt. Die Berufswahl junger Frauen fällt selten auf den MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), während junge Männer sich weniger für Berufe und Studienrichtungen im sozialen, pflegerischen oder frühpädagogischen Bereich entscheiden.“ (Makarova 2019: S. 5)
Die immer noch vorherrschende Geschlechtssegregation1 am Arbeitsmarkt führt langfristig zu Problemen auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen kommt es zu Engpässen bei der Rekrutierung von Arbeitskräften und zum anderen bleibt eine geschlechtsbezogene Konnotation einzelner Berufsfelder bestehen (Makarova et al. 2017: S. 239).
Aus diesem Grund wird der schulischen Berufsorientierung eine wichtige Rolle zugeordnet, in der Geschlechtersensibilität forciert werden soll. Die Berufsorientierung gehört zu den pädagogischen Handlungsfeldern der Schule. Sie soll Schüler*innen auf die Berufswahl vorbereiten und das berufliche Interessenspektrum erweitern, auch hinsichtlich geschlechtsuntypischer Berufe (Faulstich-Wieland und Scholand 2015: S. 79).
Für den Berufsorientierungsunterricht sind Bildungs- und Kommunikationsinstrumente2 zentral (Brüggemann et al. 2017), weshalb im Rahmen der Masterarbeit der Frage nachgegangen wird: Wie geschlechtersensibel sind ausgewählte Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung? Dabei soll zum einen auf die geschlechterge- rechte Sprachgestaltung und zum anderen auf die Darstellung von Frauen und Männern in Bild und Text eingegangen werden. Sind beide Geschlechter gleichermaßen in vielfältigen Handlungskontexten anzutreffen? Werden sie überwiegend in geschlechtstypischen Situationen abgebildet? Um die Forschungsfrage beantworten zu können, wird in Kapitel 2 zuerst die Relevanz von geschlechtersensibler Berufsorientierung aufgezeigt. Zum einen wird in Kapitel 2.1 auf die Geschlechtssegregation am Arbeitsmarkt eingegangen und zum anderen in Kapitel 2.2 auf die Entstehung geschlechtsstereotyper Berufswahl. Daraufhin folgt in Kapitel 2.3 die Darstellung einer geschlechtergerechten Berufsorientierung. Kapitel 3 behandelt die Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung und zeigt in Kapitel 3.2 die ausgewählten Instrumente für die Analyse. In Kapitel 4 folgt die Analyse ausgewählter Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung. Hier werden auf der einen Seite die Methode und auf der anderen Seite die Ergebnisse der Analyse aufgezeigt. Als empirische Forschungsmethode wird die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring angewendet. Die Ergebnisse aus der qualitativen Analyse werden in Kapitel 5 einer Diskussion unterzogen.
2. Relevanz von Geschlechtersensibler Berufsorientierung
Berufsorientierung ist als pädagogisches Handlungsfeld fest mit der Schule verbunden (Faulstich-Wieland und Scholand 2015; Faulstich-Wieland 2016; Driesel-Lange et al. 2020). Bereits im Jahr 1960 wurde die Berufsorientierung als curricularer Bestandteil im Fach Arbeitslehre verankert. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat die Berufsorientierung im Jahr 1993 als verbindlichen Bestandteil schulischer Handlungsfelder der Sekundarstufen I erklärt (Driesel-Lange et al. 2020). Mittlerweile ist die Berufsorientierung in allen Bundesländern sowohl an der Sekundarschule I als auch an der Sekundarschule II durch das Schulgesetz verpflichtend (Dedering 2002; Knauf 2009). In einigen Bundesländern gibt es spezielle Fächer, die die Berufsorientierung im Lehrplan abbilden, wie beispielsweise das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik, welches in Brandenburg und Berlin die Arbeitslehre abgelöst hat.3
„Unter Berufsorientierung wird ein Prozess der Anbahnung und Förderung derjenigen Kompetenzen eines Menschen verstanden, die ihn befähigen, die eigene Berufsbiographie ein Leben lang eigenverantwortlich zu planen und zu steuern“ (Dreer und Lipowski 2017: S. 53). Die schulische Berufsorientierung hat zum Ziel, dass „berufsbezogene Interessenspektrum von Jugendlichen zu erweitern“ (Faulstich-Wieland und Scholand 2015: S. 79). Dies gilt auch im Hinblick auf Berufe, die als geschlechtsuntypisch gelten. Die ersten Bemühungen, Frauen auch für technische Berufe zu gewinnen, gibt es seit 1970 (Jurinek-Stinner und Weg 1982). Seit einigen Jahren wird ebenfalls verstärkt versucht, junge Männer für den sozialen Bereich zu gewinnen, insbesondere für den Beruf des Erziehers (Cremers et al. 2012). Trotz dieser Bemühungen lässt sich erkennen, dass der Arbeitsmarkt nach wie vor von einer starken Geschlechtersegregation gekennzeichnet ist. Junge Menschen konzentrieren sich bei ihrer Berufswahl auf wenige Berufe, die oft vom eigenen Geschlecht dominiert werden (Faulstich-Wieland und Scholand 2015: S. 79).
In den nachfolgenden Kapiteln wird zuerst die Ausgangssituation beleuchtet und daraufhin eine geschlechtergerechte Berufsorientierung ausgearbeitet. Hierfür wird in Kapitel 2.1 zunächst die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt aufgezeigt und in Kapitel 2.2 auf die Entstehung von stereotyper Berufswahl eingegangen.
Darauf aufbauend wird in Kapitel 2.3 aufgezeigt, wie die Berufsorientierung geschlech- tergerecht gestaltet werden kann, indem in Kapitel 2.3.1 Gender-Kompetenz als Basis und in Kapitel 2.3.2 geschlechtersensible Berufsorientierung aufgegriffen werden.
2.1 Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt
Auf den ersten Blick mag die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen suggerieren, dass auf dem Arbeitsmarkt eine Gleichstellung vorhanden ist. Betrachtet man die Situation genauer, wird deutlich, dass dem nicht so ist. Sowohl bildungspolitische- als auch Gleichstellungsanalysen zeigen, dass Männer und Frauen überwiegend einen Beruf oder Studienfach wählen, in denen das eigene Geschlecht überwiegt, weshalb in vielen Berufsfeldern überwiegend Frauen oder Männer arbeiten. Die Segregation von Geschlechtern am Arbeitsmarkt ist nach wie vor ein problematisches Thema. Unterstützend wirken immer noch vorhandene sprachliche Zuordnungen wie „Frauenberufe“ und „Männerberufe“ (Makarova et al. 2017; Rischka und Salzmann-Pfleger 2017).
Es lassen sich zwei Arten der Geschlechtersegregation finden, die vertikale und die horizontale, die hier von Bedeutung sind. Dabei meint die vertikale Segregation die ungleiche Verteilung der Geschlechter auf berufliche Hierarchieebenen und die horizontale Segregation bezeichnet die Verteilung von Männern und Frauen in unterschiedlichen Branchen und Berufen (Busch 2013: S. 27).
Auf der horizontalen Ebene entscheiden sich junge Frauen und Männer bei der Studienwahl für Studiengänge, die vom eigenen Geschlecht dominiert4 werden. Dabei ist zu beobachten, dass Frauen selten einen Studiengang im MINT5 -Bereich wählen. Männer tendieren weniger zu einem Studiengang im sozialen, pflegerischen und frühpädagogischen Bereich (Busch 2013; Makarova et al. 2016; Behrens et al. 2017; Makarova 2019).
Auch im Ausbildungssektor macht sich die Geschlechtersegregation bemerkbar. Aus der aktuellen statistischen Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung von 20216 geht hervor, dass im Gesundheitsbereich vorwiegend Frauen neue Ausbildungsverträge abschließen. Die Ausbildung zur/zum medizinischen Fachangestellten befindet sich bei den Frauen in der Rangliste auf Platz 1, während sich die Ausbildungsstelle bei den Männern auf Platz 76 befindet. Außerdem sind 83,5 % aller Auszubildenden im Medizin- und Pflegebereich Frauen, was auf einen frauendominierten Sektor schließen lässt. Bei den Männern befindet sich die Ausbildung zum/zur Kraftfahrzeugmechatroniker*in auf Platz 1. Der Männeranteil beläuft sich hier auf 95,2 % mit insgesamt 20.697 Neuzugängen (Bundesinstitut für Berufsbildung 2021: Tab. 67-69). Im technischen Ausbildungssegment ist zu erkennen, dass hier deutlich mehr Männer eine Ausbildung beginnen. Beispielsweise haben 2021 als Elektroniker*in für Energie- und Gebäudetechnik 13.509 Männer einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen und 351 Frauen. Nach wie vor dominieren Männer handwerkliche und technische Berufe, während Frauen besonders medizinische und soziale Berufe dominieren (Bundesinstitut für Berufsbildung 2021: Tab. 45 mw).
Insgesamt arbeiten nach aktuellen Daten des statistischen Bundesamtes im Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung 2021 5.848.703 Millionen Männer und nur 1.237.972 Millionen Frauen. In den Berufsfeldern Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung arbeiten hingegen 5.008.156 Millionen Frauen und 1.327.414 Millionen Männer. Auch die Bereiche Naturwissenschaft, Geografie und Informatik wird deutlich von Männern angeführt, während die Frauen vermehrt in den Sektoren kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotellerie und Tourismus arbeiten. Als ausgeglichene Bereiche gelten Sprach-, Literatur-, Geistes-, Gesellschafts-, und Wirtschaftswissenschaften, Medien, Kunst, Kultur und Gestaltung (Statistisches Bundesamt 2021).
Ein weiteres Merkmal der horizontalen Geschlechtersegregation ist die soziale Ungleichheit, die den Arbeitsmarkt immer noch bestimmt. Einige Berufsfelder, die überwiegend von Frauen besetzt sind, werden geringer entlohnt und versprechen weniger Aufstiegschancen als Berufe, die überwiegend von Männern besetzt sind. Hinzu kommt, dass männerdominierte Berufe meistens ein höheres Prestige erfahren als frauendominierte Berufe und die Arbeitsmarktsicherheit bei vielen frauendominierten Berufen nicht gegeben ist (Busch 2013: S. 27; Behrens et al. 2017: S. 26).
Der Grad der gesellschaftlichen Integration wird von den westlichen Nationen insbesondere anhand der Integration in den Arbeitsmarkt gemessen. Aufgrund der vorhandenen Arbeitsmarktsegregation beschreibt Busch (2013) Frauen infolgedessen als benachteiligt. Dies zeigt sich besonders deutlich in Lebensbereichen, die an den Berufserfolg anknüpfen (Busch 2013: S. 20).
In Abbildung 1 ist zu erkennen, dass ein geringerer Stundenlohn von Frauen gegenüber Männern eine konstante Größe ist. Von 2006 bis 2018 hat sich der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen von 13,91 Euro auf 17,09 Euro gesteigert, während sich der Stundenlohn von Männern von 17,90 Euro auf 21,60 Euro gesteigert hat. Zwar nähern sich die Stundenlöhne von Frauen und Männern an, identisch ist der durchschnittliche Stundenlohn beider Geschlechter aber noch lange nicht. Während die Männer 2006 29% mehr Stundenlohn erhalten haben, sind es 2018 noch 26%. Durchschnittlich haben Männer von 2006 bis 2018 etwa 28% mehr verdient als Frauen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Durchschnittlicher Stundenverdienst von Frauen und Männer bis 2018. Datenquelle: Statistisches Bundesamt Datenreport 2021, eigene Erstellung der Graphik.
Auf der vertikalen Ebene lässt sich erkennen, dass sich nur wenig Frauen in Führungspositionen befinden. Der Zusammengang soll darin bestehen, dass es sich vorwiegend um männerdominierte Berufe handelt, die seltener von Frauen ergriffen werden. Somit wirkt sich die geschlechtstypische Berufswahl auch auf das berufliche Hierarchieverhältnis der Geschlechter aus (Busch 2013: S. 223).
Zwar hat sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen über die Jahre gesteigert, trotzdem macht er 2020 laut des statistischen Bundesamtes insgesamt nur 28% in Deutschland aus. Von 2019 bis 2020 hat sich der Frauenanteil wiederum 2% verringert. Deutschland nimmt in Europa damit einen Platz im unteren Drittel ein, während Lettland und Schweden die Tabelle anführen.
Die Geschlechterverteilung sowohl im Ausbildungsbereich als auch bei den Studiengängen und dem allgemeinen Arbeitsmarkt deutet immer noch auf ein deutliches Ungleichgewicht hin. Die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt kann nachhaltige Folgen für die Erwerbsbiografien und die wirtschaftliche Situation beider Geschlechter haben. Als eine Konsequenz der Geschlechtersegregation wird angenommen, dass „Potenziale nicht ausgeschöpft werden, indem Frauen wie Männer Berufe meiden, die ihren Interessen oder Stärken entsprechen könnten“ (Faulstich-Wieland 2016: S. 15). Decken sich die eigenen Fähigkeiten nicht mit der angestrebten Berufswahl, kann das zu dauerhafter Unzufriedenheit führen. Zusätzlich kann das bedeuten, dass der Beruf frühzeitig abgebrochen wird. (Faulstich-Wieland 2016: S. 15f; Rischka und Salzmann-Pfleger 2017:S.2).
Durch die vorherrschende Geschlechtersegregation entstehen Engpässe bei der Einstellung von neuen Auszubildenden, Studierenden und Fachkräften. Zusätzlich pflanzen sich geschlechtsstereotype Zuschreibungen fort, welche die Kompetenzen von Frauen beispielsweise auf emotional-kommunikativ und von Männern auf rational-technisch festlegen. Geschlechtsstereotype Konnotationen können nachhaltige Auswirkungen auf die Berufswahl von jungen Frauen - und Männern haben, sodass sich die Geschlechterseg- regation am Arbeitsmarkt verfestigt (Makarova und Herzog 2013; Faulstich-Wieland 2016; Makarova et al. 2016; Makarova et al. 2017; Wenger und Makarova 2019).
Die Frage ist: Wie entsteht eine solch beharrliche Tendenz zur Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt? Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt nachgegangen werden.
2.2 Entstehung geschlechtsstereotyper Berufswahl
Um die horizontale und vertikale Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt zu erklären, werden evolutionsbiologische, strukturtheoretische oder sozialisationstheoretische Ansätze herangezogen. Insbesondere in der sozialisationstheoretischen Begründung spielt die Geschlechtstypik eine zentrale Rolle beider Berufswahl von Schüler*innen, während beispielsweise in der strukturtheoretischen Erklärung ökonomische und soziale Ursachen für die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt hervorgehoben werden. Im sozialisationstheoretischen Ansatz wirddie geschlechtstypische Berufswahl zum einen als ein Lernprozess und zum anderen als ein Gewöhnungsprozess dargestellt (Kracke et al. 2013; Makarova und Herzog 2013; Makarova et al. 2017; Makarova und Teuscher 2018).
Als zentrale Elemente der Sozialisationstheorie stellt Linda Gottfredson (2002; 2005) Berufsvorstellungen, „welche die sozialgeteilten Annahmen über das Sozialprestige und die Geschlechtstypik eines Berufs umfassen, und andererseits das Selbstkonzept des Individuums“ (Makarova et al. 2017: S. 240) heraus. Gottfredson geht davon aus, dass Menschen eine sogenannte „kognitive Landkarte der Berufe“ (Gottfredson 2005: S. 80) bilden und im Unterbewusstsein verankern. Die Entstehung des eigenen Berufswunsches und der Verlauf des Berufswahlprozesses resultieren demnach aus dem gesellschaftlichen Ansehen eines Berufes und dem Konstrukt des eigenen Selbst. Die berufliche Passung verläuft nach Gottfredson in vier Phasen:
- Erste Phase: Kleinkinder entwickeln im Vorschulalter erste Eindrücke und Fantasien zur Berufswelt. Auch zur Geschlechtsdynamik besitzen sie erste Vorstellungen.
- Zweite Phase: In der Grundschule verfestigt sich das Wissen über Rollenbilder und erste Geschlechtspräferenzen im zukünftigen Berufswunsch können sich bemerkbar machen. Beispielsweise wird der Beruf im technischen Bereich als typisch männlich angesehen und ein Beruf im sozialen Bereich als typisch weiblich.
- Dritte Phase: Die Phase spielt sich im Alter von 9-13 Jahren ab und zu der Dimension der Geschlechtstypik kommt jetzt das soziale Ansehen eines Berufes hinzu.
- Vierte Phase: Ab dem 14. Lebensjahr steht die Entwicklung des eigenen Individuums im Mittelpunkt. Dabei sind zum ersten Mal eigene Interessen, Fähigkeiten und Wünsche von Bedeutung. Diese werden mit den bereits erworbenen Vorstellungen abgeglichen. Zum Einsatz kommt hier die Typologie von Holland (1997), wobei Berufe in handwerklich-technisch, untersuchend-forschende, künstlerischkreative, erziehend-pflegerische, führend-verkaufende und ordnend-verwaltende gegliedert sind. Schlussendlich wird die bereits erworbene Vorstellung mit den eigenen Fähigkeiten, der Geschlechtstypik und dem Prestige abgeglichen und daraus ergibt sich die eigene Berufsvorstellung (Makarova et al. 2017; Makarova und Keller 2019).
Insgesamt verweist Gottfredson in ihrer Theorie auf die Geschlechtsproblematik in der Berufsorientierung und -wahl. Das gesamte soziale Umfeld trägt zur Entwicklung von beruflichen Vorstellungen bei. Stereotype Geschlechterzuordnungen, die im sozialen Kontext vermittelt werden, beeinflussen die eigene Geschlechtswahrnehmung der Kinder und Jugendlichen und können einen nachhaltigen Einfluss auf die Berufswahl ausüben. Nach der Sozialisationstheorie stellt die eigene Berufswahl „einen Kompromiss dar, in dem eigene Fähigkeiten, Interessen und Neigungen, zunächst der passenden Geschlechts- typik und danach dem Sozialprestige eines Berufs untergeordnet werden“ (Makarova et al. 2017: S. 241). Makarova (2018; 2019), aber auch Faulstich-Wieland und Scholand (2015) betonen, dass die Auswahl der Berufe durch einen solchen Kompromissprozess deutlich eingeschränkt wird, wobei die Wahl am Ende zumeist auf einen Beruf fällt, in dem das eigene Geschlecht überwiegt.
Betrachtet man die aktuelle empirische Forschungslage, findet der sozialisationstheoretische Ansatz nach Gottfredson mehrheitlich Bestätigung. In einer Studie zu Berufspräferenzen von Kindern im Alter von 3-14 Jahren konnten Hartung, Porfeli und Vondracek (2005) feststellen, dass sich geschlechtstypische Berufsvorstellungen bereits verfestigt haben. Kinder haben erste Vorstellungen von ihren Traumberufen, die mit einer geschlechtsstereotypen Beschreibung einhergehen (Hartung et al. 2005: S. 394ff).
Eine zweite Studie von Ratschinski (2009), in der Schüler*innen von der 7. bis zur 10. Klasse herangezogen wurden, konnte feststellen, dass sich Wissenüber die Geschlechts- typik und das Prestige eines Berufs früh bei den Jugendlichen entwickeln. Schränken sich im Berufswahlprozess die Wahlmöglichkeiten ein, überwiegt die Geschlechtstypik gegenüber dem Prestige (Ratschinski 2009: S. 178).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Geschlechtstypik in der Berufswahl eine wichtige Rolle einnimmt. Eigene Sozialisationserfahrungen im Hinblick auf die Ge- schlechterrollen können die Berufsentscheidung beeinflussen (Kracke et al. 2013; Makarova und Teuscher 2018). Um dem entgegenzuwirken ist ein geschlechtersensibler Berufsorientierungsunterricht, in dem entsprechend aufbereitete Instrumente behandelt werden, zentral.
2.3 Berufsorientierung und Geschlecht
In Kapitel 2 wurde bereits erwähnt, dassdie Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang Schule Beruf unter anderem ein Aufgabenbereich der Schule ist.Bei der Zielsetzung der aktuellen Berufsorientierung wird kritisiert, dass die Geschlechterthematik meistens ausgeklammert wird (Faulstich-Wieland und Scholand 2015; Faulstich-Wieland 2016; Makarova et al. 2017).
Bildungs- und Kommunikationsinstrumente (bspw. Bücher, Webseiten, Portfolios, Betriebspraktikum etc.) der Berufsorientierung, die im schulischen Kontext zum Einsatz kommen, weisen oft noch stereotype Zuordnungen auf und thematisieren die Geschlech- terproblematik nicht (Faulstich-Wieland 2020: S. 489).
Die aktuelle Forschungssituation zeigt, dass die Geschlechtstypik bei der Berufswahl eine gewichtige Rolle übernimmt und die Entscheidung der Schüler*innen beeinflussen kann. Linda Gottfredson (2002, 2005) verweist in ihrem sozialisationstheoretischen Ansatz (Kap. 2.2) darauf, dass sich geschlechtsstereotype Berufsvorstellungen bereits ab der frühen Kindheit bilden können. Deshalb ist es von besonderer Wichtigkeit, auch bei der Berufsorientierung früh geschlechtersensibel anzusetzen und stereotypen Rollenbildern entgegenzuwirken.
Wie kann die Berufsorientierung so gestaltet werden, dass sich Jugendliche bei der Berufswahl nicht auf geschlechtstypische Merkmale fixieren, sondern auf ihre individuellen Fähigkeiten? In der Literatur werden vier wesentliche Punkte dargestellt, die eine ge- schlechtergerechte Berufsorientierung herbeiführen können. Hierfür bedarf es zum einen einer Individualisierung beziehungsweise einer Geschlechtersensibilisierung der schulischen Berufsorientierung, welche Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen nimmt, sie in ihrer Persönlichkeit stärkt und so zur Reflexion der Geschlechtstypik anregt. Zum anderen soll geschlechtersensibler Berufsorientierungsunterricht explizit die Auseinandersetzung mit der Segregation am Arbeitsmarkt und tradierten Geschlechterrollen fördern. Als drittes müssen Lehrkräfte und Akteur*innen der Berufsorientierung (bspw. die Agentur für Arbeit oder Berufsberater*innen) entsprechend qualifiziert werden, um eine ge- schlechtergerechte Berufsorientierung ermöglichen zu können. Zusätzlich müssen die Bildungs- und Kommunikationsinstrumente, welche von den Lehrkräften und Akteur*in- nen im Berufswahlprozess eingesetzt werden, geschlechtersensibel gestaltet werden (Kracke und Driesel-Lange 2016: S. 168f).
In Kapitel 2.3.1 wird zunächst auf die Genderkompetenz eingegangen, die als Basis für Lehrkräfte und Akteur*innen gilt, um geschlechtersensible Berufsorientierung umsetzen zu können. Abschließend wird die geschlechtersensible Berufsorientierung, sowohl im Hinblick auf den berufsorientierenden Unterricht als auch im Hinblick auf Instrumente der Berufsorientierung, mit ihren Aufgaben und Zielen dargestellt.
2.3.1 Genderkompetenz
Methodisch betrachtet sollen individualisierte Arbeitsformen „den Lehrpersonen Möglichkeiten bieten, Jugendliche in der Reflexion ihrer Wünsche in der Berufswahl und deren Umsetzbarkeit zu unterstützen“ (Makarova et al. 2017: S. 243).
Zielsetzung ist, dass Jugendliche ihre Berufswahl unabhängig von geschlechtsstereotypen Vorstellungen treffen. Hierfür ist eine gezielte Auseinandersetzung mit dem Thema Geschlecht und Beruf notwendig (Kracke und Driesel-Lange 2016: S. 168).
Damit Lehrkräfte und Akteur*innen der Berufsorientierung im Berufswahlprozess ge- schlechtersensibel agieren und kompetente Unterstützung leisten können, bedarf es entsprechender Qualifikationen (Kracke und Driesel-Lange 2016; Faulstich-Wieland und Scholand 2017).
Um dieser Qualifikation gerecht zu werden und die Schüler*innen im Hinblick auf die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt und deren aufkommende Problematik zu sensibilisieren, bedarf es im ersten Schritt einer sogenannten Genderkompetenz. Diese wird im Professionalisierungsprozess, neben geschlechtergerechten Instrumenten, als Grundlage einer geschlechtersensiblen Berufsorientierung betrachtet. Somit bildet die Genderkompetenz den Grundbaustein für jeden weiteren Handlungsschritt von Lehrpersonen und Akteur*innen in der geschlechtersensiblen Berufsorientierung (Faulstich-Wieland und Scholand 2017, S. 46f; Makarova et al: S. 243).
Die Genderkompetenz umfasst die drei Elemente: Wollen, Wissen und Können. Mit Wollen ist die Motivation gemeint, sich mit der Geschlechterthematik auseinanderzusetzen. Das Wissen steht für ein spezielles Geschlechterwissen, welches zur Reflexion von Ge- schlechterverhältnissen und Strukturen befähigt. Können steht für die Kompetenz in der Praxis geschlechterbezogen zu handeln. Genderkompetenz meint die Fähigkeit, Ge- schlechterzuschreibungen aufgrund ihrer Herkunft und gesellschaftlichen Auswirken auf bestehende Machverhältnisse kritisch reflektieren zu können. Das heißt sowohl das Verständnis der eigenen Geschlechterrolle sowie gesellschaftlich verfestigte Rollenmuster zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang sollen auch Ausprägungsmerkmale wie das Alter, Herkunft, sexuelle Zuordnung etc. Beachtung finden. Außerdem meint Genderkompetenz, dass das Geschlechterwissen so eingesetzt werden soll, dass das eigene Handeln zu einem Abbau von ungleichen Geschlechterverhältnissen führen kann (Blickhäuser und Bargen 2006; Budde 2008; Faulstich-Wieland und Scholand 2017).
Zielsetzend soll so eine Dekonstruktion von Geschlechterdifferenzen erreicht werden. Die Lehrkraft übt eine Vorbildfunktion aus und kann mit geschlechtergerechter Sprache und entsprechenden Unterrichtsmaterialien ein didaktisches Handlungsfeld schaffen, in dem geschlechtersensible Berufsorientierung möglich wäre.
Für die Qualifizierung von Lehrkräften im Bereich der Genderkompetenz gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Schulungen und Seminaren, die ein sogenanntes Gendertraining anbieten (Faulstich-Wieland und Scholand 2017, S. 46f). Langfristig nennt Marianne Friese 2012 als unabdingbare Voraussetzung zur Professionalisierung von pädagogischen Fachkräften die Aufnahme der Geschlechterthematik in das Schulcurriculum und der universitären Ausbildung von Lehrpersonal.
Das Erlernen der Genderkompetenz ist nur ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Berufsorientierung. Im nächsten Unterkapitel wird dargestellt, wie der Unterricht und die Lehrmittel geschlechtersensibel gestaltet werden können.
2.3.2 Geschlechtersensible Berufsorientierung
Geschlechtersensible Berufsorientierung heißt auf die Individualität der Schüler*innen einzugehen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Die Individualisierung geschieht auf zwei Ebenen und knüpft an die Lebenswelt der Jugendlichen an. Im ersten Schritt werden die Schüler*innen mit den jeweiligen Ressourcen, Wünschen und Fähigkeiten als Individuum in den Fokus gesetzt. Im zweiten Schritt wird der Blick auf vorhandene Hindernisse und gesellschaftliche Strukturen gelenkt, wie die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt, tradierte Rollenvorstellungen sowie stereotype Zuschreibungen.
Geschlechtersensibler Unterricht sollte „eine Vielfalt möglicher Lebensentwürfe und Rollenmodelle aufzeigen. Dabei sollten individuelle und gesellschaftliche Begrenzungen sichtbar gemacht und Jugendliche zu kritischer Reflexion angeregt werden“ (Kracke und Driesel-Lange 2016: S. 169). Die Schüler*innen sollen also dazu ermutigt werden, ihren Lebensweg zu gehen, auch wenn dieser gegen vorhandene Normvorstellungen sprechen sollte. Zusätzlich sollen die Schüler*innen dazu angeregt werden, ihre Lebenswelt zu hinterfragen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit es sich bei ihren Wünschen und Vorstellungen um eigene oder gesellschaftlich auferlegte handelt.
Scholand (2017), Kracke und Driesel-Lange (2016) nennen als weiteren zentralen Punkt die Förderung der Selbstwirksamkeit der Individuen. Im Unterricht kann die Selbstwirksamkeit der Schüler*innen gestärkt werden, indem eine wertschätzende Atmosphäre aufgebaut wird und den Schüler*innen Wahlmöglichkeiten (bspw. zwischen unterschiedlichen Sozialformen) gegeben werden. Außerdem ist es wichtig, den Schüler*innen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Auch eine Feedbackkultur, in der sowohl konstruktiv über Erfolg als auch über Misserfolg gesprochen wird, regt die Selbstwirksamkeit der Jugendlichen an. Neben dem eigentlichen Unterricht müssen auch die Instrumente der Berufsorientierung geschlechtersensibel gestaltet werden. Welche Aspekte sind speziell bei einer geschlechtersensiblen Berufsorientierung in Instrumenten und Lehrmitteln zu beachten?
1. Anwendung geschlechtergerechter Sprache7: Als ein wichtiger Punkt der ge- schlechtersensiblen Berufsorientierung wird die geschlechtergerechte Sprache genannt. Bei Anreden sollte darauf geachtet werden, dass geschlechtsneutrale Schreibweisen oder andere geschlechtergerechte Schreibweisen (Binnen-I, Schrägstrich-Form, Gendersternchen, Unterstrich, Nennung beider Geschlech- ter)8 angewendet werden (Wenger und Makarova 2019: S. 130).
Gesine Spieß (2008) ordnet der Sprache eine Vorbildfunktion zu, mit der Menschen sozialisiert werden. Sprache „schafft Wirklichkeit“ (Spieß 2008: S. 54)und „eröffnet andere Sichtweisen“ (ebd.).
Studien zur Wirksamkeit von Lehrmitteln zeigen, dass eine ausgewogene sprachliche Darstellung beider Geschlechter wichtig ist und die Verwendung des generischen Maskulinums9 eher mit einer männlichen Person assoziiert wird. Alternative Schreibweisen, beispielsweise die geschlechtsneutrale, rufen solche Assoziationen selten bis gar nicht hervor (Heise 2000; Stahlberg und Sczesny 2001).
2. Keine stereotypischen Zuschreibungen: Hier soll besonders darauf geachtet werden, dass einem Geschlecht nicht bestimmte Berufe oder Merkmale zugeschrieben werden (bspw. Frauen sind sozial und Männer technisch begabt)(Spieß 2008; Kracke und Driesel-Lange 2016).
Solche stereotypischen Zuschreibungen können die Kompetenzentfaltung beider Geschlechter nachhaltig beeinflussen. Mit stereotypischen Zuweisungen werden den Geschlechtern sowohl Fähigkeiten aberkannt als auch anerkannt bestimmte Berufe ausüben zu können (Kracke und Driesel-Lange 2016: S. 171).
3. Ausgewogene bildliche Darstellung der Geschlechter: In wissenschaftlichen Studien wurde belegt, dass eine ausgewogene bildliche Darstellung beider Geschlechter wichtig ist. Werden Geschlechter nicht in tradierenden Geschlechter- rollen aufgezeigt, sondern in gleichberechtigten Positionen sowie ausgewogener Anzahl, kann das zum Abbau von geschlechtertypischen Zuschreibungen und somit auch zum Abbau geschlechtertypischer Berufswahl führen (Spieß 2008; Moser et al. 2013; Wenger und Makarova 2019).
4. Vielfältige Darstellung von Berufen und Handlungsformen: Den Schüler*in- nen sollte ein vielfältiges Angebot an Berufen und Handlungsfeldern aufgezeigt werden. Das heißt, dass nicht nur geschlechtstypische Berufe und wenige, beliebte Berufe aufgezeigt werden sollten, sondern auch geschlechtsuntypische und unbekanntere Berufe. Zudem sollte sich auch bei den Berufsfeldern in Text und Bild eine ausgewogene Darstellung der Geschlechter widerspiegeln, die nicht vorwiegend stereotypisch ist. Auch Handlungssituationen (bspw. Hobby, Freizeit, Familie) sollten in einem ausgewogenen Geschlechtsverhältnis abgebildet werden (Moser et al. 2013; Herzog et al. 2019; Wenger und Makarova 2019).
3. Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung
Der Begriff Instrumente für die Berufsorientierung wird in der Forschung berufswahltheoretischer Konzepte vielseitig diskutiert. Einigkeit herrscht darüber, dass es an Instrumenten der Berufsorientierung nicht mangelt, sondern eher eine Unübersichtlichkeit vorhanden ist. Ein großes Angebot kann im ersten Moment wie ein glücklicher Umstand wirken, im nächsten Moment jedoch wie eine Herausforderung. Schwierig ist zu filtern, welche Maßnahmen der Berufsorientierung als wirksame Mittel angewendet werden können und an welcher Stelle welches Instrument sinnhaft ist. Bisher wurde in der pädagogischen Debatte, um die Maßnahmen der Berufsorientierung, keine Systematik für den Einsatz von Instrumenten entwickelt.
Für die Entstehung des „Maßnahmendschungels“ (Heinrich und Kierchhoff 2011: S. 352), wie es mittlerweile im bildungspolitischen und pädagogischen Kontext genannt wird, können mehrere Faktoren verantwortlich sein. Als erstes wäre zu erwähnen, dass der Übergang Schule-Beruf in verschiedene Zuständigkeitsbereiche auf Regional-, Landes-, sowie Bundesebene fällt. Im zweiten Schritt führt diese Problematik dazu, dass sich eine Vielzahl von Anbieter*innen auf staatlicher sowie privatwirtschaftlicher Ebene verantwortlich für den Übergang Schule-Beruf fühlen, eigene Maßnahmen anbieten oder beratend zur Seite stehen. Wissenschaftliche Fundiertheit sucht man hier häufig vergebens. Auch eine evidenzbasierte Berufsorientierung oder eine Individualisierung der Angebote spielen oft keine Rolle (Brüggemann et al. 2017: S. 9ff; Kaak et al. 2017: S. 39f).
Immer wieder entstehen neue Instrumente der Berufsorientierung. Allein 2008 wurden vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung deutschlandweit 2.848 Maßnahmen ermittelt. Nur 17 der 2.848 gefundenen Maßnahmen wurden wissenschaftlich weiter erforscht und von zehn wurde ein Abschlussbericht vorgelegt (Kupka und Wolters 2010: S. 17).
An dieser Stelle wird deutlich, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Instrumenten der Berufsorientierung noch in den Kinderschuhen steckt und es weiterer Forschungsmaßnahmen bedarf, um den Mangel zu beheben. In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Praxisforschung im Bereich der Berufsorientierung zugenommen und es werden Mittel zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung geprüft und erstellt (Brüggemann et al 2017; Driesel-Lange und Kracke 2017; Kaak et al. 2017).
Einen ersten Schritt Instrumente der Berufsorientierung, die sich im wissenschaftlichen Diskurs wiederfinden, übersichtlich zugänglich zu machen, unternimmt das Werk Instrumente der Berufsorientierung, unter anderem herausgegeben von Tim Brüggemann. Und noch ein Satz alle relevanten Instrumente für die Arbeit und weitere wichtige werden vorgestellt . Als ein Instrument werden Potentialanalysen vorgestellt, von denen es viele verschiedene gibt. Im Bereich der Berufsorientierung werden diese „Assessment-Center ähnlichen Verfahren“ angewendet, um die Kompetenzen der Jugendlichen zu ermitteln. Die Schüler*innen sollen sich hier mit ihren Wünschen, Stärken und Interessen auseinandersetzen, um zukünftig eine Berufs- oder Studienwahl treffen zu können (Driesel-Lange und Kracke 2017; Epker 2017).
Neben den Potentialanalysen gibt es Portfolioinstrumente, die für den Berufswahlprozess genutzt werden und die Schüler*innen über einen längeren Zeitraum begleiten (Staden 2014; Brüggemann et al. 2017; Staden und Howe 2020). Hierzu zählt beispielsweise der Berufswahlpass, welcher in Kapitel 3.2.3 näher vorgestellt wird. Weitere Bildungsinstrumente der Berufsorientierung, die im schulischen Kontext zum Einsatz kommen, sind beispielsweise das Betriebspraktikum (Bergzog 2011; Beinke 2020), Schüler*innenfir- men (Lucht 2014; Bothe und Schöler 2017), Schüler*innenlabore (Rahn et al. 2017), Schulbücher (Beinke 2008, 2012), Spiele (Recknagel 2017) und vieles mehr. In der qualitativen Analyse in Kapitel 4 wird das Schulbuch Startklar für das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik betrachtet, weshalb dieses in Kapitel 3.2.1 näher beleuchtet wird.
Als Bindeglied zwischen Betrieben und Schulen gibt es die sogenannten Ausbildungs- botschafter*innen. Hier kommen Auszubildende aus verschiedenen Betrieben in die Schule und berichten von ihrem Arbeitsalltag. Dieses Berufsorientierungsinstrument dient zum einen der Informationsgewinnung und zum anderen der Identifikation mit Gleichaltrigen (Anthanasiadi et al. 2020).
Heute wird auch das Internet vielseitig für den Berufswahlprozess genutzt. Besonders die Plattformen der Agentur für Arbeit (berufenet, planet-berufe, check-u) dienen der Schule und den Jugendlichen als Kommunikationsinstrumente. Hier werden Informationen zur Verfügung gestellt (über Texte, Videos, Bilder und Arbeitsblätter), Tests können durchlaufen werden und sie können in Kontakt mit der Agentur für Arbeit treten (Beinke 2008; Struwe 2010). Die Plattform planet-berufe.de wird in Kapitel 3.2.2 als ein Kommunikationsinstrument der Agentur für Arbeit beschrieben und für die Analyse in Kapitel 4 herangezogen.
Speziell der Kategorie geschlechtersensible Bildungs- und Kommunikationsinstrumente sind zum einen der Girl's and Boy's Day (Wienkamp 2018) und zum anderen das Serious Game like2be (Makarova et al. 2017; Makarova und Keller 2019) zuzuordnen, welche im nächsten Unterkapitel explizit vorgestellt werden.
An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass nicht alle Instrumente der Berufsorientierung aufgezählt werden können, da es an der Anzahl zu viele sind. Eswurde versucht, ein Überblick über die wichtigsten zu geben, die besonders im schulischen Kontext zum Einsatz kommen oder bereits auf Geschlechtersensibilität abzielen.
3.1 Gendersensible Instrumente
Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung „können dazu beitragen, Prozesse der beruflichen Geschlechtersegregation beziehungsweise geschlechterste- reotype Berufs- und Studienwahlorientierungen zu hinterfragen“ (Behrens et al. 2017: S. 34) und „geschlechtsuntypische Berufswahlen zu unterstützen“ (ebd.).
Bisher sind wenig Instrumente der Berufsorientierung bekannt, die speziell auf Ge- schlechtersensibilität ausgelegt sind (ebd.). Wie zuvor erwähnt, gibt es eine Vielzahl von Bildungs- und Kommunikationsinstrumenten der Berufsorientierung und wenig Forschungsberichte im wissenschaftlichen Diskurs. Somit kann auch keine Aussage darüber getroffen werden, wie geschlechtersensibel die Instrumente im Einzelnen sind, da auch hier der Forschungsstand bei fast null liegt(Brüggemann et al. 2017). Geschlechtersensi- bilität gewinnt als wichtige Thematik immer mehr Zuspruch und ist für die Berufswahl von Jugendlichen von besonderer Bedeutung (Moser et al. 2013).
Im Bereich der geschlechtersensiblen Berufsorientierungsinstrumente wurde ein Serious Game[10] mit dem Namen like2be am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterfor- schung der Universität Bern entwickelt. Linda Breitlauch (2009) definiert Serious Games als Möglichkeit, Lerninhalte spielbasiert zu vermitteln und Kompetenzen zu fördern.Mit der Anwendung von Serious Games erhofft man sich, auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen und die intrinsische Motivation der Schüler*innen zu steigern. Die primäre Zielgruppe des Instruments sind Schüler*innen der 7. und 8. Klasse. Das Serious Game like2be soll bewusst die geschlechtersensible Berufswahl fördern und verfolgt dabei drei Ziele: (1) Erweiterung des Berufshorizonts, (2) Anregung eigene Berufswünsche zu hinterfragen, (3) Sensibilisierung für Geschlechterfragen (Rollenbilder, Selbstentwürfe usw.) (Makarova et al 2017; Makarova und Keller 2019).
Im Spiel nehmen die Schüler*innen die Rolle der berufsberatenden Person ein. Zu Beginn gehen sie die Inserate von Stellensuchenden durch, erfahren mehr über die Personen und haben für jedes Inserat nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung. In dieser Zeit müssen sie das Profil, Wünsche und Qualifikationen der Person einschätzen und eine offene Stelle zuordnen können. Im Spiel können die Schüler*innen 48 verschiedene Berufe kennenlernen und so ihren Berufshorizont erweitern. Es wurde darauf geachtet, dass sowohl männerdominierende als auch frauendominierende Berufe vertreten sind. Zusätzlich wurden Berufe nach ihrem Bekanntheitsgrad ausgewählt, von unbekannt bis bekannt (ebd.).
Die Reflexion der eigenen Berufswünsche sowie die Sensibilisierung für Geschlechter- fragen soll über die Auseinandersetzung mit den einzelnen Charakteren im Spiel erfolgen. Bisher wurde das Spiel mehrmals evaluiert und zusammen mit der Zielgruppe getestet. Aus den Evaluationen geht hervor, dass das Serious Game gut aufgenommen wird und Diskussionen über Geschlechterthematiken aufkommen, wenn beispielsweise einer Person kein eindeutiges Geschlecht zuzuordnen ist (ebd.).
Neben dem neu entwickelten digitalen Spiel gibt es ein weiteres Instrument, welches der geschlechtersensiblen Berufsorientierung zugeordnet wird, der Girl's and Boy's Day. Ursprünglich wurde 2001 der Girl's Day als Maßnahme ins Leben gerufen, um Schüler*in- nen der Sekundarstufe I und II einen Einblick in männerdominierende Berufe zu gewähren. Seit 2011 gibt es neben dem Girl's Day auch den Boy's Day. Ziel dieses Aktionstages, der seither einmal jährlich stattfindet, ist die Erweiterung des Berufswahlspektrums von jungen Frauen und Männern. Insbesondere unter dem Aspekt der horizontalen Segregation am Arbeitsmarkt, soll der Girl's and Boy's Day Mädchen und Jungen motivieren, Berufe in Betracht zu ziehen, die vom jeweils anderen Geschlecht dominiert werden. Unter anderem wird der Girl's and Boy's Day von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund gefördert und verbucht momentan 10.354 Kooperationspartner*innen (Schmid-Thomae 2014; Wienkamp 2018).
Inwieweit andere Instrumente der Berufsorientierung auf Geschlechtersensibilität ausgelegt sind, wurde bisher noch nicht hinreichend geklärt. In mehreren Untersuchungen wurden Schulbücher der MINT-Bereiche in Bezug auf Geschlechteraspekte betrachtet (Moser et al. 2013; Herzog et al. 2019; Wenger und Makarova 2019). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit weiteren Instrumenten der Berufsorientierung zum Thema Geschlecht blieb bisher außen vor. Behrens (2017) zeigt auf, dass Instrumente der Berufsorientierung zur Reflexion der Geschlechterperspektive genutzt werden können. Zusätzlich können geschlechtersensible Instrumente dazu führen, dass die Geschlechtssegregation am Arbeitsmarkt und geschlechtsstereotype Berufswahlen hinterfragt werden und geschlechtsuntypische Berufswahlen unterstützt werden (Behrens et al. 2017: S. 34f). Aus diesem Grund werden in den nächsten Unterkapiteln drei ausgewählte Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung vorgestellt und auf Aspekte der ge- schlechtersensiblen Berufsorientierung untersucht.
3.2 Ausgewählte Bildungs- und Kommunikationsinstrumente zur Analyse
Für die Analyse ausgewählter Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung in Kapitel fünf wird zum einen der Berufswahlpass näher betrachtet. Der Berufswahlpass entstand 2005 als Gemeinschaftsprodukt von vierzehn Bundesländern, der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesbildungsministerium. Seither wird er in den Schulen eingesetzt, um die Schüler*innen bei der Berufsorientierung zu unterstützen und gehört mit jährlich etwa 200.000 Auflagen zu den am häufigsten genutzten Bildungsinstrumenten der Berufsorientierung (Brüggemann et al. 2017: S. 199).
In einigen Bundesländern ist der Berufswahlpass im Kerncurriculum der Schule verankert und verpflichtend für den Berufsorientierungsunterricht. Er wird ab der 7. Klasse eingesetzt und geht als Ordner in die Hände der Schüler*innen über (Stade 2014: S. 2). An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass es neben dem Berufswahlpass noch weitere Portfolioinstrumente der Berufsorientierung gibt. Aus den zuvor genannten Gründen wird für die Analyse der Berufswahlpass herangezogen, da er unter den Portfolioinstrumenten eine Sonderstellung einnimmt.
Zum anderen wird das aktuelle Schulbuch Startklar des Faches Wirtschaft-Arbeit-Technik herangezogen, bei demes sich um ein Schulbuch handelt, welches sich am aktuellen Rahmenlehrplan für Berlin/Brandenburg der Jahrgangstufen 7-10 orientiert. Alle anderen Bücher orientieren sich entweder am alten Lehrplan oder führen zuweilen noch den Titel Arbeitslehre und sind deshalb als veraltet zu betrachten. Als zweites Bildungsinstrument wird dieses Schulbuch ausgewählt, da das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik die Berufsorientierung fest im Lehrplan verankert hat11 und Schulbücher als Lehrmittel immer noch eine Vorreiterstellung einnehmen (Schiller 2001: S. 200).
Als Kommunikationsinstrument wird die Internetplattform planet-berufe.de der Agentur für Arbeit betrachtet, welche in der schulischen Berufsorientierung neben weiteren Plattformen der Agentur für Arbeit, oft Anwendung findet. In Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung, die insbesondere in der Coronazeit vermehrt Einzug in den schulischen Bildungsbereich erhalten hat, ist die Geschlechtersensibilisierung digitaler Medien ebenso wichtig wie die von anderen Instrumenten. Die Nutzung des Smartphones und damit die Nutzung von Social Media und weiteren Informationsquellen aus dem Internet gehören heute zum Alltag der Schüler*innen (Anselm et al. 2018: S. 222f). Deshalb ist die geschlechtergerechte Aufbereitung der genutzten Webseiten für die Berufsorientierung unabdingbar.
Für die Analyse werden drei verschiedene Bildungs- und Kommunikationsinstrumente begutachtet. Auf der einen Seite soll eine Vergleichbarkeit untereinander geschaffen werden und auf der anderen Seite ein grober Überblick über die Vielfältigkeit der Bildungsund Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung entstehen.
Um die Forschungsfrage zu beantworten wäre es nicht hinreichend nur ein Instrument, beispielsweise den Berufswahlpass, heranzuziehen. Trotzdem kann keine allgemeingültige Aussage für alle Instrumente der Berufsorientierung getroffen werden und es handelt sich bei dieser Untersuchung nur um eine ausschnitthafte Darstellung für die ausgewählten Instrumente. Alle Bildungs- und Kommunikationsinstrumente der Berufsorientierung können an dieser Stelle nicht analysiert werden, da es den Umfang der Masterarbeit sprengen würde.
3.2.1 Schulbuch Startklar
Zur Analyse wird das Schulbuch Startklar!- Differenzierende Ausgabe Berlin und Brandenburg für das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik der Klassen 7-10 herangezogen. Das Buch wurde von Benjamin Apelojg, Safyah Hassan-Yavuz, Ulf Holzendorf, Bernd Meier und Dieter Mette erarbeitet, umfasst 255 Seiten und ist im Oldenburg Schulbuchverlag 2017 als erste Auflage erschienen. Es ist in 11 Kapitel unterteilt, wobei die Kapitel 1-6 auf die Klassenstufen 7-8 und die Kapitel 7-11 auf die Klassenstufen 9-10 ausgelegt sind. Aufgeteilt sind die einzelnen Kapitel jeweils in einen Auftakt, welcher das eigentliche Thema behandelt und einführt. Unterstützend sind Merkkästen mit wichtigen Schlüsselsätzen, allgemeine Begriffserklärungen und Aufgabenbereiche vorhanden. Auf jeder Doppelseite ist ein Webcode zu finden, den man im Browser eingeben kann, um Zugriff auf weitere Informationen oder Aufgaben zu erhalten. Am Ende eines Kapitels kann das Gelernte überprüft werden. Hierfür wird eine Doppelseite mit einem Check-Up zum Themenfeld zur Verfügung gestellt. Zusätzlich werden Beispiele für Projekte und Methoden aufgezeigt, die angewendet werden können. Die Lösungen der Aufgaben, die in den einzelnen Kapiteln bearbeitet werden können, befinden sich im Anhang des Schulbuches. Im Berufsorientierungsunterricht kommen verschiedene Bildungs- und Kommunikationsinstrumente zum Einsatz. Hierzu zählen, wie in Kapitel 3 genannt wurde, auch die Schulbücher (Beinke 2008, 2012). Von vielen Seiten wird hervorgebracht, dass das Schulbuch nach wie vor das wichtigste und meist genutzte Medium der Schule ist (Schiller 2001: S. 200). Schulbücher bieten den Lehrkräften eine Möglichkeit auf Material zurückzugreifen, welches sich am aktuellen Rahmenlehrplan orientiert. In seiner Printform begleiten Schulbücher Schüler*innen die gesamte Schulzeit und sie werden von Lehrkräften vorrangig als Arbeitsmittel eingesetzt. Als positive Eigenschaft wird den Schulbüchern ein universeller Einsatz im Unterrichtsgeschehen (bspw. als Basis für eine Klassenarbeit) zugeschrieben. Außerdem handelt es sich im Vergleich um eine preiswerte Variante der Medienbeschaffung und der Einsatz kann an jedem Ort und zu jeder Zeit stattfinden, ist also nicht an technische Hilfsmittel gebunden.
[...]
1 Der Begriff Segregation definiert im Allgemeinen die räumliche Trennung von Personen mit gleichen sozialen Merkmalen zu anderen Personen oder Gruppen (Trappe 2006: S. 52).
2 Instrumente im Allgemeinen sind wie folgt definiert: „jemand, etwas als Mittel, dessen man sich (wie eines Werkzeugs) zur Ausführung von etwas bedient“ (Dudenredaktion o.D.) Kommunikationsinstrumente sind dementsprechend Instrumente, die der Kommunikation und Informationsbereitstellung dienen. Hierzu gehören beispielsweise Webseiten, social Media und ähnliches (Kilian und Langner 2010: S. 162ff). Bildungsinstrumente sind Instrumente, die im Bildungsbereich (bspw. Schule, Universität) zum Einsatz kommen und zum Ausüben des Unterrichts eingesetzt werden.
3 In Sachsen gibt es das Fach Wirtschaft, Technik, Haushalt/Soziales, in Mecklenburg-Vorpommern das Fach Arbeit, Wirtschaft, Technik (AWT), in Hessen das Fach Arbeitslehre und in anderen Bundesländern wird Berufsorientierung teilweise im Fach Deutsch oder Wirtschaft mitübernommen und ist nicht Teil der curricularen Auseinandersetzung eines eigenen Faches.
4 Von frauendominierten Berufen spricht man, wenn der Frauenanteil in einem Beruf mehr als 70% beträgt. Von männerdominierten Berufen ebenfalls ab 70% Männeranteil und bei Mischberufen handelt es sich um prozentual ausgeglichene Berufe (Trappe 2006: S. 60).
5 MINT: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik
6 Komplette Tabelle des Bundesinstituts für Berufsbildung siehe: https://www.bibb.de/doku- mente/pdf/naa309/naa309_2021_tab045_0bund.pdf
7 Geschlechtergerechte Sprache ist ein sehr komplexes, eigenständiges Thema, welches hier nicht näher betrachtet werden kann. Für weiterführende Literatur siehe: (Diewald 2018).
8 Binnen-I: SchülerInnen; Schrägstrich-Form: Schüler/-innen; Gendersternchen: Schüler*innen; Unterstrich: Schüler_innen; Nennung beider Geschlechter: Schülerinnen und Schüler
9 Generisches Maskulinum: „Mit dem Ausdruck „generisches Maskulinum“ wird eine Gebrauchskonvention des Deutschen bezeichnet, die im 20. Jahrhunderts als üblich akzeptiert wurde, und die im Wesentlichen darin besteht, grammatisch maskuline Personenbezeichnungen (im Singular oder Plural, z. B. der Kunde/die Kunden) zur Bezeichnung „gemischter Gruppen“ oder zum Ausdruck allgemeiner, d. h. geschlechtsunspezifischer Referenz auf Personen zu verwenden“ (Diewald 2018: S. 286).
10 Ein Serious Game ist ein digitales Spiel, welches über eine App oder den Computer gespielt werden kann. Der Begriff Serious Game besitzt noch keine allgemeingültige Definition im wissenschaftlichen Gebrauch (Lampert et al. 2009). Für weiterführende Literatur zum Thema Serious Games siehe: (Kerres et al. 2009).
11 Der Rahmenlehrplan für das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik Teil C für Berlin-Brandenburg kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/unter- richt/rahmenlehrplaene/Rahmenlehrplanprojekt/amtliche_Fassung/Teil_C_WAT_2015_11_10_WEB.pdf Im Rahmenlehrplan sind die Module P3 (5/6 Klasse), P7 (7/8 Klasse) und P11 (9/10 Klasse) speziell auf den Berufswahlprozess abgebildet.
- Quote paper
- Melody Gollub (Author), 2022, Geschlechtersensibilität in Bildungs- und Kommunikationsinstrumenten der Berufsorientierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1331670
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