„Wenn es die Zeitarbeit nicht gäbe, würde das jüngste BMW-Werk in Leipzig mit 5500 Arbeitsplätzen heute in Polen stehen.“ (Dobbert 2007: 1). Erstaunlicherweise stammt dieser Ausspruch nicht von einem Vertreter der drei großen Zeitarbeitgeberverbände, sondern von Hans Haumer, dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden des BMW-Werks in München. Obwohl sich jener damit für Wettbewerbsfähigkeit durch Leiharbeit ausspricht, meint Haumer im selben Interview Züge von Sklaverei in der Arbeitnehmerüberlassung zu erkennen.
Nun, zunächst spiegelt diese ambivalente Sicht auf diese kleine aber hart umkämpfte Branche die Zerrissenheit der heutigen gesellschaftlichen Diskussion um dieses Thema wider. Die branchenübergreifende Vernetzung, gesetzliche Deregulierung, die tarifpolitischen Arrangements und vor allem die Wirkungen auf den Arbeitsmarkt machen die Arbeitnehmerüberlassung zu einem interessanten wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand. Das Problem stellt dabei nicht immer die Leiharbeit an sich dar, sondern auch die mit ihr verknüpften aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Leiharbeitsbranche wird vermutlich weder die volle Schuld an diesen gesellschaftsweiten Tendenzen treffen, noch wird sie diese im Alleingang lösen können. Dies scheint jedoch die gängige Rhetorik in vielen Diskussionen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu sein. Daher ist es das Ziel dieser Arbeit, ein neutrales und mithin differenziertes Bild der Arbeitnehmerüberlassung und seiner Bedeutung in Deutschland zu zeichnen. Für einen ersten Einblick werden nach der Begriffsklärung zuerst die Funktionsweise und die gesetzliche Entwicklung der Zeitarbeit aufgezeigt. Im Anschluss daran muss die interessenspolitische Besetzung des Themas aufgelöst werden, um bestehende Machtverhältnisse aufzudecken und um die unterschiedlichen Argumentationslinien und Handlungsabsichten transparent zu machen. Im Anschluss befasst sich der dritte Punkt zunächst mit den verwendeten empirischen Studien in dieser Arbeit, bevor die Merkmale und Motive der Ver- und Entleiher sowie ihrer Arbeitnehmer untersucht werden.Im letzten Abschnitt dieses Punktes werden die Arbeitsmarktwirkungen der Zeitarbeit im Hinblick auf die Gesamtwirtschaft und den einzelnen Arbeitnehmer analysiert. Am Ende des Hauptteils verdeutlicht die Synthese nochmals die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit. Der Schluss gibt einen Ausblick über den Branchenverlauf in Bezug auf die weltweite Finanzkrise und ihre Folgen.
Inhaltsverzeichnis
- A) Die zerrissene und undifferenzierte gesellschaftliche Diskussion um die Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland
- B) Ziele, Akteure und Streitpunkte rund um die Arbeitnehmerüberlassung
- 1) Begriff, allgemeine Funktion und gesetzliche Entwicklung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland
- 1.1) Begriff und Funktionsweise der Arbeitnehmerüberlassung
- 1.2) Der Wandel des reglementieren AÜG bis zur Deregulierung im Rahmen der Hartz-Gesetze 2003
- 2) Interessenpolitische Besetzung des emotionalisierten Themas Zeitarbeit: Meta-Probleme, Tarifierung, Streitpunkte
- 2.1) Der Streit um den Mindestlohn, gleiche Arbeitsbedingungen und die Verletzung der Tarifautonomie
- 2.2) Der Wandel der Tarifstruktur im Zeitarbeitsmarkt – Ein gegenläufiger Trend
- 3) Problematisierung der Zeitarbeitsbranche anhand verschiedener empirischer Studien
- 3.1) Methodik und Mängel der empirischen Erhebungen zur Leiharbeit
- 3.2) Sozioökonomische Merkmale der Leiharbeitnehmer und ihre Stellung im Betrieb
- 3.3) Externalisierung betrieblicher Funktionen und die Untergrabung der Arbeitnehmerrechte
- 3.4) Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Abbau der Arbeitslosigkeit durch Arbeitnehmerüberlassung
- 4) Synthese: Viel Lärm um wenig
- C) Ausblick: Gesellschaftliche Sensibilisierung des Themas Leiharbeit durch die Finanzkrise
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit verfolgt das Ziel, ein differenziertes und neutrales Bild der Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland zu zeichnen. Sie analysiert die gesellschaftliche Diskussion um dieses Thema, beleuchtet die Interessen verschiedener Akteure und untersucht die Auswirkungen der Zeitarbeit auf den Arbeitsmarkt anhand empirischer Studien. Die Arbeit vermeidet einseitige Schuldzuweisungen und berücksichtigt die komplexen Zusammenhänge.
- Begriff und Funktionsweise der Arbeitnehmerüberlassung
- Gesetzliche Entwicklung und Deregulierung der Arbeitnehmerüberlassung
- Interessenpolitische Auseinandersetzungen im Kontext der Zeitarbeit
- Empirische Befunde zu sozioökonomischen Merkmalen von Leiharbeitnehmern
- Auswirkungen der Zeitarbeit auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit
Zusammenfassung der Kapitel
A) Die zerrissene und undifferenzierte gesellschaftliche Diskussion um die Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland: Dieses Kapitel beginnt mit einem Zitat, das die ambivalente Sichtweise auf die Zeitarbeit widerspiegelt: während sie für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wichtig ist, werden gleichzeitig auch Aspekte der Ausbeutung kritisiert. Der Text stellt heraus, dass die Diskussion um die Arbeitnehmerüberlassung stark mit anderen gesellschaftlichen Tendenzen wie der Erosion des Flächentarifvertrags und der zunehmenden Lohnspreizung verwoben ist. Das Kapitel betont die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung, um ein neutrales Bild zu erhalten.
B) Ziele, Akteure und Streitpunkte rund um die Arbeitnehmerüberlassung: Dieses Kapitel bietet eine umfassende Analyse der Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland, beginnend mit der Definition und Funktionsweise, gefolgt von einem Überblick über die gesetzliche Entwicklung, insbesondere die Deregulierung im Zuge der Hartz-Reformen. Es beleuchtet detailliert den Konflikt um Mindestlohn, gleiche Arbeitsbedingungen und Tarifautonomie und diskutiert die unterschiedlichen Positionen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Darüber hinaus werden empirische Studien herangezogen, um die sozioökonomischen Merkmale von Leiharbeitnehmern und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu analysieren.
1) Begriff, allgemeine Funktion und gesetzliche Entwicklung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland: Dieses Kapitel legt den Grundstein für das Verständnis der Arbeitnehmerüberlassung, indem es den Begriff definiert, die Funktionsweise erklärt und die gesetzliche Entwicklung nachzeichnet, einschließlich der schrittweisen Deregulierungen und deren Auswirkungen auf die Branche. Es umfasst Aspekte wie die Abgrenzung zu ähnlichen Vertragsformen und analysiert die Bedeutung der Gesetzesänderungen im Kontext von Arbeitsmarkt und Tarifpolitik.
2) Interessenpolitische Besetzung des emotionalisierten Themas Zeitarbeit: Meta-Probleme, Tarifierung, Streitpunkte: Der Fokus liegt hier auf der Auseinandersetzung um die Zeitarbeit, die durch unterschiedliche Interessen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Politik geprägt ist. Das Kapitel analysiert den Konflikt um den Mindestlohn, die Frage nach gleichen Arbeitsbedingungen für Leiharbeitnehmer und die Rolle der Tarifautonomie. Es beleuchtet den Wandel der Tarifstruktur im Zeitarbeitsmarkt, insbesondere die unterschiedlichen Strategien der Gewerkschaftsbewegungen (DGB vs. CGZP) und der Arbeitgeberverbände.
3) Problematisierung der Zeitarbeitsbranche anhand verschiedener empirischer Studien: Dieses Kapitel bewertet kritisch die Methodik und die Mängel bestehender empirischer Untersuchungen zur Leiharbeit. Es analysiert sozioökonomische Merkmale von Leiharbeitnehmern (z.B. Alter, Geschlecht, Qualifikation) und deren Stellung im Betrieb. Schließlich wird der Einfluss der Zeitarbeit auf die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, den Abbau von Arbeitslosigkeit, die Externalisierung betrieblicher Funktionen und die Umgehung des Kündigungsschutzes untersucht.
4) Synthese: Viel Lärm um wenig: Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der vorherigen Kapitel zusammen und präsentiert eine synthetische Sicht auf die Bedeutung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland.
Schlüsselwörter
Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Leiharbeit, Hartz-Gesetze, Tarifautonomie, Mindestlohn, Arbeitsmarkt, Flexibilisierung, empirische Studien, Sozioökonomie, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Beschäftigung, Integration.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Diplomarbeit: Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland
Was ist der Hauptfokus dieser Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit analysiert die Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland auf differenzierte und neutrale Weise. Sie untersucht die gesellschaftliche Diskussion, die Interessen verschiedener Akteure und die Auswirkungen der Zeitarbeit auf den Arbeitsmarkt, basierend auf empirischen Studien. Das Ziel ist es, ein umfassendes Bild zu zeichnen und einseitige Schuldzuweisungen zu vermeiden.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Begriff und Funktionsweise der Arbeitnehmerüberlassung, die gesetzliche Entwicklung und Deregulierung (insbesondere im Kontext der Hartz-Gesetze), interessenpolitische Auseinandersetzungen (Mindestlohn, gleiche Arbeitsbedingungen, Tarifautonomie), empirische Befunde zu sozioökonomischen Merkmalen von Leiharbeitnehmern und die Auswirkungen der Zeitarbeit auf Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in drei Hauptteile gegliedert: A) Die gesellschaftliche Diskussion um die Arbeitnehmerüberlassung, B) Ziele, Akteure und Streitpunkte rund um die Arbeitnehmerüberlassung (inkl. Unterkapitel zu Begriff/Funktion, gesetzlicher Entwicklung, Interessenpolitik und empirischen Studien) und C) Ausblick: Gesellschaftliche Sensibilisierung durch die Finanzkrise. Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Analyse des jeweiligen Themas.
Welche Akteure werden in der Arbeit betrachtet?
Die Arbeit berücksichtigt die Interessen verschiedener Akteure, darunter Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Gewerkschaften (DGB und CGZP), Arbeitgeberverbände und die Politik. Die unterschiedlichen Positionen und Strategien dieser Akteure im Kontext der Zeitarbeit werden analysiert.
Welche empirischen Studien werden verwendet?
Die Arbeit bezieht sich auf verschiedene empirische Studien zur Leiharbeit. Sie bewertet jedoch kritisch deren Methodik und Mängel und analysiert die sozioökonomischen Merkmale von Leiharbeitnehmern anhand dieser Studien. Die Ergebnisse werden genutzt, um die Auswirkungen der Zeitarbeit auf den Arbeitsmarkt zu beleuchten.
Wie wird der Einfluss der Hartz-Gesetze auf die Arbeitnehmerüberlassung dargestellt?
Die Arbeit untersucht den Wandel der Arbeitnehmerüberlassung durch die Deregulierung im Rahmen der Hartz-Gesetze von 2003. Die Auswirkungen dieser Deregulierung auf die Branche, den Arbeitsmarkt und die Tarifpolitik werden analysiert.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu einer synthetischen Sicht auf die Bedeutung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland. Der Titel des abschließenden Kapitels ("Viel Lärm um wenig") deutet darauf hin, dass die Arbeit eine differenzierte und ausgewogene Perspektive auf die kontroverse Diskussion um die Zeitarbeit bietet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Arbeitnehmerüberlassung, Zeitarbeit, Leiharbeit, Hartz-Gesetze, Tarifautonomie, Mindestlohn, Arbeitsmarkt, Flexibilisierung, empirische Studien, Sozioökonomie, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Beschäftigung, Integration.
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- Diplom Soziologe Robert Rolle (Author), 2009, Die Bedeutung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133060