In dieser Arbeit möchte ich untersuchen, wie dieses Kapital (symbolisches Kapital im bourdieuschen Sinne) gestaltet ist und ob sich Negativpreise wie die Golden Raspberry mit den Merkmalen der Ehrdistribution, wie sie Ludgera Vogt in ihrer Arbeit „Zur Empirie der Ehre“ aufstellt, vereinen lassen. Letztendlich soll damit die Frage beantwortet werden, ob Antiauszeichnungen eine ähnlich wichtige Rolle für die Gesellschaft spielen, wie positive Ehrungen – etwa der Oscar oder das Bundesverdienstkreuz - mit ihrer steuernden und festigenden Funktion.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Merkmale von Negativpreisen
2.1 Golden Raspberry Award
2.2 Big Brother Award
2.3 Unwort des Jahres
2.4 Gemeinsamkeiten
3. Ehrungen als symbolisches Kapital
3.1 Symbolisches Kapital bei Pierre Bourdieu
3.2 Zweckrationalität
3.3 Wertrationalität
4. Negatives symbolisches Kapital
5. Resümee
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Verleihung der „Razzie-Awards“, der Goldenen Himbeere, scheint auf den ersten Blick kaum etwas gemein zu haben mit der Überreichung der heiß ersehnten Oscar-Trophäe, die anzeigt, dass ein Schauspieler, eine Regisseurin, ein Musiker oder eine Kamerafrau auf dem Gipfel ihrer oder seiner Karriere angelangt ist. Für die Nominierung zur Golden Raspberry wird sich kaum jemand überschwänglich bedanken, die Wenigsten werden den Preis selbst in Empfang nehmen oder gar eine Dankesrede halten. Der materielle Wert des „Gegen-Oscars“ ist gering und der Imageschaden für Künstler, die sich selbst und ihre Arbeit ernst nehmen, nicht zu unterschätzen.
Trotzdem kann der „Razzie“ als institutionalisiertes „Instrument zur Distribution von Ehre“[1] betrachtet werden, über welches auf öffentlichkeitswirksame Art und Weise, d.h. in einer festlich gerahmten und von den Medien interessiert verfolgten Zeremonie, symbolisches Kapital im bourdieuschen Sinne[2] transferiert wird.
In dieser Arbeit möchte ich untersuchen, wie dieses Kapital gestaltet ist und ob sich Negativpreise wie die Golden Raspberry mit den Merkmalen der Ehrdistribution, wie sie Ludgera Vogt in ihrer Arbeit „Zur Empirie der Ehre“[3] aufstellt, vereinen lassen. Letztendlich soll damit die Frage beantwortet werden, ob Antiauszeichnungen eine ähnlich wichtige Rolle für die Gesellschaft spielen, wie positive Ehrungen – etwa der Oscar oder das Bundesverdienstkreuz - mit ihrer steuernden und festigenden Funktion.
Zu diesem Zweck sollen drei Beispiele für Negativpreise, die regelmäßig von unabhängigen Institutionen auf verschiedenen Gebieten vergeben werden, vorgestellt werden. Die Wahl fiel auf den bereits erwähnten Golden Raspberry Award, den Big Brother Award, sowie das Unwort des Jahres. Grund dafür ist ihre relativ hohe Popularität und Diversität.
Untersucht wird anschließend, ob die zweckrationale sowie die wertrationale Dimension der Ehre, die Ludgera Vogt als Wesensmerkmal von positiven Ehrungen erkennt, auch in Negativpreisen zu finden ist und ob sich auch für sie eine Steuerungs- und Festigungsfunktion für die Gesellschaft feststellen lässt.
Abschließend kann unter Rückgriff auf die Kapitalientheorie von Pierre Bourdieu ein Deutungsversuch zur gesellschaftlichen Relevanz von Antiauszeichnungen gewagt werden.
2. Merkmale von Negativpreisen
An den folgenden drei, aus verschiedenen Bereichen stammenden Antiauszeichnungen möchte ich versuchen, einige Gemeinsamkeiten dieser Preise und ihrer Stifter zu erkennen.
2.1 Golden Raspberry Award
Die eingangs schon erwähnte Goldene Himbeere ist einer der bekanntesten Negativpreise – analog zum Oscar, der gleichzeitig Vorbild und Kontrastfolie für den Golden Raspberry Award ist. Seit 1980 werden die „Dis-Honors for Worst Achievements in Film“[4] verliehen.
Die vom Autor und Cineasten John Wilson gegründete Foundation charakterisiert die Verleihung der Awards als „light-hearted parody of award shows in general (and The Oscars in particular)“[5], es wird aber auch der Anspruch deutlich gemacht, gegen die als übermächtig empfundene „Traumfabrik“ aufzubegehren. Erkennbar ist dies an der Tatsache, dass nur so genannte Blockbuster mit großem Budget für den Razzie nominiert werden können, sowie an der abwertenden Bezeichnung „Tinsel Town“ für Hollywood. Die Stiftung ist nach eigener Aussage „Poised to Prick The Movie Industry's Pomp for as long as Hollywood keeps on making High-Profile Howlers“[6].
2.2 Big Brother Award
Der Big Brother Award wird seit 1998 in verschiedenen Ländern verliehen, in Deutschland seit dem Jahr 2000 vom Bielefelder „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V.“ (FoeBuD e.V.), dessen Name eine Parodie auf umständliche Bezeichnungen der früheren Bundespost darstellt.
Der von Orwells Werk „1984“ inspirierte Negativpreis wird an „Firmen, Organisationen und Personen verliehen, die in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen“[7]. Ziel ist es, „die öffentliche Diskussion um Privatsphäre und Datenschutz zu fördern“[8]. Im Jahr 2006 erhielt die Landesinnenministerkonferenz den Big Brother Award für die Einrichtung der Anti-Terror-Datei.[9]
2.3 Unwort des Jahres
Eine Jury von Sprachwissenschaftlern der Universität Frankfurt am Main vergibt seit 1991 den Negativpreis „Unwort des Jahres“ für „Wörter und Formulierungen aus der öffentlichen Sprache, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen“[10]. Die öffentliche Rüge soll „zu mehr sprachkritischer Reflexion“[11] anregen und Humanität in der öffentlichen Kommunikation fördern. Unwörter der letzten Jahre waren u.a. „Entlassungsproduktivität“ (2005), „Humankapital“ (2004) und „Tätervolk“ (2003). Vorschläge können von jeder Bürgerin und jedem Bürger eingereicht werden.
Das Unwort des Jahres erhält von den drei vorgestellten Negativpreisen gewöhnlich die größte mediale Aufmerksamkeit.
2.4 Gemeinsamkeiten
Zusammenfassend lässt sich folgende Charakteristik der vorgestellten Antiauszeichnungen skizzieren.
Die Vergabe von Negativpreisen ist ein relativ neues Phänomen. Der 1980 erstmalig vergebene Razzie-Award ist bereits der älteste der bekannten Preise. Das Unwort des Jahres und der Big Brother Award werden erst seit Mitte bzw. Ende der Neunziger Jahre verliehen.
Zwei der drei Preise sind explizit als Gegenstück zu bereits bestehenden positiven Ehrungen ins Leben gerufen worden. Die Golden Himbeere kopiert, was Ort, Frequenz, Prozedere und Öffentlichkeitswirksamkeit angeht, die Verleihung der umgangssprachlich Oscars genannten Academy Awards of Merit. Auch das Unwort des Jahres zielt auf einen wirkungsvollen Kontrast ab, in diesem Fall zum Wort des Jahres, einer Auszeichnung die seit 1972 von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) verliehen wird.[12]
[...]
[1] Vogt, Ludgera: Ehre hier – Schande dort. Zur Logik von Ehrungen im Systemwechsel. In: 27. Kongress der deutschen Gesellschaft für Soziologie. Gesellschaften im Umbruch. Sektionen und Arbeitsgruppen. Hrsg. von Heinz Sahner und Stefan Schwendtner. Opladen: Westdeutschter Verlag 1995, S. 175.
[2] Vgl. Kap. 3.1
[3] Vogt, Ludgera: Zur Logik der Ehre in der Gegenwartsgesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997.
[4] Wilson, John: A BRIEF HISTORY of THE RAZZIE® AWARDS. http://www.razzies.com/forum/forum_posts.asp?TID=326&PN=1&TPN=1, 4.12.2005 (Zugriff: 15.07.2007).
[5] Ebd.
[6] Wilson: A BRIEF HISTORY
[7] Big Brother Awards: Willkommen zu den deutschen BigBrotherAwards.
http://www.bigbrotherawards.de, 05.07.2007 (Zugriff: 15.07.2007).
[8] Ebd.
[9] Pressemitteilung tso/ddp: Anti-Terror-Datei: Landesinnenminister erhalten "Big Brother Award". In: Die Zeit online, http://www.zeit.de/news/artikel/2006/10/21/77873.xml, 21.10.2006, (Zugriff: 15.07.2007).
[10] Unwort des Jahres: Informationen zu einer sprachkritischen Aktion. http://www.unwortdesjahres.org (Zugriff: 15.07.2007).
[11] Ebd.
[12] Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS): Willkommen. http://www.gfds.de, 25.6.2007 (Zugriff: 15.07.2007).
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