Evangelischer Kirchenbau zwischen Sakralgebäude und
Mehrzweckraum
[...]
Im Titel dieser Arbeit werden zwei Gebäudetypen als
Extrempositionen im Kirchenbau benannt: Das Sakralgebäude
markiert zur einen Seite hin den eigenen, von
der Umwelt abgegrenzten und herausgehobenen Solitär,
der unvermischt ausschließlich gottesdienstlicher Nutzung
vorbehalten bleibt. Das andere Extrem bildet der
Mehrzweckraum, der ununterschieden und gleichberechtigt
in einen sozialen Baukomplex eingebunden wird und
der unter anderem gottesdienstliche Nutzungen erfährt.
Die mit den Polen »Sakralgebäude« und »Mehrzweckraum
« bezeichnete Spannung bezieht diese Arbeit auf
die Grundlegung evangelischen Kirchenbaus. Die “Frage
nach dem sakralen oder profanen Raum des evangelischen
Gottesdienstes” bildet ein “Grunddilemma christlichen
Kirchenbaues überhaupt”(1).
Man hat vorgeschlagen, in der Kirchenbaudiskussion
ganz auf den Begriff des »Sakralen« zu verzichten, da er
so sehr unterschiedlich verstanden werde, dass eine
babylonische Sprachverwirrung eingetreten sei(2). Andererseits
hat er sich allen solchen Versuchen gegenüber
als resistent erwiesen, und das zeigt, dass an einer Verständlichkeit
des Begriffs jeweils nicht gezweifelt wird.
Dem schließt sich diese Arbeit vorläufig an. Am Ende
des Durchgangs soll dann eine Begriffsbestimmung für
die gegenwärtige Diskussion unternommen werden.
Die Frage nach dem Wesen des evangelischen Gottesdienstraumes
ist die »theologischste« Frage zum Kirchenbau.
Dies legt die hier zu Grunde gelegte Begrenzung
auf die theologische Debatte nahe; außerdem auf
protestantische Theologie, weil die verschiedene konfessionelle
Basis bei diesem Gegenstand zu unterschiedlichen
Debatten führen muß. Schließlich will die Arbeit
hauptsächlich von Überlegungen im Blick auf Neubauten
ausgehen, weil dabei die hier verhandelte Grundfrage
unabhängig bleibt von Notwendigkeiten aus dem Vorhandensein
bestehender Räume. Die heute brennenden
Fragen nach dem Umgang mit alten Kirchenräumen
(Citykirchen-Mischnutzung, Einbauten, Profanisierung)
bedürfen gerade an fundamentalen Punkten auch eines
Bewußtseins gegenwärtigen Wollens, das nicht von
Zwängen aus überkommener Bausubstanz diktiert wird.
[...]
_______
1. Brennecke 1994,121.
2. Rombold 1990,18
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- Zum Thema dieser Arbeit
- Zur Kirchenbaudebatte und zur praktisch-theologischen Bedeutung der Kirchenbaufrage
- Zum Aufbau der Arbeit
- TEIL l: PROFANITÄT CONTRA SAKRALITÄT
- Die Kontroverse in der Kirchenbaudebatte bis etwa 1970
- A. Kritik am Sakralbau
- 1. Theologische Entsakralisierung (1. Argumentationslinie)
- 2. Ethische Politisierung (2. Argumentationslinie)
- B. Die Begründung des Sakralbaus
- 1. Kirchliche Symbolisierung (3. Argumentationslinie)
- 2. Künstlerische Ästhetisierung (4. Argumentationslinie)
- Zwischenergebnis nach Teil I
- TEIL 11: THEOLOGIE UND EMPIRIE
- Die Neuorientierung in der Kirchenbaudebatte seit etwa 1970
- A) Empirische Beiträge zum Umgang mit Gottesdiensträumen
- 1. Untersuchungen von Mehrzweckräumen und neue Religiosität
- 2. Soziokulturelle Orientierung (5. Argumentationslinie)
- B. Weiterentwicklungen in der neueren Kirchenbaudebatte
- 1. Theologie und Anthropologie
- 2. Die neu gestellte Sakralraumfrage
- TEIL 111: ZWISCHEN PROFANITÄT UND SAKRALITÄT
- Zusammenfassung und Ausblick
- A. Theologische Aktualisierung
- Perspektiven für einen aufgeklärten Sakralbegriff
- 2. Sakralraum und Mehrzwecknutzung
- B. Schluß
- 1. Perspektiven für gegenwärtiges Bauen der Gemeinden
- 2. Bleibende Aspekte aus der Kirchenbaudebatte
- Anmerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage nach dem Wesen des evangelischen Gottesdienstraumes im Kontext des Kirchenbaus. Sie analysiert die Kirchenbaudebatte im 20. Jahrhundert und stellt dabei die unterschiedlichen Positionen zum Sakralen und Profanen gegenüber. Das Ziel ist es, die Entwicklung der Debatte nachzuzeichnen und schließlich einen aktualisierten Sakralbegriff für den evangelischen Kirchenbau zu formulieren.
- Die theologische Entsakralisierung und ihre Auswirkungen auf den Kirchenbau
- Die Bedeutung der empirischen Forschung für die Kirchenbaudebatte
- Die Rolle der Anthropologie und Soziologie im Verständnis des Sakralraums
- Die Frage nach der Mehrzwecknutzung von Kirchenräumen
- Die Bedeutung der künstlerischen Gestaltung und Ausstattung für den Sakralraum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik, indem sie anhand von Beispielen aus Württemberg die Entwicklung des Kirchenbaus im 20. Jahrhundert beschreibt. Anschließend wird die Frage nach dem Wesen des evangelischen Gottesdienstraumes als »theologischste« Frage zum Kirchenbau gestellt und die Begrenzung der Arbeit auf die theologische Debatte begründet. Im zweiten Kapitel wird die Kirchenbaudebatte bis etwa 1970 dargestellt, wobei die Kritik am Sakralbau mit ihrer klaren Stoßrichtung und die Argumentation für den Sakralbau in diesen Jahren unterschieden werden. Die Kritik am Sakralbau wird anhand von zwei Argumentationslinien, der theologischen Entsakralisierung und der ethischen Politisierung, erläutert. Die Begründung des Sakralbaus wird ebenfalls anhand von zwei Argumentationslinien, der kirchlichen Symbolisierung und der künstlerischen Ästhetisierung, dargestellt. Im dritten Kapitel wird die Neuorientierung in der Kirchenbaudebatte seit etwa 1970 skizziert, die durch die Forderung nach einem »Ende des Kirchenbaus« und die anschließende »Wende zur Empirie« geprägt ist. Die empirischen Beiträge zum Umgang mit Gottesdiensträumen werden vorgestellt und ihr Anliegen als fünfte Argumentationslinie bestimmt. Anschließend werden einige Aspekte entsprechender jüngerer Beiträge in der Kirchenbautheorie skizziert, die die Frage nach einer theologischen Klärung des Sakralbaus wieder neu aufwerfen. Im vierten und letzten Kapitel wird die Frage nach dem Sakralraum weitergeführt und schließlich ein aktualisierter Sakralbegriff für den evangelischen Kirchenbau formuliert. Die Arbeit endet mit einem Ausblick auf Perspektiven gegenwärtigen Bauens der Gemeinden und einer Zusammenfassung der bleibenden Aspekte aus der Kirchenbaudebatte.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den evangelischen Kirchenbau, das Sakrale, die Entsakralisierung, den Mehrzweckraum, die Liturgik, die Anthropologie, die Soziologie, die Empirie, die Gemeinde und die Gestaltung von Gottesdiensträumen. Die Arbeit analysiert die Kirchenbaudebatte des 20. Jahrhunderts im Kontext der theologischen, ethischen, anthropologischen und soziokulturellen Entwicklungen und versucht, einen aktualisierten Sakralbegriff für den evangelischen Kirchenbau zu formulieren.
- Quote paper
- Gunther Seibold (Author), 1996, Evangelischer Kirchenbau zwischen Sakralgebäude und Mehrzweckraum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.