Das starke Wachstum von User Created Content-Seiten innerhalb der letzten Jahre macht den Marktzutritt für neue Portale zunehmend schwierig. Netzeffekte führen dazu, dass Nutzer ein weit genutztes großes Portal kaum verlassen. Es existieren daher Versuche, mittels monetärer Anreizsysteme (Beispiel: Revver) im Wettbewerb bestehen zu bleiben. Meinungsportale arbeiteten beispielsweise seit ihrer Entstehung erfolgreich mit monetären Anreizsystemen.
Diese Arbeit zeigt auf, dass derartige Anreizsysteme zwar für die Steigerung der Beteiligung effektiv sein können, auf lange Sicht jedoch Probleme mit sich bringen. Bei ihrer Gestaltung sollten Untersuchungen zum Einfluss extrinsischer Belohnungen auf intrinsische Motivation unbedingt Berücksichtigung finden. Die Arbeit gibt weiterhin kurze Gestaltungsrichtlinien für ein monetäres Anreizsystem. Die Aussagen werden mit zahlreichen Verweisen auf im Entstehungszeitraum aktuelle (hauptsächlich empirische) Forschungsliteratur begründet.
INHALT
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitender Teil
1.1. Vorgehensweise
1.2. Verwendete Bezeichnungen
2. Nutzungsmotive materieller Anreizsysteme
2.1. Allgemeine Zielstellungen eines Meinungsportals
2.2. Produktbewertungen als Öffentliche Güter
2.3. Exkurs: Extrinsische und intrinsische Motivation
3. Möglichkeiten und Risiken monetärer Anreize
4. Handlungsempfehlungen für die Gestaltung materieller Anreize
4.1. Der Korrumpierungseffekt
4.2. Gestaltungsempfehlungen für monetäre Anreize
5 Schluss
Literaturverzeichnis
Internetseitenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitender Teil
Als einige der wenigen verbliebenen erfolgreichen Unternehmen der während des Dotcom-Booms entstandenen Paid4-Szene existieren heute noch Meinungsportale wie Ciao und Dooyoo, die ihre Nutzer für die Bereitstellung von selbstverfassten Produktrezensionen vergüten. Auch die seit Beginn des Web 2.0 aufgekommenen Anbieter nicht-vergüteter User Created Content-Umgebungen stellen derzeit Überlegungen an, ein derartiges monetäres Belohnungssystem einzuführen, um im Wettbewerb mit anderen Portalen bestehen zu bleiben[1]. Angesichts erfolgreicher Crowdsourcing-Projekte wie der Wikipedia stellt sich jedoch die Frage, ob der Einsatz eines monetären Anreizsystems überhaupt notwendig ist.
Diese Arbeit untersucht, wie ein solches Anreizsystem eine UCC-Community - in diesem Rahmen speziell Meinungsportale - beeinflusst und versucht zudem, Handlungsempfehlungen für dessen Gestaltung und Nutzung zu geben, wobei ein möglicher Einsatzzweck diskutiert wird.
1.1. Vorgehensweise
Im ersten Teil der Arbeit werden die verwendeten Begriffe definiert und in die Thematik eingeordnet sowie grundlegende Überlegungen bei der Einführung eines monetären Vergütungssystems aufgezeigt. Ein theoretischer Teil soll anhand der Theorie der intrinsischen Motivation auf Basis existierender Forschungsbelege mögliche Auswirkungen darstellen. Diese werden zu Handlungsempfehlungen für die Gestaltung und den Einsatz monetärer Anreizsysteme konkretisiert.
1.2. Verwendete Bezeichnungen
User Created Content: User Created Content bezeichnet durch Internetnutzer erstellte Webinhalte und ist eine der wesentlichen Eigenschaften des Participative Web. Die OECD stellte 2007 in einer thematisch entsprechenden Untersuchung[2] folgende Merkmale für dessen Definiton auf:
Publication requirement. Zur Abgrenzung von allein privat verbreiteten Inhalten muss UCC stets einer größeren Menschengruppe zugänglich gemacht und somit öffentlich publiziert werden. Produktrezensionen sind demnach nur UCC, wenn sie öffentlich auf einem entsprechenden Portal verfügbar sind.
Creative Effort: Der Bereitstellung der Inhalte muss eine gewisse individuelle oder kollaborative kreative Schöpfungsleistung vorangehen. Bei einer selbstverfassten Produktrezension handelt es sich um eine kreative schriftliche Leistung.
Creation outside of professional routines and practices'. UCC entsteht nicht in professionellen Arbeitsumgebungen, als betriebsinterne Wertschöpfung oder mit dem alleinigen Ziel, Geld zu verdienen; sondern basiert auf freiwilliger Zuwendung zu einem entsprechenden Webangebot. Zugrunde liegende Motivationen sind intrinsischer oder nicht-monetär extrinsischer Natur. Die OECD räumt ein, dass die Bedeutung dieses Kriteriums seit einigen Jahren teilweise an Bedeutung verliert, da UCC-Plattformen derzeit verstärkt monetäre Leistungsanreize einführen.
Meinungsportal: Ein Meinungsportal ist ein UCC-Internetangebot, auf dem Verbrauchern die Möglichkeit geboten wird, selbstverfasste Rezensionen und Artikel zu Produkten oder Dienstleistungen kostenlos zu veröffentlichen. Diese Rezensionen werden von interessierten Käufern bei der Kaufentscheidungsfindung ebenfalls kostenlos genutzt. Im Gegensatz zu einem Diskussionsforum oder einem Kommentarsystem müssen die Einzelbewertungen nicht aufeinander Bezug nehmen, sondern werden als eigenständige Artikel veröffentlicht. Damit unterscheiden sie sich von anderen Möglichkeiten elektronischer Mund-zu-Mund-Kommunikation[3].
Produktrezensionen finden sich auch auf Online Shops, die mittels dieser anonymen Beratung Defiziten bei der Entscheidungsfindung gegenüber klassischen
Verkaufsformen entgegenwirken[4] [5] Beispiele für reine Meinungsportale sind als größter europäische Anbieter Ciao.de und dessen amerikanischer Vorgänger Epinions.com. Internet-Rezensionen sind für viele Online-Käufer eine wichtige und häufig genutzte Informationsquelle[6].
Crowdsourcing: Analog zu Outsourcing wird mit Crowdsourcing die Abgabe einer Unternehmensaufgabe an Dritte beschrieben7. Crowdsourcing speziell bezeichnet die Abgabe an eine größere Menschengruppe, zumeist öffentlich als UCC im Internet realisiert. Ein erfolgreiches Crowdsourcing-Projekt ist Wikipedia. Meinungsportale lassen sich als Kaufberater beschreiben, [7] dessen Ziel - die möglichst hohe Nützlichkeit der Plattform durch ein umfangreiches Informationsangebot - durch Crowdsourcing erreicht wird.
Motiv: Ein Motiv ist ein durch individuelle Mangelzustände hervorgerufener Wunsch nach Beseitigung dieser Umstände und bewirkt demnach ein richtungsorientiertes Verhalten[8]. Nach der Selbstbestimmungstheorie[9] zählen der Wunsch nach Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz zu den psychischen Grundmotiven.
Anreizsystem: Ein Anreizsystem hat zum Ziel, unter Mitarbeitern durch materielle oder immaterielle Belohnungen (positive Anreize) das Auftreten bestimmter Verhaltensweisen zu verstärken und gegebenenfalls durch Sanktionen (negative Anreize) unerwünschte Verhaltensweisen im Auftreten zu mindern[10]. Ziele von Anreizsystemen sind Personalattraktion, -motivation und -retention; in Bezug auf Meinungsportale also die Gewinnung neuer Nutzer, deren Motivation zu kreativ hochwertiger Beteiligung und ihre dauerhafte Bindung an die Plattform. Um effektiv zu sein, müssen Anreizsysteme Motive der Mitarbeiter berücksichtigen[11].
Meinungsportale setzen hierbei oft punktuell materielle Anreize ein[12]. Auch Bonuspunkteprogramme (Webmiles, z.B. auf Dooyoo) kommen zum Einsatz.
Ciao vergütet Autoren von Beiträgen, die durch Community-Mitglieder Bewertungen erhalten haben mit Minimalbeträgen von 0.5c - 2c. Beiträge müssen in einem sechsstufigen Modell als mindestens hilfreich bewertet werden, um eine Vergütung zu erhalten; weiterhin wird nur eine monatlich wechselnde Produktauswahl vergütet. Erstbeiträge zu einem Produkt werden drei Monate lang doppelt belohnt. Für besonders gute Beiträge erteilt Ciao monatlich sogenannte Premium-Fonds. Ciao nutzt auch ein immaterielles Reputationssystem: „CommunityPunkte“ werden allgemein für die Nutzung der Funktionen der Seite vergeben, beispielsweise das Lesen und Bewerten von Beiträgen[13]. Ein je nach gesammelten Punkten erteilter „Level“ soll dabei den Grad der Erfahrung des Nutzers anzeigen und gleichzeitig einen Anreiz für die Nutzung der Community bieten.
2. Nutzungsmotive materieller Anreizsysteme
ln diesem Kapitel wird mittels der Theorie der öffentlichen Güter ein materielles Anreizsystem aus Anbietersicht begründet. Dabei werden zunächst grundlegende Ziele eines Meinungsportals dargestellt.
2.1. Allgemeine Zielstellungen eines Meinungsportals
Die Refinanzierung und der Erhalt einer Web-Plattform sind von langfristigen Einnahmen abhängig. Meinungsportale finanzieren sich gewöhnlich[14] über direkte und indirekte Marktforschung, über Werbung und über Affiliate-Programme auf den Produktseiten. Beispielsweise finanziert sich Ciao zu 60% aus Marktforschung, zu 15% aus Bannerwerbung und zu 25% aus Provisionen[15]. Diese Einnahmen sind von einer hohen Anzahl Produktrezensionen (also UCC) und somit von einer hohen Zahl aktiver, aber auch passiv lesender und demographisch vielfältiger Nutzer abhängig. Der Gewinn neuer Kunden und Kundenbindung sind somit eine der wichtigsten Zielstellungen eines Meinungsportals.
Aktive Nutzer sind die Voraussetzung für neue passive Nutzer, da erstere zunächst die Inhalte bereitstellen müssen, die eine Plattform für letztere nützlich werden lassen. Viele aktive Nutzer erhöhen auch die absolute Anzahl qualitativ hochwertiger, das heißt für einen bestimmten Leser nützlichen Beiträge. Das schnelle Erreichen einer kritischen Masse aktiver Nutzer ist aufgrund von Netzeffekten speziell für eine Online-Community wichtig, um im Wettbewerb bestehen zu bleiben[16]. Das Grundziel eines Meinungsportals ist daher die Gewinnung aktiver Nutzer.
2.2. Produktbewertungen als Öffentliche Güter
Ein Gut ist dann öffentlich, wenn es von jedem in gleichen Maßen genutzt und niemand vom Konsum ausgeschlossen werden kann (Nichtrivalität, Nichtausschließbarkeit). Bei Konsumenten besteht dann keine Zahlungsbereitschaft (free rider problem[17] ). Das grundsätzliche Problem öffentlicher Güter ist, dass sie nur gering oder nicht ausreichend hergestellt werden, da diese Produktion nicht unmittelbar finanziert werden kann. An dieser Stelle kann es zu Marktversagen kommen. Ein Beispiel für ein öffentliches Gut ist eine geschützte Umwelt. Um die ausreichende Produktion derartiger allgemein notwendiger öffentlicher Güter zu gewährleisten, erfolgen gewöhnlich staatliche Regulierungen.
Meinungsportale stellen Kaufberatungen zu Produkten für jeden Internetnutzer kostenlos bereit. Dies ist ein Resultat des Geschäftsmodells der Anbieter, das auf einer hohen passiven und aktiven Nutzung basiert und somit ohne Entgelt am effektivsten ist. Nichtrivalität im Konsum besteht, weil der Seitenabruf unbegrenzt möglich ist; Nichtausschließbarkeit, weil Meinungsportale jedem Nutzer kostenlosen Zugang gewähren. Das Verfassen einer Rezension hat für einen möglichen Teilnehmer keinen unmittelbaren ökonomischen Nutzen. Ausgehend von der Theorie der öffentlichen Güter ist eine ausreichende Bereitstellung von Produktrezensionen also grundsätzlich gefährdet. Die Portale versuchen, dem mittels eines Anreizsystems entgegenzuwirken.
Die Effektivität von Geld als Anreiz konnte wissenschaftlich bestätigt werden[18]. Generell können Anreize, materielle und immaterielle in Web-Umgebungen zur Verringerung des Freifahrertums beitragen[19]. Auch ein monetärer Anreiz kann also genutzt werden, um die Beteiligung im Bereich der Produktion öffentlicher Güter zu fördern. Es ist zudem möglich, mittels Geld zu einer Aufgabe zu motivieren, die ohne Anreiz zu uninteressant wäre[20]. Ein Anreiz kann also Nutzer zur Bewertung von mehr Produkten veranlassen und die Informationsquantität der Plattform erhöhen.
2.3. Exkurs: Extrinsische und intrinsische Motivation
Die 1971 in einem Beitrag von Edward L. Deci erstmals entwickelte Theorie über die intrinsische Motivation war eine Reaktion auf die zuvor intensiv diskutierten rein extrinsischen Motivationstheorien[21]. Belohnungen funktionierten demnach zwar als Verstärker und somit als Leistungsanreiz, allerdings gibt es Deci zufolge auch sogenannte intrinsisch motivierte Verhaltensweisen, die um ihrer Selbst Willen ausgeführt werden. Demnach ist extrinsisch motiviert, wer eine Handlung als Mittel sieht, ein immaterielles oder materielles Ziel ohne Bezug zur Handlung zu erreichen. Eine intrinsische Motivation dagegen beruht auf dem „Spaß an der Aufgabe selbst“, aber auch auf gesellschaftlichen Normen und auf dem Erreichen innerer persönlicher
[...]
[1] Vgl. O'Heal (2007)
[2] Vgl. OECD (2007, S. 8f)
[3] Vgl. Hennig-Thurau, Hansen (2001, S. 563)
[4] Defizite sind beispielsweise der fehlende physische Kontakt sowie die fehlende Möglichkeit, direkt einen Überblick über Inhalte zu erlangen (beispielsweise bei Büchern).
[5] Vgl. Chevalier, Mayzlin (2006, S. 349ff.): Reviews sind überwiegend positiv, positive Reviews erhöhen die Verkaufszahlen - Online-Shops profitieren daher von Review-Systemen.
[6] Murphy (2007)
[7] Vgl. Kleemann/Rieder/Voß (2008).
[8] Definition von Triago.ch Management-Lexikon: httD://www.triaao.ch/lexb.Dhp#8 (abgerufen am 04.07.2008)
[9] Vgl. Deci, Ryan (2000)
[10] Vgl. Konetzny (2008)
[11] BeisDielsweise der Wunsch nach Geld, oder Selbstbestätigung.
[12] Vgl. Ciao GmbH (2008, http://www.ciao.de/faa.php/Id/2/Idx/5/Idv/1 [abgerufen am 03.07.2008])
[13] Vgl. Ciao GmbH (2008, http://www.ciao.de/faa.Dhp/Id/2/Idx/4/Idv/12 [abgerufen am 04.07.2008])
[14] Vgl. Hennig-Thurau, Hansen, Eifler, Bornemann (2002, S. 4ff.)
[15] Vgl. Henseling, Fichter (2005, S. 8)
[16] Vgl. Wasmuth, Kalkowski (2002, S. 942f.)
[17] Vgl. Krishnan, Smith, Tang, Telang (2004)
[18] Vgl. Condly, Clark, Stolovitch (2003). Incentive-Programme führten generell zu einer Leistungssteigerung von 22%, bei geistiger Arbeit zu einer Leistungssteigerung von 20%.
[19] Vgl. Krishnan, Smith, Tang, Telang (2004): : Diese Studie bewies spieltheoretisch die Effektivität extrinsischer Anreize bei der Einschränkung des free-rider-Problems in P2P-Netzwerken.
[20] Vgl. Roberts, Hann, Slaughter (2006, S. 22): Bezahlte OpenSource-Entwickler arbeiten intensiver am Projekt, auch an eher uninteressanten Aufgaben wie Testen und Bugfixing.
[21] Vgl. Deci, Koester, Ryan (1999, S. 627f.)
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