Im Februar 2008 hat die sachsen-anhaltinische Landesregierung einen Vorstoß im Bundesrat angekündigt. Sie möchte die Steuer auf gewerblich genutzten Diesel europaweit harmonisieren. Dafür nennt sie aus dem Steuerwettbewerb resultierende Wettbewerbsverzerrungen und umweltpolitische Gründe. In diesem Essay soll die „Idee“ der Landesregierung in den Kontext der europäischen Gesetzgebung gestellt und die Angleichung der Dieselsteuer als solches vor dem Hintergrund europäischen Steuerwettbewerbs beleuchtet werden.
INHALT
1 Anlass: Die Bundesratsinitiative von Sachsen-Anhalt
2 Steuerwettbewerb und Steuerharmonisierung in der EU
3 Angleichung der Kraftstoffsteuer auf EU-Ebene
3.1 Gegenwärtige Rechtssituation
3.2 Initiativen für neue Gesetzgebung
3.2.1 Der Richtlinienvorschlag von 2002
3.2.2 Vergleich: Der Richtlinienvorschlag von 2007
4 Einordnung des Vorstoßes von Sachsen-Anhalt
5 Literatur
1 Anlass: Die Bundesratsinitiative von Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt hatte Großes vor: die Angleichung der Steuern von Kraftstoffen in der Europäischen Union, insbesondere für gewerbliche genutzten Diesel. Dafür hatte das Land am 5. Februar 2008 eine Bundesratsinitiative angekündigt. Die Landesregierung begründet ihren Vorstoß mit dem erheblichen Gefälle bei der Besteuerung von Kraftstoff innerhalb der EU, was zu „Tanktourismus“ führt. Dieser wiederum habe Wettbewerbsverzerrungen und erhöhte Umweltbelastung durch Umwege zur Folge, da die Spediteure ihre LKW Umwege fahren lassen, um so billiger zu tanken.
Das hört sich so weit vernünftig und konsensfähig an; zu der geplanten Bundesratsinitiative kam es trotzdem nicht – geschweige denn zu der europaweiten Angleichung der Steuern auf Kraftstoff. Die „einfache“ und populäre Idee verschaffte Sachsen-Anhalt zwar einen Weg in die überregionale Presse, war jedoch von vorneherein auf Grund des komplizierten Entscheidungs- und Interessengeflechts zum Scheitern verurteilt.
Ziel dieses Essays ist es daher, den Vorstoß von Sachsen-Anhalt vor dem Hintergrund politischen Entwicklungen auf EU-Ebene zu beleuchten. Dazu werden zunächst einige allgemeine Informationen zum System des Steuerwettbewerbs bzw. der Steuerharmonisierung in der EU gegeben und im Folgenden die gegenwärtige Rechtssituation und Richtlinienvorschläge vorgestellt. Auf dieser Basis kann dann der Vorstoß Sachsen-Anhalts eingeordnet werden.
Die verwendeten Daten und Fakten stützen sich vorrangig auf Presserklärungen und frei zugängliche Dokumente (Stellungnahmen, Legislativvorschläge) der jeweiligen Akteure (Land Sachsen-Anhalt, Europäische Kommission, Europäisches Parlament, EWSA, Bundesrat, Parteien). Es fiel auf, dass der Hauptentscheidungsträger, also der Ministerrat (ECOFIN) sich mit Äußerungen und Dokumenten sehr bedeckt hält; auch die nationalen Regierungen äußerten sich seltenst spezifisch. Die Motive im Ministerrat lassen sich – ohne Zugang zu internen Dokumenten oder Interviews – daher nur aus dem Zusammenhang rekonstruieren. Ergänzt wurden die Informationen durch Artikel der Fachpresse, insb. Euractiv.com.
Steuerharmonisierung und Energie-/Verkehrspolitik sind weite Felder, ebenso das Spiel der verschiedenen politischen Ebenen. Dieser Essay möchte lediglich eine grundlegende Einordnung des Vorschlags von Sachsen-Anhalt liefern und verzichtet daher weitgehend auf die Beleuchtung verwandter Themen, wie beispielsweise die Biokraftstoff-Debatte, Mautgebühren, Reform der KfZ-Steuer nach CO2-Ausstoß etc. Eine eingehende Betrachtung unter dem Aspekt der Multi-Level-Governance bietet sich zwar an, ist hier aber nicht Ziel.
2 Steuerwettbewerb und Steuerharmonisierung in der EU
Wirtschaftsakteuren unterstellt man gemeinhin, dass sie ihr Handeln an dem Grundsatz der Kostenminimierung ausrichten. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der zu zahlenden Steuern. Ist es einem Unternehmen oder Verbraucher möglich, seine Aktivität ortsungebunden durchzuführen, wird der Akteur demzufolge – ceteris paribus – den Ort wählen, an dem er die niedrigsten Steuern zu zahlen hat. Dies bezeichnet man als Steuerwettbewerb.
Der EU-Binnenmarkt schafft für Wirtschaftsakteure weitgehend homogene Bedingungen; die nationalen Grenzen sind nahezu irrelevant, grenzüberschreitende Aktivitäten werden zur Regel. Der Binnenmarkt bildet das absolute Herzstück der Europäischen Gemeinschaft und seine grundlegende Verwirklichung war eines der ersten Projekte – das allerdings noch andauert. Denn immer wieder wird man in der Realität mit Regelungen und Gegebenheiten konfrontiert, die es eben relevant werden lassen, in welchem Mitgliedstaat man seine Wirtschaftsaktivität ausübt.
Dazu gehören insbesondere die nationalen Steuern. Zwar hat auch der europäische Gesetzgeber von vorneherein die Relevanz des Steuerwettbewerbs für den Binnenmarkt erkannt und der Europäischen Gemeinschaft schon in den Römischen Verträgen den Auftrag zur Steuerharmonisierung gegeben (dieser leitet sich direkt aus den Zielen der EG sowie den Binnenmarktvorschriften ab). Sogar ein eigenes Kapitel zu steuerlichen Vorschriften (Art. 90-93 EGV) gibt es. Dennoch ist die steuerliche Harmonisierung längst nicht so weit fortgeschritten, als dass man von einem weitgehenden Ausschluss des Steuerwettbewerbs auf dem Binnenmarkt ausgehen könnte.
Der entscheidende Grund dafür ist, dass die Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten als souveräne Staaten durch harmonisierte Steuern stark eingeschränkt wird. Steuern sind für Staaten das wichtigste Mittel, um ihren Haushalt zu finanzieren. Die Besteuerung von Energieerzeugnissen ist dabei ein wichtiges Standbein; daran wiederum haben die Kraftstoffe den größten Anteil. Die meisten Staaten verfolgen mit Steuern darüber hinaus auch politische Ziele, indem sie das Verhalten ihrer Bürger in eine gewünschte Richtung lenken. Die Mitgliedstaaten versuchen daher, insbesondere in diesem Bereich den Verlust an Souveränität so gering wie möglich zu halten. Bezeichnend ist auch, dass in diesem Politikbereich kein Mitentscheidungsverfahren vorgesehen ist, sondern das Konsultationsverfahren. Der Ministerrat entscheidet einstimmig (Art. 93 EGV); mit einigem Recht kann man also von einem intergouvernementalen Politikbereich sprechen.
Dementsprechend schleppend geht die steuerliche Harmonisierung voran. Während man sich auf notwendige An- und Umrechnungsverfahren, z.B. bei der Mehrwertsteuer, noch recht bald einigen konnte, ist die Festlegung von gemeinsamen Steuersätzen weiterhin Garant für schwierige bis ergebnislose Verhandlungen. Einen vollständig harmonisierten Steuersatz gibt es bisher in keinem Bereich, selbst Bandbreiten bereiten Schwierigkeiten. Mindeststeuersätze sind noch am ehesten konsensfähig, Höchststeuersätze – selbst wenn sie auf dem Niveau des aktuell höchsten nationalen Satz gedacht sind – werden in der Regel abgelehnt. Die Staaten wollen sich für ihre Haushaltspolitik stets eine Tür offenhalten. Im Jahr 1997 hat der Rat einen Verhaltenskodex gegen schädlichen Steuerwettbewerb beschlossen – natürlich rechtlich unverbindlich…
Die tatsächlichen Regelungen im Bereich der Steuerharmonisierung sind noch relativ jung. In unserem Fall – der Kraftstoffsteuer – handelt es sich um eine spezielle Verbrauchsteuer. Für Verbrauchsteuern erstellte die Kommission zwar bereits 1972 ein Harmonisierungskonzept; zu einer Richtlinie kam es allerdings erst im Jahr 1992.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Steuerwettbewerb zwar von enormer Relevanz für einen Binnenmarkt ohne Wettbewerbsverzerrungen ist; die Mitgliedstaaten verfolgen mit der Steuerpolitik allerdings vitale Eigeninteressen und verzögern und minimieren deshalb die steuerliche Harmonisierung innerhalb der EU. Das zu Grunde liegende Legislativverfahren (Konsultation, einstimmige Beschlussfassung) erleichtert ihnen diese Vorgehensweise.
3 Angleichung der Kraftstoffsteuer auf EU-Ebene
Wie bereits erwähnt, ist die Kraftstoffsteuer, auf die es Sachsen-Anhalt abgesehen hat, eine spezielle Verbrauchsteuer. Dieser Steuertyp hat erstmals Anfang der 1990er überhaupt eine Regelung erfahren. Eine darüber hinaus gehende Reform oder auch nur die Anpassung an aktuelle Gegebenheiten erweist sich als echter Kraftakt, wie im Folgenden ersichtlich wird.
Die Idee, die Kraftstoffsteuer EU-weit anzugleichen, ist alles andere als neu. Sachsen-Anhalt zielt damit direkt in einen schwebenden Politikprozess. In diesem Teil wird die gegenwärtige Rechtsituation beschrieben und mit zwei aufeinander folgenden Richtlinienvorschlägen kontrastiert. Derzeit gelten bereits Mindeststeuersätze für Diesel und andere Kraftstoffe.
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- Quote paper
- Tatjana Böttger (Author), 2008, Angleichung der Kraftstoffsteuer in der EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132623
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