Die Ehe markiert die Übereinkunft von Menschen miteinander in dauerhafter Gemeinschaft zu leben. Bereits im Laufe der Geschichte bildet sie seit jeher das Kernstück der familiären Ordnung. In der römisch-katholischen Kirche wird sie seit dem Mittelalter darüber hinaus zu den Sakramenten gezählt, doch nicht jede Eheverbindung konnte nach kirchlichem Recht auch zustande kommen. Die Einführung des Rechts des Konsenses sowie bestehende, nach dem kanonischen Recht aufgestellte Ehehindernisse, konnten eine gültige Eheschließung verhindern.
In dieser Arbeit wird der Frage nach bestehenden Ehehindernissen im Mittelalter nachgegangen sowie der Möglichkeit einer Umgehung bzw. Beseitigung. Dazu soll die Möglichkeit der Dispens untersucht werden. Aufgrund der Komplexität dieses Themas ist eine vollständige Erfassung und Untersuchung nicht möglich, da es den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Daher wird die Untersuchung der Dispens vor allem an dem Beispiel einer Dispenserteilung von Papst Nikolaus IV. für eine Ehe zwischen den adligen Geschlechtern von Hohenlohe und Truhendingen erfolgen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Ehe im Mittelalter
2.1 Das Recht des Konsens und Eheverträge
2.2 Ehehindernisse
3. Zum Geschlecht von Hohenlohe und Truhendingen
4. Zu Dispensen
4.1 Allgemein
4.2 Papst und Bischöfe als Bevollmächtigte – Papst Nikolaus IV und Bischof Manegold
4.3 Ursache – Wirkung Zusammenhang der päpstlichen Dispens am Beispiel der Ehe Krafts von Hohenlohe und Margarethe von Truhendingen
5.Fazit.
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ (Markus 10, 6-9)
Die Ehe markiert die Übereinkunft von Menschen miteinander in dauerhafter Gemeinschaft zu leben. Bereits im Laufe der Geschichte bildet sie seit jeher das Kernstück der familiären Ordnung. In der römisch-katholischen Kirche wird sie seit dem Mittelalter darüber hinaus zu den Sakramenten gezählt, doch nicht jede Eheverbindung konnte nach kirchlichem Recht auch zustande kommen. Die Einführung des Rechts des Konsenses sowie bestehende, nach dem kanonischen Recht aufgestellte Ehehindernisse, konnten eine gültige Eheschließung verhindern.
In dieser Arbeit wird der Frage nach bestehenden Ehehindernissen im Mittelalter nachgegangen sowie der Möglichkeit einer Umgehung bzw. Beseitigung. Dazu soll die Möglichkeit der Dispens untersucht werden. Aufgrund der Komplexität dieses Themas ist eine vollständige Erfassung und Untersuchung nicht möglich, da es den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Daher wird die Untersuchung der Dispens vor allem an dem Beispiel einer Dispenserteilung von Papst Nikolaus IV. für eine Ehe zwischen den adligen Geschlechtern von Hohenlohe und Truhendingen erfolgen.1
Für einen Überblick über die behandelte Thematik und Themenaspekte ist das „Lexikon des Mittelalters“ einschlägig, zur genaueren Auseinandersetzung empfiehlt sich die Forschungsliteratur, wie das „Kanonische Eherecht“ von Hartmut Zapp, „Familie und Verwandtschaft im Deutschen Hochadel des Spätmittelalters“ von Karl – Heinz Spiess sowie Rudolf Weigands „Liebe und Ehe im Mittelalter“. Diese Autoren beleuchten verschiedene Aspekte des Themas und greifen kontroverse Forschungsfragen auf.
Im Verlauf dieser Arbeit geht es zunächst um die Einführung des Konsensrechtes, im Zuge dessen für den kontextuellen Rahmen auch ein knapper Überblick über das Problem von Eheverträgen gegeben wird. In Fortführung der Arbeit und der Fragestellung werden die Ehehindernisse behandelt. Bevor die Untersuchung der Dispens anhand eines Beispiels erfolgt, werden zunächst knapp die adligen Geschlechter von Hohenlohe und Truhendingen, die im Verlauf der Arbeit mehrmals genannt werden, vorgestellt. Nach der Analyse zur Dispens folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte im Fazit.
2. Die Ehe im Mittelalter
2.1 Das Recht des Konsenses und Eheverträge
Durch die historische Zeit hinweg lässt sich die Ehe allgemein als eine „von einer Rechtsordnung anerkannte Verbindung von Mann und Frau zur Lebensgemeinschaft“2 beschreiben, deren Bedeutung sich allerdings unter kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen in der menschlichen Entwicklung immer wieder verändert hat. Im Mittelalter etwa seit dem 11./12. Jahrhundert war das kirchliche Recht maßgebend für die meisten Bereiche der Ehe und Familie, welches sich zum Kanonischen Recht3 ausgebaut hat.4 Das Eherecht ist vor allem geprägt durch den Ehewillen. Nikolaus I. erklärte 866, dass der Konsens der Partner unabdingbar für eine Eheschließung sei.5 Der Ehekonsens ist daher konstitutiv für die Gültigkeit der Ehe und unterliegt einer allgemeinen Verbindlichkeit.6 Beide Partner mussten, sofern sie ehemündig waren (bei Mädchen war diese im Alter von 12 Jahren angesetzt, Jungen mit 14 Jahren), ihre Konsenserklärung abgeben.7 Die Durchsetzung dieses Prinzips war in den adligen Kreisen und deren Familienordnungen jedoch eher mangelhaft. Oft schlossen adlige Familien vorgesehene Heiratsverbindungen für ihre Kinder bevor diese überhaupt die Ehemündigkeit erreicht hatten. Um diese vorgesehenen Heiratsverbindungen zu festigen, wurden Eheverträge aufgesetzt.8 Diese dienten vor allem güterrechtlichen Fragen, jedoch wurden Eheverträge (in der Regel durch die Väter) zur Verbindlichkeit aufgesetzt, damit politische, wirtschaftliche, territoriale oder auch gesellschaftliche Absprachen und Übereinkünfte eingehalten wurden.9 Ging es bei der Verbindung um politische Absichten griffen einige Vertragspartner zu zusätzlichen Garantien, in dem sie Bürgen stellten oder Konventionalstrafen festlegten, sollte ein Wort- und Vertragsbruch vorliegen. Ferner sollte dies, wenn der Ehevollzug noch nicht gegeben war, einen (möglichen) politischen Seitenwechsel verhindern.10 Die Eheverträge unmündiger Kinder sowie sonstige Ehezusagen der Eltern, die über die Köpfe ihrer Kinder hinweg gegeben wurden, unterlagen jedoch dem Recht des Konsenses. Demnach war es den Brautleuten theoretisch leicht möglich „die Zukunftspläne der Familie zu durchkreuzen und die vorgesehene Heirat zu vereiteln“.11 Die adlige Familienordnung funktionierte jedoch in der Regel so gut, dass es keinen Widerspruch gegenüber den elterlichen Vereinbarungen gab. War in einzelnen Fällen Widerstand vorhanden, so verstanden es die Eltern als ihre Pflicht gegen das unwillige Kind vorzugehen.12
2.2 Ehehindernisse
Eine kanonisch gültige Ehe konnte folglich rechtlich nur mit einer persönlich abgegebenen Willenserklärung entstehen. Darüber hinaus war die Gültigkeit einer Eheschließung aber auch davon abhängig, ob ein Ehehindernis kirchlicherseits vorlag.13 Die Kirche übernahm Ehehindernisse zum Teil aus dem jüdischen und römischen Recht, zum Teil stellte sie diese selbst auf.14 Nach dem kanonischen Recht ist unter dem Ehehindernis „der mit einer Person verbundene Sachverhalt zu verstehen, der diese rechtlich unfähig macht, eine gültige Ehe zu schließen.“15 Sofern auch nur bei einem Partner bei der Eheschließung ein Ehehindernis vorlag, konnte keine gültige Ehe zustande kommen. Auch bereits geschlossene Ehen konnten aufgrund eines Ehehindernisses nachträglich als ungültig erklärt werden.16 Eine Möglichkeit Ehehindernisse zu beseitigen bzw. zu umgehen bot die päpstliche Dispens.17 Im kanonischen Recht wird zwischen Ehehindernissen göttlichen und menschlichen/rein kirchlichen Rechts unterschieden. Handelt es sich um ein Hindernis göttlichen Rechts, kann von diesem nicht dispensiert werden, im Gegensatz zu denen des menschlichen/rein kirchlichen Rechts. Solche sind prinzipiell dispensabel.18 Ein trennendes Ehehindernis stellte das Alter dar. Kinder unter sieben Jahren konnten grundsätzlich nicht verheiratet werden, erst ab dem siebten Lebensjahr war ein Eheversprechen (Verlobung) möglich. Die Ehemündigkeit setzte allerdings bei Mädchen ab 12 Jahren, bei Jungen ab 14 Jahren ein und erst ab diesem Alter konnte eine Eheschließung gemäß der Kirche rechtsgültig sein.19 Seit dem 12. Jahrhundert wurde Impotenz als nicht dispensierbares Hindernis deklariert, weshalb viele Ehen (wegen Impotenz des Mannes) als ungültig erklärt wurden.20 Ebenso machte ein bereits bestehendes Eheband es nicht möglich eine gültige Ehe zu schließen. Dieses Hindernis war jedoch unter anderem durch viele geheime Eheschließungen nicht immer leicht nachzuweisen.21 Mit Ungetauften bzw. bei vorliegender Religionsverschiedenheit konnte ebenfalls keine Ehe zustande kommen, das Gleiche trat ein, wenn jemand bereits an „das öffentliche ewige Gelübde der Keuschheit in einem Ordensinstitut gebunden“22 war. Ungültig machte eine Eheschließung ein Verbrechen (das des Gattenmords) sowie der Ehebruch.23 Das wohl größte Ehehindernis stellte die Blutsverwandtschaft dar, woran sich das der Schwägerschaft und der geistlichen Verwandtschaft unmittelbar anschließt. Hier ist festzuhalten, dass das Hindernis der Blutsverwandtschaft sich bis zum 7. Grad der Seitenlinie (nach germanischer Zählung) ausdehnte, durch das IV. Laterankonzil 1215 jedoch in der Seitenlinie auf den 4. Grad reduziert wurde.24 Das Bestehen solche Ehehindernisse zeigt also auf, das eine gültige Eheschließung dem Kirchenrecht unterlag und vereinbarte Eheschließungen- und abkommen vereiteln konnte. Ebenso konnten bereits geschlossene Ehen aufgrund dessen als nichtig erklärt werden. Eine Möglichkeit der Umgehung bzw. Beseitigung (Hindernisse menschlichen/rein kirchlichen Rechts) stellte die päpstliche Dispens dar, deren Wirkung anhand der Quelle25 genauer untersucht werden soll. Bevor sich der Untersuchung der Dispens genauer gewidmet wird, soll sich zunächst in diesem Zusammenhang mit den benannten Personen und dessen familiärer Herkunft befasst werden.
3. Zum Geschlecht von Hohenlohe und Truhendingen
In dem untersuchten Kurzregest wird benannt, dass „nachträglich Dispens für die Ehe Krafts von Hohenlohe mit Margarethe von Truhendingen, die einst dem Sohne Krafts, der in den Deutschen Orden eingetretene Gottfried, bestimmt gewesen war.“[26] Es handelt sich hierbei also um die Adelsgeschlechter von Hohenlohe und Truhendingen. Kraft von Hohenlohe (*um 1256; †1313) entstammt einem fränkischen Adelsgeschlecht dessen urkundliche Bekanntheit etwa auf die Mitte des 12. Jahrhunderts (1153) zu datieren ist, dessen Wohnsitze in Pfitzingen, Röttingen und Weikersheim angesiedelt waren.27 Er war der zweite Sohn Gottfrieds IV. und bereits einmal verheiratet mit Willibirg, Gräfin von Wertheim († um 1273).28 Aus dieser Ehe stammt Gottfried (* um 1265; † 19.11.1310), der bereits mit 14 Jahren in den Deutschen Orden29 eintrat und 1290 erst Landkomtur von Franken, von 1294-1297 Deutschmeister war und schließlich 1297 zum Hochmeister in Venedig gewählt wurde.30 Die Herkunft und Wohnsitze des Adelsgeschlechtes von Truhendingen, aus der Margarethe († 1293 oder 1294) von Truhendingen entstammt, war im schwäbisch- fränkischen Raum nachzuweisen.31 Die Truhendinger waren ursprünglich Edelfreie, die jedoch im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Territorialherrschaft begannen den Grafentitel zu führen, welcher seit 1264 nachweisbar ist.32 Ebenso gelang ihnen unter den Staufern der gesellschaftliche und politische Aufstieg. Margarethe war die Tochter Friedrichs IV. und Margarethas von Andechs- Meranien.33
4. Zu Dispensen
4.1 Allgemein
In den vorigen Abschnitten wurde der Begriff der Dispens und im Zusammenhang seines Vorkommens bereits eingeführt.
„Dispens bedeutete ganz allgemein die nur durch göttliches Recht und die guten Sitten beschränkte Änderung einer Norm, insbesondere eben das Gestatten einer Abweichung von dem was an sich geboten oder verboten war, um des Erbarmens, der Notwendigkeit oder des Wohles der Kirche willen.“ 34
Eine Dispens war also einfach ausgedrückt eine Befreiung von einem Gebot oder Verbot. Des Weiteren konnte die Dispens zur Beseitigung von Hindernissen eingesetzt werden.35 Die Gewährung einer Dispens war sowohl ante factum als auch post factum möglich, deren rechtstheoretische Auffassung und Einschränkung bzw. Ausweitung von verschiedenen Autoren diskutiert wurde.36 Dispensen wurden in der kirchlichen Praxis unter anderem für Weihehindernisse, zur Rückversetzung in den Laienstand und für Ehehindernisse gewährt, wobei diese zunächst sehr selten dispensiert und erst im Spätmittelalter häufiger gewährt wurden.37
[...]
1 Siehe hierzu: Weller, Hohenlohisches Urkundenbuch, S.331.
2 Gernhuber, Ehe und Familie, S.721-727.
3 Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche, festgehalten in der Sammlung Corpus Iuris Canonici; aktuelle Gesetzbuchfassung Codex Iuris Canonici von Papst Johannes Paul II (1983).
4 Vgl. Weigand, Ehehindernisse.
5 Vgl.Weigand, Ehewille.
6 Vgl .Michaelis, abendländische Eherecht, S. 129.
7 Vgl. Zapp, Kanonisches Eherecht, S.41.
8 Vgl. Spiess, Familie und Verwandtschaft, S. 28.
9 Vgl. Ebd., S. 21 f.
10 Vgl. Ebd., S. 27 f.
11 Vgl. Ebd., S.29.
12 Vgl. Ebd., S.29.
13 Vgl. Weigand, Ehehindernisse.
14 Vgl. Ebd.
15 Zapp, Kanonisches Eherecht, S. 93.
16 Vgl. Ebd., S. 92 f.
17 Vgl. Ruß, Truhendingen, S.171.
18 Vgl. Zapp, Kanonisches Recht, S. 94.
19 Vgl. Ruß, Truhendingen, S.171.
20 Vgl. Weigand, Ehehindernisse.
21 Vgl. Ebd.; Weiteres zum Eheband bei: Zapp, Kanonisches Eherecht S. 111-113 sowie Saurwein, Der Ursprung des Rechtsinstitutes der päpstlichen Dispens, S.29 f.
22 Zapp, Kanonisches Eherecht, S.116.
23 Vgl. Weigand, Ehehindernisse.
24 Vgl. Zapp, Kanonisches Eherecht, S. 118 f.
25 Als „Quelle“ wird hier das Kurzregest zu der Urkunde von Papst Nikolaus IV. (In: Weller, Hohenlohisches Urkundenbuch, S.331) behandelt und hinzugezogen. Anmerkung: Regesten sind eigentlich keine Quellen, sondern eine kurze Zusammenfassung des Quelleninhalts, insbesondere von Urkunden (Vgl. Goetz, Mittelalter, S.106).
26 Weller, Hohenlohisches Urkundenbuch, S.331.
27 NDB, zu Hohenlohe.
28 Vgl. Ruß, Truhendingen, S.186.
29 Deutscher Orden: 1190 begründeter Hospitalorden für Pilger und Ritter deutscher Herkunft und Sprache, der 1198 in einen Ritterorden umgewandelt wurde (Vgl. Gleba, Klöster und Orden, S.95.)
30 NDB, Gottfried von Hohenlohe.
31 Vgl. Ruß, Truhendingen, S.9 f.; Hierzu: Darstellung unterschiedlicher Thesen zur Herkunft.
32 Vgl. Ebd., S.167.
33 Vgl. Ebd., S.169 f.
34 Fürst, Dispens.
35 Vgl. Zapp, Kanonisches Eherecht, S.99.
36 Näheres zur Darlegung von Autorenmeinungen bei: Weigand, Liebe und Ehe im Mittelalter; Saurwein, Der Ursprung des Rechtsinstitutes der päpstlichen Dispens.
37 Vgl. Weigand, Liebe und Ehe im Mittelalter, S.251.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2016, Die Ehe im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1325912
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