In der vorliegenden Arbeit wird die Veränderung der sozialen Ungleichheit an drei, während der Pandemie überaus relevanten Bereichen analysiert. Dazu gehört das Homeoffice, die Kurzarbeit und Weiterbildungen.
Im Februar 2020 wurden die ersten Infektionen mit dem neuartigen SARS-CoV-2, umgangssprachlich auch Coronavirus genannt, in Wuhan (CHN) festgestellt. In wenigen Wochen stieg die Zahl der bestätigten Fälle und Todesfälle auf der ganzen Welt, sodass die Weltgesundheitsorganisation am 11. März 2020 den Covid-19-Ausbruch zu einer Pandemie erklärte. Auch in Deutschland konnte man innerhalb von wenigen Wochen rasant ansteigende Infektionszahlen konstatieren und die Große Koalition, bestehend aus Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) und Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), war gezwungen zu handeln, um die Leben der deutschen Bürger zu schützen. Um diese zu schützen gab es nie da gewesene Eingriffe in das öffentliche Leben: Geschäfte, Kultur-, Sport-, Freizeit- und Dienstleistungseinrichtungen wurden geschlossen, wie auch Schulen, Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen. Dazu wurden Veranstaltungen und Versammlungen untersagt und Kontaktverbote ausgesprochen. Zusätzlich wurde am 22. März 2020 der erste bundesweite Lockdown durchgesetzt, der die gleichzeitige Umsetzung all der angeführten Maßnahmen bedeutete. Viele Experten erwarteten infolge dieser Maßnahmen einen Wirtschaftseinbruch, der sich auch auf dem heimischen Arbeits- und Ausbildungsmarkt niederschlagen würde. Und auch wenn gewisse Auswirkungen unausweichlich waren, versuchte die Regierung durch verschiedene Maßnahmen die Wirtschaft und die damit verbundene Arbeitswelt zu sichern. Zwei sehr zentrale Maßnahmen waren die Ausweitung der Kurzarbeit und des Homeoffice.
Dies waren schnelle und sinnvolle Maßnahmen als Reaktion auf die gestiegene Ansteckungsgefahr im öffentlichen Raum und der folglich in vielen Bereichen eingeschränkten Geschäftstätigkeit. Dabei bewerteten die befragten Experten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in ihrer Wirksamkeitsanalyse der Corona-Maßnahmen, keine Maßnahme so positiv wie Kurzarbeit, im Hinblick auf ‚Einkommens- und Entgeltsicherung‘, ‚Beschäftigungssicherung‘ sowie der ‚volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Relation‘. Auch die gesteigerte Nutzung des Homeoffice wurde als pandemiebedingte Maßnahme vielerlei gelobt. So beschreibt der Datenreport 2021 des Statistischen Bundesamtes (Destatis), des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), dass Homeoffice einen wesentlichen Beitrag zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen beigetragen hat und darüber hinaus die Arbeitswelt und die Organisationsformen nachhaltig verändert haben. Doch gleichzeitig werden „Geschlechter-, Bildungs- und Einkommensunterschiede etwa hinsichtlich der Betroffenheit von Kurzarbeit oder der Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten“ konstatiert.
Des Weiteren wird in der vorliegenden Arbeit auf den bildungspolitischen Bereich der Weiterbildungen eingegangen. Dies war zwar keine pandemiebedingte Maßnahme, hat aber im Angesicht der kommenden ökologischen und digitalen Transformation der Wirtschaft einen erheblichen Stellenwert. Inwiefern unter Pandemiebedingungen, dieser für die Zukunft zentrale Bereich fortgeführt werden konnte und ob es dort gruppenspezifische Unterschiede gab, ist somit relevant. Solche Unterschiede in den jeweiligen Bereichen werden in der vorliegenden Arbeit adressiert und bilden somit die folgende Forschungsfrage: Inwieweit hat die Corona-Pandemie sich auf die soziale Ungleichheit in Deutschland ausgewirkt?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Vorbau
2.1 Soziale Ungleichheit
2.2 Homeoffice
2.3 Kurzarbeit
2.4 Weiterbildungen
3 Analyse
3.1 Homeoffice
3.2 Kurzarbeit
3.3 Weiterbildungen
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Im Februar 2020 wurden die ersten Infektionen mit dem neuartigen SARS-CoV-2, umgangssprachlich auch Coronavirus genannt, in Wuhan (CHN) festgestellt. In wenigen Wochen stieg die Zahl der bestätigten Fälle und Todesfälle auf der ganzen Welt, sodass die Weltgesundheitsorganisation am 11. März 2020 den Covid-19-Ausbruch zu einer Pandemie erklärte. Auch in Deutschland konnte man innerhalb von wenigen Wochen rasant ansteigende Infektionszahlen konstatieren und die große Koalition, bestehend aus Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) und Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), war gezwungen zu handeln, um die Leben der deutschen Bürger1 zu schützen. Um diese zu schützen gab es nie da gewesene Eingriffe in das öffentliche Leben: Geschäfte, Kultur-, Sport-, Freizeit-, und Dienstleistungseinrichtungen wurden geschlossen, wie auch Schulen, Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen. Dazu wurden Veranstaltungen und Versammlungen untersagt und Kontaktverbote ausgesprochen. Zusätzlich wurde am 22. März 2020 der erste bundesweite Lockdown durchgesetzt, der die gleichzeitige Umsetzung all der angeführten Maßnahmen bedeutete. Viele Experten erwarteten infolge dieser Maßnahmen einen Wirtschaftseinbruch, der sich auch auf dem heimischen Arbeits- und Ausbildungsmarkt niederschlagen würde. Und auch wenn gewisse Auswirkungen unausweichlich waren, versuchte die Regierung durch verschiedene Maßnahmen die Wirtschaft und die damit verbundene Arbeitswelt zu sichern.
Zwei sehr zentrale Maßnahmen waren die Ausweitung der Kurzarbeit und des Homeoffice.
Dies waren schnelle und sinnvolle Maßnahmen als Reaktion auf die gestiegene Ansteckungsgefahr im öffentlichen Raum und der folglich in vielen Bereichen eingeschränkten Geschäftstätigkeit. Dabei bewerteten die befragten Experten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2021, S.18) in ihrer Wirksamkeitsanalyse der Corona-Maßnahmen, keine Maßnahme so positiv wie Kurzarbeit, im Hinblick auf ‚Einkommens- und Entgeltsicherung‘, ‚Beschäftigungssicherung‘ sowie der ‚volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Relation‘. Auch die gesteigerte Nutzung des Home-Office wurde als pandemiebedingte Maßnahme vielerlei gelobt. So beschreibt der Datenreport 2021 des Statistischen Bundesamtes (Destatis), des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) (2021, S.463), dass Home-Office einen wesentlicher Beitrag zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen beigetragen hat und darüber hinaus die Arbeitswelt und die Organisationsformen nachhaltig verändert haben. Doch gleichzeitig werden „Geschlechter-, Bildungs- und Einkommensunterschiede etwa hinsichtlich der Betroffenheit von Kurzarbeit oder der Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten“ (vgl. ebd. 2021, S.463) konstatiert. Des Weiteren wird in der vorliegenden Arbeit auf den bildungspolitischen Bereich der Weiterbildungen eingegangen. Dies war zwar keine pandemiebedingte Maßnahme, hat aber im Angesicht der kommenden ökologischen und digitalen Transformation der Wirtschaft einen erheblichen Stellenwert (vgl. Bosch 2021, S.479). Inwiefern unter Pandemiebedingungen, dieser für die Zukunft zentrale Bereich fortgeführt werden konnte und ob es dort gruppenspezifische Unterschiede gab, ist somit relevant.
Solche Unterschiede in den jeweiligen Bereichen werden in der vorliegenden Arbeit adressiert und bilden somit die folgende Forschungsfrage:
Inwieweit hat die Corona-Pandemie sich auf die soziale Ungleichheit in Deutschland ausgewirkt?
Da diese Frage im Rahmen einer Bachelorarbeit nicht vollumfänglich beantwortet werden kann, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, durch das Zusammentragen unterschiedlicher Befragungen und Studien, einen genaueren Blick auf die Bereiche Homeoffice, Kurzarbeit und Weiterbildungen zu werfen und zu schauen ob unter Einflüssen der Pandemie die soziale Ungleichheit in diesen Bereichen eher zu- oder eher abgenommen hat. Dabei wird erwartet, dass, diese Maßnahmen, obgleich ihrer stark gestiegenen Ausweitung und/oder hohen gesellschaftlichen Relevanz, zu ungleichen Teilen von verschiedenen Personengruppe genutzt wurde und sozial Bessergestellte am meisten davon profitierten. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass sich die soziale Ungleichheit durch die drei hier vorangebrachten Bereiche nur vergrößert hat.
Um dies nachvollziehen zu können, wird im theoretischen Vorbau jede Maßnahme in seiner Konzeption und Ausmaß vor der Corona-Pandemie vorgestellt und geschaut, ob bereits dort eine ungleiche Behandlung unterschiedlicher Personengruppen vorzufinden war. Zusätzlich wird hier in kurzer Form auf die soziale Ungleichheit in einem größeren Rahmen eingegangen, um diese Arbeit in diesem weit gefassten Thema besser einzuordnen. In der darauf folgenden Analyse werden die Auswirkungen, die sich während der beiden bisher größten Krisenjahre 2020 und 2021 aufgetan haben, auf die jeweiligen Bereiche beleuchtet. Um dies sinnvoll zu strukturieren, wird nach der Einleitung eines jeweiligen Kapitels auf die Zahlen der Nutzungen eingegangen, um das neue und pandemiebedingte Ausmaß zu verdeutlichen. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Erlebnisse mit diesen Bereichen werden im Folgenden beschrieben und gleichzeitig soll mittels Verbesserungsvorschläge versucht werden, neue Wege aufzuzeichnen, die eine verbesserte Situation der Erwerbstätigen in den jeweiligen Bereichen adressiert. Des Weiteren wird in jedem Kapitel eine Personengruppe angeführt, die durch die jeweilige Maßnahme in besonderem Ausmaß betroffen war. Ihren Schluss findet diese Bachelorarbeit in der Schlussbetrachtung sowie der Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse.
2 Theoretischer Vorbau
2.1 Soziale Ungleichheit
Soziale Ungleichheit existierte schon lange vor der Pandemie und wurde lange Zeit sogar als „naturgegeben“ oder „gottgewollt“ gesehen (vgl. Butterwege 2020a, S.30). Diese Sicht wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte, auch wenn das Problem weiterhin bestand und in den letzten Jahrzehnten immer weiter zunahm. Butterwege (2020b, S.106f.) sieht die wachsende Ungleichheit deshalb als das wichtigste Problem der gesamten Menschheit an, da es zu Krisen und Kriegen mit anschließenden Migrationsbewegungen führen kann und hierzulande den sozialen Zusammenhalt und die repräsentative Demokratie bedrohen könnte. Doch was ist soziale Ungleichheit überhaupt?
Kümpers/Alisch (2018, S. 53) beschreiben soziale Ungleichheit als eine ungleiche Verteilung von Lebenschancen entlang einer vertikalen und horizontalen Achse. Auf der vertikalen Achse beruht die Unterschiedlichkeit auf einer hierarchischen Gesellschaft, die durch Klassen und Schichten konzipiert ist, in der das Einkommen und Vermögen, der formale Bildungsstatus und der berufliche Status bestimmt welche soziale Position eine Person hat. Die Ungleichheiten entlang der horizontalen Achse beschreiben die Autoren anhand von Geschlechterungleichheiten, Ungleichheiten nach der ethnischen Zugehörigkeit oder körperliche Ungleichheiten. Jeder Menschen finden sich entlang beider Achsen wieder mit den damit verbundenen Lebens- und Lebensverwirklichungschancen. Ein Zusammenwirken, das in der Wissenschaft als ‚Intersektionalität‘ bezeichnet wird und mit dem Begriff ‚sozioökonomischer Status‘ operationalisiert wird (vgl. ebd. 2018, S.53f.). Dabei ist soziale Ungleichheit zwar nicht immer, aber sehr häufig mit Ungerechtigkeit verbunden und sei deshalb besonders in modernen, hochentwickelten Gesellschaften ein Spannungsthema (vgl. Schmucker 2020, S.80f.). Vergrößert sich nämlich die soziale Ungleichheit, droht die Mittelschicht zu schrumpfen, was gesellschaftliches Konfliktpotenzial mit sich bringt und politische Entscheidungen erschwert (vgl. Burana 2011, S.150).
Durch diese Beschreibung wird die Multidimensionalität der sozialen Ungleichheit deutlich, da viele unterschiedliche Merkmale entlang der Achsen bestimmen, welchen sozioökonomischen Status ein Mensch hat und die daraus folgende gesellschaftliche Teilhabe. Die soziale Ungleichheit entsteht dabei aus kapitalistischen Produktions-, Eigentums- und Herrschaftsverhältnissen (vgl. Butterwege 2020a, S.254). Dabei seien die keine natürliche Folge von digitaler Revolution, Wissensökonomie und kühner schöpferischer Zerstörung, sondern vor allem eine Folge von politischen Entscheidungen gewesen (vgl. Merkel 2015, S.185).2
Soziale Ungleichheit ist ein umfangreiches Themengebiet, dass aufgrund seiner gesellschaftlichen Relevanz und politischen Akteure immer wieder für Zündstoff sorgt. In Deutschland tritt dieses Thema immer wieder stark medial auf und in der Forschung weisen Publikationen immer wieder auf die steigende soziale Spaltung infolge von sozialer Ungleichheit hin. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung3 Marcel Fratzscher (2016) zeigte in seinem Buch „Verteilungskampf. Warum Deutschland immer ungleicher wird“ auf, wie prekär die bereits vorhandene Lage ist und welche negativen Auswirkungen die soziale Ungleichheit in verschiedenen Teilbereichen der Gesellschaft mit sich bringt. Alexander Hagelüken (2017) veröffentlichte ein Jahr später sein Buch „Das gespaltene Land: Wie Ungleichheit unsere Gesellschaft zerstört - und was wie die Politik ändern muss“ und sieht ebenfalls eine sich vergrößernde Kluft zwischen Reichtum und Armut und mahnt dabei an, dass Teile der Mittelschicht in Gefahr sind zu schwinden. Die deutlich auseinandergehende Verteilung von Armut und Reichtum ist häufig im Fokus der Kritik (vgl. Spannagel 2018, S.2f.), aber auch die ungleiche Chancengleichheit bei der Verteilung begehrter Ressourcen, Positionen oder Lebensverhältnissen wird immer wieder betont (vgl. Hopf/Edelstein 2018, o. A.). Dabei betonen die verschiedenen Autoren, dass bestimmten Personengruppen entlang der eben beschriebenen Achsen eine besser oder schlechter gestellte gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird. Ein Umstand, der auch während der Corona-Krise deutlich zu beobachten war.
So beschreibt Butterwege (2021), dass die Pandemie die bereits bestehende Ungleichheit nur noch weiter verschärft hat. Während auf der einen Seite u. a. Erwerbslose und Geringverdiener zu den Hauptleidtragenden der Pandemie gehörten, konnten auf der anderen Seite manche Branchen und darin tätige Unternehmen und deren Beschäftigte von der Krise profitieren. Dabei hat der Staat nur zur Verschärfung des Problems beigetragen (vgl. ebd. 2021, S.47). Die „Sozialschutz-Pakete“ der Bundesregierung haben zwar immer wieder zu Erleichterungen geführt, profitierten aber manche Personengruppen mehr davon als andere. Und während große Konzerne direkt vom Staat finanziell unterstützt wurden, wurden sozial benachteiligte Personen weitgehend vergessen. Auch Schmucker (2021, S.196) sieht, dass bereits bestehende soziale Ungleichheitsfelder sich weiter verschlechtert haben und das vor allem bei den Arbeitsbedingungen, der sozialen Absicherung benachteiligter und prekärer Beschäftigungsgruppen und bei der Verteilung von Ressourcen und Belastungen noch größerer Handlungsbedarf besteht als bereits vor der Krise. Die Krise hat die Verletzlichkeit mancher Personengruppe deutlich sichtbar gemacht und durch diese Erfahrungen sei eine „Vorkrisen-Normalität“ (vgl. ebd. 2021, S.197) nicht erstrebenswert.
Durch das von mir in kleinem Rahmen aufgezeichnete Bild der sozialen Ungleichheit wird deutlich, dass eine ausführliche Analyse, inwiefern sich die Pandemie auf diesen Zustand ausgewirkt hat, den Rahmen einer Bachelorarbeit sprengen würde und deshalb ein etwas genauerer Blick benötigt wird.4 Aus diesem Grund werden die Erfahrungen und Eindrücke mit Homeoffice, Kurzarbeit und Weiterbildungen tiefergehend analysiert und geschaut, ob die Chancengleichheit in diesen Bereichen gleich verteilt war und ob diese Maßnahmen ansonsten weitere Auswirkungen auf die soziale Ungleichheit hatten.
2.2 Homeoffice
Eine Maßnahme, die im Zuge der Pandemie in vielen Bereichen genutzt wurde, ist das Homeoffice. Das Instrument, das als „Flaggschiff der Bewegung“ (Väth 2016, S.211) gilt, wenn es um die räumliche und zeitliche Flexibilisierung der Arbeitsleistung im Zuge der New-Work Konzepte geht, gewann in den letzten Jahren an Bekanntheit und Beliebtheit (vgl. Bergmann/Schumacher 2020, S.7) Doch ist das Prinzip, die Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise in den eigenen Wohnbereich zu verlagern, keineswegs neu.
Der in diesem Zusammenhang bekannteste und doch etwas ungenaue Begriff ‚Telearbeit‘, also Arbeit, die, wie ihr griechisches Präfix ‚Tele‘ (zu deutsch: fern oder weit) vermuten lässt, nicht an der Betriebsstätte ausgeführt wird und seit dem Aufkommen dieser Technik durch informations- und kommunikationstechnischer Möglichkeiten ausgeführt werden kann, wird häufig als Synonym für Arbeit mit diesen technologischen Mitteln genutzt wird (vgl. Kleemann 2003, S.61f.). Telearbeit hat sich schon früh als Begriff etabliert. Dennoch lässt sich keine einheitliche Definition vornehmen, da sie ebenso das Mobile-Office oder Personen beinhaltet, die aufgrund ihrer Berufs ohnehin außerhalb der Betriebsstätte arbeiten, wie z. B. Kundenberater (vgl. ebd. 2003, S.62). Die leichte Abwandlung ‚Teleheimarbeit‘ ist zwar spezifischer, hat sich aber wahrscheinlich aufgrund der begrifflichen Nähe zum Heimarbeitsgesetz nicht durchgesetzt (vgl. Aumann 2019, S. 144).
Telearbeit und Teleheimarbeit wurden durch den Begriff ‚Homeoffice‘, das nach Barrein (2022, S. 40), ein Unterfall des Oberbegriffs ‚Telearbeit‘ darstellt. Als ursprüngliche Bezeichnung für das englische Innenministerium wird dieser Begriff heute als ein Scheinanglizismus kritisiert, d.h. englische Worte werden genutzt, um einen Neologismus zu bilden, der in der englischen Sprache entweder unbekannt ist oder eine andere Bedeutung hat (vgl. Onysko 2007, S.52). Denn während Homeoffice in Deutschland mittlerweile als geläufigster Begriff für die Verlagerung der Erwerbstätigkeit in den eigenen Wohnbereich gilt, wird im Englischen von ‚working from home‘ oder ‚office at home‘ gesprochen (vgl. Flüter-Hoffmann/Stettes 2022, S.7).
Doch die Diskussion um die begriffliche Definition ist genauso alt wie diese Form des Arbeitens selbst. Die ersten Auslagerungen der Betriebsamkeit in den eigenen Wohnraum erfolgte schon im frühen 14. Jahrhundert (vgl. Jäckel/Rövekamp 2001, S.39f.), wurden jedoch erst im 19. Jahrhundert unter der Bezeichnung ‚Hausindustrie‘ populär. Werner Sombart (1892, S.418) beschrieb diese als eine „Betriebsform der privatkapitalistischen Unternehmung, bei welcher die Arbeiter bei sich daheim beschäftigt sind“. Besonders in der Textilindustrie und in den frühen Jahren der Industrialisierung war die Hausindustrie von erheblicher Bedeutung. Viele in der Stadt ansässiger Unternehmer (Verleger) ließen Ware zu den Heimarbeitern bringen und dort verarbeiten, um sie dann auf dem (Welt-)Markt zu verkaufen (vgl. Lötscher/Kühmichel 2016, S.109). Diese Arbeitsform der Menschen war jedoch schlecht bezahlt und sie mussten in der Hochsaison Tag und Nacht arbeiten, was damals übermäßig oft Frauen betraf, obwohl diese nur einen geringen Teil der Erwerbstätigen ausmachten (vgl. Überland 2004, o. A.). Aber auch Kinder wurden mit einbezogen und während des NS-Regimes wurde die Heimarbeit zur gemeinsamen Volksanstrengung erklärt, um Gerätschaften für den Krieg herzustellen (vgl. ebd. 2004).
Eine erste Annäherung an den heutigen Begriff erfolgte mit der zunehmenden Technisierung durch Jack M. Nilles (1967) mit dem Begriff ‚Telecommuting‘ (zu deutsch: Telependeln) (vgl. Huber 1987, S.17). Im Zentrum dieser Konzeption stand die Entzerrung des Berufsverkehrs aufgrund von Verkehrsproblemen und Umweltschäden gerade in Ballungsräumen mit hohem Dienstleistungssektor, wie z.B. in Los Angeles.
Somit wurden in den 1970er Jahren auch in der Bundesrepublik Deutschland einige Modellprojekte zur Heimarbeit initiiert. Aufgrund des Plus an individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, der Verringerung der Pendlerströme und der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf konnten gering qualifizierte Schreib- und Sachbearbeitungsaufgaben und qualifizierte Programmiertätigkeiten vermehrt von zu Hause erledigt werden (vgl. Aumann 2019, S.69f.). Die doch zunächst langsame Entwicklung kann dadurch erklärt werden, dass die erforderlichen Technologien seinerzeit kein Massengut waren und die dazu gehörenden technischen Voraussetzungen dann unzureichend waren (vgl. Barrein 2022, S.35). Dies zeigt auch eine Studie des Fraunhofer-Instituts von 1997, nach der damals nur 22.000 Personen in der reinen Teleheimarbeit gearbeitet haben (vgl. Kleemann 2003, S.63).
Doch schon Anfang der 2000er Jahre war die Flexibilisierung der Arbeit ein wesentlicher Aspekt für viele Arbeitnehmer, wie die schon damals hohen Zahlen an Menschen in der Gleitzeit aufzeigen (vgl. Jürgens 2003, S.39). Neue Errungenschaften auf den Gebieten der IT- und Kommunikationstechnologie wurden innerhalb dieser Jahre massentauglich und fanden immer mehr Einzug in die private Nutzung. Eine Verbindung dieser Technologien mit dem Wunsch nach einer höheren Flexibilität im Hinblick auf Arbeitszeit und Arbeitsort kam aber nicht zustande. Lange Zeit wurden zudem die Auswirkungen der Technologien auf die Arbeit wenig untersucht, ehe im Jahre 2013 eine Studie von Frey und Osborne Studie die möglichen und rasanten Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt aufzeigte. In den folgenden Jahren erkannte auch die Politik die Notwendigkeit zum Handeln. Dies zeigt sich schon im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag, in dem sie schreiben „[d]ie Digitalisierung hilft Eltern, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Diese Chance für mobiles Arbeiten wollen wir nutzen“ (vgl. Die Bundesregierung 2018, S.20). Aufbauend auf diesem Vertrag versuchte besonders die SPD und das von ihnen geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schon seit 2019 ein Recht für mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich zu verankern (zeit.online 2019).
Doch inwieweit war das Konzept ‚Homeoffice‘ vor der Pandemie in der deutschen Gesellschaft angekommen? In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass sowohl für die Telearbeit als auch für das Homeoffice bislang eine gesetzliche Begriffsdefinition fehlt. In § 16 Abs. 2 BGleiG wird lediglich die Ermöglichung von Telearbeit gefordert, wo sie möglich ist, und § 2 Abs. 7 ArbStättV definiert, was ein Telearbeitsplatz ist. Dabei schreibt das Gesetz bei der Einrichtung von Telearbeitsplätzen auch vor, dass diese arbeitsvertraglich festgelegt werden müssen, inklusive einer Vereinbarung über die Arbeitszeit und die benötigte Ausstattung. Der Begriff ‚Homeoffice‘ wurde erstmals in den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln auf Seiten des Gesetzgebers (2020, S.2) erwähnt. Dabei bezieht sich der Gesetzgeber auf Regelungen zur Telearbeit und zur technischen Ausstattung, ohne eine allgemeingültige, gesetzliche Definition zu geben. Da es keine einheitlichen Begriffsdefinitionen für beide Begriffe gibt, werden immer wieder andere Bemessungskritierien angelegt, die zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen und Statistiken zur Telearbeit/Homeoffice deswegen vorsichtig zu bewerten sind. Dazu kommt, dass nicht vertraglich geregelte Telearbeit meist statistisch selten erfasst wird (vgl. Barrein 2022, S.31).
Deswegen wird in der modernen Forschung angenommen, dass aufgrund nicht einheitlicher Vorgehensweisen die Zahlen in manchen Bereichen sehr deutlich schwanken und deswegen differenziert zu betrachten sind. Im Folgenden werden deshalb ausschließlich eindeutig erkennbare Tendenzen im Bereich Homeoffice vor der Corona-Pandemie aufgezeigt.
Im Jahr 2019 arbeiteten weniger als 15 % aller Erwerbstätigen von zu Hause aus, wovon die meisten alternierend und nur ein geringer Teil ausschließlich von zu Hause aus gearbeitet hat (vgl. Waltersbacher et al. 2019, S.84f.). Auch andere Erhebungen sehen nur knapp mehr als 10% aller Erwerbstätigen im Homeoffice, wovon lediglich 4 % ‚ausschließlich‘ oder ‚überwiegend‘ von zu Hause (vgl. Destatis 2021a, o. A.). Während die Zahl der Unternehmen, die diese flexible Arbeitsform anbietet, im Verlauf der letzten Jahre deutlich gestiegen ist (Pauly/Scheufele 2019a, o. A.), hat der Anteil der im Home-Office arbeitenden Beschäftigten im gleichen Zeitraum nur geringfügig zugenommen (vgl. Grunau et al. 2019, S.2). Auch wenn der Anteil der Menschen ohne Führungsaufgaben im Homeoffice stärker gestiegen ist als der Anteil der Menschen mit Führungsaufgaben (vgl. ebd. 2019, S.2f.), wird die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, meist immer noch bessergestellten Mitarbeitern eingeräumt. Vor allem Arbeitnehmer mit einem höheren Bildungsabschluss und Führungsaufgaben wird die Chance gegeben, auf das Arbeiten im Betrieb teilweise oder ganz zu verzichten (vgl. Waltersbacher et al. 2019, S.86). Unter den Personen, die 2019 das Homeoffice genutzt haben, ist außerdem der Anteil an Frauen, jüngeren Arbeitnehmer und Menschen mit einem Kind unter 18 Jahren geringer (vgl. ebd. 2019). In den meisten Fällen wird Homeoffice eher alternierend als ausschließlich genutzt, d.h. es wird nur ein bis zwei Tage in der privaten Wohnung gearbeitet (vgl. Pauly/Scheufele 2019a, o. A.). Die Anzahl der Personen, die ausschließlich im Homeoffice gearbeitet haben, nahm zwischen 2015 und 2019 ab (vgl. Backhaus 2020, S.40).
Auf Arbeitgeberseite muss beachtet werden, dass die Ermöglichung dieser New-Work- Arbeitsform sehr branchen- und abteilungsabhängig ist. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit des Angebots mit zunehmender Betriebsgröße zunimmt, ist innerhalb der letzten Jahre vor der Corona-Pandemie ein Anstieg über alle Betriebsgrößen hinweg zu verzeichnen (vgl. Grunau et al. 2019, S.2). Vor allem die IT-/Kommunikationsdienstleister, Versicherungen und Beratungen greifen deutlich häufiger auf Homeoffice Optionen zurück als viele andere Branchen (vgl. ebd. 2019, S.2f.). Aber auch innerhalb eines Betriebes kann die Zugehörigkeit zu einer Abteilung die Chancen erhöhen bzw. senken. Während fast jede zweite befragte Führungskraft im Vertrieb/Marketing und Service/Verwaltung das Homeoffice zumindest alternierend nutzt, können Personen ohne Führungsfunktion in diesen Abteilungen bisweilen seltener darauf zugreifen. In der Produktion nutzen schon deutlich weniger Führungskräfte ihre Möglichkeit, sporadisch von zu Hause aus zu arbeiten und Menschen, die in der Produktion keine Führungskraft sind, gaben an, ihre Arbeit so gut wie nie zu Hause zu erledigen (vgl. ebd. 2019, S.3).
In vielen Befragungen und Studien gibt es aber auch viele Arbeitgeber, die die Arbeitnehmer zur Anwesenheit verpflichten (vgl. BMFSFJ 2016, S.21; Pauly/Scheufele 2019a) und viele Arbeitnehmer, die gar nicht von zu Hause aus arbeiten wollen (vgl. Pauly/Holdampf-Wendel 2019, o. A.; Waltersbacher et al. 2019, S.86). Die Gründe für die Festlegungen für oder gegen eine Homeoffice Option können vielfältig sein und sollen im Folgenden in einer kurzen Darstellung der Vor- und Nachteile ergründet werden.
Homeoffice bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile, die im Folgenden vorgestellt werden.5.
Einer der am häufigsten genannten Vorzüge des Homeoffice ist die erhöhte Flexibilität, die mittels großer Eigenständigkeit zu einer gleichmäßigen Arbeitsbelastung führen sowie die Effektivität und die Work-Life-Balance verbessern kann, und die Tatsache, dass Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeiten flexibler selbst bestimmen können, zufriedener sind, auch wenn diese unter Umständen auch länger dauert (vgl. Grunau et al. 2019, S.4f.). Des Weiteren wird der positive Effekt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betont, der bereits durch den Zeitgewinn durch das Wegfallen des Arbeitsweges, gesteigert wird (vgl. Gruber et al. 2021, S.19; Bellmann/Widuckel 2017, S.2). Homeoffice könnte es Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Lebenssituation in ihrer Mobilität oder Wahl des Arbeitsortes eingeschränkt sind, ebenfalls ermöglichen, eine Stelle anzutreten, die unter einer Forderung von Anwesenheit nicht möglich gewesen wäre (vgl. Windelband 2019, S.42)
Auch für die Unternehmen bringt diese Arbeitsform Vorteile. Diese schätzen ebenfalls die erhöhte Flexibilität, da sie sich davon eine erhöhte Motivation, Effektivität und Produktivität auf Seiten der Arbeitnehmer erhoffen und auf der anderen Seite Platz im Büro und dazugehörige Kosten sparen (vgl. Messenger et al. 2017, S.26). Auch eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber wird häufig als Vorzug genannt. Besonders gut qualifizierte und am Arbeitsmarkt begehrte Arbeitnehmer sehen die Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu können, als einen ausschlaggebenden Faktor bei der Wahl des Arbeitsplatzes (vgl. Gruber et al. 2021, S.18).
Der am häufigsten genannte Kritikpunkt an dieser Arbeitsform ist die eventuell auftretende, ungewollte Vermischung von Privat- und Berufsleben. Durch die Verlagerung der Arbeitsstätte in die private Wohnung wird dem Arbeitnehmer ein neues Maß an Selbststeuerung und Selbstorganisation abverlangt. Dies gilt insbesondere, wenn zur Grenze der Arbeitszeit und des Arbeitsvolumens keine vertraglichen Regelungen mit dem Arbeitgeber getroffen wurden, was Befragungen zufolge für 84% der Beschäftigten der Fall ist (vgl. Sommer et al. 2019, S.256).
Bei Arbeitnehmern, die im Homeoffice arbeiten, kommt es häufig dazu, dass ein Teil der Arbeit aufgrund von privaten Verpflichtungen während der Arbeitszeit auf die Abendstunden oder auf das Wochenende verschoben wird (vgl. Waltersbacher et al. 2019, S.89). Dienstliche Angelegenheiten werden gedanklich fortgeführt, was dadurch bestärkt wird, dass Arbeitsplatz und Wohnraum faktisch nicht voneinander zu trennen sind und die Arbeit jederzeit wieder aufgenommen werden kann. In solchen Fällen kann die private Wohnung und die Familie als Rückzugsort verloren gehen, was wiederum negative Auswirkungen auf das Familienleben haben kann.6 Zudem führe das Homeoffice auch immer wieder zu einer Reihe von Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens, wie z. B. Erschöpfung, Wut, Nervosität und Reizbarkeit (vgl. ebd. 2019, S.97f.). Auch der fehlende Kontakt zu den Kollegen wird häufig kritisiert (vgl. Grunau et al. 2019, S.7). Auf Seiten des Arbeitgebers wird vor allem die eingeschränkte Möglichkeit zur Kontrolle der Arbeitsleistung als negativster Aspekt betont (vgl. Gleißner/Gruber 2021, S.18). Arbeitgeber dürfen ihre Arbeitnehmer kontaktieren und auch Leistungsnachweise einfordern, aber darüber hinaus werden der Überwachung Grenzen gesetzt und die Leistung, die der Arbeitnehmer in seiner Arbeitszeit erledigt, ist für den Arbeitgeber nicht unmittelbar erkennbar.
Der Wunsch nach einer höheren Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt mit einer Verbindung der geläufigen technologischen Mitteln ist immer noch sehr präsent. Denn während der Wunsch nach einer flexiblen Einteilung der Arbeitszeit und einem Recht auf Homeoffice schon vor der Pandemie vorhanden war (vgl. Pauly/Scheufele 2019b, o. A.), ergaben Untersuchungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass 40% aller Tätigkeiten in Deutschland von zu Hause aus erledigt werden könnten (vgl. Brenke 2016, S.95). Trotzdem wird diese Möglichkeit in Deutschland zum einen seltener gegeben als in den europäischen Nachbarstaaten (vgl. ebd. 2016, S.99) und zum anderen eher bessergestellten und gut vernetzten Arbeitnehmern eingeräumt, die in einer Art Vertrauenstandem zu ihrem Arbeitgeber stehen (vgl. Waltersbacher et al. 2019, S.92).
Als sich das Coronavirus in Deutschland ausbreitete und die empidemische Notlage ausgerufen wurde, wurden weitreichende Entscheidungen zur Kontaktreduzierung getroffen, um weitere Infektionen zu vermeiden. Auch in Unternehmen mussten Aspekte erwogen werden, sodass es nahe lag, die Arbeitnehmer aus dem Betrieb in die private Wohnung zu schicken, wo es nur möglich sei. Doch wie häufig wurde das Homeoffice wirklich genutzt und von wem? Wurde erneut nur den bessergestellten Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, von zu Hause aus zu arbeiten? Wird das Homeoffice nach der Pandemie eine ähnliche Entwicklung aufweisen wie es bereits die Gleitzeit getan hat und irgendwann als normal angesehen werden (vgl. Kleemann 2003, S.65) oder handelt es sich doch nur um einen „humanisierungspolitischen Scheinriesen“ (Urban 2021, S.104), der zu einem Rückfall in alte Traditionen und weg von einer geschlechtergerechten Gesellschaft führt (vgl. Allmendinger 2021, S.97)?
2.3 Kurzarbeit
Eine der am häufigsten genutzten Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie war die Kurzarbeit bzw. das Kurzarbeitergeld. Dieses Instrument zur Abfederung zyklischer wirtschaftlicher Einbrüche ist dabei keineswegs neu und hat eine über 100-jährige Geschichte. Als einer der ersten Vorläufer des Kurzarbeitergeldes gilt die Kurzarbeiterfürsorge, die im Rahmen der Kali-Gesetze vom 25.05.1910 den betroffenen Arbeitern im Zuge des Kapazitätsabbaus innerhalb der Kali-Industrie vom deutschen Reich bezahlt wurde (vgl. Will 2010a, S.4). Um nach dem Ersten Weltkrieg Millionen von zurückkehrenden Soldaten vor der Arbeitslosigkeit abzusichern, verabschiedete die Regierung am 13.11.1918 die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge, die am 16.02.1924 um die Verordnung über die Erwerbslosenunterstützung ergänzt wurde und damit erstmals eine so genannte Kurzarbeiterunterstützung enthielt. (vgl. Schmuhl 2003, S.122-126). Das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung löste die Erwerbslosenf ü rsorge am 16.07.1927 ab und führte nicht nur eine Arbeitslosenversicherung ein, sondern implementierte darüber hinaus das Kurzarbeitergeld als ein arbeitsmarktpolitisches Instrument (vgl. Will 2010b, S.3). Die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes wurde im Laufe der Zeit häufig an staatliche Arbeitsmarktregulierungen, die Bemessungshöhe und die Zugangsbeschränkungen hinsichtlich der Beschäftigungs- und Konjunkturpolitik immer wieder angepasst und dennoch so lange fortgeführt, sodass es als Grundlage für das 1969 verabschiedete Arbeitsförderungsgesetz herangezogen wurde (Will 2010b, S.4), dessen wesentlichen Instrumente 1997 schließlich im Sozialgesetzbuch III mündeten (vgl. Spitznagel/Bach 2000, S.507).
Darin sind derzeit drei verschiedene Arten des Kurzarbeitergelds aufgeführt. Branchen, die starken saisonalen Schwankungen ausgesetzt sind (z. B. das Baugewerbe), können innerhalb der Schlechtwetterzeit (01.12. bis 31.03. eines jeweiligen Jahres) Saisonkurzarbeitergeld beantragen (§ 101 SGB III). Das Transferkurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) kann bei betrieblichen Restrukturierungen Entlassungen von Arbeitnehmern verhindern.
Für die vorliegende Arbeit ist vor allem das konjunkturelle Kurzarbeitergeld relevant, das bei einem erheblichen Arbeitsausfall mit Entgeltausfall gezahlt wird, insofern dieser auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht und nicht vermeidbar ist (§§ 95 ff. SGB III). Darüberhinaus müssen betriebliche und persönliche Voraussetzungen erfüllt sein und der Arbeitsausfall muss bei der Agentur für Arbeit angezeigt worden sein.
Wenn in konjunkturell bedingten Krisensituationen weniger Arbeit anfällt, hat der Arbeitgeber zwei Möglichkeiten zur Anpassung des Arbeitsvolumens (vgl. Kuhn et al. 2021, S.2). Bei der ersten Alternative wird ein Teil der Mitarbeiter entlassen, damit die Gesamtzahl der Beschäftigten und folglich auch die Gesamtarbeitszeit sinkt. Als Problem ergibt sich hierbei jedoch eine Steigerung der Arbeitslosigkeit.
Die zweite Alternative beinhaltet die Kurzarbeit, mit der die Arbeitszeit eines Teils oder aller Beschäftigten verringert wird, sodass die Gesamtarbeitszeit ähnlich wie bei der ersten Option gesenkt wird. Anstatt die Beschäftigten zu entlassen, werden sie in Kurzarbeit geschickt. Dabei werden die Betriebe finanziell entlastet, indem den Beschäftigten für die ausgefallenen Arbeitsstunden Kurzarbeitergeld gezahlt wird, das von der Bundesagentur für Arbeit7 übernommen und an die Arbeitgeber überwiesen wird. Dabei erhalten sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer für einen gewissen Zeitraum einen Teil des Nettolohns und die Sozialversicherungsbeiträge werden unter bestimmten Voraussetzungen zurück an die Arbeitgeber überwiesen.8
Die Kurzarbeit kann den Unternehmen und Beschäftigten helfen, eine Krise zu überstehen, da sie beschäftigungsstabilisierend wirkt und die zukünftige Geschäftstätigkeit sichert. Auf der anderen Seite bremst sie strukturelle Anpassungsprozesse durch das ‚Horten‘ von Arbeitnehmern und wenn eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive fehlt, folgen Entlassungen, wie es bspw. nach der Wiedervereinigung festzustellen war (vgl. Crimmann et al. 2009, S.7f.).
Als anerkanntes vielseitiges Kriseninstrument, wurde Kurzarbeit sowohl bei konjunkturellen Nachfrageschocks (1967 und 1993), (ölpreisinduzierten) Angebotsschocks (erste Ölkrise 1974/1975 und zweite Ölkrise 1981/1982) und großen strukturellen Erschütterungen (1991) eingesetzt, bei der damals über 1,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit geschickt wurden und damit lange Zeit den höchsten Stand an Kurzarbeitenden in Krisen aufwies (vgl. Will 2010b, S.8). Auch während der Großen Rezession infolge der Weltfinanzkrise wurde Kurzarbeit herangezogen. Diese wurde vorwiegend im exportabhängigen verarbeitenden Gewerbe genutzt, erreichte im Mai 2009 ihren Höchststand mit 1,44 Millionen Personen und schaffte es erst 2011 das Vorkrisenniveau zu erreichen (vgl. Gartner et al. 2021, S.5). Verschiedene Studien belegen, dass die Kurzarbeit im Zuge der Großen Rezession effektiv zu einer stärkeren Anpassung über Arbeitszeiten beigetragen hat und folglich auch die Beschäftigung stabilisiert hat (vgl. Cahuc et.al. 2011, S.159f..; Hijzen et al. 2013, S.29).
Auch wenn Kurzarbeit vor allem in Krisenzeiten genutzt wurde, gab es auch außerhalb dessen eine regelmäßige Inanspruchnahme, wie die Jahre vor der Pandemie zeigen. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise gab es zwar keinen signifikanten Anstieg mehr und die Kurzarbeit lag mehrere Jahre auf einem niedrigen Niveau, bevor sie zwischen 2018 und 2019 von 118 000 auf ca. 145 000 anstieg (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2020a, S.12). Ausschlaggebend waren dafür vor allem Kurzarbeitende aufgrund konjunktureller Faktoren. Diese stiegen besonders gegen Ende 2019, wenige Monate vor Ausbruch der Pandemie, und lagen mit ca. 84.000 Kurzarbeitenden auf dem Niveau der europäischen Staatsschuldenkrise 2012/2013 (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2020b, S.73). Diese Zahl stieg im Zuge der Pandemie unvermeidbar an, doch welche Beschäftigten gingen in Kurzarbeit und welche nicht? Bestand dabei eine soziale Benachteiligung bestimmter Gruppen? Welche Nachteile oder Vorteile, entstanden durch die Inanspruchnahme? Und was kann für die zukünftige Ausgestaltung gelernt werden?
2.4 Weiterbildungen
Für den bildungspolitischen Bereich der Weiterbildungen kann seit den 1970er Jahren eine immer weiter steigende Bedeutung konstatiert werden.9 Wenige Jahre nach dem Erscheinen von Georg Pichts Buch „Die deutsche Bildungskatastrophe“ (1964) und der westdeutschen Studentenbewegung im Zuge der 68er-Bewegung legte der Bundesrat 1970 mit dem Strukturplan für das Bildungswesen einen langfristigen Entwicklungsplan für das deutsche Bildungssystem vor. In diesem wurde die Weiterbildung als integraler Bestandteil des deutschen Bildungssystems aufgenommen, konzeptionell festgeschrieben und als „vierte Säule des Bildungswesens“ (Deutscher Bildungsrat 1970, S. 198ff.) gekennzeichnet. Die damalige Definition von Weiterbildung war, die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase [wobei,] der Beginn möglicher Weiterbildung durch den Eintritt in die volle Erwerbstätigkeit gekennzeichnet ist [und] das kurzfristige Anlernen oder Einarbeiten am Arbeitsplatz nicht in den Rahmen der Weiterbildungen [gehören]“ (vgl. ebd. S.197). Diese Definition wird auch heute noch verwendet (vgl. BMBF 2019, S.6; Tippelt et al. 2018, S. 4)
Innerhalb der nächsten Jahre wurde der Begriff ‚Erwachsenenbildung‘ nach und nach durch ‚Weiterbildung‘ ersetzt, sodass dieser sich in den 1980er Jahren im sprachlichen Gebrauch, der Wissenschaft und der Bildungspraxis durchsetzen konnte und bis heute die gängigste Bezeichnung ist (vgl. Gnahs 2008, S.28ff.). Die vorliegende Arbeit bezieht sich ausschließlich auf die berufsbezogene und betriebliche Weiterbildung. Andere Aktivitäten, die nach Dehnbostel (2008, S.13) zur allgemeinen Weiterbildung gehören, werden ausgeklammert.
Die Relevanz von Weiterbildungen lässt sich im Konzept des lebenslangen Lernens wiedererkennen, einem Prinzip, dessen Wert schon früh erkannt wurde und im Zuge der zunehmenden Digitalisierung und Roboterisierung nochmal deutlich gestiegen ist. Bereits im Jahre 1972 war dieses Prinzip die treibende Kraft hinter der Bildung des, von der UNESCO ins Leben gerufenen International Comittee for the Advancement of Adult Education mit der Forderung „lifelong education for all“ (Lengrand 1972, S.17). Auch das Europäische Jahr des lebensbegleitenden Lernens im Jahre 1996 lässt ähnliches vermuten. Die Europäische Kommission sah dieses Konzept ebenfalls als zukunftsweisend und merkte deshalb an, „dass der erfolgreiche Übergang zur wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft mit einer Orientierung zum lebenslangen Lernen einhergehen muss“ (Europäische Kommission 2000, S.3).
Auch in Deutschland wandelte sich die Situation. Die Anzahl der Teilnehmer an beruflichen Weiterbildungen stieg Anfang der 1970er Jahre bis zu ihrem Höhepunkt 1997 mit ca. 24 Millionen Teilnehmern immer weiter an, nahm in den folgenden Jahren aber wieder schnell ab und erreichte 2005 mit ca. 20 Millionen Teilnehmern ihren historischen Tiefstand (vgl. Kuwan et al. 2003, S. 18f.; Bernhard et al. 2017 S. 146). Besonders die geförderten beruflichen Weiterbildungen im Rahmen des SGB II und SGB III wurden zurückgestellt, sodass 2005 nur etwas mehr als 100 000 Personen eine solche begonnen haben. Hauptgründe dafür waren die Kürzungen staatlicher Subventionen im Zuge der Hartz-Reformen, die zu einer drastischen Reduzierung der staatlich gestützten Weiterbildungsmaßnahmen führten, und die hohe Arbeitslosigkeit (vgl. Dehnbostel 2008, S.20f.). Viele Anbieter solcher Maßnahmen verschwanden in dieser Zeit oder mussten erhebliche Verluste einstecken. Dazu gehörten auch gemeinnützige Komplettanbieter, wie der Verdi nahestehende Deutsche Angestellten-Akademie (DAA), deren Umsatz von 2002 bis 2005 um 130 Millionen Euro einbrach (vgl. Etscheit 2005, o. A.). Lechner et al. (2005, S.42f.) mahnten diese Situation an, indem sie der Weiterbildung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eine zentrale Rolle zuschrieben, indem sie eine Entstehung und Verfestigung von Arbeitslosigkeit vorbeugen können. Zwar würde die Wahrscheinlichkeit für Arbeitssuchende, eine neue Stelle anzutreten, während der Maßnahme sinken, aber auf längere Sicht würden die positiven Aspekte überwiegen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, einen neuen Arbeitsplatz anzutreten.
Es scheint deshalb verwunderlich, dass sich die Teilnehmeranzahl der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen einer Auswertung der Universität Duisburg-Essen zufolge, zwischen 2009 und 2014 halbiert hat und die Ausgaben für SGB II- und SGB III-Bezieher sich in diesem Zeitraum um 26 % verringert hat (vgl. Bäcker 2015, o. A.). Besonders die Weiterbildungsmaßnahmen wurden in diesem Zeitraum reduziert, obwohl Ausgaben für die Weiterbildungsförderung zu hohen fiskalischen Rückflüssen für den Staat führen können (vgl. Kruppe et al. 2019, S.6f.). Grund für die Abnahme sei die abnehmende Arbeitslosigkeit, die allerdings deutlich schwächer zurückging als die Teilnehmerzahl. Zudem stieg der Studie zufolge der Anteil der Geringqualifizierten unter den Langzeitarbeitslosen, die besonders gefördert werden müssten (vgl. ebd. 2015). Somit wird auch deutlich, dass das damalige Rekordniveau der Weiterbildungsbeteiligung im Trendbericht 2012 größtenteils dem Anstieg der betrieblichen Weiterbildung zuzuschreiben ist (vgl. Reichart 2013, S.4)
Diese Abnahme der öffentlich geförderten Weiterbildung schadet aber den Menschen, die sich in der aktiven Arbeitsmarktpolitik befinden und ggf. nur geringe Qualifikationen besitzen. Besonders Arbeitslose geraten damit zunehmend in die Gefahr in die Langzeitarbeitslosigkeit zu fallen, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Hälfte aller Langzeitarbeitslosen in Deutschland keine formale berufliche Qualifikation aufweist (vgl. Bruckmeier et al. 2015, S.5), obwohl es bereits Geringqualifizierte bei guter Arbeitsmarktlage schwer haben, aus der Arbeitslosigkeit heraus einen neuen Arbeitsplatz zu finden (vgl. Hausner et al. 2015, S.6f.). Solche Weiterbildungsmaßnahmen ermöglichen Arbeitssuchenden den Erwerb von Qualifikationen oder ermöglichen sogar berufliche Neuorientierungen durch Umschulungen, um eine Rückkehr auf den Arbeitsmarkt möglich zu machen. Auch wenn es insgesamt schwer nachvollziehbar ist, ob der Teilnehmer, der eine Weiterbildung durchlaufen hat und eine Stelle gefunden hat, diese eventuell auch ohne Weiterbildung erhalten hätte, kann trotzdem festgestellt werden, dass längere Weiterbildungen teilweise doppelt so große positive Effekte haben als kürzere Weiterbildungen (vgl. Bernhard 2016, S.160f.).
Solche Qualifizierungsmaßnahmen werden seit den Hartz-Reformen mittels eines Bildungsgutscheins finanziert und können sowohl in der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) als auch innerhalb der Arbeitslosenversicherung (SGB III) beansprucht werden.10
Diese öffentlich geförderten Maßnahmen zielen aber nicht nur auf arbeitslose Personen ab, sondern auch auf Arbeitnehmer, deren berufliche Situation meist prekär ist. Dabei stehen Betroffenen Sonderprogramme wie das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) oder die Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen (WeGebAU) zur Verfügung, die darauf abzielen, die Leute zu erreichen, die ansonsten eine unterdurchschnittliche Teilnahmewahrscheinlichkeit an Weiterbildungen aufweisen. Darunter fallen Beschäftigte ohne Berufsabschluss, ältere Arbeitnehmer, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer und solche in kleinen und mittleren Unternehmen. Untersuchungen dazu haben gezeigt, dass Maßnahmen der WeGebAU sich positiv auf die Erwerbsverläufe der Teilnehmenden auswirken können (vgl. Klaus et al. 2020, S.2). Maßnahmen in diese Richtung wurden durch die Erweiterung des Qualifizierungschancengesetzes am 01.01.2019 sowie durch das Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung (Arbeit-von-morgen-Gesetz) am 01.10.2020 gestärkt. Dabei sollte die Erweiterung nicht nur bereits Ausgeschlossene nun miteinbeziehen, sondern auch vor allem Personen adressieren, deren berufliche Tätigkeit möglicherweise durch Technologien ersetzt wird. Ebenfalls werden Weiterbildungen in Engpassberufen bevorzugt gefördert.
Somit werden Weiterbildungen auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel, Digitalisierung der Arbeit, Klimawandel, aber auch aufgrund der Inklusion von Fluchtmigranten, ein immer bedeutsamer Baustein der Arbeitsmarktpolitik (vgl. Kruppe et al. 2017, S. 151). Dabei schwingt bereits seit vielen Jahren eine Kritik bei der Entwicklung von Weiterbildungen in Deutschland mit. Ehmann (2006, S.249f.) bezeichnete diese Entwicklung mit „Weiterbildung stigmatisiert die Randgruppen“ und „privilegiert die Privilegierten“.
Dies zeigt sich auch in der im Januar 2021 erschienenen Veröffentlichung „Weiterbildung“ des Statistischen Bundesamtes (Destatis), die auf Basis des Mikrozensus die Teilnehmerzahlen an Weiterbildungen im Jahre 2019 erhoben hat und damit die aktuellsten Zahlen vor der Corona-Pandemie liefert. Positiv anzumerken ist ein Anstieg der Teilnehmerzahlen unter den Erwerbspersonen, die an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen haben. Auffällig dabei ist, dass vor allem ältere und gebildetere Arbeitnehmer häufiger an Weiterbildungen teilgenommen haben (vgl. ebd. 2021, S.6). Menschen mit Fachhochschul-/Hochschulreife sind deswegen am häufigsten vertreten. Im weiterführenden System sind Menschen mit einer abgeschlossenen dualen Berufslehre und Menschen mit Diplom führend. In Bezug auf die Berufsstellung lässt sich sagen, dass Angestellte am häufigsten vertreten sind, worunter in der Betrachtung vom Statistischen Bundesamt auch die geringfügig Beschäftigten fallen und deswegen differenziert betrachten werden müssen. Erwerbstätige in akademischen Berufen haben eine doppelt so hohe Weiterbildungsbeteiligung im Vergleich zu den Erwerbstätigen insgesamt (vgl. ebd. 2021, S.31). Weiterbildungen, die im Auftrag der BA durchgeführt wurden, haben seit 2015 zwar wieder zugenommen, wurden aber immer noch wesentlich seltener in Anspruch genommen als betriebliche Weiterbildungen (vgl. ebd. 2021, S.13). Obwohl die Zahl zugenommen hat, haben die am häufigsten organisierten Weiterbildungsmaßnahmen der BA nicht zu einem anerkannten Bildungsabschluss geführt. Seit 2015 nahm die Anzahl an Ausländern und Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung unter den Teilnehmenden deutlich zu, während die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die eine Weiterbildung starteten, abgenommen hat. Im Ost-West-Vergleich ist zwar positiv anzumerken, dass die Zahlen beiderseits zugenommen hatten, im Osten aber immer noch um mehr als 150 000 Menschen niedriger waren als im Westen (vgl. ebd. 2021, S.15). Generell lässt sich für die Arbeitnehmerseite feststellen, dass die Teilnehmerzahlen in den letzten Jahren sowohl unter Männern als auch unter Frauen zugenommen hat (vgl. ebd. 2021, S.16).
Im Hinblick auf die Arbeitgeberseite lässt sich feststellen, dass fast 80% der Unternehmen, Weiterbildungen ermöglichen (vgl. ebd. 2021, S.10f.).11 Während Unternehmen im Textil- und Bekleidungsgewerbe, Verkehr und Lagerei und im Gastgewerbe weniger Weiterbildungen anbieten als im Durchschnitt, liegen Finanz- und Versicherungsdienstleister, mit dem Bereich ‚verbundene Tätigkeiten‘ und Kfz-Handel/Reparatur/Instandhaltung ca. 20 % über dem Durchschnitt, gefolgt von IT- und Kommunikationsdienstleistern. Zudem fällt auf, dass mit zunehmender Beschäftigtenanzahl im Unternehmen auch häufiger Weiterbildungen durchgeführt werden. Dieser Trend wurde bereits vor Jahren festgestellt und hat sich seitdem verstärkt (vgl. Janssen/Leber 2015, S.5).
Ähnliche Zahlen liefert auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung12 im 2019 veröffentlichten Trendbericht „Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2018“, in dem darüber hinaus deutlich wird, dass vor allem betriebliche Weiterbildungen fast ausschließlich von Erwerbstätigen und Auszubildenden absolviert werden. Dadurch wird ersichtlich, dass Nichterwerbstätige keinen Zugang zu dieser Form von Weiterbildung haben und sich auf individuelle berufsbezogene Weiterbildungen konzentrieren müssen, deren Teilnahmequote 2018 um 33 % niedriger lag als bei betrieblichen Weiterbildungen (vgl. ebd. 2019, S.21f.). Die Einführung des Qualifizierungschancengesetzes Anfang 2019 führte zwar zu einem markanten Anstieg von gering qualifizierten Beschäftigten, hat aber ansonsten die Struktur der Geförderten und die Berufsbereiche, in denen Beschäftigte gefördert werden, kaum merklich verändert, obwohl dies das vorrangige Ziel war (vgl. Klaus et al. 2020, S.7f.).
[...]
1 Das in dieser Arbeit gewählte generische Maskulinum bezieht sich zugleich auf die männliche, die weibliche und andere Geschlechteridentitäten. Zur besseren Lesbarkeit wird auf die Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Alle Geschlechteridentitäten werden ausdrücklich mit gemeint, soweit die Aussagen dies erfordern.
2 Der Armutsforscher Christop Butterwege (2020a) setzt sich in seinem Buch „Die zerrissene Republik: wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit in Deutschland“ ausführlicher mit Entstehungsursachen und Entwicklungstendenzen der sozialen Ungleichheit auseinander.
3 Im Folgenden mit ‚DIW‘ abgekürzt.
4 Bentele et al. (2021) und Butterwege/Butterwege (2021) haben sich schon bereits ausführlicher mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die soziale Ungleichheit beschäftigt.
5 Barrein (2022, S.241-246) oder Kleemann (2003, S.68-71) liefern eine ausführlichere Betrachtung der Vor- und Nachteile des Homeoffice.
6 Ducki und Nguyen (2016) untersuchten die Auswirkungen von mobiler Arbeit auf das Familienleben im Detail.
7 Im Folgenden mit ‚BA‘ abgekürzt.
8 Eine genauere Beschreibung der Regelung zum Kurzarbeitergeld vor der Covid-19-Pandemie findet sich in Osiander et al. 2020, S.2.
9 Karin Büchter (2010) untersucht in „Berufliche Weiterbildung 1870-1970“ frühere Maßnahmen zum berufs- und arbeitsbezogenen Lernen von Erwachsenen.
10 Genaue Regelungen dazu finden sich in SGB III § 81, § 179ff. & SGB II § 16.
11 Hierbei muss erwähnt werden, dass die Weiterbildungsquoten unterteilt nach Wirtschaftsbereichen aus dem Jahre 2015 stammten.
12 Im Folgenden mit ‚BMBF‘ abgekürzt.
- Arbeit zitieren
- Derk Telschow (Autor:in), 2022, Von Lockdown zu Lockdown. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die soziale Ungleichheit in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1325035
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