Andreas Flitner bezeichnet Spielen als „elementaren Ausdruck kindlichen Lebens“ (Flitner 1996, Coverrückseite) und es ist festzustellen, dass schon seit jeher in allen Kulturkreisen gespielt wurde. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass das Spiel eine Rolle in der kindlichen Entwicklung haben muss.
In dieser Arbeit möchte ich dem Phänomen „Spiel“ näher auf den Grund gehen und danach seine Rolle in der Entwicklung des Kindes vorstellen.
Dazu gehe ich zunächst auf einige Spieltheorien ein und komme auf die Merkmale des Spiels nach Hans Scheuerl zu sprechen. Diese Betrachtungsweise ist notwendig für eine Definition – vielleicht sollte ich besser sagen einen: Definitionsversuch .
Einen wesentlichen Teil der Arbeit stellen auch die Arten von Spielen in der Reihenfolge der kindlichen Entwicklung nach Jean Piaget dar.
Zuletzt werde ich auf das Verhältnis von Spielen und Lernen eingehen. Dabei wird sich herausstellen, dass es durchaus geteilte Meinungen zu diesem Thema gibt. Es werden am Schluss die Lernbereiche dargestellt, auf die das Spiel eine nicht zu unterschätzende Rolle hat.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmung
2.1 Spieltheorien
2.1.1 Spieltheorien in der Antike
2.1.2 Spieltheorien in der Aufklärung, Klassik und Romantik
2.1.3 Spieltheorien im 19. Jahrhundert
2.1.4 Neuere Spieltheorien
2.2 Merkmale des Spiels nach Hans Scheuerl
2.2.1 Das Moment der Freiheit
2.2.2 Das Moment der inneren Unendlichkeit
2.2.3 Das Moment der Scheinhaftigkeit
2.2.4 Das Moment der Ambivalenz
2.2.5 Das Moment der Geschlossenheit
2.2.6 Das Moment der Gegenwärtigkeit
2.3 Eigener Definitionsansatz
3 Formen des Spiels in ihrer Reihenfolge in der kindlichen Entwicklung
3.1 Das Übungsspiel
3.2 Das Symbolspiel
3.3 Das Regelspiel
4 Spielen und Lernen
4.1 Zum Verhältnis zwischen Spielen und Lernen
4.2 Lernbereiche, die im Spiel besonders gut gefördert werden können
4.2.1 Sozialverhalten
4.2.2 Wahrnehmung und Geschicklichkeit
4.2.3 Ausdrucksfähigkeit
4.2.4 Phantasie und Kreativität
5 Schlussbemerkung
6 Literaturverzeichnis:
1 Einleitung
Andreas Flitner bezeichnet Spielen als „elementaren Ausdruck kindlichen Lebens“ (Flitner 1996, Coverrückseite) und es ist festzustellen, dass schon seit jeher in allen Kulturkreisen gespielt wurde. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass das Spiel eine Rolle in der kindlichen Entwicklung haben muss.
In dieser Arbeit möchte ich dem Phänomen „Spiel“ näher auf den Grund gehen und danach seine Rolle in der Entwicklung des Kindes vorstellen.
Dazu gehe ich zunächst auf einige Spieltheorien ein und komme auf die Merkmale des Spiels nach Hans Scheuerl zu sprechen. Diese Betrachtungsweise ist notwendig für eine Definition – vielleicht sollte ich besser sagen einen: Definitionsversuch .
Einen wesentlichen Teil der Arbeit stellen auch die Arten von Spielen in der Reihenfolge der kindlichen Entwicklung nach Jean Piaget dar.
Zuletzt werde ich auf das Verhältnis von Spielen und Lernen eingehen. Dabei wird sich herausstellen, dass es durchaus geteilte Meinungen zu diesem Thema gibt. Es werden am Schluss die Lernbereiche dargestellt, auf die das Spiel eine nicht zu unterschätzende Rolle hat.
2 Begriffsbestimmung
Was genau bedeutet „Spiel“? Diese Frage lässt sich nur schwer beantworten, was die zahlreichen Definitionsversuche verschiedener Geisteswissenschaftler und die unterschiedlichen Auffassungen über das Phänomen Spiel in den Spieltheorien zeigt. Um aber eine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage zu erhalten, erfolgt zuerst ein Abriss der Spieltheorien, um dann auf die Merkmale des Spiels (nach Hans Scheuerl) einzugehen. Beides ist Grundlage für die Definition.
2.1 Spieltheorien
2.1.1 Spieltheorien in der Antike
Erste spieltheoretische Ansätze sind bereits in der Antike zu finden. So vermutete Plato einen Zusammenhang zwischen der Spielfähigkeit und der Beständigkeit des Staates. Kinder sollten durch Erziehung die Regeln, Normen und Werte der jeweiligen Gesellschaft im Spiel lernen, um den Fortbestand der Kultur und der Gesetze zu garantieren.
Aristoteles sieht das Spiel als Mittel zur Erholung und damit als Gegenelement zur Arbeit. Arbeit betrachtet er dabei als Ziel zum Glück und das Spiel wird zum Mittel zum Zweck – der Erholung – herabgesetzt. Im Spiel kann sich der Mensch auch von zwanghaften Trieben und negativen Gefühlen befreien. (vgl. Matthies, 2009)
2.1.2 Spieltheorien in der Aufklärung, Klassik und Romantik
Im Verlaufe der gesellschaftlichen Entwicklung, setzte man sich erst in der Aufklärungszeit wieder mit dem Thema Spiel auseinander, da im Mittelalter das Spiel im Christentum diffamiert und sogar als verteufelt angesehen wurde. Erst als in der Aufklärung Kindheit und Jugend zunehmend als eigenständige Entwicklungsphase aufgefasst wurden, was zum Großteil auf die Arbeit von Jean-Jacques Rousseau zu verdenken ist, gewann das Spiel wieder an Bedeutung.
Die Schwerpunkte der Spieltheorien dieser Zeit liegen in der diagnostischen, erholenden und übenden Funktion des Spiels. (vgl. Matthies, 2009)
So schrieb John Locke (1632 – 1704) dem kindlichen Spiel eine Erholungsfunktion zu und es dient auch zu diagnostischen Zwecken, denn „ dies [das Spiel] (offenbart) ihr natürliches Temperament, ihre Neigungen und Anlagen […]“ (Matthies, 2009). Als einer der ersten Wissenschaftler hob er auch den Zusammenhang zwischen Spiel und Lernen hervor.
In der Klassik und Romantik wird der Begriff Spiel um das philosophische Prinzip erweitert; so lautet ein bekannter Satz von Friedrich Schiller: „Der Mensch sei nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Flitner 1996, S. 17) Nach Schiller dient das Spiel dem Ausgleich zwischen triebhafter Begierde und moralischer Nötigung (durch gesellschaftliche Regeln) und er hebt den Aspekt der Freiheit des Spiels hervor.
Ein sehr bekannter Vertreter dieser Zeit ist Friedrich Fröbel, der sogenannte „Spielgaben“ entwickelt hat, die dem Kind helfen sollen, die Außenwelt an die Innenwelt anzupassen. So kann ein Kind beispielsweise durch ein Ball, der ihm gegeben und wieder weggenommen wird lernen Erfahrungen wie Haben und Loslassen, Vereinigung und Trennung in seine Gefühlswelt zu integrieren. Fröbels Theorie ist in sich sehr komplex. Er hat jedoch einen bedeutenden Beitrag zur Etablierung von Kindergärten geleistet. Auch sind die bis heute beliebten Bausteine in geometrisch einfacher Form auf ihn zurückzuführen, da er die Ansicht vertrat, dass weniger strukturiertes Spielzeug einen größeren Reichtum an Spielideen hervorbringe als realistisches, stark strukturiertes Spielzeug.
2.1.3 Spieltheorien im 19. Jahrhundert
Stanley Hall (1904) sah denn Sinn des Spiels darin, dass der Mensch seinen von der Natur gegebenen Trieb zu spielen ausüben kann (Triebtheorie). Er fügt eine Art Kulturtheorie hinzu. Nach ihr wiederholt das Kind im Spiel die Entwicklung der menschlichen Kultur.
Harvey Carr (1902) greift auf die Katharsistheorie von Aristoteles zurück, nach der Spiel dem Abbau von Aggressionen dient und somit entspannend wirkt. In der psychoanalytischen Spieltheorie wurde dieser Gedanke aufgegriffen und heftig diskutiert: kann man im Spiel wirklich Aggressionen abbauen oder gewöhnen sich die Menschen durch ständiges Wiederholen daran, dass es auf der Welt brutal zugeht?
Karl Groos (1899) ist es gelungen durch eine breite Bestandsaufnahme der verschiedenen Spiele, die partiellen Sichtweisen mehrerer Strömungen zusammenzufassen. Nach seiner Einübungstheorie bereitet sich das Kind durch das Spielen auf die Aufgaben der Erwachsenenwelt vor; es ist sozusagen eine Art der Selbstausbildung. Er unterteilt Spiel deshalb in drei Kategorien: Sensomotorische Spiele, motorische Spiele und Spiele der höheren kognitiven, sprachlichen und sozialen Funktion. (vgl. Flitner 1996, S.22)
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- Ulla Nachtigall (Author), 2008, Die Rolle des Spiels in der kindlichen Entwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132269
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