Die öffentliche Hand benötigt für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben regelmäßig ganze Gebäude oder auch nur bestimmte Räumlichkeiten (Nutzflächen), etwa für die Nutzung als Verwaltungsgebäude, Feuerwache, Polizeiwache, Schulgebäude, etc. Für den bloßen Erwerb oder die bloße Miete von Grundstücken und vorhandenen Gebäuden sieht das Kartellvergaberecht in § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB eine Ausnahme von dem Vergaberecht vor. Mithin sind diese Vorhaben nicht ausschreibungspflichtig.
Vor diesem Hintergrund greifen öffentliche Hände regelmäßig auf Mietkonstruktionen zur ausschreibungsfreien Deckung ihres immobilienwirtschaftlichen Bedarfes zurück. Dabei stellt die öffentliche Hand jedoch regelmäßig fest, dass die auf dem Markt zur Verfügung stehenden Mietobjekte im Hinblick auf ihre konkreten Bedürfnisse nicht ohne Weiteres oder gar nicht geeignet sind. Die Miete eines vorhandenen Gebäudes führt mit Blick auf die konkreten Nutzungsabsichten also vielfach zu dem Erfordernis, dass vor der Nutzung dieser Bestandsflächen noch bauliche Maßnahmen durch den Vermieter zu erbringen sind. Kommt mit Blick auf die Bedarfsdeckung sogar nur ein neues (noch nicht vorhandenes) Gebäude für die Anmietung in Betracht, stellt sich der Beschaffungsgegenstand als Vertrag über die Anmietung einer noch zu errichtenden Immobilie dar.
Spannend ist in diesem Zusammenhang mit Blick auf den Wortlaut des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB („vorhandenen Gebäuden“) die Frage, wie vergaberechtlich damit umzugehen ist, wenn die öffentliche Hand einen Mietvertrag über eine noch nicht vorhandene Immobilie abschließt und diese erst noch nach ihren Wünschen und Vorstellungen errichtet wird (sog. Bestellbauproblematik). Aus vergabe-rechtlicher Sicht drängt sich bei einer solchen Mietkonstruktion regelmäßig die Frage auf, ob die Nachfrage der öffentlichen Hand nach einer „passgenauen“ (noch zu errichtenden) Immobilie zur Anmietung bereits die Tatbestandsvoraussetzungen eines öffentlichen Bauauftrages i. S. eines sog. Bestellbaus nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB erfüllt oder noch unter den Tatbestand der ausschreibungsfreie Miete nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB fällt. Dieser Abgrenzungsfrage geht die Arbeit unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung nach.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einführung
- I. Einleitung
- II. Untersuchungsgegenstand
- B. Überblick über die vergaberechtlichen Vorgaben
- I. Ausnahmetatbestand des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB
- 1. Miete eines „vorhandenen“ Gebäudes
- 2. Der Begriff der „Miete“
- II. Die Reichweite der „Miete“ im kartellvergaberechtlichen Sinne
- III. Tatbestandsvoraussetzungen des Bestellbaus als Grenze der kartellvergaberechtlichen „Miete“
- C. Konkretisierung der vergaberechtlichen Trennlinie zwischen Miete und Bestellbau durch die jüngere Rechtsprechung
- I. „Bauleistungen durch einen Dritten“
- II. „Unmittelbares wirtschaftliches Zugutekommen“
- III. Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen und entscheidender Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung
- 1. Vom öffentlichen Auftraggeber genannte Erfordernisse
- 2. Erfordernisse ohne Relevanz für Art und Planung der Bauleistung
- 3. Erfordernisse mit entscheidendem Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung
- a) Einflussnahme auf die architektonische Struktur des Gebäudes
- b) Erfordernisse, die über die üblichen Vorgaben eines Mieters für eine vergleichbare Immobilie hinausgehen
- aa) Vergleich mit einem Vertragsverhältnis über eine vergleichbare Gewerbeimmobilie
- bb) Drittverwendungsfähigkeit
- cc) Zusammenfassung der kumulativen Prüfansätze
- D. Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Spannungsverhältnis zwischen der ausschreibungsfreien Anmietung von Nutzflächen für die öffentliche Hand nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB und dem ausschreibungspflichtigen Bestellbau nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB. Ziel ist es, die vergaberechtliche Trennlinie zwischen Miete und Bestellbau zu klären und praxisrelevante Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand abzuleiten.
- Abgrenzung von Miet- und Bestellbauverträgen im öffentlichen Vergaberecht
- Auslegung des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB im Kontext der Anmietung von Nutzflächen
- Relevanz von Bauleistungen durch Dritte und deren Einfluss auf die Vergabepflicht
- Analyse der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Miete und Bestellbau
- Praktische Anwendung der vergaberechtlichen Bestimmungen im Immobilienbereich
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einführung: Diese Einleitung führt in die Thematik der Beschaffung von Nutzflächen für die öffentliche Hand im Mietmodell ein und skizziert den Untersuchungsgegenstand der Arbeit. Es wird das Spannungsfeld zwischen der Möglichkeit der ausschreibungsfreien Anmietung nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB und der zwingenden Ausschreibungspflicht beim Bestellbau nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB herausgestellt. Die Arbeit fokussiert sich auf die Klärung der Abgrenzungskriterien und die Vermeidung von Vergaberechtsverstößen. Die Einleitung dient als Grundlage und definiert die Problemstellung, die im weiteren Verlauf der Arbeit umfassend behandelt wird.
B. Überblick über die vergaberechtlichen Vorgaben: Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über die relevanten Vorschriften des Vergaberechts, insbesondere die Ausnahmeregelung des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB für die Anmietung bestehender Gebäude. Es wird der Begriff der „Miete“ im kartellrechtlichen Kontext analysiert und die Grenzen dieser Ausnahmeregelung im Hinblick auf den Bestellbau untersucht. Hier werden die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen gelegt und wichtige Begriffe und Definitionen erläutert, welche für das Verständnis der späteren Kapitel essentiell sind. Die Grenzen zwischen Miet- und Bestellbau werden hierbei bereits initial angerissen.
C. Konkretisierung der vergaberechtlichen Trennlinie zwischen Miete und Bestellbau durch die jüngere Rechtsprechung: Dieses Kapitel analysiert die Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Miet- und Bestellbau. Es beleuchtet detailliert die Kriterien, die Gerichte bei der Unterscheidung heranziehen, wie z.B. „Bauleistungen durch einen Dritten“, „unmittelbares wirtschaftliches Zugutekommen“ und den Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf Art und Planung der Bauleistung. Anhand konkreter Fallbeispiele wird die Anwendung dieser Kriterien in der Praxis verdeutlicht und die Komplexität der Abgrenzung herausgearbeitet. Die detaillierte Untersuchung der Rechtsprechung liefert wichtige Erkenntnisse für die praktische Anwendung des Vergaberechts im Kontext der Beschaffung von Nutzflächen. Der Fokus liegt auf der Interpretation und Anwendung der relevanten Rechtsnormen im Lichte aktueller Gerichtsentscheidungen. Es werden verschiedene Szenarien und Konstellationen im Detail dargestellt und juristisch bewertet.
Schlüsselwörter
Öffentliches Vergaberecht, § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB, § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB, Anmietung Nutzflächen, Bestellbau, Miete, Ausschreibungspflicht, Rechtsprechung, Abgrenzungskriterien, Bauleistungen, wirtschaftliches Zugutekommen, öffentliche Hand, Immobilienrecht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Dokument: Abgrenzung Miete und Bestellbau im öffentlichen Vergaberecht
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht das Spannungsverhältnis zwischen der ausschreibungsfreien Anmietung von Nutzflächen für die öffentliche Hand nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB und dem ausschreibungspflichtigen Bestellbau nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB. Ziel ist die Klärung der vergaberechtlichen Trennlinie zwischen Miete und Bestellbau und die Ableitung praxisrelevanter Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Abgrenzung von Miet- und Bestellbauverträgen im öffentlichen Vergaberecht, die Auslegung des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB im Kontext der Anmietung von Nutzflächen, die Relevanz von Bauleistungen durch Dritte und deren Einfluss auf die Vergabepflicht, die Analyse der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Miete und Bestellbau sowie die praktische Anwendung der vergaberechtlichen Bestimmungen im Immobilienbereich.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einführung, einen Überblick über die vergaberechtlichen Vorgaben, eine Konkretisierung der vergaberechtlichen Trennlinie zwischen Miete und Bestellbau durch die jüngere Rechtsprechung und eine Zusammenfassung mit Ausblick. Die Einführung stellt die Problemstellung vor. Der Überblick behandelt die relevanten gesetzlichen Vorschriften. Die Konkretisierung analysiert die Rechtsprechung detailliert anhand von Kriterien wie "Bauleistungen durch einen Dritten", "unmittelbares wirtschaftliches Zugutekommen" und dem Einfluss des öffentlichen Auftraggebers auf Art und Planung der Bauleistung. Die Zusammenfassung fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick.
Was ist der Kern der Rechtsfrage?
Die zentrale Frage ist, wann die Anmietung von Nutzflächen für die öffentliche Hand nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB ohne Ausschreibung möglich ist und wann aufgrund von Bestellbau nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB eine Ausschreibungspflicht besteht. Die Arbeit analysiert die Abgrenzungskriterien, um Vergaberechtsverstöße zu vermeiden.
Welche Rolle spielt die Rechtsprechung?
Die Rechtsprechung spielt eine zentrale Rolle, da sie die Kriterien zur Abgrenzung von Miet- und Bestellbau konkretisiert. Die Arbeit analysiert detailliert relevante Gerichtsentscheidungen und verdeutlicht die Anwendung der Kriterien in der Praxis anhand konkreter Fallbeispiele.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Relevante Schlüsselbegriffe sind: Öffentliches Vergaberecht, § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB, § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB, Anmietung Nutzflächen, Bestellbau, Miete, Ausschreibungspflicht, Rechtsprechung, Abgrenzungskriterien, Bauleistungen, wirtschaftliches Zugutekommen, öffentliche Hand, Immobilienrecht.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für alle im öffentlichen Sektor tätigen Personen, die mit der Beschaffung von Nutzflächen befasst sind, insbesondere im Bereich des Immobilienmanagements und des Vergaberechts. Sie bietet wichtige Hinweise zur Vermeidung von Vergaberechtsverstößen.
Welche praktischen Handlungsempfehlungen werden gegeben?
Die Arbeit leitet praxisrelevante Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand ab, um die vergaberechtlichen Bestimmungen im Immobilienbereich korrekt anzuwenden und Vergaberechtsverstöße zu vermeiden. Diese Empfehlungen basieren auf der Analyse der Rechtsprechung und der relevanten gesetzlichen Bestimmungen.
- Citar trabajo
- Alexander Klüber (Autor), 2022, Beschaffung von Nutzflächen für die öffentliche Hand im Mietmodell. Zum Spannungsverhältnis zwischen ausschreibungsfreier Anmietung nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB und ausschreibungspflichtigem Bestellbau nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1322178