Armut, Leid und Elend hat es in der Geschichte der Menschheit schon immer gegeben. Auch in der heutigen Zeit nimmt beispielsweise die Zahl der armen Kinder und Jugendlichen in einem sehr bedenklichen Maße zu. Im Rahmen meiner hier vorliegenden Hausarbeit habe ich mich einem wichtigen Bereich des bürgerlichen Armenwesens aus dem 19. Jahrhundert genähert, der Privatwohltätigkeit. Dabei möchte ich untersuchen inwieweit sich die von mir aufgestellte These, dass der private, oft auch ehrenamtliche Umgang mit den gesellschaftlichen Armutsproblemen Teil ihres bürgerlichen Selbstverständnisses war, bestätigen lässt. Zur Annäherung an dieses Thema werde ich zu Beginn meiner Ausführungen zunächst grundlegendes über die Ausmaße, Gründe und die Folgen der Armut im Deutschland des 19. Jahrhunderts darlegen. Danach folgt eine Vorstellung des Vereins als das entscheidende Medium der privaten Wohltätigkeit, mit Nennung der Vor- und Nachteile dieser Institutionen. Im Anschluss daran werde ich den bürgerlichen Umgang in der Privatwohltätigkeit anhand von einigen praxisbezogenen Beispielen im Detail beleuchten. Dabei werde ich zunächst auf die Tradition des Stiftens eingehen, bevor ich mich weiteren Tätigkeitsfeldern wie der der Errichtung von Wanderarbeitsstätten oder Armenschulen widme, wobei auch die religiös motivierte Wohltätigkeit und kirchliche Armenpflege Thema meiner Darstellung sein wird. Um den Bezug zu meiner Ausgangsfrage zu halten, gehe ich im Zuge dieser Ausführungen auch auf die Motive des Handelns und die Kriterien der Bürger für ihre Hilfeleistung ein. Im Folgenden widme ich mich der Bedeutung der Frauen in der privaten Wohltätigkeit und zeige auf, wie sich weibliches ehrenamtliches Engagement genau darstellte und welche Motive hierfür ausschlaggebend waren. Zum Ende meiner Ausführungen werde ich nach einem kurzen Ausblick über die weitere Entwicklung der Privatwohltätigkeit in einem Fazit versuchen, ein abschließendes Resumee bezüglich meiner zu Beginn aufgestellten These zu ziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2.Hauptteil
2.1. Die Ausgangslage: Die Ausmaße der Armut im Deutschland des 19. Jahrhunderts, die Gründe und die Folgen
2.2. Der Verein als das Medium der privaten Wohltätigkeit:
2.3. Der bürgerliche Umgang mit Armut in Form von Privatwohltätigkeit
2.3.1.Das Stiftungswesen
2.3.2. Motive des Stiftens
2.3.3.Weitere Formen bürgerlichen Umgangs mit Armut (Armenschulen, Kinderbewahranstalten, Wanderarbeitsstätten):
2.3.4. Religiös motivierte Privatwohltätigkeit und kirchliche Armenpflege:
2.4. Die Bedeutung der Frauen in der privaten Wohltätigkeit:
2.5. Ein Ausblick
3. Schluss/ Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Armut, Leid und Elend hat es in der Geschichte der Menschheit schon immer gegeben. Auch in der heutigen Zeit nimmt beispielsweise die Zahl der armen Kinder und Jugendlichen in einem sehr bedenklichen Maße zu.
Im Rahmen meiner hier vorliegenden Hausarbeit habe ich mich einem wichtigen Bereich des bürgerlichen Armenwesens aus dem 19. Jahrhundert genähert, der Privatwohltätigkeit. Dabei möchte ich untersuchen inwieweit sich die von mir aufgestellte These, dass der private, oft auch ehrenamtliche Umgang mit den gesellschaftlichen Armutsproblemen Teil ihres bürgerlichen Selbstverständnisses war, bestätigen lässt. Zur Annäherung an dieses Thema werde ich zu Beginn meiner Ausführungen zunächst grundlegendes über die Ausmaße, Gründe und die Folgen der Armut im Deutschland des 19. Jahrhunderts darlegen.
Danach folgt eine Vorstellung des Vereins als das entscheidende Medium der privaten Wohltätigkeit, mit Nennung der Vor- und Nachteile dieser Institutionen.
Im Anschluss daran werde ich den bürgerlichen Umgang in der Privatwohltätigkeit anhand von einigen praxisbezogenen Beispielen im Detail beleuchten. Dabei werde ich zunächst auf die Tradition des Stiftens eingehen, bevor ich mich weiteren Tätigkeitsfeldern wie der der Errichtung von Wanderarbeitsstätten oder Armenschulen widme, wobei auch die religiös motivierte Wohltätigkeit und kirchliche Armenpflege Thema meiner Darstellung sein wird. Um den Bezug zu meiner Ausgangsfrage zu halten, gehe ich im Zuge dieser Ausführungen auch auf die Motive des Handelns und die Kriterien der Bürger für ihre Hilfeleistung ein.
Im Folgenden widme ich mich der Bedeutung der Frauen in der privaten Wohltätigkeit und zeige auf, wie sich weibliches ehrenamtliches Engagement genau darstellte und welche Motive hierfür ausschlaggebend waren.
Zum Ende meiner Ausführungen werde ich nach einem kurzen Ausblick über die weitere Entwicklung der Privatwohltätigkeit in einem Fazit versuchen, ein abschließendes Resumee bezüglich meiner zu Beginn aufgestellten These zu ziehen
2.Hauptteil
2.1. Die Ausgangslage: Die Ausmaße der Armut im Deutschland des 19. Jahrhunderts, die Gründe und die Folgen
Um den Umgang des Bürgertums mit der gesellschaftlichen Armut auch aus heutiger Sicht ausreichend erschließen zu können, ist es wichtig zu betonen, dass diese im 19. Jahrhundert kein marginales, sondern ein allgegenwärtiges Problem war.
Die Gründe für die anhaltende Verarmung waren vielfältig, insbesondere grundlegende sozi-ökonomische Strukturwandlungen sollten in diesem Zusammenhang herausgestellt werden: So änderten sich im Zuge der Frühindustrialisierung die Arbeits- und Existenzgrundlagen der Bevölkerung grundlegend. Während um 1800 noch der Großteil der Bevölkerung auf dem Land lebte und einen landwirtschaftlichen Betrieb besaß, pilgerten die Menschen in den folgenden Jahrzehnten regelrecht in die Städte, in der Hoffnung dort Arbeit zu finden, die es ihnen ermöglichte trotz gestiegener Lebensmittelpreise, Produktionswandel und Niedergang des ländlichen Handwerks, ihre Existenz wahren zu können.
Der primäre Wirtschaftsektor (Landwirtschaft, Gartenbau) hatte in dieser Zeit gegen die aufstrebenden sekundären (Industrie, Handwerk) sowie tertiären Sektoren( Dienstleistungen, Handel) entscheidend an Gewicht verloren. So waren noch um 1800 ca. 62 % der Beschäftigten im primären Sektor tätig, 1914 war dieser Wert mit nunmehr 34 % beinahe um die Hälfte gesunken.
Die industrielle Revolution beinhaltete den Einsatz neuer Produktionstechniken wie beispielsweise Werkzeug- oder Dampfmaschinen, die massenhafte Nutzung bislang kaum verwendeter Rohstoffe wie Eisen oder Kohle trug durch die Verbreitung des Fabriksystems als Form gewerblicher Produktion entscheidend dazu bei, „[…], dass nunmehr freie Lohnarbeit zur Erwerbsform von Massen, schließlich von Mehrheiten der Bevölkerung[…]“[1] wurde. Ein Agrarland mit vorherrschend ländlicher Arbeits- und Lebensweise hatte also sich innerhalb eines Jahrhunderts zu einem Industrieland mit überwiegend städtischer Arbeits- und Lebensweise gewandelt.
Ein weiterer, die Armut fördernder Faktor war der immense Bevölkerungszuwachs: So lebten um 1800 ca. 23 Millionen Menschen in Deutschland, 100 Jahre später waren es dagegen schon 56 Millionen. Die Anzahl hatte sich also innerhalb eines Jahrhunderts mehr als verdoppelt.
Erschwerend kam hinzu, dass die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeit nicht mit der starken Bevölkerungszunahme Schritt halten konnte. Das vorhandene Arbeitangebot reichte nicht aus, um den Menschen genügend Existenzsicherungsmöglichkeiten zu bieten. Christoph Sachße spricht in diesem Zusammenhang von einer „[…]demographischen Falle[…]“[2], welche die sich ausbreitende Armut mehr und mehr vorantrieb. Neben diesem Mangel an Erwerbsmöglichkeiten, war auch der Verdienst der Arbeiter nur als ungenügend zu bezeichnen. So bekam Anfang des Jahrhunderts eine fünfköpfige Familie etwa 2 bis 3,5 Thaler von der Elberfelder Armenverwaltung zur Verfügung gestellt, was für in etwa dem Durchschnittslohn eines Gesellen oder Handwerkers entsprach. Diese konnten also „[…] selbst mit einem regelmäßigen Verdienst nicht einmal das Existenzminimum, geschweige denn die notwendigsten Ausgaben für Bekleidung und Wohnung decken[…]“[3].
Diese Form der Armut als Folge der sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüche im Vormärz wird in der Forschung als Armut „neuen Typs“ oder „künstliche“ Armut beschrieben.
Die Armut „alten Typs“ war bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zum größten Teil von „natürlichen“ Ursachen bedingt und regional begrenzt war. So verursachten Missernten oder Seuchen im Zusammenhang mit schnellen Bevölkerungswachstum große Hungersnöte in der Bevölkerung, doch wurde diese vorindustrielle Armut „[…] noch als naturgemäß erlebt, erlitten und interpretiert“[4].
Ihren Höhepunkt erreichte die Armut des 19. Jahrhunderts, der sich in dem zeitgenössischen Begriff Pauperismus niederschlug, in den 40er Jahren, in denen sowohl die natürlichen Faktoren wie die als auch die einsetzende industrielle Revolution in Zusammenhang mit der wachsenden Bevölkerung für die Armut und den Hunger der Bevölkerung verantwortlich war. Weite Teile der Bevölkerung waren betroffen: So wird vermutet, dass zu dieser Zeit nur 20% der Landbevölkerung und 30 bis 60 % der in der Stadt lebenden Menschen ein ausreichendes Einkommen gehabt haben.
Ab 1850 und der Durchsetzung der kapitalbestimmten Industrialisierung verringert sich diese traditionelle Massenarmut, die neue Wirtschaftsordnung trägt zur Schaffung ausreichender Versorgungsmöglichkeiten bei, lässt aber gleichzeitig „[…] neue und krasse Formen sozialer Ungleichheit[…]“[5] entstehen.
Ausdruck dieser neuen sozialen Diskrepanz in der Gesellschaft waren sich ausbreitende Unruhen, oft in Form von Arbeitsniederlegungen oder Aufständen, dessen Höhepunkt schließlich im schlesischen Weberaufstand und der Revolution von 1848 erreicht wurde. Die Armutsfrage erreichte zu dieser Zeit einen systembedrohenden, politischen Stellenwert, der sich in einer ausführlichen Reform des Armenwesens ausdrückte. Es reifte das Bewusstsein, dass die Armut eine zum einen gesellschaftlich bedingte, zum anderen aber auch eine von staatlicher Seite beeinflussbare Notlage war.
So wurde 1842 in Preußen das Heimatprinzip aufgelöst, nach welchem die Heimatgemeinde dazu verpflichtet war, den in Not geratenen Menschen zu versorgen. An seiner Stelle trat das Prinzip des Unterstützungswohnsitzes, welches nach der Freizügigkeitsgesetzgebung und der verstärkten Binnenwanderung notwendig geworden war. Nun war der letzte Wohnort für die Armenhilfe zuständig, sofern der Bedürftige dort das Aufenthaltsrecht besaß.
2.2. Der Verein als das Medium der privaten Wohltätigkeit:
Aufgrund der Hilfebedürftigkeit vieler in den Anfängen des Industriezeitalters und „[…] angesichts des Versagens der liberalen öffentlichen Armenpflege[…]“[6] entwickelte sich der Verein schnell als die Rechts-, Organisations- und Trägerform der privaten Wohltätigkeit im 19. Jahrhundert, denn aktiv wurden die Hilfsvereine besonders dort, „[…] wo sich die vorhandene Fürsorgestruktur als lückenhaft erwies und vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten nicht ausreichten“[7].
Die Rechtsform des Vereins bot der Privatwohltätigkeit einige Vorteile. So ermöglichte sie den Vereinen beispielsweise ihren Tätigkeitsbereich individuell ausgestalten, indem sie sowohl für örtlich begrenzte Gebiete, als auch für das gesamte Staatsgebiet geschaffen werden konnten. Ferner konnte ein sich ein Verein einem ganz bestimmten Sachgebiet annehmen und sich so ganz der Bekämpfung dieses einzelnen sozialen Missstandes widmen. Darüber hinaus hatte der Verein den Vorzug seiner inneren Struktur(Vorstand, Geschäftsführung etc.) und bot damit vielfältige Möglichkeiten der personellen Verknüpfung. Priester nahmen so genauso an der Vereinsführung teil wie Beamte oder Angehörige des Bürgertums, da es möglich war, in mehreren Vereinen Mitglied zu sein.
[...]
[1] Sachße/Tennstedt: Armenfürsorge; S.180
[2] Sachße/Tennstedt: Strukturwandel, S.159
[3] Weisbrod; Elend: S.343
[4] Sachße/Tennstedt: Strukturwandel; S.168
[5] Sachße/Tennstedt: Armenfürsorge; S.179
[6] Scherpner: Theorie; S. 177
[7] Küster: Alte Armut; S.231
- Arbeit zitieren
- Christopher Deeken (Autor:in), 2007, Der bürgerliche Umgang mit Unterschichten, Armut und Not, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132212
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