Die Hausarbeit stellt die Frage, welche Relevanz der Ethik innerhalb der empirischen Sozialforschung zuteil wird. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage werden zunächst die Begriffe Forschung und Ethik definiert und ihre Beziehung untereinander. Außerdem wird die Zeit von 1933-1945 beleuchtet, in der unethische Forschungspraxis verheerende Folgen für viele Menschen hatte. An einem Beispiel wird dies veranschaulicht.
Im Anschluss wird erklärt welche Rolle der Nürnberger Kodex im Jahr 1947 hatte und welche Ziele er verfolgte. Zentrale Aspekte aktueller ethischen Normen werden genannt und anhand von drei Wissenschaftsskandalen wird deutlich, welche Relevanz ihnen zukommt. In diesem Zusammenhang werden der Tea Room Trade von 1970, das Stanford-Prison-Experiment von 1971 und Das Milgram Experiment von 1963 vorgestellt. Nachdem wichtige Gründe zur Einhaltung ethischer Kodizes reflektiert und erläutert werden, stellt der letzte Abschnitt zentrale Inhalte eines Ethikantrags vor und erklärt die Aufgaben einer Ethikkommission.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ethik und Forschung
2.1 Verletzung forschungsethischer Grundsätze im Nationalsozialismus
2.2 Der Nürnberger Kodex
3 Zentrale Prinzipien der Forschungsethik
3.1 Freiwilliges und informiertes Einverständnis
3.2 Vermeidung der Schädigung aller Beteiligten
3.3 Absicherung von Anonymitäts- und Vertraulichkeitszusagen
4 Relevanz der Einhaltung forschungsethischer Richtlinien
4.1 Zentrale Inhalte eines Ethikantrags in der empirischen Sozialforschung
5 Fazit
I. Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Was du nicht willst, das dir man tu, das füg' auch keinem andern zu" Dieses gewichtige Prinzip der Ethik ist auch auf die ethischen Prinzipien in der Forschung zu übertragen, um die es in dieser Hausarbeit geht. In diesem Kontext stellt sich die Frage, welche Relevanz der Ethik innerhalb der empirischen Sozialforschung zu Teil wird.
Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage werden zunächst die Begriffe Forschung und Ethik definiert und ihre Beziehung untereinander. Außerdem wird die Zeit von 1933-1945 beleuchtet, in der unethische Forschungspraxis verheerende Folgen für viele Menschen hatte. An einem Beispiel wird dies veranschaulicht. Im Anschluss wird erklärt welche Rolle der Nürnberger Kodex im Jahr 1947 hatte und welche Ziele er verfolgte.
Zentrale Aspekte aktueller ethischen Normen werden genannt und anhand von drei Wissenschaftsskandalen wird deutlich, welche Relevanz ihnen zukommt. In diesem Zusammenhang werden „Der Tea Room Trade“ von 1970, das „Stanford-Prison-Experiment“ von 1971 und „Das Milgram Experiment“ von 1963 vorgestellt. Nachdem wichtige Gründe zur Einhaltung ethischer Kodizes reflektiert und erläutert werden, stellt der letzte Abschnitt zentrale Inhalte eines Ethikantrags vor und erklärt die Aufgaben einer Ethikkommission.
2 Ethik und Forschung
Innerhalb wissenschaftlicher Praxis hat Forschung die Intention stetig neue Erkenntnisse zu generieren (Düwell et al., 2011, S. 253). In diesem Zusammenhang ist Ethik als eine Reflexion der Forschung zu betrachten, die sich auf moralisches Handeln zwischen Forschern1 und Probanden konzentriert (Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten [RatSWD], 2017, S. 8). Anders als in der Wissenschaftsforschung, in der es um Regeln guter wissenschaftlicher Praxis geht (Bortz & Döring, 2016, S.122). Laut dem Grundgesetz (Art. 5, Abs. 3 GG) ist die Wissenschaftsfreiheit unbegrenzt. Hier zieht die Forschungsethik aber eine Grenzlinie, um Wissenschaft nicht zur Gefahr für Mitmenschen und Umwelt werden zu lassen (BDP & DGP, 2016). Im Mittelpunkt der Forschungsethik steht deshalb das Wohlergehen der Versuchsteilnehmer und der Versuchstiere und der Schutz vor ungerechtfertigten Beeinträchtigungen durch die Forschung (Bortz & Döring, 2016, S.123).
2.1 Verletzung forschungsethischer Grundsätze im Nationalsozialismus
In der Zeit von 1939 bis 1945 geschahen in deutschen Konzentrationslagern und Vernichtungslagern ungeheuerliche Verbrechen am Menschen, die viele Todesopfer forderten (Mitscherlich & Mielke, 2004, S. 9-17). Von damals ungefähr 90000 Ärzten haben etwa 350 Ärzte Medizinverbrechen und unethische Taten begangen. Hunderte Gefangene starben durch Folter-Experimente oder erlitten großen Schaden.
Ein Beispiel für diese Verbrechen im Nationalsozialismus ist Georg Schaltenbrand mit seiner „entgrenzten Forschung“ zur Multiplen Sklerose (Martin et al., 2020, S. 45-48). Im Rahmen seiner Forschungen injizierte er stark beeinträchtigten Patienten, der psychiatrischen Anstalt Werneck und schwer kranken Menschen der Universitätsklinik Würzburg, Liquor cerebrospinalis2 von Affen oder Multiplen Sklerose Patienten. Außerdem entnahm Schaltenbrand regelmäßig Liquor bei den Versuchsteilnehmern zwecks Kontrolle. Mit seiner Forschung hat er besonders vulnerable Patienten gefährdet und sie ohne ihre Zustimmung oder die der Angehörigen für seine Idee missbraucht und physisch stark gefährdet. Erst 1994 und lange nach seinem Tod wurden die Experimente von Schaltenbrand öffentlich bekannt und verurteilt. Deshalb konnte er nie für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden.
Viele andere Ärzte der NS-Zeit mussten sich für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Militärgerichtshof Nr.1 in Nürnberg verantworten (Mitscherlich & Mielke, 2004, S. 356-367). Am 20. August 1947 wurden die Urteile gesprochen. Diese Nürnberger Prozesse führten dazu, dass grundsätzliche Überlegungen zu ethischen Richtlinien in der Forschung angestrebt wurden.
2.2 Der Nürnberger Kodex
Im Anschluss an die Nürnberger Prozesse entwickelte das Militärgericht 1947 den sogenannten Nürnberger Code (Bortz & Döring, 2016, S. 129). Er beinhaltet zehn forschungsethische Richtlinien, die bis heute von Relevanz sind. Ein wichtiges forschungsethisches Prinzip ist seitdem unter anderem die freiwillige und informierte Einwilligung von Versuchspersonen sowie die Vermeidung von geistigen Leiden und Verletzungen im Rahmen der Forschung (Mitscherlich & Mielke, 2004, S. 354355). Durch den Nürnberger Kodex wurde Forschung eng mit ethischen Prinzipien verknüpft, die richtungsweisend für psychologische und medizinische Forschung sind und bis heute Bestand haben (Bortz & Döring, 2016, S. 129).
Im Folgenden werden zentrale Themen des heutigen Ethik Kodizes dargestellt.
3 Zentrale Prinzipien der Forschungsethik
Die deutsche Gesellschaft für Psychologie und der Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen hat ethische Richtlinien für das Fach Psychologie herausgegeben, die bis heute regelmäßig überarbeitet werden (Bortz & Döring, 2016, S.129-130). Sie basieren auf den Ethik Kodizes der American Psychological Association (APA), bei denen zentral die Menschenrechte im Mittelpunkt stehen. In der Forschungsethik geht es im Allgemeinen darum, wie die Beziehung zwischen Forschern und Probanden zu gestalten ist (Hopf, 2016, S. 195). Auf einige ausgewählte ethische Richtlinien des Kodizes wird im Weiteren näher eingegangen. Sie sind von zentralem Interesse und behandeln typische Fragen der empirischen Sozialforschung. So ist es relevant zu fragen, ob Teilnehmer freiwillig und informiert an einer Studie teilnehmen und Anonymität und Vertraulichkeit seitens der Forscher abgesichert ist. Zum anderen ist es wesentlich zu klären, inwieweit Vermeidung von Schaden an Teilnehmenden gewährleistet ist. Wichtig ist ebenfalls die Frage, inwieweit verdeckte Formen der Beobachtung innerhalb von Studien vertretbar sind.
Das nächste Unterkapitel klärt die Bedeutung von einem freiwilligen und informierten Einverständnis innerhalb empirischer Studien.
3.1 Freiwilliges und informiertes Einverständnis
Laut der Ethikrichtlinien der deutschen Gesellschaft der Psychologie (DGPs) sind verschiedene Sachverhalte im Rahmen der informierten Einwilligung mit den Studienteilnehmern im Vorfeld zu erörtern (BDP & DGP, 2016). Einige zentrale Themen werden im Weiteren behandelt. Ein wichtiger forschungsethischer Aspekt stellt die freiwillige Teilnahme der Probanden dar und das Recht vor und auch während der Untersuchung die Teilnahme auf eigenen Wunsch abzubrechen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen (RatSWD, 2017, S.22). Ausgenommen sind gesetzlich angeordnete Datenerhebungen. Außerdem sollten alle Teilnehmer eines Forschungsprojektes über potentielle Risiken und negative Auswirkungen aufgeklärt werden, die sich durch die Teilnahme an der Studie ergeben könnten (BDP & DGP, 2016). Mit Ausschluss von Beeinflussungen, die alltäglichen Befindlichkeitsschwankungen entsprechen. Schwierig ist es auch ein informiertes Einverständnis seitens der Probanden einzuholen, wenn es sich um eine teilnehmende Beobachtung handelt (Unger & Baumgartinger, 2014, S.26). Ein weiterer Bestandteil der informierten Einwilligung ist die Gewährleistung von Vertraulichkeit und Anonymität der Personendaten (Kpt. 3.3), sowie auch gegebenenfalls die Grenzen der Anonymisierung (BDP & DGP, 2016). Dem Prinzip der bewussten Einwilligung wiederspricht auch die Täuschung von Probanden, deshalb sind diese Art Studien nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig (Bortz & Döring, 2016, S.126).
Das Prinzip des informierten Einverständnisses ist nicht nur ein forschungsethisches Prinzip, sondern auch durch den Gesetzgeber verordnet (vgl. § 4 und § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes von 1990). So ist es essentiell, personenbezogene Daten nur mit Einwilligung der Betroffenen zu erheben (Hopf, 2016, S.196). In den 60er und 70er Jahren wurden einige ethisch umstrittene Studien mit verdeckter teilnehmender Beobachtung und Täuschung durchgeführt. Anschließend wurden sensible Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Diese Studien sind aus heutiger Sicht weder ethisch zu vertreten noch aus rechtlichen Gesichtspunkten legal. Zu diesen bedenklichen Studien gehört unter anderen Laud Humphreys „Tea Room Trade“ von 1970 (Humphreys, 1970):
Im Jahr 1970 veröffentlichte Laud Humphreys, ein ehemaliger Doktorand der Psychologie, Studien über homosexuelle Begegnungen auf Herrentoiletten in öffentlichen Parks (Allen, 1997, S. 35-36). Humphreys nahm die Rolle des Aufpassers an und gab an, auch homosexuelle Neigungen zu haben, um Teil der Gruppe zu sein. In dieser Zeit notierte er von allen Teilnehmern die Nummernschilder, um weitere persönliche Daten erfahren zu können. Nach ca. einem Jahr suchte er 50 Teilnehmer in ihren privatem familiären Umfeld erneut auf. Er verkleidete sich und täuschte vor, teilweise in Anwesenheit von Frauen und Kindern, eine Umfrage zu machen. In seiner später veröffentlichten Dissertation erkannten sich die Familien teilweise wieder. Humphreys Ziel der Studie war es die soziale Situation von gesellschaftlich ausgegrenzten Gruppen zu erforschen (Bortz & Döring, 2016, S.126). In dieser Zeit war es allerdings kriminell Homosexualität auszuleben und wurde polizeilich verfolgt.
In vielerlei Hinsicht ist diese Studie als ethisch strittig anzusehen (Bortz & Döring, 2016, S.126). Zum einen, weil die Teilnehmer getäuscht wurden und unfreiwillig Teilnehmer der Studie waren und zum anderen, weil die gesammelten Daten nicht vertraulich und anonymisiert behandelt wurden. Durch die Beschreibungen des häuslichen Umfelds nahm Laud Humphreys in Kauf, dass die homosexuellen Teilnehmer identifiziert werden konnten und dadurch Schaden erlitten. Die Washington University in St. Louis, an der Humphreys seinen Doktortitel gemacht hat, erholte sich nach der Demoralisierung des Fachbereiches der Soziologie nicht (Allen, 1997, S. 36). 1989 löste die Washington University den soziologischen Fachbereich auf.
3.2 Vermeidung der Schädigung aller Beteiligten
Aufgrund einer asymmetrischen Machtverteilung zwischen Forschenden und Teilnehmern einer Studie ist es wichtig, dass sich Wissenschaftler dieser Verantwortung bewusst sind und Risiken für alle Teilnehmer einer empirischen Studie ausschließen (BDP & DGP, 2016). So sollte die wissenschaftliche Neugier zurückstehen, wenn es zum Schaden für Andere ist (Unger & Baumgartinger, 2014, S.29-30). Zur Bewertung eventueller Schäden ist es allerdings ratsam, nicht nur aus der Perspektive des Forschenden zu agieren, sondern auch andere Perspektiven aus dem Umfeld des Teilnehmenden zu sehen. Solange es aber nur kleine alltagsübliche Beeinflussungen sind, die Studienteilnehmer ertragen müssen, sollte dies die Wissenschaftsfreiheit nicht beeinträchtigen (Breuer, 2011). Schäden, die Personen innerhalb von Forschungsprojekten erfahren können sind aber nicht nur körperlicher oder psychischer Natur, sondern können auch negative soziale, wirtschaftliche oder rechtliche Auswirkungen auf die Betroffenen haben (RatSWD, 2017, S. 18-20). Hier ist zu betonen, dass nicht nur Teilnehmer einer Studie betroffen sein können, sondern auch die Forscher selbst. Das Stanford-Prison-Experiment von 1971 (Zimbardo, 1973, S.1) veranschaulicht, wie dramatisch Forschung verlaufen kann, wenn ethische Grenzen überschritten werden:
Auf dem Campus der Stanford University wurde im August 1971 eine zweiwöchige Studie durchgeführt, bei der einige Teilnehmer die Rolle des Wärters einnahmen und andere Teilnehmer die Rolle der Gefangenen (Zimbardo, 1973, S. 1). Das Experiment wurde vorzeitig abgebrochen, weil es außer Kontrolle geraten war. Die Wärter zeigten gegenüber den Insassen brutalisiertes Verhalten und erniedrigten sie stundenlang. Die Wärter wurden im Anschluss mit der Selbsterkenntnis konfrontiert, dass sie es anscheinend genossen Macht auszuüben und andere Menschen zu quälen. Die Insassen im Experiments litten an physischen und emotionalen Schäden. Damit verstößt das Stanford- Prison-Experiment gegen ethische Prinzipien und gegen die Menschenrechte.
3.3 Absicherung von Anonymitäts- und Vertraulichkeitszusagen
Innerhalb ethischer Richtlinien bei Studien kommt auch der Anonymisierung der Daten und die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen ein zentraler Stellenwert zu. So ist die Anonymisierung von Daten immer erforderlich, außer es erfolgt eine explizite Zustimmung zum namentlichen Zitieren (Düwell et al., 2011, S. 257). Dies gilt auch für die Daten, die trotz Anonymisierung eventuell Rückschlüsse auf Personen geben könnten. Besonders vulnerable Gruppen, wie Kinder oder Menschen in abhängigen Situationen sollen hierbei besonders beachtet und geschützt werden. Das bedeutet, dass umso sensibler Daten sind, desto umsichtiger sollte mit diesen umgegangen werden (RatSWD, 2017, S. 19). Anders als in der medizinischen Forschung, in der Probanden vor allem mit körperlichen Nebenwirkungen rechnen können, ist es in der empirischen Sozialforschung vielmehr die Gefahr, dass Teilnehmer von Studien durch Missbrauch von persönlichen Daten ein Schaden zuteil kommt (Unger & Baumgartinger, 2014, S. 24). Ein möglicher Schaden, z.B. durch den Verlust der Privatsphäre, kann nicht nur während der Durchführung einer Studie geschehen, sondern auch im Kontext mit der Datenanalyse oder der Veröffentlichung von persönlichen Daten (Bortz & Döring, 2016, S. 128).
Das nachstehend vorgestellte Experiment von Milgram aus dem Jahr 1963 unterliegt ethischer Kritik, weil neben der Täuschung der Probanden und Ausübung von starken emotionalem Stress, auch ein Missbrauch persönlicher Daten stattfand (Milgram, 1963, S. 371-378).
Im Rahmen dieses Experiments von Milgram im Jahr 1961 wurde getestet, wie weit der Gehorsam von Menschen gegenüber Autoritäten geht (Milgram, 1963, S. 371-378). Die Versuchspersonen wurden hinsichtlich der wahren Intention des Experiments getäuscht. Den Probanden kam die Rolle des Lehrers zu, der einen Schüler mit Hilfe eines simulierten Schockgenerators bestrafen sollte, wenn dieser kein gutes Lernverhalten zeigte. Der Schüler war in den Versuch eingeweiht und nicht mit dem Stromgenerator verbunden. Die Beschriftung auf dem Generator reichte von „Leichter Schock“ bis zu „Gefahr“. Im weiteren Versuch wurde dem Probanden befohlen dem „Schüler“, der hinter einer Wand verborgen war, immer größere Stromschläge zu geben, weil dieser spezielle Aufgaben falsch gelöst hatte. Der eingeweihte „Schüler“ schrie jedes Mal auf und täuschte immer größere Schmerzen vor. Wenn die Versuchspersonen haderten weiter zu machen wurden sie massiv unter Druck gesetzt. 26 der Versuchspersonen gingen so weit, dass sie dem „Opfer“ die maximale Stromstärke von 450 Volt verabreichten. 14 Probanden brachen das Experiment ab, als der „Schüler“ auf der anderen Seite der Wand sich weigerte weitere Antworten zu geben. Dieses Experiment führte bei den Probanden zu emotionalen Störungen, die sich in Zittern, Stottern und starken Schweißausbrüchen äußerten.
Trotz der gesellschaftlichen Relevanz ist das Milgram Experiment unter ethischen Gesichtspunkten nicht akzeptabel, weil es Personen vorsätzlich getäuscht hat (Düwell et al., 2011, S. 256). Außerdem wurde das Experiment kritisiert, weil starker emotionaler Druck auf die Versuchspersonen ausgeübt wurde (Bortz & Döring, 2016, S. 126). Als besonders kritisch ist auch das später veröffentlichte Videomaterial zu sehen, indem die Versuchsteilnehmer erkennbar sind und im Zusammenhang mit Verbrechen des Nationalsozialismus gezeigt wurden.
Im folgenden Abschnitt wird die Aktualität und Relevanz forschungsethischer Richtlinien erläutert.
4 Relevanz der Einhaltung forschungsethischer Richtlinien
Vertrauen ist die Basis von empirischer Forschung (RatSWD, 2017, S. 8). Dieses Vertrauen, das die Teilnehmer einer Studie als auch die Gesellschaft der Forschung entgegenbringen, darf nicht zerstört werden. Forschungsethik hat das Ziel gleichzeitig Forschungsfreiheit zu gewähren als auch Anleitung zu einem ethisch guten Handeln zu geben, so dass keinem Beteiligten Schaden widerfährt. Die Bedeutung guter Forschungs- und Wissenschaftsethik ist grundsätzlich von hoher Wichtigkeit und wird im Rahmen der Globalisierung, in dem internationale Forschungsprojekte mit kulturübergreifenden ethischen Kodizes arbeiten, von wachsender Relevanz sein. Eine weitere Gefahr für die Einhaltung ethischer Normen birgt das Internet, indem Informationen und persönliche Daten schnell verfügbar sein können, wenn sie nicht ausreichend geschützt sind (Unger & Baumgartinger, 2014, S. 16-17). Innerhalb empirischer Sozialforschung entsteht somit eine Verantwortung für andere Menschen, weil Entscheidungen getroffen werden müssen über bestimmte Prozesse, die massive Auswirkungen auf das Leben von Anderen haben können. Forschungsethik verlangt ein Abwägen, ein Begründen und eine Reflexion des Handelns, in allen Phasen des Forschungsprojekts. Beginnend bei der Wahl des Themas bis hin zur Publikation der Ergebnisse.
Aus diesen Gründen werden ethische Aspekte einer Forschung häufig in Forschungsberichten diskutiert (Bortz & Döring, 2016, S.130-131). Außerdem ist es nötig manche empirische Sozialstudie vorab von einer Ethikkommission begutachten zu lassen. Wichtige Aspekte eines Ethikantrags werden im folgenden Abschnitt erläutert.
4.1 Zentrale Inhalte eines Ethikantrags in der empirischen Sozialforschung
Viele Ethikkommissionen stellen Formulare zur Verfügung mit denen ein Ethikantrag gestellt werden kann. Der Rat für Sozial- und WirtschaftsDaten (RatSWD, 2017, S.33-34) behandelt auf seiner Internetseite einige zentrale Inhalte eines Ethikantrags in der empirischen Sozialforschung, die im Folgenden erläutert werden. Es wird empfohlen, den Ethikantrag vor Beginn einer Studie zu stellen, soweit dies möglich ist. Bei qualitativen Studien ist es häufig der Fall, dass noch nicht alle Unterlagen vorhanden sind. Dann erfolgt eine sogenannte prozesshafte Bearbeitung der Unterlagen seitens der Kommission.
Ein erster wichtiger Punkt in einem Ethikantrag ist die Gewährleistung des Datenschutzes und die Bestimmung eines Datenschutzbeauftragten für das Forschungsprojekt (RatSWD, 2017, S.33-34). Der Ethikantrag verlangt des Weiteren eine detaillierte Beschreibung des Projekts und des methodischen Vorgehens. Es sollte außerdem genau geklärt werden, welche forschungsethischen Grundsätze im Forschungsprojekt erfüllt werden. Zu den Grundsätzen gehört es Risiken richtig einzuschätzen und Maßnahmen zu erläutern, die gewählt werden, um Risiken zu reduzieren. Zur Minimierung von Risiken gehören unter anderem auch Strategien zur Anonymisierung und Wahrung der Vertraulichkeit. Ein zentrales Thema in einem Ethikantrag ist die freiwillige und informierte Einwilligung. Gewöhnlich sollte diese schriftlich eingeholt werden. Ist dies unter methodischen Aspekten schwierig und es ist ethisch vertretbar, kann die Einwilligung in Ausnahmefällen auch mündlich erfolgen und dokumentiert werden. Bei bestimmten experimentellen Designs, wie z.B. Feldexperimenten oder teilnehmenden Beobachtungen ist es nicht möglich eine Einwilligung von den Personen selbst einzuholen. Hier sollten dann ausgewählte Mitglieder des Feldes oder Schlüsselpersonen über das Experiment informiert werden. Falls es sich um ein Täuschungsexperiment handelt ist der Ablauf der Täuschung im Experiment genau zu schildern. Die Risiken für Teilnehmer sollten nur minimal sein und die Täuschung zeitlich kurz gehalten sein. Im Anschluss an das Experiment müssen die Teilnehmer aufgeklärt werden und eine Einwilligung ist stets einzuholen.
Bezüglich dieser ethischen Normen steht die Ethikkommission bei Forschungsprojekten beratend zur Seite und klärt, ob alle Richtlinien ausreichend beachtet worden sind (Johannes Gutenberg Universität Mainz, 2021). Das grundsätzliche Ziel ist es, die Balance zwischen Forschungszielen und Persönlichkeitsrechten der Teilnehmer zu halten.
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1 Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Hausarbeit das generische Maskulinum verwendet. Die in dieser Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich - sofern nicht anders kenntlich gemacht - auf alle Geschlechter.
2 Gehirn-Rückenmark(s)-Flüssigkeit
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- Katja Bartels (Author), 2022, Forschungsethik in der empirischen Sozialforschung. Geschichte, Prinzipien, Relevanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1322085
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