Diese Arbeit geht folgender Frage nach: Welche Potenziale bieten personalisierte E-Learnings, insbesondere durch die Implementierung hybrider Intelligenz, zur Förderung von Lernortkooperationen? Anhand einer systematischen Literaturrecherche werden sowohl die Potenziale von E-Learning sowie die Potenziale von hybrider Intelligenz für die Förderung der Lernortkooperation herausgestellt.
Die Qualität der dualen Berufsausbildung ist maßgeblich von der Zusammenarbeit der ausbildenden Betriebe und Berufsschulen abhängig. Der Blick in die Praxis zeigt, dass diese Lernortkooperation überwiegend anlassbezogen stattfindet. Eine inhaltliche Abstimmung sowie der Bezug zu beruflichen Handlungssituationen im Unterricht können hingegen selten realisiert werden. Einige Gründe hierfür sind der Personalmangel an den Berufsschulen, fehlende Kenntnisse der Lehrkräfte über betriebliche Prozesse sowie die zunehmend stärker spezialisierten Betriebe. Letztlich sind die Auszubildenden bei der Verknüpfung von theoretischen und praktischen Erkenntnissen auf sich allein gestellt.
Aufgrund dessen etablieren sich bereits einige E-Learning-Systeme, welche eine ergänzende Lern- und Kommunikationsplattform zwischen den Beteiligten an der Berufsausbildung schaffen sollen. Im Zuge der digitalen Transformation bieten sich zudem weitere Chancen für eine stärkere Individualisierung von Bildungsinhalten mithilfe von künstlicher Intelligenz. Arbeitet eine solche künstliche Intelligenz mit den Beteiligten der Ausbildung (menschliche Intelligenz) zusammen, entsteht ein hybrides System (hybride Intelligenz), in welchem beide Seiten voneinander profitieren.
Inhaltsverzeichnis
I Abbildungsverzeichnis
II Tabellenverzeichnis
III Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Vorgehensweise
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Lernortkooperation
2.1.2 Formen des E-Learning
2.1.2.1 Blended Learning
2.1.2.2 Learning Communities und Communities of Practice
2.1.2.3 Virtuelle Welten
2.1.3 Künstliche Intelligenz
2.1.4 Hybride Intelligenz
2.2 Aktueller Forschungsstand
3 Methode
3.1 Angewandte Suchstrategie der Literaturrecherche
3.2 Kriterien der Literaturauswahl
4 Ergebnisse der Literaturanalyse
4.1 Vorstellung der Literatur
4.2 Potenziale von E-Learning-Anwendungen
4.3 Potenziale von KI-basierten Lernanwendungen
5 Diskussion
5.1 Interpretation der Potenziale für die Lernortkooperation
5.2 Einschränkungen und Ausblick auf zukünftige Forschung
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Anhang
Zusammenfassung
Die Qualität der dualen Berufsausbildung ist maßgeblich von der Zusammenarbeit der ausbildenden Betriebe und Berufsschulen abhängig. Der Blick in die Praxis zeigt, dass diese Lernortkooperation überwiegend anlassbezogen stattfindet. Eine inhaltliche Abstimmung sowie der Bezug zu beruflichen Handlungssituationen im Unterricht, können hingegen selten realisiert werden. Einige Gründe hierfür sind der Personalmangel an den Berufsschulen, fehlende Kenntnisse der Lehrkräfte über betriebliche Prozesse sowie die zunehmend stärker spezialisierten Betriebe. Letztlich sind die Auszubildenden bei der Verknüpfung von theoretischen und praktischen Erkenntnissen auf sich allein gestellt. Aufgrund dessen etablieren sich bereits einige E-Learning-Systeme, welche eine ergänzende Lern- und Kommunikationsplattform zwischen den Beteiligten an der Berufsausbildung schaffen sollen. Im Zuge der digitalen Transformation bieten sich zudem weitere Chancen für eine stärkere Individualisierung von Bildungsinhalten mithilfe von künstlicher Intelligenz. Arbeitet eine solche künstliche Intelligenz mit den Beteiligten der Ausbildung (menschliche Intelligenz) zusammen, entsteht ein hybrides System (hybride Intelligenz), in welchem beide Seiten voneinander profitieren. Ausgehend davon geht diese Arbeit der Frage nach: „Welche Potenziale bieten personalisierte E-Learnings, insbesondere durch die Implementierung hybrider Intelligenz, zur Förderung von Lernortkooperationen?“ Anhand einer systematischen Literaturrecherche werden sowohl die Potenziale von E-Learning sowie die Potenziale von hybrider Intelligenz für die Förderung der Lernortkooperation herausgestellt. Aus dreizehn dazu analysierten Beiträgen wird ersichtlich, dass ein beruflicher Handlungsbezug durch VR-Räume oder das Teilen von Bildern auf der E-Learning-Plattform für alle Auszubildenden hergestellt werden kann. Gleichzeitig gewinnen die Lehrpersonen und Ausbildenden Einblicke in die Beiträge und Ausführungen der Lernenden. Durch die Implementierung einer künstlichen Intelligenz können die Lernenden zudem orts- und zeitunabhängig Hilfestellungen in Anspruch nehmen. Das Korrigieren von Aufgaben und die Analyse von Lernentwicklungen werden ebenfalls von der künstlichen Intelligenz übernommen. Dadurch können die Lehrpersonen entlastet werden und sich zunehmend auf die gezielte Förder- und Forderung der Lernenden konzentrieren. Damit rückt der Lernende mit seinen Bedürfnissen und seiner betrieblichen Spezialisierung in den Mittelpunkt. Lehrende und Ausbildende können die gewonnene Zeit zudem nutzen, um die Qualität ihrer Kooperation zu verbessern.
Abstract
The quality of dual vocational training depends to a large extent on cooperation between the companies providing the training and the vocational schools. A look at practice shows that this cooperation between learning venues mainly takes place on an ad hoc basis. Coordination in terms of content and reference to vocational action situations in the classroom, on the other hand, can rarely be realized. Some of the reasons for this are the lack of personnel at vocational schools, the teachers' lack of knowledge about company processes and the increasingly specialized companies. Ultimately, trainees are left to their own devices when it comes to linking theoretical and practical knowledge. As a result, a number of e-learning systems are already becoming established, which are intended to create a supplementary learning and communication platform between those involved in vocational training. In the course of the digital transformation, there are also further opportunities for greater individualization of educational content with the help of artificial intelligence. If such artificial intelligence works together with those involved in training (human intelligence), a hybrid system (hybrid intelligence) is created in which both sides benefit from each other. Based on this, this thesis addresses the question: "What potentials do personalized e-learnings, especially through the implementation of hybrid intelligence, offer to foster cooperation between learning venues?" Based on a systematic literature review, both the potentials of e-learning and the potentials of hybrid intelligence for promoting learning site collaboration are highlighted. From thirteen contributions analyzed for this purpose, it becomes apparent that a professional action reference can be established for all trainees through VR rooms or the sharing of images on the e-learning platform. At the same time, the teachers and trainers gain insights into the contributions and explanations of the learners. Through the implementation of artificial intelligence, learners can also receive assistance independent of location and time. Correcting tasks and analyzing learning developments are also handled by the artificial intelligence. This means that learning personnel can be relieved of their workload and can increasingly concentrate on providing targeted support and challenges to learners. This means that the learner, with his or her needs and operational specialization, becomes the focus of attention. Teachers and trainers can also use the time gained to improve the quality of their cooperation.
I Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Typisierungsmodell der Kooperationsverständnisse
Abbildung 2: Anwendungsvielfalt von E-Learning
Abbildung 3: Blended Learning nach Tayebinik & Puteh (2013)
Abbildung 4: Leistungsbestandteile der KI
Abbildung 5: Rollenverteilung bei Hybrid Intelligence
Abbildung 6: Suchverlauf der ersten Literaturrecherche
Abbildung 7: Suchverlauf der zweiten Literaturrecherche
Abbildung 8: Konzept einer KI-basierten Lernumgebung für eine lernortintegrierte Kompetenzentwicklung in der Berufsbildung
Abbildung 9: E-Learning mit integriertem HI-System
Abbildung 10: Reifegradmodell der KI-Transformation der Lernortkooperation
II Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Eine E-Learning Taxonomie
Tabelle 2: Komplementäre Stärken von Menschen und Maschinen
III Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
AI artificial intelligence
Abk. Abkürzung
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
engl. englisch
et al. et alia (und andere)
etc. et cetera (und so weiter)
HI hybride Intelligenz (engl.: hybrid intelligence)
IKT Informations- und Kommunikationstechnologien
KI künstliche Intelligenz
KNN künstliche neuronale Netze
LMS Lern-Management-System
LoK Lernortkooperation
o. J. ohne Jahresangabe
u. a. unter anderem
u. v. m. und viele mehr
z. B. zum Beispiel
zit. nach zitiert nach
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die duale Berufsausbildung verbucht sinkende Anfängerzahlen. Dabei gibt es mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber (BMBF, 2021). Während des pandemiebedingten Lockdowns wird deutlich, wie abhängig unsere Gesellschaft von Sektoren wie dem verarbeitenden Gewerbe und dem Gesundheitswesen ist, welche sich maßgeblich auf die berufliche Ausbildung stützen (Seufert et al., 2021, S. 184). Für die Sicherstellung des Fachkräftebedarfs ist daher die Ausbildungsqualität von zentraler Bedeutung (Wenner, 2018). Der hohe Standard der dualen Berufsausbildung hat überhaupt erst zur Entwicklung Deutschlands als Wirtschaftsstandort beigetragen (Zeller, 1997). Einen wichtigen Qualitätsfaktor der Ausbildung stellt die Zusammenarbeit von Ausbildungsbetrieb und Berufsschule dar (Wenner, 2018). „Die Kooperation der Lernorte ist eine wesentliche Voraussetzung für die Steigerung der Leistungsfähigkeit des dualen Systems“ (KMK 1997, zit. nach Euler, 2014, S. 255). In der Praxis findet die Zusammenarbeit primär anlassbezogen und zu organisatorischen Zwecken statt. In einzelnen (telefonischen) Kontakten werden etwa Verhalten, sowie Leistungen der Auszubildenden besprochen. Leitend für eine funktionierende Lernortkooperation (LoK), aber wenig ausgeprägt, sind das didaktisch-methodische, sowie das bildungstheoretische Kooperationsverständnis. Diese implizieren gegenseitige Abstimmungen, um regelmäßig Bezüge zu dem jeweils anderen Lernort herzustellen. Zugleich sollen die Akteure ihre Kooperations- und Ausbildungspraxis stetig reflektieren (Faßhauer, 2020). Die rasanten Veränderungen in den Qualitätsanforderungen, die Neuordnung von Ausbildungsberufen, die Forderung nach handlungsorientiertem Lernen und nicht zuletzt die Auswirkungen der Corona-Pandemie zeigen, dass eine stärkere Zusammenarbeit der Dualpartner erforderlich ist (Eder & Koschmann 2020). Aufgrund von Lockdown-Bestimmungen konnten sowohl praktische, als auch theoretische Ausbildungseinheiten nicht ausgeführt werden (OECD, 2020). Zusätzlich werden lernortkooperative Potenziale u. a. durch fehlende Ausstattung, sowie personelle Engpässe in den Berufsschulen begrenzt (Faßhauer, 2020). Zudem wird in Euler (2014) festgestellt, dass Ausbilder Kritik an niedrig ausgeprägten Kenntnissen der Lehrer über betriebliche Abläufe üben. Die rasanten Entwicklungen des Arbeitsmarktes führen außerdem zu stärker spezialisierten Betrieben, sowie Berufsanforderungen (ifo Institut, 2018). Berufsschullehrer können den Anforderungen der Betriebe nicht gerecht werden und die Heterogenität der Berufsschulklassen wird zunehmend zum Problem (Kluitmann, 2004). Infolge kann der individuelle Handlungsbezug im theoretischen Unterricht nicht hergestellt werden. „Berufsschullehrer kritisieren zudem den ‚Zeitfaktor‘, sowie die pädagogische Kompetenz der Ausbilder“ (Euler, 2014). In einer Onlinebefragung geben Lehrkäfte an, dass die bisherige Praxis der Lernortkooperation überholt ist (Reinhold et al., 2021). Die teilweise unverbundenen Erfahrungen aus Betrieb und Schule sind letztlich von den Auszubildenden selbständig zu verknüpfen (Euler, 2014). Es gilt Lösungen zu entwickeln, welche die Kompetenzen der Lehrkräfte mit dem Aufgabenspektrum der Betriebe verbinden, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden (Eder & Koschmann 2020). Zugleich sollen die Dualpartner voneinander, sowie die duale Ausbildung mit ihren Auszubildenden nachhaltig davon profitieren. Einige Projekte machten es sich bereits zum Ziel durch die Entwicklung und Nutzung von digitalen Lerninhalten die LoK zu verbessern (Beiling et al., 2012; Jörke et al., 2020; Reinhold et al., 2021; Seufert et al., 2012). Zugleich zeigen die Unterrichtsbedingungen im Pandemie-Fall, dass z. B. virtuelle Lernräume und hybride Unterrichtssettings an Bedeutung gewinnen (Reinhold et al., 2021). Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation können sich nun weitere Chancen für die Förderung von Lernortkooperationen ergeben. Von der bisher überwiegenden Digitalisierung im Bildungsbereich, lassen sich Daten im Zuge der digitalen Transformation mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) auch verstehen und verwerten (Söllner et al., 2021). Im Rahmen dieser Arbeit wird daher näher auf die Nutzung der KI für die LoK eingegangen. Die KI vereint als Schnittstelle alle relevanten Inhalte und Informationen der verschiedenen Lernorte. Als eine der bedeutendsten Vorteile von KI im Bildungsbereich wird die Unterstützung von personalisiertem Lernen gesehen (Söllner et al., 2021). Die Bedürfnisse der betrieblichen Spezialisierungen können durch eine Personalisierung erfüllt werden. Ein Problem der KI stellen Biases dar, durch welche etwa Diskriminierungen von bestimmten Personengruppen verstärkt werden (Strobl, 2021). Eine KI allein, kann die fachgerechte Ausbildung also nicht gewährleisten. Es bedarf einem Zusammenspiel von menschlicher und künstlicher Intelligenz. Diese sogenannte Hybrid-Intelligence verbindet die Stärken beider Intelligenzformen und ermöglicht das gegenseitige Lernen (Söllner et al., 2021). Daraus ergibt sich im Rahmen dieser Bachelorarbeit folgende Forschungsfrage: Welche Potenziale bieten personalisierte E-Learnings, insbesondere durch die Implementierung hybrider Intelligenz, zur Förderung von Lernortkooperationen? Mit der Erforschung dieser Fragestellung, soll anhand einer Literaturrecherche ein Überblick über bereits entwickelte E-Learnings, sowie theoretische Überlegungen zu KI-basiertem Lernen in der beruflichen Bildung geschaffen werden. Durch die Vernetzung von wissenschaftlicher Literatur aus den verschiedenen Wissenschaftsbereichen werden neue Potenziale für die Förderung von Lernortkooperationen herausgestellt.
1.2 Vorgehensweise
Die Arbeit verfolgt das Ziel einen literarischen Überblick von digitalen Möglichkeiten zur Förderung der LoK zu schaffen. Zu Beginn werden relevante Begriffe definiert und Modelle erläutert. Im Vordergrund stehen die verschiedenen Typisierungsansätze der LoK, ausgewählte Formen von E-Learning sowie die Dimensionen von KI. Im Zuge dieser Begriffsdefinitionen, werden Einschränkungen und Festlegungen für das Forschungsvorhaben vorgenommen. Anschließend wird ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand geschaffen.
Wie bereits angedeutet, dient als methodisches Mittel eine systematische Literaturrecherche. In der ersten Literaturrecherche werden Studien zu bereits entwickelten E-Learnings zur Verwendung in der dualen Ausbildung gesucht. Mittels einer zusätzlichen Literaturrecherche in den Wissenschaftsbereichen zum Einsatz von KI bzw. HI in der beruflichen Bildung sollen weitere Perspektiven für die LoK identifiziert werden. Anhand von festgelegten Suchtermini und Sucheinstellungen werden die Datenbanken von peDOCS und google scholar nach geeigneten Beiträgen durchsucht. Es erfolgt eine Überprüfung der wissenschaftlichen Qualität der Literatur. Mittels von inhaltlichen Auswahlkriterien werden geeignete Beiträge in die Forschung einbezogen. Die geeigneten Forschungsbefunde werden vorgestellt und dienen anschließend der Ergebnissicherung. Durch eine Einteilung in verschiedene Kategorien (von Aufbau und Funktionsweisen bis hin zu Zusammenarbeit der Lernorte) werden die Feststellungen aus der Literatur dargestellt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse bildet die Grundlage für die anschließende Diskussion. In Verbindung mit den theoretischen Grundlagen sowie der Problemstellung werden die Ergebnisse zur Beantwortung der Forschungsfrage herangezogen. Dabei werden die wiederkehrenden Anmahnungen an personalisiertes Lernen als „Ruin“ des ganzheitlichen Lernens berücksichtigt. Der Erkenntnisgewinn erklärt Möglichkeiten, wie Personalisierung und ganzheitliches Lernen gemeinsam mit dem Einsatz von E-Learning funktionieren können. Gleichermaßen werden die Grenzen dieser Untersuchung erläutert und Hinweise für weiterführende Untersuchungen gegeben. In Verbindung mit diesem Erkenntnisgewinn wird ein Ausblick gegeben, welche Vorhaben in der Forschung zu erwarten sind, um das vollständige Potenzial von KI-basierten E-Learning für die LoK auszuschöpfen. Ein abschließendes Fazit fasst die Ergebnisse zur eingangsgestellten Forschungsfrage zusammen und verweist zeitgleich auf Einschränkungen beim Einsatz von KI-basierten E-Learning-Systemen.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Lernortkooperation
Zu Beginn soll das Verständnis eines Lernorts geklärt werden. Verstanden wird darunter die jeweilige Berufsbildungsstätte (G. Pätzold, 2003), wie z. B. Ausbildungsbetrieb, Berufsschule, überbetriebliche Ausbildungsstätten, Lernbüros, sowie Lernwerkstätten (Deitmer, 2007). Diese werden also als institutionelle oder räumliche Orte aufgefasst (Wenner, 2018). Da Institutionen, wie z. B. der Betrieb und die Berufsschule mehrere Orte besitzen, spricht Schmiel von Lernortbereichen (Schmiel 1976 zit. nach Euler, 2015). Der Deutsche Bildungsrat (1974) ergänzt zu dem institutionellen Charakter, auch die unterschiedlichen pädagogischen Funktionen der Orte (Flotzinger & Rechberger, 2019). Gemeint damit ist, dass die beiden Institutionen über mehrere Orte, wie z. B. Klassenzimmer, Computerraum, Lehrwerkstatt usw. verfügen. In jenen finden die Lernprozesse des Lernenden, mit oder ohne Anleitung, statt (Euler, 2015). Nach Beck (1984) ist der eigentliche Lernort, der Schüler oder die Schülerin selbst. In diesem Zusammenhang kritisiert er, dass die richtige Bezeichnung „Lehrorte“ lauten müsste (Beck 1984 zit. nach Euler, 2015). Schlussfolgernd fasst Euler die drei Ebenen des Lernortbegriffs zusammen:
„1. Institution
2. pädagogisch gestaltete Einheiten in den Institutionen
3. Person des Lernenden“ (Euler, 2015: 6).
Diese Arbeit konzentriert sich auf den Ausbildungsbetrieb und die Berufsschule als Lernorte und betrachtet diese nach den drei Lernortebenen.
In § 2 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) ist die LoK bestimmt: „Die Lernorte […] wirken bei der Durchführung der Berufsbildung zusammen (Lernortkooperation)“. Pätzold (2003: 72) definiert den Begriff der LoK wie folgt: „Unter Lernortkooperation wird das technisch-organisatorische und (vor allem) das pädagogisch begründete Zusammenwirken des Lehr- und Ausbildungspersonals der an der beruflichen Bildung beteiligten Lernorte verstanden.“ Damit ist nicht nur die formale Beziehung der Lernorte gemeint. Hauptaspekt ist, dass die Lernenden die Zusammenhänge der jeweils vermittelten Ausbildungsinhalte herstellen (G. Pätzold, 2003). Eine LoK gilt als gelungen, wenn die beruflichen Handlungskompetenzen der Auszubildenden effektiv und effizient gefördert werden (Beicht et al., 2009). Die Zusammenarbeit verbessert fachliche und didaktisch-methodische Kompetenzen der Lehrkräfte, Ausbilder und Ausbilderinnen. Vor allem die Lehrenden bleiben über die aktuelle betriebliche Praxis informiert, um den Unterricht handlungsorientiert gestalten zu können. Zudem soll eine Doppelvermittlung von Ausbildungsinhalten vermieden werden (Euler, 2014).
Jeder Betrieb und jede Schule sind individuell, demnach arbeiten diese unterschiedlich stark zusammen (G. Pätzold, 1995). Deshalb kann es kein allgemeingültig funktionierendes Kooperationsmuster geben (Euler, 2004). Zur Verdeutlichung dieser Intensität und der Wirkungsweise von LoK wurden verschiedene Typisierungsmodelle entwickelt. G. Pätzold (2003: 75–76) unterscheidet in seinem Modell vier verschiedene Kooperationsverständnisse und ordnet diesen Kooperationsaktivitäten zu (siehe Abb. 1).: Das pragmatisch-formale Kooperationsverständnis geht von einer anlassbezogenen Zusammenarbeit aufgrund von formalen Vorgaben aus. Dieses impliziert eine Absprache über das Verhalten oder die Leistung von Auszubildenden, sowie die Teilnahme an Prüfungsausschüssen. Das pragmatisch-utilitaristische Kooperationsverständnis ergibt sich durch eine Kooperation bei konkreten Bedarfen. Ein Kooperationspartner sucht die Zusammenarbeit, um ein Problem am eigenen Lernort zu lösen. Beim didaktisch-methodischen Kooperationsverständnis sprechen sich die Kooperationspartner in ihrem didaktischen Vorgehen ab. Dieses beinhaltet die didaktisch-methodischen Konzepte beruflichen Lernens. Somit werden u. a. regelmäßig Handlungsbezüge zum jeweils anderen Lernort hergestellt. Grundlage dafür sind Rahmen- und Ausbildungspläne oder explizite Absprachen. Als letztes unterscheidet Pätzold das bildungstheoretisch begründete Kooperationsverständnis. Dieses bezieht das didaktisch-methodisch begründete Verständnis ein. Zusätzlich stützt es sich auf eine Bildungstheorie mit entsprechenden Zielkategorien. Ein Beispiel hierfür ist die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung der Lernfelder. Zugleich verlangt es die regelmäßige Selbstreflexion bezüglich der Kooperations- und Ausbildungspraxis (Faßhauer, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Typisierungsmodell der Kooperationsverständnisse
Quelle: Eigene Darstellung nach Pätzold (2003)
Einen weiteren Typisierungsansatz stellt Euler (2004) auf.: In diesem wird die LoK nach den drei Intensitätsstufen „Informieren“, „Abstimmen“ und Zusammenwirken“ typisiert. Das Informieren unter den Dualpartnern stellt die niedrigste Intensitätsstufe dar. Es erfolgt ein Austausch in direktem Kontakt oder über die Auszubildenden, sowie über deren Berichtshefte. Die zweite Intensitätsstufe ist das Abstimmen von Unterrichtsinhalten. Die Orientierung erfolgt dabei weiterhin getrennt nach eigenen Rahmenbedingungen und Zeitplänen. Das Zusammenwirken, wie etwa durch gemeinsame Projekte der Partner ist die höchste Intensitätsstufe (Wenner, 2018).
Als drittes Typisierungsmodell sei das von Berger und Walden (1995) genannt.: Das Modell unterscheidet fünf verschiedene Formen der Kooperation und Koordination. Diese werden nach den Kategorien Kontakthäufigkeit, Kooperationsrahmen und Kooperationsinhalt bewertet. Beim ersten Typ finden keine Kooperationskontakte unter den Dualpartnern statt. Typ zwei umfasst sporadische Kooperationsaktivitäten, wie Kontakte im Rahmen von Arbeitskreisen, Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen. Kontinuierlich-probleminduzierte Kooperationsaktivitäten stellen den dritten Typ dar. Anlässe für die Kooperation sind punktuell wahrgenommene Probleme. Zu Typ vier zählen Ausbildungsbetriebe mit kontinuierlich-fortgeschrittenen Kooperationsaktivitäten. Es erfolgen regelmäßige Abstimmungen zu zeitlich-organisatorischen, sowie methodisch-didaktischen Vorgehen. Typ fünf ordnen Berger und Walden (1995) kontinuierlich-konstruktive Kooperationsaktivitäten zu. Diese umfassen regelmäßige Treffen zu intensiven organisatorischen und methodisch-didaktischen Absprachen.
Die folgende Arbeit orientiert sich an dem Typisierungsmodell nach Pätzold.
2.1.2 Formen des E-Learning
Der E-Learning-Begriff kam etwa 1999 als Neologismus auf (Back et al., 2001). Das Wort gehört damit zur Gruppe der E-Begriffe (engl.: e-terms). Diese Begriffe dienten vielmehr als Marketingstrategie, um diese interessant und verwendungsfähig zu machen. Das „E“ steht für „electronic“ und meint die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), sowie entsprechender Systeme (Treumann et al., 2012). „Lernen“ verfolgt das Ziel ein höheres Niveau von Kompetenzen zu erlangen und die persönliche Handlungsfähigkeit zu steigern (Arnold et al., 2011). Lernen erfolgt durch die Aneignung von implizitem, sowie explizitem Wissen. Der Kompetenzaufbau verursacht eine innere Veränderung. Folglich ergeben sich für die lernende Person neue Potenziale, um in ihrem äußeren Handeln aktiv zu werden (Arnold et al., 2011; Treumann et al., 2012).
E-Learning etabliert sich zunehmend als der Oberbegriff für die Formen IKT-basierten Lernens (Treumann et al., 2012). Back et al. (2001) verstehen unter dem E-Learning-Begriff ein technologiebasiertes virtuelles System oder eine integrierte Lösung. Diese kann in stationär oder mobil, lokal oder verteilt, statisch oder dynamisch, synchron oder asynchron und individuell oder kollaborativ unterschieden werden (Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anwendungsvielfalt von E-Learning
Quelle: Eigene Darstellung nach Back et al. (2001)
Laut Ehlers (2002) bezieht E-Learning alle Formen des Lernens mithilfe elektronischer Medien ein, die sowohl online, als auch offline genutzt werden. Seufert und Mayr (2002) stellen in ihrer Definition heraus, dass es sich bei der gezielten Integration von multimedialen und telekommunikativen Technologien in Lernprozessen um E-Learning handelt. Handke (2012: 58) konzentriert sich in seiner Begriffsdefinition auf den Lernprozess. Anhand von Basiskriterien unterscheidet er zwischen drei Stufen des E-Learning. Diese E-Learning Taxonomie ist in Tabelle 1 dargestellt. Die drei Untersuchungskriterien lauten:
„a) die Nutzung des Internets als Distributionsmedium für die Inhalte;
b) die Nutzung einer Plattform für die Benutzerverwaltung, Kollaboration etc.;
c) die Bereitstellung interaktiver Inhalte.“
Die jeweils ‚höhere‘ Stufe schließt dabei die Lernform des Vorgängertyps ein.
Tabelle 1: Eine E-Learning Taxonomie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach (Handke, 2012: 58)
Der E-Learning Typ I stellt die schwächste Form von E-Learning dar, denn er ist lediglich durch die Internetnutzung charakterisiert. Die Nutzer erhalten einen räumlich ungebundenen Zugriff auf Inhalte und Lehrmaterialien. Es bedarf einer schnellen Aktualisierbarkeit. Lerninhalte liegen als Texte (PDF), Präsentationen und Skripte vor. Die Verwendung einer E-Learning-Plattform stellt den E-Learning Typ II dar. Die Plattform verfügt über kommunikative und kollaborative Komponenten, sowie über eine Benutzerverwaltung, welche die Steuerung und Überwachung von Lernprozessen ermöglicht. Lerninhalte werden während des Lernprozesses erstellt. E-Learning Typ III liegt vor, wenn Selbstlernszenarien zur Verfügung stehen. Die Inhaltserschließung erfolgt eigenständig durch Interaktion mit digitalen Angeboten. Die Lerninhalte werden auf der Plattform in Form von Lehrvideos und multimedialen Komponenten bereitgestellt. Im Gegensatz zu Typ II erfolgt die Erstellung nicht durch Kollaboration während des Lernprozesses. Zudem wird für den Lerner ein eindeutig erkennbares didaktisches Konzept verwendet. Aufgrund der Aktualität und präzisen Aufschlüsselung des E-Learning Verständnisses nach Handke (2012), dient dieses als Grundlage für die folgende Arbeit.
Innerhalb der E-Learning Typen lassen sich anhand des Technologieeinsatzes, sowie der Bereitstellung der Lerninhalte weitere Formen des E-Learning unterscheiden. Die Untersuchung dieser Arbeit begrenzt sich dabei auf die im Folgenden betrachteten Formen.
2.1.2.1 Blended Learning
Der Begriff des Blended Learning kann vom englischen Wort ‚blender‘ abgeleitet werden. Ins Deutsche übersetzt, heißt dies so viel wie Mixen oder Vermischen (Kraft, 2003). Somit stellt Blended Learning ein hybrides, integriertes und vermischtes Lernen dar (Handke & Schäfer, 2012). Dieses Lernen beschreibt ein Lehr-Lern-Arrangement aus virtuellen Lernräumen- und Präsenzveranstaltungen (Tayebinik & Puteh, 2013). Das Präsenzlernen kann klassisch im Klassenzimmer, ebenso virtuell stattfinden, wie z. B. in Online-Vorlesungen (P. Arnold et al., 2011). Das Hauptziel besteht darin, die positiven Chancen und Möglichkeiten von Online- und Präsenzunterricht zu vereinen und die jeweiligen Schwächen zu umgehen. Diese Kombination stellt zahlreiche Wahlmöglichkeiten für individuelle Lernbedürfnisse und Lernstile bereit (Handke & Schäfer, 2012). Viele Quellen betonen die Effektivität des Blended Learning im Vergleich zum klassischen Präsenzunterricht und zum E-Learning (Arnold et al., 2011; Handke & Schäfer, 2012; Kraft, 2003; Rafiola et al., 2020). Arnold et al. (2011) heben zusätzlich hervor, dass digitale Bildungsmedien allein, das Lernen von Lehrenden, sowie das Lernen aus der Praxis nie vollständig ersetzen können.
Handke und Schäfer (2012) kritisieren, dass der Begriff ‚Blended Learning‘ mittlerweile für jegliche Form der Einbindung neuer Medien, in die Lehre, Verwendung findet (z. B. für eine Präsenzlehre, die eine Materialsammlung nutzt). Mit Bezug auf das Thema dieser Arbeit wird der Blended Learning Begriff auf eine Schnittstelle aus virtuellem Lernen im Sinne des E-Learning Begriffs und der Präsenzlehre begrenzt (siehe Abb. 2).
2.1.2.2 Learning Communities und Communities of Practice
E-Learning bietet die Möglichkeit Lerngemeinschaften zu virtualisieren (Köhler, o. J.). Es handelt sich dabei um „Virtual Learning Communities“ oder „E-Learning Communities“. Lerngemeinschaften sind eine uralte Praxisform der Erfahrungs- und Wissensakkumulation. Der Austausch von Erfahrungen und Erlerntem bildet seit jeher die soziale Basis von Gemeinschaften (Bliss et al., 2006). Seufert (2004) erläutert drei unterschiedliche Theorie- und Konzeptströmungen, welche virtuelle Lerngemeinschaften begründen:
1. die soziologische Theorie der Gemeinschaft nach Ferdinand Tönnies,
2. ein sozial-konstruktivistisches Lehr-/Lernparadigma sowie
3. informationstechnologische Konzepte.
Laut Tönnies (1922, zit. nach Seufert, 2004) basiert eine Gemeinschaft auf kollektiven Zielen und emotionalen Bindungen. Zudem verkörpert eine Gemeinschaft eine Organisationsform, die sich durch Selbststeuerung und Eigeninitiative auszeichnet. Die Gemeinschaftsbildung nimmt bei E-Learning Communities also einen zentralen Stellenwert ein. Mit einem sozial-konstruktivistische Lehr-/Lernparadigma gehen bestimmte Gestaltungsprinzipien einher (Seufert, 2004). Diese akzentuieren kooperatives, problemorientiertes und authentisches Lernen, ebenso die Einbettung verschiedener Anwendungsbereiche (Mandl & Winkler, 2003). Informationstechnologische Konzepte dienen der Entwicklung von elektronischen Plattformen, welche als Kommunikationskanal der Gemeinschaft fungieren (Seufert, 2004).
Das Internet als Massenmedium bildet eine Gemeinschaft, welche vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten nutzt. Blogs, Wikis, Tagging, Podcasting, Videos, Foren, Streaming u.v.m. beeinflussen und bilden neue Lehr- und Lernprozesse. Aus virtuellen Gemeinschaften entstehen soziale Netzwerke mit sozialen Interaktionen, welche sich schnell und unabhängig von Ort und Zeit bilden (Scholl et al., 2010). „Individuelle Kreativität, Eigeninitiative und Selbstverantwortung einerseits sowie Wissensaustausch, Zusammenarbeit und Gemeinsinn andererseits bilden die Säulen einer Learning Community“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1999). Eine strikte Trennung von ‚Lernenden‘ und ‚Lehrenden‘ gibt es nicht (Scholl et al., 2010). Je nach Interesse und Neigung entwickelt das einzelne Mitglied spezielles Wissen, von welchem die Gruppe profitiert. Vor allem die Förderung von emotional-motivationalen und identitätsstiftenden Prozessen stehen im Fokus (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1999). Virtuelle Communities, wie sie durch das Web 2.0 entstehen, sind in der Regel informell und damit nicht institutionell strukturiert. Im Rahmen einer Bildungsmaßnahme, wie etwa als Adaptierung in ein E-Learning-System, lassen sich Learning Communities durchaus im Bereich des formalen Lernens verorten. Charakteristisch ist, dass die Community durch die Rahmenbedingungen der treibenden Institution geprägt wird und sich nicht frei zusammenfindet. Zur Orientierung übernehmen in der Anfangsphase Lehrpersonen die führende Rolle (Scholl et al., 2010).
Besonders attraktiv für den Bereich der beruflichen Bildung ist das Konzept der Communities of Practice. Dieses ermöglicht eine verbesserte Verknüpfung der Lern- und Arbeitswelt (Seufert, 2004). Die Community of Practice verfolgt wie die Learning Community ein gemeinsames Interesse und dient der Wissensverknüpfung. Jedoch basieren Communities of Practice auf einem geteilten Tätigkeitsbereich bzw. praktischen Fachgebiet ihrer Mitglieder (Wenger, 1999). Durch den Austausch soll die gemeinsame Praxis weiterentwickelt werden (Köhler, o. J.). Wenger (2009, S. 1–2) stellt drei essenzielle Charakteristika heraus, die eine Community of Practice identifizieren:
1. „the domain“, welche das gemeinsame Interesse der Gruppe meint,
2. „the community“, gekennzeichnet durch die soziale Beziehung und den Austausch der Mitglieder,
3. „the practice“, welches auf die Entwicklung von einem Wissensrepertoire zur praxis- bezogenen Kompetenzerweiterung und Problembewältigung abzielt.
Reinmann-Rothmeier et al. (1994) fassen die beiden Ansätze der Learning Communities und Communities of Practice in einer Definition zusammen. Nach jener handelt es sich um Lerngemeinschaften, in der Personen organisiert sind, die sich gemeinsam mit einem Thema beschäftigen, gemeinsam lernen, vorhandenes Wissen austauschen und sich gemeinsam mit Problemen auseinandersetzen.
2.1.2.3 Virtuelle Welten
Eine virtuelle Welt, auch bekannt als virtual reality, ist eine Online-Umgebung, die durch eine anspruchsvolle dreidimensionale Darstellung gekennzeichnet ist (H. Pätzold, 2007). Die Lernenden schlüpfen in beliebige Identitäten, die sie in Form von Avataren repräsentieren. In der Online-Welt können viel Benutzer gleichzeitig, sowie mit der Umwelt interagieren (Mijic et al., 2015). Die Kommunikation zwischen den Avataren muss mindestens schriftsprachlich per Text-Chat oder auditiv, z. B. über Headset ablaufen. Bewegungen innerhalb des Raums sind in alle Richtungen möglich (H. Pätzold, 2007). Die Interaktion mit anderen Teilnehmenden und dem System finden in Echtzeit statt (Mijic et al., 2015). Die 3D-Welt lässt es zu, reale sowie nicht reale Gegenstände zu erschaffen. Sie dient nicht allein zur Realisierung von vorgegebenen Spielhandlungen. Räumliche und zeitliche Abhängigkeiten der realen Welt sind aufgehoben (H. Pätzold, 2007). Unabhängig davon, ob die Benutzerin oder der Benutzer online ist, existiert die virtuelle Welt mit ihren Objekten weiter.
Durch die Lebendigkeit der Darstellung entsteht für die Teilnehmenden das subjektive Gefühl der Immersion – in eine Welt einzutauchen (Mijic et al., 2015). Furness et al. (1998) differenzieren nach Immersionsgrad drei Klassen virtueller Realität:
a) 2-D Welten (nicht immersive Welten)
Diese bestehen aus zweidimensionalen virtuellen Objekten. Die Darstellung erfolgt auf einem Monitor. Keyboard und Maus dienen als Ein- und Ausgabemedium.
b) 2,5-D Welten (halb-immersive Welten)
Auf einer 2D Fläche (Monitor) werden 3D Objekte dargestellt, die in alle Richtungen bewegt werden können. Ein Gefühl von Dreidimensionalität entsteht.
c) 3-D Welten (voll immersive Welten)
Die Lernenden verfügen über technische Ausrüstung (3D-Brille), welche stereoskopische Bilder im realen Raum projiziert. Durch die Eingabe von Sprache und Gesten mithilfe einer Fernbedienung oder eines Datenhandschuhs reagiert das System.
Neben der Immersion bieten virtuelle Welten noch weitere Vorteile für das Lernen. Lernprozesse finden Integration in eine informelle Umwelt, welche didaktisch in die Lehr-/ Lerngestaltung einbezogen werden kann. Genutzte Medien, wie Sound, Video, Präsentationen etc. werden in den Raum eingebunden und miteinander verknüpft (Walber, 2015). Besonderheiten von virtuellen Welten sind die vielfältigen Möglichkeiten zur sozialen Interaktion, die ortsunabhängige Erreichbarkeit, sowie die Optionen der dreidimensionalen Darstellung von Objekten und Simulationen (H. Pätzold, 2007).
2.1.3 Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) oder auch Artificial Intelligence (AI) ist überall im Alltag anzutreffen. Persönliche Sprachassistenten, Übersetzungshilfen im Internet, Gesichtserkennung, Röntgenanalysen oder autonomes Fahren seien nur ein paar Beispiele, die auf KI-Anwendungen zurückgreifen (Kreutzer & Sirrenberg, 2019). Geprägt wurde der Begriff 1955 von dem Mathematiker McCarthy und dem Kognitionswissenschaftler Minsky (Russell & Norvig, 2016). Eine einheitliche Begriffsbestimmung der KI zu finden, ist schwierig. Häufig werden deshalb die Elemente „Intelligenz“ und „Künstliche“ separat betrachtet. Intelligenz ist in verschiedenen Ausprägungen erfassbar. Es ergibt sich ein multipler Intelligenzansatz mit folgenden Bereichen (Christodoulou et al., 2011):
- sprachliche Intelligenz,
- musikalische Intelligenz,
- logisch-mathematische Intelligenz,
- räumliche Intelligenz,
- körperlich-kinästhetische Intelligenz,
- intrapersonale und interpersonale Intelligenz,
- naturalistische und existenzielle Intelligenz sowie
- kreative/ schöpferische Intelligenz.
Diese Vielschichtigkeit von Intelligenz zeigt, dass es noch lange dauern wird bis Intelligenz in ihrer Gesamtheit künstlich erzeugt werden kann (Kreutzer & Sirrenberg, 2019). Görz und Schneeberger (2010) fassen zusammen, dass Intelligenz „[…] als das Erkenntnisvermögen, als Urteilsfähigkeit, als das Erfassen von Möglichkeiten, aber auch als das Vermögen, Zusammenhänge zu begreifen und Einsichten zu gewinnen […]“, zu verstehen ist. Das Ziel der KI ist es, diese Intelligenz des menschlichen Gehirns nachzuahmen bzw. diese zu simulieren (Buxmann & Schmidt, 2019). Denkprozesse, Problemlösungs- und Entscheidungsprozesse werden durch technische Systeme übernommen (Seufert et al., 2021) Es wird zudem angestrebt Lösungen zu entwickeln, welche außerhalb des Lösungsraums der Menschen liegen. Diese entwickelten Systeme bilden den Kern der KI (Kreutzer & Sirrenberg, 2019). Ballestrem et al. (2020) definieren KI wie folgt: „Künstliche Intelligenz […] bezeichnet Systeme, die intelligentes Verhalten zeigen, indem sie ihre Umgebung analysieren und – mit einem gewissen Grad an Autonomie – Maßnahmen ergreifen, um bestimmte Ziele zu erreichen.“ KI lernt also aus einem gegebenen Datensatz, leitet Schlussfolgerungen ab und passt sich flexibel an die Umwelt an (Kaplan & Haenlein, 2019).
Unterschieden wird zwischen schwacher KI und starker KI. Starke KI-Systeme besitzen intellektuelle Fähigkeiten wie der Mensch oder sind ihm sogar überlegen. Dazu gehört auch die Entwicklung eines eigenen Willens, eines Selbstbewusstseins, sowie Gefühle (Otte, 2019). Schwache KI-Systeme lösen konkrete Problemstellungen. Sie können sich selbst optimieren und verfügen teilweise auch über Nachbildungen der menschlichen Intelligenz. Schwache KI kann menschliches Denken simulieren und unterstützen (Röser, 2021). Bisher wurde keine starke KI entwickelt (Schütze & Schlieter, 2019). Bei der heute zur Anwendung kommenden KI, handelt es sich also um schwache KI. Auf diese wird auch im Folgenden Bezug genommen.
KI stellt einen Oberbegriff von weiteren Leistungsbestandteilen dar (siehe Abb. 3). Ein wesentliches Element sind die sogenannten künstlichen neuronalen Netze (KNN). Ein neuronales Netz bezeichnet die Verbindung zwischen Neuronen, die als Teil des Nervensystems Funktionen ausüben. Die Entwicklung von KNN simuliert das Gehirn in einem System von Hard- und Software (Buxmann & Schmidt, 2019). Mit einer Basis von Trainingssdaten werden diese Systeme zu Beginn gefüttert. Im Zuge des Einsatzes emanzipiert sich der Algorithmus von den ursprünglichen Daten und Regeln. Durch eigenständiges Entwickeln und Lernen werden Erfahrungen gewonnen. Mithilfe dieser, können bessere Ergebnisse erzielt werden. Der Prozess des selbständigen Arbeitens der ‚Maschine‘, wird maschinelles Lernen (Machine-Learning) genannt (Kreutzer & Sirrenberg, 2019). Ein Teilgebiet des Machine-Learning ist das Deep-Learning. Deep-Learning kann eine größere Bandbreite an Datenressourcen verarbeiten, erfordert weniger Eingriffe durch den Menschen und kann oft genauere Ergebnisse liefern als maschinelles Lernen allein (Chen, 2021).
Zu beachten ist, dass die Algorithmen zum maschinellen Lernen auch Fehlentscheidungen treffen. Häufig arbeiten Machine-Learning-Ansätze wie eine Black-Box (Buxmann & Schmidt, 2019). Das heißt, KI-Systeme geben keine Auskunft darüber, wie eine bestimmte Vorhersage oder ein bestimmtes Ergebnis zustande kommt (Seufert et al., 2021). In sensiblen Anwendungsbereichen sollten solche Ansätze daher nicht verwendet werden (Buxmann & Schmidt, 2019). Ein weiteres Problem bilden Datenverzerrungen (Bias). Hierbei erkennt die KI lediglich Muster, die auf Korrelationen in den Trainingsdaten beruhen. Dies führt zu Einseitigkeit, sowie Befangenheit, welche sich auf das Verhalten des Algorithmus auswirken (Seufert et al., 2021). KI-Anwendungen behandeln Individuen oder Gruppen auf eine unfaire und systematische Weise unvorteilhaft (Strobl, 2021). Aus diesem Blickwinkel werden KI-Anwendungen in Bezug auf Fairness und Diskriminierung diskutiert (Seufert et al., 2021). Um solche Probleme zu vermeiden, ist es wichtig, dass der Mensch nicht blind auf die Ergebnisse von KI vertraut.
2.1.4 Hybride Intelligenz
Ein Zusammenspiel aus menschlicher Intelligenz und KI wird als hybride Intelligenz (HI) definiert (Medsker, 1995). Ziel dabei ist, die Stärken menschlicher und künstlicher Intelligenz so zu kombinieren, dass bessere Ergebnisse erzielt werden als bei der Verwendung nur einer Intelligenzform. Außerdem sollen die Potenziale der KI hervorgehoben und die bisherigen Probleme und Grenzen von KI überwunden werden (Dellermann et al., 2019). In Tabelle 2 sind die jeweiligen Stärken der beiden Intelligenzen zusammengefasst. Zu den menschlichen Vorteilen gegenüber KI-Systemen sind Fähigkeiten wie Flexibilität, Kreativität, Empathie, Anpassungsfähigkeit sowie das sinnvolle Füllen von lückenhaften Daten. Durch Analogieschlüsse kann der Mensch erworbenes Wissen aus einer Domäne, auf Probleme einer anderen Domäne übertragen. Jenes bildet die Grundlage des sogenannten gesunden Menschenverstandes. Vorteile von KI-Systemen sind Schnelligkeit, Effizienz und Konsistenz im Lösen klar definierter Probleme, sowie das Identifizieren von bestehenden Mustern in großen Datenmengen (Dellermann et al., 2019; Söllner et al., 2021).
Tabelle 2: Komplementäre Stärken von Menschen und Maschinen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach (Dellermann et al., 2019: 640)
Im stetigen Zusammenarbeitsprozess lernen die beiden Intelligenzformen voneinander (Calma & Dellermann, 2018). Dellermann et al. (2019) unterscheiden bei HI-Systemen, auf Basis der Rollenverteilung, zwei Archetypen (siehe Abb. 4). Der erste Archetyp beschreibt die erweiterte menschliche Intelligenz. Dabei steht die menschliche Intelligenz im Mittelpunkt und erhält Unterstützung von der KI. Der zweite Archetyp beschreibt die erweiterte maschinelle Intelligenz. Hierbei steht die KI im Vordergrund, welche durch den Menschen Unterstützung erhält. Je nach Problemstellung werden auch beide Archetypen miteinander kombiniert. Zum Beispiel lässt sich ein menschlicher Entscheider von einem KI-System unterstützen und anschließend erhält das System durch menschliches Feedback neuen Input zu Verbesserungen (Söllner et al., 2021).
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- A. Hotzan (Author), 2022, Mit E-Learning Theorie und Berufspraxis in der Ausbildung vereinen. Potenziale hybrider Intelligenz zur Förderung von Lernortkooperationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1318494
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