Ernst Troeltsch veröffentlichte 1902 die erste Auflage seiner Schrift „Die
Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte“. Ein
tatsächlicher Absolutheitsanspruch des Christentums ist jedoch alles
andere als unumstritten.
Bemüht man sich heute, die Frage nach der momentan
vorherrschenden religiösen Überzeugung zu beantworten, so wird man
nur schwerlich umhin kommen, Wörter wie Pluralismus und
Synkretismus zu verwenden. Dies bedeutet, dass bei Weitem keine
einheitliche Meinung darüber vorliegt, welche Religion die wahre sei
oder welche Religion für sich den größten Wahrheitsgehalt
beanspruchen dürfe.
Eben jene Tatsache berechtigt nicht nur dazu, sondern macht es aus
meiner Sicht fernerhin notwendig, sich mit dem Problem
auseinanderzusetzen, nach welchen Maßstäben Religionen evaluiert
werden können. Jene Auseinandersetzung unternimmt diese
Hausarbeit.
Daraus ergibt sich, dass die Absicht dieser Hausarbeit nicht darin
bestehen kann, den Wert darzustellen und zu diskutieren, den Troeltsch
dem Christentum in seiner Schrift zukommen lässt. Vielmehr liegt das
Hauptanliegen dieser Arbeit darin, die Religionskriteriologie Troeltschs
mit ausgewählten aktuelleren Religionskriteriologien Hans Küngs und
Wolfhart Pannenbergs zu vergleichen und deren Möglichkeit für eine
Anwendung zu erörtern.
Dazu arbeite ich zunächst die Religionskriterien Troeltschs heraus, die
er seiner Wertung des Christentums zugrunde gelegt hat, und
hinterfrage diese kritisch. Ferner werde ich Gleiches mit den von mir
ausgewählten anderen Kriteriologien unternehmen, bevor ich in einem
zusammenfassenden Fazit meinen eigenen Standpunkt darlege.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wortbedeutung „absolut / das Absolute“
3. Kulturelle Einstellungen zu den Weltreligionen
4. Religionskriteriologien
4.1. Vorbemerkung
4.2. Die Religionskriteriologie Ernst Troeltschs
4.2.1. Erkenntnisse aus den Kriterien Ernst Troeltschs
4.3.1. Die Religionskriteriologie Hans Küngs
4.3.2. Erkenntnisse aus den Kriterien Hans Küngs
4.4.1. Der Ansatz Pannenbergs
4.4.2. Erkenntnisse aus dem Ansatz Wolfhart Pannenbergs
5. Fazit
5.1. Schlüsse aus dem Gesamtbild
5.2. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
6.1. Quellen
6.2. Hilfsmittel
6.3. Sekundärliteratur
1. Einleitung
Ernst Troeltsch veröffentlichte 1902 die erste Auflage seiner Schrift „Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte“. Ein tatsächlicher Absolutheitsanspruch des Christentums ist jedoch alles andere als unumstritten.
Bemüht man sich heute, die Frage nach der momentan vorherrschenden religiösen Überzeugung zu beantworten, so wird man nur schwerlich umhin kommen, Wörter wie Pluralismus und Synkretismus zu verwenden. Dies bedeutet, dass bei Weitem keine einheitliche Meinung darüber vorliegt, welche Religion die wahre sei oder welche Religion für sich den größten Wahrheitsgehalt beanspruchen dürfe.
Eben jene Tatsache berechtigt nicht nur dazu, sondern macht es aus meiner Sicht fernerhin notwendig, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, nach welchen Maßstäben Religionen evaluiert werden können. Jene Auseinandersetzung unternimmt diese Hausarbeit.
Daraus ergibt sich, dass die Absicht dieser Hausarbeit nicht darin bestehen kann, den Wert darzustellen und zu diskutieren, den Troeltsch dem Christentum in seiner Schrift zukommen lässt. Vielmehr liegt das Hauptanliegen dieser Arbeit darin, die Religionskriteriologie Troeltschs mit ausgewählten aktuelleren Religionskriteriologien Hans Küngs und Wolfhart Pannenbergs zu vergleichen und deren Möglichkeit für eine Anwendung zu erörtern.
Dazu arbeite ich zunächst die Religionskriterien Troeltschs heraus, die er seiner Wertung des Christentums zugrunde gelegt hat, und hinterfrage diese kritisch. Ferner werde ich Gleiches mit den von mir ausgewählten anderen Kriteriologien unternehmen, bevor ich in einem zusammenfassenden Fazit meinen eigenen Standpunkt darlege.
2. Wortbedeutung „absolut / das Absolute“
Um zu erarbeiten, auf welcher Grundlage Religionen ihren Anspruch auf Absolutheit messen können, bedarf es zunächst einer Klärung, wie der Begriff „absolut“ zu definieren ist.
Sowohl für den philosophisch-allgemeinen als auch für den politischstaatsrechtlichen Bereich liegt dem Ausdruck „absolut“ das lat. Adjektiv „absolutus“ zugrunde, was in seiner Übersetzung „losgelöst“ heißt.[1] Eine Betrachtung der für das Wort „absolut“ gebräuchlichen Synonyme mag jedoch einen besseren Aufschluss darüber liefern, welcher Wortsinn sich folgern lässt. So erfahren wir, dass „absolut“ gleichbedeutend mit „allein[herrschend], grenzenlos, vollkommen, unüberbietbar, vollständig, beziehungslos, unabhängig oder rein“[2] verwendet werden kann und keineswegs eindeutig und unmissverständlich definiert scheint. Mit dem Ausdruck „Absolutheit des Christentums“ kann demzufolge Verschiedenes gemeint sein - einerseits die Superiorität des Christentums gegenüber anderen Weltanschauungen oder seine Alleingeltung im Sinne der Exklusivität. Der Begriff „Superiorität“ lässt die Möglichkeit offen, neben den Werten der eigenen Religion auch Werte anderer Weltanschauungen zu billigen, da unter Superiorität lediglich eine Überlegenheit zu verstehen ist, jedoch nicht automatisch mit dieser Wortwahl beansprucht wird, die gesamte Wahrheit zu kennen. Der Ausdruck „Exklusivität“ hingegen lässt nach seiner Wortbedeutung jene eben betrachtete Möglichkeit nicht zu, sondern schließt andere Wahrheiten neben der eigenen aus.
Wenn somit auch die Bedeutung des Wortes „absolut“ ambivalent ist, so lässt sich für den Ausdruck „Absolutheit des Christentums“ dennoch festhalten, dass eine wesentliche Gleichheit und Relativität aller Religionen offenbar unvereinbar sind.[3]
3. Kulturelle Einstellungen zu den Weltreligionen
Noch ehe diese Arbeit sich ihrem Hauptvorhaben widmet, nämlich der Beschäftigung mit Religionskriteriologien, ist es nützlich, einen knappen Überblick über die grundsätzlichen kulturellen Reaktionen auf das Bewusstsein des religiösen Pluralismus zu geben. Paul F. Knitter hat diese sehr anschaulich in seinem Buch „Ein Gott - viele Religionen“[4] dargestellt.
1. Die historische Perspektive: Alle Religionen sind relativ
Im 19. Jahrhundert breitete sich die Meinung aus, der Mensch sei nicht nur ein rationales und soziales Wesen, sondern auch ein geschichtliches. Das bedeutet, dass all das, was Menschen sind und erarbeiten, bedingt ist durch ihren geschichtlichen Hintergrund. Da dieser geschichtliche Hintergrund wandelbar und nicht stetig ist, ist auch die gesamte menschliche Kultur und ihr Wissen ebenso wandelbar. Durch diese Historizität der menschlichen Errungenschaften wird folglich jede Absolutheit, jeder Anspruch auf die alleinige Wahrheit, ausgeschlossen. Auf die Religionen bezogen bedeutet dies, dass auch sie dem Historismus unterlegen und somit ebenfalls nur relativ aufzufassen seiend
2. Die philosophische Perspektive: Alle Religionen sind gleich
Diese Sichtweise hat ihren Ursprung in der so genannten „Schule des gemeinsamen Wesens“ und besagt, dass alle Religionen in ihrem tiefsten Grunde gleich seien und auf unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ziel führen würden. Sie legt ein Gottesbild zugrunde, nach welchem es nur einen Gott gäbe und dieser ein Gott der Liebe sei. Sein Wille sei es, alle Völker zum Heil zu führen, bedingt durch die unterschiedlichen Kulturen und geographisch-historischen Zusammenhänge müsse dies jedoch auf unterschiedliche Art und Weise [5] vollbracht werden. Für die Religionen würde dies bedeuten, dass sie rein zufällig, kulturspezifisch und zeitbedingt seien.[6] [7]
3. Die Perspektive der Psychologie: Eine gemeinsame psychische Wurzel für alle Religionen
Einer der Begründer der modernen Religionspsychologie, Carl Gustav Jung, hat diese Perspektive, nach der alle Religionen relativ und ihrem Wesen nach gleich seien, sehr gut zum Ausdruck gebracht. Aufgewachsen mit dem religiösen Hintergrund der Schweizerischen Reformierten Kirche kann er weder die Ansichten dieser noch die seines Lehrers Sigmund Freud annehmen, der behauptete, Religion müsse als Projektion kindlicher Phantasien und Ängste betrachtet werden. Vielmehr entgegnet Jung diesen Ansichten mit seiner eigenen These, das menschliche Unbewusste sei erfüllt von einer Energie, die den Ruf in uns wecke, ein immer größeres Selbst zu werden. Dieses Selbst nennt er Imago Dei, das „Gottesbild“, da es alle Merkmale erfülle, die die Theologen Gott zugeschrieben hätten.? Es sei ein unaussprechliches Geheimnis, das weit über die Vernunft hinausreiche; es sei sowohl immanent als auch transzendent, in uns, doch stets mehr als wir und es sei ein mysterium tremendum et fascinosum, eine geheimnisvolle Macht, die uns fürchten und gleichzeitig fasziniert sein lasse.[8] Für die Welt der Religionen bedeute diese Analyse, dass sie alle einen gemeinsamen Ursprung in der Psyche des Menschen hätten und ferner durch die Bereitstellung ihrer Mythen und Symbole den Individuationsprozess des Menschen vorantreiben würden. Jede Religionen erfülle dies auf andere Weise und dürfe daher nicht für sich beanspruchen, der einzige Weg zur Realisierung der „Imago Dei“ zu sein. Zwar sei Jesus Christus nach Meinung Jungs durch die vollkommene Verwirklichung des Individuationsprozesses tatsächlich göttlich, dass sich bei Buddha unter Umständen aber derselbe Prozess vollzogen habe, könne man nicht ausschließen.[9]
4. Religionskriteriologien
4.1. Vorbemerkung
Wolfgang Pfüller formulierte auf den ersten Seiten seiner Habilitationsschrift „Der Streit der Religionen - rational entscheidbar?“[10] die These, wonach es weit verbreitete Meinung scheine, das Problem, Religionen und ihre Aussagen mit Hilfe objektiver Kriterien zu beurteilen, sei überhaupt nicht lösbar.[11] Die Theologen Ernst Troeltsch, Hans Küng und Wolfhart Pannenberg haben dennoch den Versuch unternommen, einen Bewertungsmaßstab für Religionen zu finden. Da diese drei für den christlichen Raum zu den meist aufgegriffenen und meist diskutierten Religionskriteriologien gehören, sollen sie auch in dieser Arbeit erörtert werden.
4.2. Die Religionskriteriologie Ernst Troeltschs
Mit dem Verfassen des Buches „Über die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte“ wollte Ernst Troeltsch in erster Linie erreichen, für seine Zeit eine Antwort auf die Frage zu geben, welchen Wert das Christentum in dem Einschluss des Neuen letztlich noch besitze.[12] [13] Troeltsch betont, dass die Anerkennung des Christentums als der höchsten für uns geltenden religiösen Ideen- und Lebenswelt in jedem Falle nur in Abhängigkeit der persönlichen Überzeugung erfolgen könnet Dadurch signalisiert er an dieser Stelle bereits, dass die Bewertung einer Religion niemals objektiv, sondern nur subjektiv zu treffen sei. Troeltsch unternimmt dennoch den Versuch, mit „einer Überzeugung, die nicht aus der isolierten Betrachtung und von vornherein entschiedenen Verabsolutierung des Christentums, sondern aus der vergleichenden Überschau und der inneren Durcharbeitung der hypothetisch nachempfundenen Werte hervorgeht“[14] [15], seine eigene Position zu festigen und gibt so dem Leser, besonders im vierten Kapitel seines Buches, Aufschluss darüber, welche Kriterien er für sich zugrunde legt, um schlussendlich zu der Überzeugung zu gelangen, dass man dem Christentum den größten Wert beimessen müsse. Jene Kriterien sollen im Folgenden herausgearbeitet werden.
Als erstes Kriterium formuliert Ernst Troelstch ein grundlegendes Wertegradmaß zwischen den Endpunkten „Natur“ und „Geist“. Mit diesem lässt er Religionen, je vergeistigter sie sind, eine umso höhere Wertschätzung zukommen mit der Begründung, es trete erst in ihnen eine höhere, geistige, ewige Welt der Sinnenwelt geschlossen gegenüber und es erwachse daher erst der Religion die volle, alles auf sich beziehende KraftJs Durch dieses Kriterium lässt Troeltsch die von ihm sog. „Polydämonismen und Polytheismen der niederen Stufen“[16] bereits an dieser Stelle aus dem Religionsvergleich ausscheiden. Gemeint seien damit die Religionsbildungen, die in der heutigen Religionswissenschaft als Natur-, Stammes- oder Partikularreligionen bezeichnet werden.[16] So eingegrenzt, bleiben für Troeltsch nach Anwendung des ersten Kriteriums nur noch die großen Universalreligionen für den Vergleich übrig. Diese unterteilt Troeltsch in Gesetzes- und Erlösungsreligionen. Zu den Erstgenannten zählt er das Judentum und den Islam und behauptet für sie, dass sie weniger in die Tiefe gehende Kräfte besäßen, weil sie zwar einerseits die sinnliche von der geistlichen Welt trennten, aber andererseits vom Menschen selbst den Aufstieg in die höhere Welt erwarteten.
[...]
[1] Vgl. Dudenverlag, Duden: das Herkunftswörterbuch, Mannheim 42007,18.
[2] Vgl. Ders., Duden: das Synonymwörterbuch, Mannheim 42007, 49.
[3] Vgl. Vroom, Hendrik M., Art. Absolutheitsanspruch des Christentums, in: RGG41 (1998), 82.
[4] Knitter, Paul F., Ein Gott - viele Religionen, München 1988.
[5] Vgl. Ebd., 49.
[6] Vgl. Ebd., 51.
[7] Vgl. Ebd., 54.
[8] Vgl. Frei, Gebhard, Die Grundgedanken der Psychologie von C.G. Jung, in: White, Victor (Hg.), Gott und das Unbewusste, Zürich 1957, 314Ü
[9] Vgl. Knitter, Paul F., Ein Gott, 55.
[10] Pfüller, Wolfgang, Der Streit der Religionen - rational entscheidbar?, Frankfurt am Main 1986.
[11] Vgl. Ebd., 9.
[12] Vgl. v. Schlippe, Gunnar, Die Absolutheit des Christentums bei Ernst Troeltsch auf dem Hintergrund der Denkfelder des 19. Jahrhunderts, Neustadt a. d. Aisch 1966,10.
13 Vgl. Troeltsch, Ernst, Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902/1912). Mit den Thesen von 1901 und den handschriftlichen Zusätzen, in: Rendtorff, Trutz (Hg.), Ernst Troeltsch. KGA 5, Berlin / New York 1998,191. (Dieses Werk wird im Folgenden durch „KGA 5“ abgekürzt).
[14] Vgl. Ebd., 191.
15 Vgl Ebd., 193.
[16] Ebd., 192.
[17] Vgl. Bernhardt, Reinhold, Vor dem Richterstuhl der Religionsgeschichte. Zur Problematik der Versuche, Religionen zu evaluieren, in: Bernhardt, Reinhold / Pfleiderer, Georg (Hgg.), Christlicher Wahrheitsanspruch - historische Relativität. Auseinandersetzung mit Ernst Troeltschs Absolutheitsschrift im Kontext heutiger Religionstheologie, Zürich 2004, 210.
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