Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Rassismus in Kinderbüchern. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage: Inwiefern spiegelt sich Rassismus in Kinderbüchern wider und wie sollte der pädagogische Umgang mit diesen Büchern erfolgen? Um diese Frage zu beantworten, wird mit einer ausgiebigen Betrachtung von Rassismus begonnen. Hierfür wird der Begriff Rassismus zunächst erläutert und anschließend die Entstehung von Rassismus genauer betrachtet. Weiterhin sollen einige Formen des Rassismus dargestellt werden. Im Anschluss wird untersucht, inwiefern Kinder mit dem Thema Rassismus in Berührung kommen. Hierfür wird auf Erfahrungen eingegangen, die Kinder bereits machen oder gemacht haben und anschließend wird ein Bildungskonzept zur vorurteilsbewussten Erziehung vorgestellt. Der sogenannte Anti-Bias-Ansatz soll in einem kurzen Exkurs veranschaulicht werden. Der zweite Teil der Arbeit konzentriert sich auf den Rassismus in Kinderbüchern. Dieser soll anhand von vier Beispielbüchern analysiert werden. Darunter befinden sich "Die kleine Hexe", geschrieben von Otfried Preußler, "Jim Knopf" von Michael Ende, "Pippi Langstrumpf" von Astrid Lindgren und "Der Struwwelpeter", der vom Autor Heinrich Hoffmann stammt. Im dritten Teil der Arbeit werden Vorgehensweisen und ein pädagogischer Umgang mit diesen und entsprechenden Büchern dargelegt. Ein abschließendes Fazit mit zusätzlicher Stellungnahme der Autorin rundet die Arbeit ab.
Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass unzählige Nuancen von Hautfarben auf der Welt existieren. Anhand dieser vielfältigen Farbtöne wurden die Menschen in früheren Jahren eingeteilt. Es entstanden Bezeichnungen wie ‚Weiße‘, ‚Gelbe‘, ‚Schwarze‘ und ‚Rote‘. Doch sind sind diese Titel mit Vorsicht zu benutzen, da sie rassistisch behaftet sind. Mit den Jahren haben sich Vorurteile entwickelt, die auf diese sogenannten „Rassen“ zutreffen sollen. Bereits Kinder werden sehr früh mit diesem sogenannten Rassismus konfrontiert und erkennen diesen oftmals in sehr jungen Jahren. Spiele oder Essensprodukte degradieren andere Hautfarben. Die Folgen sind Mobbing und Ausgrenzung auf dem Schulhof. Doch schon vor der Einschulung können Kinder mit Rassismus in Berührung kommen. Dies geschieht häufig durch Kinderbücher, die ihnen die Eltern wohlwollend vorlesen oder ab einem gewissen Alter selbst gelesen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Rassismus
2.1 Begriffserklärung
2.2 Entstehung
2.3 Formen
2.3.1 Direkter Rassismus
2.3.2 Indirekter Rassismus
2.3.3 Personaler Rassismus
2.3.4 Struktureller Rassismus
2.3.4.1 Institutioneller Rassismus
2.3.4.2 Symbolischer Rassismus
2.3.5 Umgekehrter Rassismus
2.4 Kinder und Rassismus
2.4.1 Erfahrungen
2.4.2 Exkurs: Anti-Bias-Ansatz
3. Rassismus in Kinderbüchern anhand von Beispielen
3.1 Die kleine Hexe von Otfried Preußler
3.2 Jim Knopf von Michael Ende
3.3 Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren
3.4 Der Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann
4. Pädagogischer Umgang mit rassistischen Kinderbüchern
5. Fazit
6. Abbildungsverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass unzählige Nuancen von Hautfarben auf der Welt existieren. Dazu gehören zum Beispiel rosa, oliv sowie vielfältige Beige- und Brauntöne. Anhand dieser Farbtöne wurden die Menschen eingeteilt. Es entstanden Bezeichnungen wie ‚Weiße‘, ‚Gelbe‘, ‚Schwarze‘ und ‚Rote‘ (vgl. Arndt 2017, S. 33). Heutzutage ist allgemein bekannt, dass diese Titel mit Vorsicht genutzt werden sollten, da sie rassistisch behaftet sind. Mit den Jahren haben sich Vorurteile entwickelt, die auf diese sogenannten „Rassen“ zutreffen sollen. So sollen schwarze Menschen besonders sportlich und musikalisch sein (vgl. Ransiek 2019, S. 1). Allerdings sind die Zuschreibungen nicht immer positiv. „In der christlichen Religion gilt Weiß als Farbe des Göttlichen und seiner Engel, des Himmlischen und seiner Transparenz, von Unschuld und Jungfräulichkeit. Schwarz verkörpert dagegen das Monströse des Teufels und die Untiefen der Hölle – und damit Sünde und Schande, Ungehorsam und Schuld“ (Arndt 2017, S. 36). Hier werden die Unterschiede zwischen den Farben deutlich. Diese wurden mitunter auf den Menschen übertragen, sodass dunkelhäutige Menschen oft als böse oder feindselig betrachtet werden. Auch in Deutschland wird die weiße Hautfarbe im Allgemeinen als „normal“ betrachtet. Wohingegen die schwarze Hautfarbe häufig als Aberration, also als Abweichung verstanden wird und mit Vorurteilen behaftet ist (vgl. Sackeyfio 2015, S. 207).
Bereits Kinder werden sehr früh mit Rassismus konfrontiert und erkennen diesen oftmals in sehr jungen Jahren (vgl. Mätschke 2017, S. 249). Spiele oder Essensprodukte degradieren andere Hautfarben. Die Folgen sind Mobbing und Ausgrenzung auf dem Schulhof. Doch schon vor der Einschulung können Kinder mit Rassismus in Berührung kommen. Dies geschieht häufig durch Kinderbücher, die ihnen die Eltern wohlwollend vorlesen oder ab einem gewissen Alter selbst gelesen werden. Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich infolgedessen mit dem Thema Rassismus in Kinderbüchern. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage: Inwiefern spiegelt sich Rassismus in Kinderbüchern wider und wie sollte der pädagogische Umgang mit diesen Büchern erfolgen?
Um diese Frage zu beantworten, wird mit einer ausgiebigen Betrachtung von Rassismus begonnen. Hierfür wird der Begriff Rassismus zunächst erläutert und anschließend die Entstehung von Rassismus genauer betrachtet. Weiterhin sollen einige Formen des Rassismus dargestellt werden. Da sich diese Arbeit auf Rassismus in Kinderbüchern spezialisiert und nicht allgemein auf Rassismus, können nicht alle Formen genannt und erläutert werden. Die hier ausgewählten Formen lauten: direkter Rassismus, indirekter Rassismus, personaler Rassismus, struktureller Rassismus und umgekehrter Rassismus. Unter dem strukturellen Rassismus werden des Weiteren der institutionelle Rassismus sowie der symbolische Rassismus gefasst. Im Anschluss wird untersucht, inwiefern Kinder mit dem Thema Rassismus in Berührung kommen. Hierfür wird auf Erfahrungen eingegangen, die Kinder bereits machen oder gemacht haben und anschließend wird ein Bildungskonzept zur vorurteilsbewussten Erziehung vorgestellt. Der sogenannte Anti-Bias-Ansatz soll in einem kurzen Exkurs veranschaulicht werden.
Der zweite Teil der Arbeit konzentriert sich auf den Rassismus in Kinderbüchern. Dieser soll anhand von vier Beispielbüchern analysiert werden. Darunter befinden sich Die kleine Hexe, geschrieben von Otfried Preußler, Jim Knopf von Michael Ende, Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren und Der Struwwelpeter, der vom Autor Heinrich Hoffmann stammt. Im dritten Teil der Arbeit werden Vorgehensweisen und ein pädagogischer Umgang mit diesen und entsprechenden Büchern dargelegt. Ein abschließendes Fazit mit zusätzlicher Stellungnahme der Autorin rundet die Arbeit ab.
2. Rassismus
2.1 Begriffserklärung
Der Begriff Rassismus lässt sich nicht einheitlich definieren. Die Autor*innen haben teilweise unterschiedliche Ansichten darüber. Dies ist auf die vielen verschiedenen Forschungen sowie Untersuchungen zurückzuführen, die zu diesem Thema durchgeführt wurden (vgl. Koller 2009, S. 8). Der Historiker Christian Koller grenzt die Definitionen wie folgt voneinander ab: „Grundsätzlich lässt sich zwischen eher inhaltlichen, auf die Substanz des Rassismus abzielenden und eher formalen, auf seine Funktionsweise fokussierenden Definitionsversuchen unterscheiden“ (ebd.). Als ein Beispiel für die erste Art kann die Definition von Imanuel Geiss zitiert werden. Der Historiker beschreibt Rassismus als ein Annehmen von „angeblich nicht oder nur langfristig veränderbare[n] ,Rassen', die mit bestimmten Charaktereigenschaften verknüpft und höchstens durch biologische Prozesse der ,Rassen'-Vermischung zu verändern seien. Zu den zentralen Eigenschaften von ,Rassen' gehöre ihr Status als ,überlegene' und ,unterlegene' ,Rassen'“ (Geiss 1988, S. 15).
Der Deutungsversuch von Christian Geulen zählt zur zweiten Definitionsart. Der Autor und Historiker definiert Rassismus formal und regt an, diesen „als einen Versuch zu verstehen, in Zeiten verunsicherter Zugehörigkeit entweder hergebrachte oder aber neue Grenzen von Zugehörigkeit theoretisch zu begründen und praktisch herzustellen. Die theoretische Begründung erfolgt auf dem Wege der Produktion eines bestimmten Wissens, erstens über die angeblich wahre Natur derjenigen, die in die eigene Gemeinschaft einzuschließen bzw. aus ihr auszuschließen sind, und zweitens, über die generelle und naturgewollte Lebensnotwendigkeit solcher Unterscheidungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Ihre praktische Herstellung manifestiert sich dann in vielfältigen und oftmals gewaltsamen Bemühungen, die erfahrbare Wirklichkeit dem theoretischen Wissen anzupassen, die Welt also nach Maßgabe der Theorie zu gestalten und der angeblichen Natur ihr Recht zu verschaffen.“ (Geulen 2014, S. 11 f.).
Eine weitere Definition stammt von der Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt, die bekannt ist für ihre Werke über Afrika und Rassismus. Die Professorin führt aus, dass es beim „Rassismus im Kern darum geht, die weiße,Rasse' mitsamt dem Christentum, das als dem Weißsein inhärent verstanden wird, als vermeintlich naturgegebene Norm(alität) hinzustellen, um eigene Ansprüche auf Herrschaft, Macht und Privilegien zu legitimieren und zu sichern“ (Arndt 2012, S. 15). Koller verweist jedoch darauf, dass keine Definition als die eine richtige Definition angesehen werden kann, da die verschiedenen Theorien Unstimmigkeiten aufweisen und relevante Punkte dabei häufig außer Acht gelassen werden (vgl. Koller 2009, S. 8 f.).
Die meisten Definitionen beinhalten den Begriff Rasse. Dieses Wort setzt sich aus dem arabischen Begriff ,raz' (deutsch: Kopf, Anführer, Ursprung) und dem lateinischen ,radix' (deutsch: Wurzel) zusammen (vgl. Geulen 2018, S. 24). Hiermit sind Menschengruppen gemeint, die durch angeborene beziehungsweise genetische Merkmale unterschieden und dadurch definiert werden. Der Begriff ist jedoch sehr umstritten, da sich die berechtigte Frage stellt, ob die Vielfältigkeit der Menschen anhand dieser Bereiche festgestellt und eingeteilt werden kann (vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/menschenrassen/42123; 28.04.2020; 18:50 Uhr). Dem ist hinzuzufügen, dass Autor*innen wie Geulen sowie Riepe und Riepe die Bezeichnung Rasse als „wissenschaftlich nicht mehr haltbar [betrachten] […] und [es] nach den neuesten Forschungsergebnissen [als] unsinnig [erachten], Menschen in verschiedene Rassen aufzuteilen“ (Riepe/Riepe 1995, S. 17).
Aufgrund solcher Einteilungen werden Menschen wie zum Beispiel Mohamed Amjahid, dessen Eltern aus Marokko stammen, mit rassistischen Erfahrungen konfrontiert. Für ihn ist Rassismus „eine Ideologie, die besagt, dass bestimmte Menschen mit bestimmten äußerlichen Merkmalen weniger wert sind als andere Menschen. Rassismus geschieht zugleich ganz konkret, nebenbei, unbewusst, gedankenlos. Ohne nachzudenken, beurteilen wir Menschen nach Kategorien wie Name, Muttersprache, Herkunft, sichtbarer Religionszugehörigkeit oder Hautfarbe“ (Amjahid 2017, S. 11). Mohamed Amjahid ist allerdings kein Einzelfall. Als Beleg für diese These kann eine Studie angeführt werden, bei der 26% der Teilnehmer*innen aussagten, dass schwarze Menschen nicht nach Deutschland passen würden und 24% Bedenken hätten, wenn ihnen schwarze Männer auf der Straße entgegenkämen (vgl. Flaig 2009, S. 12). Hinzuzufügen ist, dass Rassismus selbstverständlich nicht nur in Deutschland stattfindet, sondern über dessen Grenzen hinausgeht und weltweit zu finden ist. Als Beispiele sollen zwei Abbildungen dienen, die aus den Nachbarländern der Bundesrepublik Deutschland stammen.
Die folgende Grafik (siehe Abbildung 1) zeigt in Prozentzahlen, wie viele Menschen im Jahr 2018 diskriminierende beziehungsweise rassistische Erfahrungen gemacht haben. Unterschieden wird hierbei zwischen Menschen mit und Menschen ohne Migrationshintergrund. Da die Datenerhebung in der Schweiz stattgefunden hat, bezieht sich das Diagramm auf die Situation in der Schweiz.
Es ist deutlich zu erkennen, dass Menschen mit Migrationshintergrund (ca. 28%) viel häufiger aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, Religion, Herkunft oder der Hautfarbe diskriminiert werden als Menschen ohne diesen Hintergrund (ca. 9%). Insgesamt waren es im Jahr 2018 ungefähr 17%, die in der Schweiz leben und rassistische Erfahrungen gemacht haben.
Die zweite Abbildung (siehe Abbildung 2) verdeutlicht und konkretisiert nun Vorfälle in Österreich aus demselben Jahr. Sie stammt aus dem „Rassismus Report 2018“ des österreichischen Vereins „ZARA – Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit“. Dieser Bericht erscheint einmal im Jahr und veröffentlicht rassistische Übergriffe sowie Vorkommnisse.
Insgesamt wurden 1.920 Fälle von dem oben genannten Verein bearbeitet. Gemäß diesem Diagramm ist die Anzahl der rassistischen Vorfälle, die im Internet verüb t wurden, am höchsten. Es wurden 1.164 Fälle gemeldet. Das entspricht etwas mehr als 60%. In anderen Bereichen wie beispielsweise in der Öffentlichkeit, den Dienstleistungen, der Politik sowie der Polizei und weiteren Behörden zeigte sich zwar ebenfalls Rassismus, dennoch wurden bei weitem nicht so viele Fälle gemeldet wie im Bereich des Internets.
Abbildung 3 stellt nun die Entwicklung des Rassismus von 2010 bis 2017 dar. Diese Grafik erstellte und veröffentlichte ebenfalls der Verein „ZARA – Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit“ aus Wien. Sie bestätigt das obige Diagramm, denn die Fälle im Internet nehmen seit 2010 stetig zu. Die anderen Bereiche wie beispielsweise der öffentliche Raum, Beschmierungen, die Polizei und Politik haben sich in den Jahren nur gering verändert. Insgesamt werden immer mehr rassistische Fälle dokumentiert. Fraglich ist, ob es tatsächlich mehr Vorfälle gibt oder mehr gemeldet werden, da die Menschen der Gleichberechtigung möglicherweise mehr Bedeutung zuweisen.
Anmerkung der Redaktion:
Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Des Weiteren wurden einige Studien in den Vereinigten Staaten von Amerika durchgeführt und veröffentlicht. Gemäß den statistischen Ergebnissen war es zwischen den Jahren 2010 und 2012 für schwarze Männer in den USA einundzwanzig Mal wahrscheinlicher von der Polizei getötet zu werden als für weiße Männer. Außerdem zeigen die Studien, dass dunkelhäutige Menschen fünfmal wahrscheinlicher eine Gefängnisstrafe erhalten und „weiße Haushalte“ um das Dreizehnfache finanzstärker sind als „schwarze Haushalte“ (vgl. Kendi 2018, S. 9).
Diese Beispiele sollen die weltweiten Ausmaße schildern, die Rassismus seit seiner Entstehung angenommen hat. Allerdings sollte Rassismus nicht mit dem Begriff Diskriminierung verwechselt werden. Diskriminierung beinhaltet weitläufigere Themen als Rassismus. Während bei Rassismus ausschließlich die Benachteiligung oder Herabwürdigung aufgrund der Hautfarbe, Herkunft, Kultur und Religion im Vordergrund steht, kommen bei Diskriminierung weitere Merkmale wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Behinderung, politische Überzeugung und sexuelle Orientierung hinzu (vgl. https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/diskriminierungsverbot/definition/; 05.05.2020; 18:20 Uhr).
Nachdem nun der Rassismusbegriff geklärt ist und einige Studien zur Veranschaulichung vorgestellt wurden, widmet sich das nächste Kapitel der Entstehung des Rassismus und gibt dadurch einen kurzen Einblick in die Geschichte.
2.2 Entstehung
Das Jahr 1492 wird in fast allen Publikationen zur Geschichte des Rassismus genannt. Die Autorin Barbara Rösch stellt fest, dass „der Beginn der „rassistischen Zeitrechnung“ […] mit der Geschichte Spaniens und dem Beginn des weltweiten Kolonialismus im Jahr 1492 verknüpft“ (Rösch 2019, S. 48) ist. Weiter schreibt sie: „1492 zwang Isabella I. (und ihr Gatte Ferdinand V.) die spanischen, fünf Jahre darauf, die portugiesischen Juden gewaltsam, sich taufen zu lassen oder das Land zu verlassen“ (ebd., S. 48 f.). Die Autorin Susan Arndt bestätigt dies und weist zudem auf die Vertreibung und Ausbeutung der Moslems hin (vgl. Arndt 2017, S. 30). Sie nennt den Begriff „Zwangschristanisierung [sic!]“ (ebd.). Rösch führt dies aus: „Die ethnische und religiöse (d.h. christliche) Homogenität wurde von der spanischen Krone als Voraussetzung für die nationalstaatliche Einheit angesehen, die mit einer systematischen Vertreibung von vermeintlich nicht dazugehörigen „fremden“ Menschen einherging. Damit wird zum ersten Mal in der europäischen Geschichte Rassismus in seiner brutalsten Form umgesetzt: Die Zweiteilung der Menschheit in ein „Wir“ und „die Fremden, Anderen“, einhergehend mit Ausbeutung und gesellschaftlich-institutioneller Diskriminierung und Ausbeutung und bis hin zum Völkermord in den südamerikanischen Ländern“ (Rösch 2019, S. 49).
Hinzu kam der Einfall, Menschen aus Afrika nach Amerika als Sklav*innen zu überführen. Diese Idee wurde von dem Kämpfer für Menschenrechte Bartholomé de las Casas verbreitet und schließlich im Jahr 1510 umgesetzt (vgl. Arndt 2017, S. 30 f.). Laut Arndt wurden „diese Menschen nicht gezählt, sondern wie Vieh gewogen und in Lagern und auf Schiffen grausam zusammengepfercht“ (ebd., S. 31). 1994 hat die afro-amerikanische Anthropologin und Theoretikerin Marimba Ani den Begriff „Maafa“ für diese Erfahrungen der Afrikaner*innen mit weißer Gewalt geprägt. „Maafa“ ist Swahili und heißt übersetzt „Katastrophe, schreckliche Begebenheit, große Tragödie“ (vgl. Rösch 2019, S. 50).
Der Rassenbegriff war zunächst nur in der Pferdezucht gebräuchlich. Im Spätmittelalter, also Mitte des 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, wurde er allerdings auch für die Beschreibung von Einfluss und Nobilität einer adligen Familie genutzt. Es kann also festgestellt werden, dass der Begriff bereits seit Beginn seiner Verwendung Eigenschaften anhand des Erscheinungsbildes definiert (vgl. Geulen 2018, S. 24). Obgleich diese Vorstellungen zu dieser Zeit bereits existierten, gab es die eigentliche Rassentheorie noch nicht. Sie wurde erst ab dem 18. Jahrhundert in der Aufklärungsepoche entwickelt. Zu dieser Zeit, etwa um 1750, entstand auch nachfolgendes Bild von Antoine Pesne (siehe Abbildung 4). Das Gemälde zeigt Henriette Karoline von Hessen-Darmstadt mit ihrem Diener. Während die Großherzogin sehr hellhäutig ist sowie groß und erhaben wirkt, hat ihr Diener dunkle Haut und ist klein. Möglicherweise kniet er neben ihr. Der Diener blickt anbetend zu der Herzogin hinauf und hält dabei eine Blume in seiner linken Hand, als würde er sie ihr reichen wollen. Es wird unmissverständlich klar, welche Person beziehungsweise Rasse die höhere Stellung innehat.
Philosophen wie Voltaire, Kant und Hegel setzten sich das Ziel, die Welt zu strukturieren und zu ordnen. Aus diesem Grund beschäftigten sie sich näher mit der Einteilung und Hierarchisierung der sogenannten Menschenrassen. Sie waren davon überzeugt, dass das Aussehen eines Menschen mit dessen Verstand zusammenhängen muss (vgl. Rösch 2019, S. 51). Arndt verdeutlicht in ihrer Arbeit die Umstände dieser Überzeugungen, indem sie darauf verweist, dass laut dieser Rassentheorie die weiße Rasse an der Spitze der Hierarchie und deshalb besser als die anderen Rassen sei (vgl. Arndt 2017, S. 32). Rösch bestätigt dies und sieht diese Theorie auch noch in der heutigen Zeit, denn sie schreibt: „Somit entstanden stark ausgeprägte Stigmatisierungen, Rassifizierungen, Exotisierungen und Herabwürdigungen von Menschen. Bis heute wird die erlogene Überlegenheit der weißen, christlichen westeuropäischen Menschen über Menschen in und aus den afrikanischen Staaten, ihrer Sprache, Religion und Lebensweise ,Zivilisation' genannt. Europäische Standards wurden zur ,Norm' erhoben. Dabei wurde die Vorstellung eines ,Afrika' aus europäischer Sicht als Negation dessen konstruiert, was sich West-Europa zu sein vorstellte bzw. wünschte“ (Rösch 2019, S. 51 f.).
Dass diese Rassifizierung weit über die Aufklärungszeit hinausreicht, zeigt sich beispielsweise in den Reklamefiguren für Sarotti und Persil, die in den 1950er Jahren durch die Nachkriegszeit relevant wurden. Der „Sarotti-Mohr“ wirbt für eine Schokoladenmarke und die „weiße Dame“ für ein Waschmittel (siehe Abbildung 5). Während der Entnazifizierungsphase wurde der sogenannte „Persilschein“ von großer Bedeutung. Hund erläutert: „Aus den Entnazifizierungsverfahren gingen viele Nazis unbeschadet hervor. Der Prozess reinigte sie von braunen Flecken und verhalf ihnen zu einer weißen Weste“ (Hund 2017, S. 151). Deutlich wird hier erneut, dass die Farbe „weiß“ Reinheit und Unberührtheit darstellt, während „braun“ etwas Schlechtes symbolisiert. Zur Bedeutung der beiden Figuren schreibt er: „Dabei sind die Werbefiguren zwei Seiten einer Medaille und machen zusammengenommen überdeutlich, wie sich die Deutschen, obwohl ihre Politik Anlass zur Durchsetzung des Begriffs ,Rassismus' gegeben hatte, zumindest im Westen schnell wieder ,weiß' waschen konnten“ (ebd., S. 153).
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Begriff „Rassismus“ erst sehr spät genutzt wurde. Der Sexualforscher Magnus Hirschfeld schrieb 1933/34 sein Werk „Racism“ (dt: Rassismus) und nutzte dieses Wort, um eine Lehre zu beschreiben, die sich mit der Existenz von Menschenrassen auseinandersetzt. Er hatte damals das Anliegen, die Rassenideologie des Nationalsozialismus zu widerlegen. Veröffentlicht wurde es jedoch erst im Jahre 1938 (vgl. Arndt 2017, S. 30).
Im Folgenden sollen nun einige Formen des Rassismus, die im Laufe der Zeit entstanden sind, genauer betrachtet und erläutert werden.
2.3 Formen
Rassismus kommt in vielen unterschiedlichen Arten vor. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, können in dieser Arbeit nicht alle Formen aufgelistet werden. Die nachfolgenden sind lediglich eine kleine Auswahl, die zum besseren Verständnis des Rassismusbegriffs dienen sollen. Auf keinen Fall sollten sie immer getrennt voneinander betrachtet werden. Es ist durchaus möglich, dass Formen in gewissen Situationen zusammenhängen. Darauf wird im Laufe des Kapitels allerdings noch genauer eingegangen.
2.3.1 Direkter Rassismus
Die erste Form, die hier beschrieben wird, lautet direkter Rassismus. Sie kann auch als unmittelbarer Rassismus bezeichnet werden. Gemäß dem Verein für Menschenrechte humanrights aus der Schweiz wird diese Form definiert als Handlung oder Regel, die sehr deutlich eine rassistische Ungleichheit und Ungerechtigkeit darstellt (vgl. https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrech te/diskriminierung/diskriminierungsverbot-dossier/juristisches-konzept/formen-der-diskriminierung/; 13.08.2020; 10:20 Uhr).
Zwei kurze Beispiele, die der erwähnte Verein nennt, sollen dabei helfen, diese Form zu verdeutlichen: „Eine direkt diskriminierende Handlung liegt [...] vor, wenn eine Person aufgrund ihrer nationalen Herkunft nicht angestellt oder mit Hinweis auf die Hautfarbe nicht in ein Lokal eingelassen wird“ (ebd.).
Es ist an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass zusätzlich zum Begriff des direkten Rassismus ebenso der Begriff der direkten Diskriminierung existiert. Diese Form bezieht sich allerdings auf die oben bereits genannte Diskriminierung. Zum besseren Verständnis soll nun folgendes Beispiel zur direkten Diskriminierung dienen: „Eine direkte Diskriminierung stellt z.B. die Regelung einer Kinderkrippe dar, für ein Kind mit Down-Syndrom automatisch höhere Kosten zu verrechnen, mit der Begründung, dass Kinder mit Behinderung mehr Aufwand erfordern“ (ebd.).
Auch viele weitere Formen, die nun anschließend genannt werden, könnten Formen von Diskriminierung darstellen. Es sollte allerdings beachtet werden, dass sich diese Arbeit mit dem Thema Rassismus auseinandersetzt. Aus diesem Grund wird auf diese Formen nicht weiter eingegangen.
2.3.2 Indirekter Rassismus
Das Gegenteil des direkten Rassismus ist der indirekte Rassismus. Diese Form kann auch mittelbarer oder versteckter Rassismus genannt werden. Unter dieser Form versteht der bereits genannte schweizerische Verein humanrights Regeln oder Handlungen, die einerseits wertfrei formuliert sind sowie keine expliziten Herabsetzungen beinhalten und andererseits dennoch Benachteiligungen bei bestimmten Gruppen bewirken (vgl. https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrech te/diskriminierung/diskriminierungsverbot-dossier/juristisches-konzept/formen-der-diskriminierung/; 13.08.2020; 10:20 Uhr).
Diese Form liegt zum Beispiel dann vor, wenn in einer Firma überwiegend dunkelhäutige Menschen halbtags und hellhäutige Menschen ganztags arbeiten würden. Ist aber eine Beförderung nur für Angestellte erreichbar, die ganztags arbeiten, dann würden die dunkelhäutigen Arbeiter indirekt rassistisch behandelt werden (vgl. ebd.).
Es ist durchaus notwendig zu betonen, dass indirekter Rassismus meistens nicht als solcher erkannt wird und aus diesem Grund auch sehr schwer nachzuweisen ist. Wird dieser jedoch statistisch dokumentiert und dadurch belegt, dass eine gewisse Gruppe von Menschen durch eine nachgewiesene Regelung ungerecht behandelt wird und diese Benachteiligung erlangt ein großes Ausmaß, so liegt eine Form von Rassismus vor, die rechtlich unzulässig ist (vgl. ebd.).
2.3.3 Personaler Rassismus
Des Weiteren gibt es noch den personalen Rassismus. Um diese Art handelt es sich dann, wenn der Rassismus „direkt von Personen ausgeht, wenn also beipsielsweise [sic!] diskriminierende Äußerungen getätigt, direkte Gewalt ausgebübt [sic!] wird oder eine Person aus diskrimierenden [sic!] Gründen ausgeschlossen oder marginalisiert wird“ (https://andreaskemper.org/2010/08/25/diskriminierung-8bgikaqot3ts-3/; 08.05.2020; 10:15 Uhr). Die Ursache des Rassismus kann hier also eine einzelne Person sowie mehrere Personen, die als Gruppe handeln, sein.
Personaler Rassismus bezieht sich auf den oben bereits beschriebenen direkten Rassismus. In beiden Fällen geht die rassistische Handlung direkt von einer oder mehreren Personen aus und diskriminiert eine weitere Person oder Menschengruppe, die zum Beispiel eine andere Hautfarbe oder Religion besitzt. Laut Kemper hat die rassistisch handelnde Person bereits Vorurteile gegenüber Menschen, die anders sind als sie selbst. Dennoch kann sich der Rassismus bewusst oder unbewusst vollziehen. Außerdem weist Kemper darauf hin, den personalen Rassismus nicht mit einer individuellen Benachteiligung zu verwechseln, da wie bereits geschildert, auch Gruppen betroffen sein können (vgl. ebd.).
An der Universität Bielefeld wird der personale Rassismus beziehungsweise die personale Diskriminierung genauer untersucht. Eine Forschungsgruppe vermutet hierbei, dass „es ein Syndrom gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gebe, welches sich darin äußere, dass Personen, die eine diskriminierte Gruppe vorurteilshaft abwerten, oftmals auch andere diskriminierte Gruppen abwerten“ (ebd.). Bei diesem Forschungsprojekt mit dem Titel „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland“ handelte es sich um eine zehnjährige Langzeituntersuchung, die zwischen den Jahren 2002 und 2012 durchgeführt wurde. Es wurden jährlich etwa 2.000 Personen zu ihrer Einstellung gegenüber den „schwachen“ Gruppen befragt (vgl. https://www.unibielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit_Zusammenfassung.pdf; 08.05.2020; 12:30 Uhr). Die nachfolgende Grafik stellt die Ergebnisse dieser Studie von 2002 bis 2010 dar (siehe Abbildung 6). Die schwarze Linie bildet den Rassismus ab.
Die Forschungsgruppe der Universität Bielefeld fasst die Auswertung der Interviewfragen wie folgt zusammen: „In 2010 sind 11% (2002: 16%) der befragten Deutschen der Ansicht, ‚die Weißen sind zu Recht führend in der Welt‘. 19% (2002: 22%) meinen, ‚Aussiedler sollten aufgrund ihrer deutschen Abstammung besser gestellt werden als Ausländer‘. Das Ausmaß von Rassismus stagniert weitgehend seit 2002 mit leicht abfallender Tendenz“ (ebd.). Anhand dieser Aussagen und der dargestellten Grafiken lässt sich zusammenfassend sagen, dass der personale Rassismus insgesamt zurückgeht. Dies unterscheidet sich grundlegend von den Erkenntnissen aus Abbildung 3. Dort wurde festgestellt, dass die Anzahl der gemeldeten Fälle ansteigt. Nun stellt sich die Frage, ob die rassistischen Vorfälle tatsächlich ab 2010 angestiegen sind oder einfach mehr Personen diese melden. Es könnte auch damit zusammenhängen, dass es sich um zwei unterschiedliche Länder, Deutschland und Österreich handelt oder der personale Rassismus in der unteren Grafik im Vordergrund steht, während in der oberen der allgemeine Rassismus gemeint ist. Auch die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 könnte hierbei eine Rolle spielen und die Zunahme der Fälle in Abbildung 3 verursacht haben.
2.3.4 Struktureller Rassismus
Der strukturelle Rassismus wird in der Literatur auf unterschiedliche Weise dargestellt und definiert. Einige Quellen wie beispielsweise die Antidiskriminierungsstelle in Deutschland sehen ihn als Synonym für den institutionellen Rassismus (vgl. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/ DE/ThemenUndForschung/Ethnische_Herkunft/Themenjahr_2014/fragen_antworten_Rassismus/faq_rassismus_node.html; 10.05.2020; 15:40 Uhr). Andere wiederum grenzen diese beiden Formen voneinander ab und definieren jede eigenständig. Als Beispiel kann hier der Verein humanrights aus der Schweiz angeführt werden (vgl. https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/diskriminierun g/diskriminierungsverbot-dossier/juristisches-konzept/formen-der-diskriminierung/; 13.08.2020; 10:30 Uhr). In dieser Arbeit wird diese Form als Oberbegriff von weiteren Formen wie beispielsweise dem institutionellen Rassismus verwendet. Das bedeutet, dass der strukturelle Rassismus den institutionellen Rassismus mit einschließt.
Der strukturelle Rassismus ist das Gegenteil des personalen Rassismus und bezieht sich somit auf den indirekten Rassismus. Laut Kemper findet sich die Ursache dieser Form in den Strukturen der Gesellschaft und geht eben nicht wie im personalen Rassismus von Personen direkt aus (vgl. https://andreaskemper.org/2010/08/25/diskriminierung-8bgikaqot3ts-3/; 10.05.2020; 16:20 Uhr). Zu finden ist diese Art zum Beispiel in „gesellschaftlichen Institutionen wie Schule, Regierungsformen, Gesetzen, Religionsgemeinschaften oder in symbolischen Vereinbarungen wie beispielsweise in Sprachregelungen“ (ebd.).
Aus diesen Beispielen geht hervor, dass der strukturelle Rassismus nicht nur den institutionellen Rassismus, sondern auch den symbolischen beinhaltet. Diese beiden Formen werden nun in den anschließenden zwei Kapiteln genauer erläutert.
2.3.4.1 Institutioneller Rassismus
Während sich der strukturelle Rassismus allgemeiner auf Strukuren bezieht, richtet der institutionelle Rassismus seinen Blick spezifischer auf Institutionen. Genauer gesagt, kann dann von dieser Art gesprochen werden, „wenn die internen Regeln, Gewohnheiten und Abläufe einer Institution […] dazu führen, dass Angehörige bestimmter Minderheiten von der Institution regelmässig benachteiligt werden“ (https://www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/diskriminierung/diskriminierungsverbot-dossier/juristisches-konzept/formen-der-diskriminierung/; 13.08.2020; 10:30 Uhr).
Autor*innen wie Andreas Kemper führen als Beispiel vor allem das deutsche Schulsystem an (vgl. https://andreaskemper.org/2010/08/25/diskriminierung-8bgikaqot3ts-3/; 10.05.2020; 22:20 Uhr). Die Autorin Barbara Rösch bestätigt dies in ihrer Arbeit und erläutert den Sachverhalt exemplarisch an der Grundschule: „Für die Identitätsentwicklung ist dieser institutionalisierte Rassismus ebenso gravierend wie die direkten Ausgrenzungen und Beleidigungen. Als eine Art heimlicher Lehrplan wirken überdies auch sämtliche in der Lebenswelt der Schüler*innen vorhandenen Bilder und Botschaften, die (oft unbeabsichtigt) Schwarz- und Weißsein thematisieren. Durch Familie, Freund*innen, Spiele, Kinderbücher, Abbildungen in Medien und Lehrmaterialien, Redewendungen und die beschriebene Verwendung des Adjektivs ,schwarz' mit eindeutig negativer Bedeutung, erhalten die Kinder Informationen über die Brisanz und Wirkmächtigkeit der Kategorie ,Hautfarbe'. Diese Informationen sind meist subtil“ (Rösch 2019, S. 68). Auf die Erfahrungen und Erlebnisse, die bereits Kinder oft unbemerkt mit Rassismus machen, wird in einem späteren Kapitel noch genauer eingegangen. Kemper weist darauf hin, dass in diesen Fällen der institutionelle Rassismus mit dem personalen Rassismus ineinandergreifen kann, denn obwohl vieles von der Institution Schule ausgeht, sind die Lehrkräfte häufig diejenigen, die den Rassismus auf personaler Ebene ausüben (vgl. https://andreaskemper.org/2010/08/25/diskriminierung-8bgikaqot3ts-3/; 10.05.2020; 22:40 Uhr).
Die Autor*innen Iman Attia und Ozan Keskinkilic stellen fest, dass an dieser Form die Unterschiede zwischen Rassismus und Vorurteilen gut zu erkennen sind. Diese These lässt sich damit begründen, dass es beim institutionellen Rassismus nicht ausschließlich um Einstellungen, Bemerkungen oder Tätigkeiten von einzelnen Personen geht, sondern um gesellschaftliche sowie institutionelle Strukturen und Regelungen (vgl. Attia/Keskinkilic 2017, S. 122).
Des Weiteren merken die Autor*innen an, dass „in der Rassismusforschung […] zwei Varianten des institutionellen Rassismus unterschieden [werden]. Beide vermeiden offen rassistische Argumentationen“ (ebd., S. 123). Die erste Variante stellt institutionellen Rassismus in Situationen dar, in denen Herabsetzungen und Benachteiligungen entstehen, denen nachgegangen wird (vgl. ebd.). Das nachfolgende Beispiel nach einer wahren Begebenheit soll zur Verdeutlichung dieser Variante dienen: „Kopftuch tragende Musliminnen klagten gegen ihre Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst. […] Das Urteil im Jahr 2003 stellte fest, dass es keine gesetzliche Grundlage für den Ausschluss vom Schuldienst aufgrund ihres Kopftuches gebe. Daraufhin wurde in einigen Bundesländern eine Regelung verabschiedet, die es Lehrerinnen verwehren sollte, mit Kopftuch zu unterrichten. Sie wurde mit dem staatlichen Neutralitätsgebot begründet […]. Kopftuch tragende Frauen wurden also weiterhin nicht im öffentlichen Dienst eingestellt, allerdings nun mit Hinweis auf das Neutralitätsgesetz. Die Rechtfertigung hat sich verändert, die Ausgrenzungspraxis ist geblieben. Inzwischen mussten allerdings einige Bundesländer entsprechende Entscheidungen revidieren, da nach weiteren Klagen deutlich wurde, dass Muslim_innen auch durch das Neutralitätsgesetz diskriminiert werden“ (ebd.).
Die zweite Variante bezieht den institutionellen Rassismus auf Umstände, in denen diese Diskriminierungen so abgeändert werden, dass der rassistische Inhalt nicht zu erkennen ist. Wörter werden häufig in andere umgewandelt, die nicht rassistisch behaftet sind (vgl. ebd.). Attia und Keskinkilic führen als Beispiel das weiter oben bereits beschriebene Wort „Rasse“ an: „Im Deutschen etwa findet der Begriff ‚Rasse‘ auf Menschen bezogen kaum noch Anwendung, er ist aber durch den Begriff der ‚Ethnie‘ oder der ‚Kultur‘ ersetzt worden, sodass nun Sinte_zza und Rom_nja nicht mehr wegen ihrer vermeintlichen ‚Rasse‘, sondern ihrer vermeintlichen ethnischen oder kulturellen Eigenheiten diskriminiert werden“ (ebd.).
Daraus ergibt sich, dass „institutioneller Rassismus […] nicht als solcher offen ausgesprochen werden [muss], er muss auch nicht intendiert sein, ja er muss noch nicht einmal durch Handlungen erfolgen, sondern auch durch Unterlassung – etwa indem kein Unterschied gemacht wird, obwohl dadurch gesellschaftliche Benachteiligung ausgeglichen werden könnte“ (ebd.). Anhand dieser Aussage wird erneut deutlich, wie der institutionelle Rassismus mit dem indirekten Rassismus zusammenhängt.
2.3.4.2 Symbolischer Rassismus
Der symbolische Rassismus gehört ebenfalls zum strukturellen Rassismus und ist gleichzeitig eine Form des modernen Rassismus (vgl. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/symbolischer-rassismus/15159; 11.05.2020; 13:30 Uhr). Unter symbolischem Rassismus versteht der Publizist und Soziologe Andreas Kemper Diskriminierungen und Herabwürdigungen, die durch Bilder und Sprache sichtbar gemacht werden. Diese werden meist über Medien erfahren. Das bedeutet, Medieninhalte bestimmen darüber, welche Kultur oder Sprache momentan angesagt ist. Als Beispiel nennt der Autor die Vornamen von Kindern. Klingt ein Vorname ausländisch, werden die Kinder häufig nicht hoch in ihrer Entwicklung und ihrem Können eingeschätzt. Dies führt zu Benachteiligungen und schlechter Schulbildung, da diese Kinder häufig nicht die Möglichkeit bekommen, einen höheren Bildungsabschluss zu absolvieren (vgl. https://andreaskemper.org/2010/08/25/diskriminierung-8bgikaqot3ts-3/; 11.05.2020; 14:20 Uhr).
Zudem geht Kemper näher auf den Begriff der Abwertungen ein, indem er erläutert: „Diese abwertenden Bezeichnungen werden, wenn sie sich auf ethnische Gruppen beziehen, Ethnophaulismen benannt. Ethnophaulismen gehen mit Rassialisierungen, also rassistischen Zuschreibungen einher“ (ebd.) Belege hierfür sind die Bezeichnungen schwarz und weiß sowie hell und dunkel. Wie eingangs bereits erwähnt, verknüpfen Menschen mit Hellem und Weißen etwas Gutes und Positives, während sie beim Dunklen und Schwarzen häufig etwas Schlechtes und Negatives assoziieren. In diesem Fall wurde das Helle gegenüber dem Dunklen aufgewertet. Diese Symbolik übertragen Menschen auf ihresgleichen und es entsteht der symbolische Rassismus (vgl. ebd.).
Im Bereich der Rassismusforschung wurden drei Einstellungsbereiche erkannt, in denen sich der symbolische Rassismus zeigt: „1) Soziale und politische Forderungen von Schwarzen werden strikt abgelehnt, 2) Ärger und Empörung über besondere Vergünstigungen für Schwarze, 3) Leugnung gegenwärtiger Diskriminierungen“ (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/symbolisch er-rassismus/15159; 11.05.2020; 13:30 Uhr). Diese Bereiche könnten allerdings durchaus genauso für andere Formen des Rassismus gelten und es stellt sich die Frage, warum sie ausgerechnet bei dieser Form sichtbar wurden.
2.3.5 Umgekehrter Rassismus
Die letzte hier vorgestellte Rassismusform nennt sich umgekehrter Rassismus. Diese Form hat Ähnlichkeiten mit dem indirekten Rassismus, denn sie ist nicht immer leicht zu erkennen und oft auch gar nicht beabsichtigt. Umgekehrter Rassismus tritt dann auf, wenn relevante Informationen oder Fakten nicht genannt werden. Sie werden unerwähnt gelassen, da der Akteur andernfalls als rassistisch verstanden werden könnte. Jedoch ist der Gedanke, etwas wie zum Beispiel die Hautfarbe oder Nationalität nicht mitteilen zu dürfen, in diesem Sinne falsch, denn das Verschweigen macht die Begebenheit erst rassistisch (vgl. https://www.zeit.de/1992/13/umgekehrter-rassismus/ komplettansicht; 12.05.2020; 12:30 Uhr).
Der Journalist Ulrich Stock veröffentlichte hierzu einen wahren sowie provokativen Fall in der deutschen Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Es handelt sich hierbei um einen Strafprozess, der in der Hamburger Lokalausgabe der tageszeitung (taz) geschildert wurde: „,Vor Gericht wurde ein Mann verurteilt, der mit dem Gewehr auf eine völlig fremde Frau geschossen hat – Zwei Jahre und 9 Monate Haft.' Was braucht es zur Beschreibung des Gewaltverbrechens? Die Autorin erwähnt: das Geschlecht des Täters, das des Opfers, den Beruf der Frau, das Alter des Mannes, seinen üblichen Umgang mit der Waffe. […] Obwohl die genannten Charakteristika mit der Tat wenig zu tun haben, werden sie dem Leser mitgeteilt, und der ist dankbar dafür, weil er sich ein Bild zu machen versucht und mit einem bloßen Umriß nicht zufrieden wäre. […] Was die taz nicht schreibt: Der Täter ist ein Türke, das Opfer eine Deutsche. Warum wird das unterschlagen? ,Weil die Nationalität hier nichts zur Sache tut', sagt die Autorin. Dann hätte sie aber auch Alter, Beruf und Geschlecht weglassen können. Ihre Zeitung, erklärt die Journalistin weiter, würde nicht nur in diesem Fall, sondern grundsätzlich so verfahren“ (ebd.).
Zusammenfassend stellt Stock fest: „So volksverhetzend es ist, bei jedem Verbrechen, das ein Ausländer begeht, sein Nichtdeutsch-Sein groß herauszustellen (Ausländer, das belegen kriminologische Studien, sind nicht krimineller als Deutsche), so zweifelhaft ist es andererseits, die Realität zu verkürzen. Vorauseilende Rücksichtnahme von links spielt letztlich nur den ganz Rechten zu, weil sie in der Negation die Kategorien des Rassismus noch akzeptiert. Anders gesagt: Wer die Nationalität nicht aufwerten will, darf sie nicht verschweigen“ (ebd.).
Nachdem nun einige Rassismusformen geklärt wurden, geht es im nächsten Kapitel um die praktischen Erfahrungen von Kindern mit und durch Rassismus.
2.4 Kinder und Rassismus
Eine Studie aus dem Jahr 2016 beschäftigte sich mit dem Umgang von rassistischen Zugehörigkeitsordnungen oder anders ausgedrückt mit dem Umgang von Rassismus. Dabei wurde eine Gruppendiskussion durchgeführt, bei der die Teilnehmer*innen berichteten „dass Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung bei ihnen Emotionen der Beschämung, Betroffenheit, Traurigkeit, Angst und Wut auslösen und gleichzeitig andere Emotionen verhindern, wie etwa Erleichterung, Fröhlichkeit, Befriedigung, Zufriedenheit oder Stolz“ (Ivanova 2017, S. 152).
Überdies darf nicht vergessen werden, dass Erwachsene nicht die einzigen Menschen sind, die Rassismuserfahrungen machen. Obwohl es vielen Menschen sehr schwer fällt, Rassismus und Kinder zusammenzubringen, kommen bereits viele Kinder in allen möglichen Bereichen mit den unterschiedlichsten Formen von Rassismus in Berührung (vgl. Boldaz-Hahn 2010, S. 102). Aus diesem Grund werden diese Berührungspunkte und Erfahrungen nun nachfolgend geschildert. Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass Kinder mit diesen Erlebnissen nicht alleine gelassen werden dürfen. Pädagogische Ansätze können hierbei unterstützen und zu einer vorurteilsbewussten Erziehung sowie einem vorurteilsfreien Menschen führen. Aufgrund dessen wird in diesem Kapitel zudem der Anti-Bias-Ansatz vorgestellt.
2.4.1 Erfahrungen
Die Sozialpädagogin Adelaide Catalano nennt in ihrer Publikation den Begriff der „Kinder of Color“, um Kinder mit dunkler Haut zu beschreiben. Dieser Begriff ist abgeleitet von der Bezeichnung „People of Color“, die erstmals 1781 in der Kolonialzeit für freie schwarze Menschen verwendet wurde (vgl. Catalano 2018, S. 44). Auch die Kulturwissenschaftlerin Barbara Rösch verwendet den Begriff in ihrer neuesten Publikation und kürzt ihn „PoC“ ab. Außerdem merkt sie an, dass dies die „politisch korrekte Bezeichnung für Menschen [ist], die nicht weiß sind und daher über einen gemeinsamen Erfahrungshorizont in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft verfügen“ (Rösch 2019, S. 15).
[...]
- Arbeit zitieren
- Lisa-Marie Mühlender (Autor:in), 2020, Rassismus in Kinderbüchern anhand von konkreten Beispielen. Ein Bildungskonzept zur vorurteilsbewussten Erziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1316593
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