Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Maßnahmen, die von Lehrpersonen eingesetzt werden, um die Beziehung zu sozial unsicheren Kindern zu fördern und deren Angst in sozialen Situationen abzubauen. Dazu werden die soziale Unsicherheit und die Schüchternheit an sich beschrieben und verschiedene Arten von Ängsten im Kindesalter, ihre Symptome und die Erklärungsansätze für solche Ängste beleuchtet. Außerdem werden Beziehung und Interaktion zwischen Lehrperson und Schülerin /Schüler genauer untersucht, um herauszufinden, wie diese verbessert werden können.
Eine intensive Literaturrecherche zeigt, dass vor allem der Aufbau von Vertrauen durch Aufrichtigkeit, gegenseitigen Respekt, Humor und durch Hilfe sowohl bei schulischen, als auch privaten Problemen, der wichtigste Grundstein einer guten Beziehung zu sozial unsicheren Kindern ist. Eine vertrauensvolle Beziehung zu seinen Schülerinnen und Schülern aufzubauen und soziale Situationen so zu gestalten, dass die Angst vor diesen so gering wie möglich ist und Schulangst vermieden wird, sind also die wichtigsten Ziele, die man sich als Lehrperson im Kontakt mit sozial unsicheren Kindern setzen sollte.
Inhalt
1 PROBLEMAUFRISS UND ZIELSTELLUNGEN
2 SOZIALE UNSICHERHEIT
2.1 Begriffsbestimmungen
2.1.1 Angst
2.1.2 Soziale Unsicherheit
2.1.3 Schüchternheit
2.2 Angstsymptome
2.3 Angstarten
2.3.1 Trennungsangst
2.3.2 Soziale Ängstlichkeit - soziale Phobie
2.3.3 Generalisierte Ängste
2.4 Kriterien der emotionalen Störungen nach ICD-10
2.4.1 Kriterien der emotionalen Störung mit Trennungsangst des Kindesalters
2.4.2 Kriterien der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters
2.4.3 Kriterien der sozialen Phobien
2.4.4 Kriterien der generalisierten Angststörung des Kindesalters
2.5 Folgen - Verlauf - Häufigkeit - Komorbidität
2.5.1 Folgen und Konsequenzen der Ängstlichkeit
2.5.2 Verlauf
2.5.3 Häufigkeit
2.5.4 Komorbidität
2.6 Erklärungsansätze
2.6.1 Biologische Faktoren
2.6.2 Psychische Faktoren
2.6.3 Soziale Faktoren
2.6.4 Erlernte Hilflosigkeit und sozial unsicheres Verhalten
2.6.5 Sonntagskinder und deprivierte Kinder
2.7 Resümee
3 LEHRERINNEN - SCHÜLERINNEN - BEZIEHUNG
3.1 Einleitung
3.2 Entwicklung von sozialen Beziehungen
3.2.1 Wichtige Beziehungserfahrungen
3.2.2 Psychosoziale Stadien nach Erikson
3.3 Bindung in der Kindheit
3.4 LehrerInnen-SchülerInnen-Interaktion
3.4.1 Erwartungen an die Lehrperson
3.4.2 Wünsche der Lehrperson
3.5 Vertrauen als grundlegender Aspekt einer LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung
3.5.1 Begriffsbestimmung
3.5.2 Vertrauen zwischen Lehrperson und Schülerin bzw. Schüler
3.6 Resümee
4 MAßNAHMEN ZUM ANGSTABBAU UND ZUR FÖRDERUNG DER LEHRERINNEN-SCHÜLERINNEN-BEZIEHUNG
4.1 Einleitung
4.2 Vertrauen gewinnen
4.3 Ermutigung
4.3.1 Konstruktive Kritik
4.4 Ruhe-und Entspannungsrituale
4.5 Angstabbau und Konfrontation
4.6 Schulangst reduzieren
4.7 Resümee
5 ZUSAMMENFASSUNG
6 LITERATURVERZEICHNIS
Kurzzusammenfassung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Maßnahmen, die von Lehrpersonen eingesetzt werden, um die Beziehung zu sozial unsicheren Kindern zu fördern und deren Angst in sozialen Situationen abzubauen. Dazu werden die soziale Unsicherheit und die Schüchternheit an sich beschrieben und verschiedene Arten von Ängsten im Kindesalter, ihre Symptome und die Erklärungsansätze für solche Ängste beleuchtet. Außerdem werden Beziehung und Interaktion zwischen Lehrperson und Schülerin /Schüler genauer untersucht, um herauszufinden, wie diese verbessert werden können. Eine intensive Literaturrecherche zeigt, dass vor allem der Aufbau von Vertrauen durch Aufrichtigkeit, gegenseitigen Respekt, Humor und durch Hilfe sowohl bei schulischen, als auch privaten Problemen, der wichtigste Grundstein einer guten Beziehung zu sozial unsicheren Kindern ist. Eine vertrauensvolle Beziehung zu seinen Schülerinnen und Schülern aufzubauen und soziale Situationen so zu gestalten, dass die Angst vor diesen so gering wie möglich ist und Schulangst vermieden wird, sind also die wichtigsten Ziele, die man sich als Lehrperson im Kontakt mit sozial unsicheren Kindern setzen sollte
Summary
This thesis deals with the measures that can be used by teachers to increase the relationship to socially insecure children and reduce their anxiety in social situations. For this purpose the social insecurity and shyness are described per se and various kinds of fears in childhood, its symptoms and the explanations for such fears are considered. In addition, the relationship and interaction between teacher and pupils is examined in more detail to find out how this relationship can be improved. An intensive literature survey shows that especially the building of trust through honesty, mutual respect, humor and help both in school problems, as well as private problems, the most important foundation of a good relationship with socially insecure children is. Building a trusting relationship with their pupils and creating fearless social situations to avoid a fear of school are the most important goals for a teacher who works with socially insecure children.
Im Laufe meines Studiums durfte ich Unterrichtssequenzen, ganze Stunden und zum Ende hin auch ganze Schulwochen für verschiedene Klassen planen und durchführen. Während dieser Praxis hatte ich es immer wieder mit Kindern zu tun, die offensichtlich sehr schüchtern und in sozialen Situationen unsicher waren. Achtet man nicht speziell auf diese Schülerinnen und Schüler, fallen sie wenig bis gar nicht auf. Doch besonders Kinder mit sozialen Unsicherheiten haben es in der Schule sehr schwer, da sie ständig sozialen Situationen ausgesetzt sind, welche sie vor allem anderen fürchten.
Ich habe noch Erinnerungen an mich selbst als sehr schüchternes Kind und kann viele Verhaltensweisen sozial unsicherer Kinder nachvollziehen. Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, dass diese Schüchternheit und soziale Unsicherheit bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben kann. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt, was Lehrerinnen und Lehrer tun können, um die Beziehung zu sozial unsicheren Kindern zu verbessern und welche Maßnahmen von Lehrpersonen gesetzt werden können, um sie bestmöglich zu unterstützen und ihnen ihre Ängste weitestgehend zu nehmen.
Mit Hilfe meiner Themenstellerin und Betreuerin im Fach schulpraktische Studien und meinem Themensteller und Betreue im Fach Sachunterricht, habe ich diese Arbeit über Maßnahmen die zum Angstabbau und zur Förderung der LehrerInnen-SchülerInnen-Beziehung eingesetzt werden können, verfasst.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem Bruder bedanken, der sich die Zeit genommen hat und meine Arbeit Korrektur gelesen und mir somit sehr geholfen hat.
Mein größter Dank geht an meine Mutter, die mir dieses Studium ermöglicht und mich dabei immer unterstützt hat und an meine Familie, Freunde und Studienkolleginnen, die mich während meiner Studienzeit begleitet haben und mir zur Seite gestanden sind.
Wien, Februar 2016
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ursachenattribution für Konsequenzen von Verhalten
Abbildung 2: Systematik der Merkmale sozial unsicheren Verhaltens
Abbildung 3: Attraktivität einer Person vs. Proportion ähnlicher Einstellungen
Abbildung 4: Psychosoziale Stadien nach Erikson Aus rechtlichen Gründen wurden einzelne Abb. entfernt. (Anm. d. Red.)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Angstgründe in der Schule
1 Problemaufriss und Zielstellungen
Es ist eine offensichtliche Tatsache, dass die Beziehung zwischen Lehrerin oder Lehrer und Schülerin oder Schüler eine bedeutende Rolle im Schulalltag spielt. Je ausgewogener diese Beziehung ist, also je sicherer und geborgener aber auch geforderter und unterstützter sich Kinder in der Schule fühlen, desto besser können sie sich sowohl schulisch als auch in Bezug auf ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Dabei ist es eine wichtige Aufgabe der Lehrkraft, die Entwicklung eines Kindes so zu fördern, dass dieses seine vorhandenen Anlagen voll entfalten kann.1
Dies stellt die Lehrkräfte vor eine große Herausforderung, da es nicht immer einfach ist, eine gute Beziehung zu allen Schülerinnen und Schülern aufzubauen und so die bestmögliche Entwicklung der Kinder zu gewährleisten. Kinder mit sozialen Unsicherheiten haben häufig große Probleme, sich auf neue Personen einzulassen und anderen Menschen, als ihren eigentlichen Bezugspersonen, zu vertrauen. Besonders sind dabei diejenigen hervorzuheben, welche unter sozialer Ängstlichkeit, sozialer Phobie und/oder Schulangst leiden, da es hier spezieller Maßnahmen zur Förderung der ,Lehrer-Schüler-Beziehung' bedarf, um die Kinder in den Klassenverband einzugliedern und sie zum Lernen und zur aktiven Mitarbeit im Unterricht zu motivieren.2
Kinder, die unter sozialer Phobie leiden, haben eine „ausgeprägte und anhaltende Angst vor einer oder mehreren sozialen oder Leistungssituationen“3, in denen sie mit unbekannten Personen in Kontakt treten sollen oder müssen. Dies ist für den Schulbesuch eine sehr ungünstige Voraussetzung, da solche Situationen vor allem in der Schule tagtäglich auftreten. Daher kann es durch diese sozialen Ängste und Phobien zur sogenannten ,Schulangst' kommen.4 Um dies zu verhindern, sind die Förderung der Beziehung zwischen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern mit sozialen Unsicherheiten und das Wissen um förderliche Maßnahmen besonders wichtig.
Aufgrund dieser Überlegungen stellt sich für die vorliegende Arbeit folgende Forschungsfrage:
„Welche Maßnahmen tragen dazu bei, die Beziehung von sozial unsicheren Schülerinnen und/oder Schülern zu ihren Lehrerinnen und/oder Lehrern zu fördern?“
Um diese Forschungsfrage zu beantworten, werden Meinungen und Ansichten verschiedener Autorinnen und Autoren gegenübergestellt und sowohl die unterschiedlichen Arten der sozialen Unsicherheiten, als auch spezifische Methoden zur Förderung der Lehrer-Schüler-Beziehung mit sozial unsicheren Kindern beleuchtet. Die Wichtigkeit einer guten Beziehung zwischen Lehrperson und Kind wird aufgezeigt und durch Recherchen der aktuellen Literatur kommt es zur Klärung von wesentlichen Begriffen und zur Darstellung von Forschungsergebnissen. Die Arbeit soll die unterschiedlichen Ansichten zur Förderung der Lehrer-Schüler-Beziehung aufzeigen und verschiedene Förderungsmaßnahmen vorstellen, die besonders bei sozial unsicheren Kindern angewendet werden können, um diese in ihrer Entwicklung bestmöglich zu unterstützen.
2 Soziale Unsicherheit
Lehrerinnen und Lehrer haben in ihren Klassen oft mit Kindern zu tun, die mit ihrer Leistung und der sozialen Interaktion mit ihren Klassenkolleginnen und -kollegen und den Lehrerinnen und Lehrern Schwierigkeiten haben. Dabei wird meist davon ausgegangen, dass es sich vor Allem um besonders lautes, aggressives und aufmerksamkeitserregendes Verhalten der Schülerinnen und Schüler handelt, welches den Schulalltag sowohl für Lehrpersonen als auch für die Kinder selbst erschwert. Dabei sind soziale Unsicherheit und soziale Ängste bei Schülerinnen und Schülern Probleme, denen aufgrund ihrer eher unauffälligen Erscheinungsformen, häufig nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Nun ist es so, dass sozial unsichere Kinder im Alltag nicht unbedingt auffallen oder als behandlungsbedürftig eingestuft werden. Sie sind dem ersten Eindruck nach eher pflegeleicht, einfach zu unterrichten und setzen weder Eltern noch Lehrkräfte unter Handlungsdruck. Sie zeigen im Kontakt mit anderen eine „übermäßige Schüchternheit, Ängstlichkeit, Unsicherheit sowie Vermeidungsverhalten.“5 Jedoch wird hier übersehen, dass laut Schweer6 soziale Unsicherheit, Ängstlichkeit und sogar soziale Phobien bei ca. 10% der Schülerinnen und Schüler ein Grund für großen Leistungsdruck und „underachievment“ sind. Denn diese Unsicherheiten kann bei Kindern Einfluss auf ihre Mimik, Gestik und auf ihre Art zu sprechen haben. Sie geben auf Fragen keine Antwort oder antworten nur einsilbig. Selbst bei diesen einsilbigen Antworten sprechen sie meist noch sehr leise oder undeutlich. Viele dieser Kinder vermeiden Blickkontakte und auf ihren Gesichtern lassen sich keine oder nur wenige Gefühlsregungen erkennen. Vor Allem der mangelnde Ausdruck von Freude fällt hierbei auf. Dies sind alles Zeichen für den großen Druck unter dem die Kinder in sozialen Situationen stehen und unter welchem sie besonders in der Schule, als einem Ort an dem die Knüpfung und Pflege sozialer Kontakte unvermeidbar sind, sehr zu leiden haben.7
Da in der Regel, die Lehrkräfte, nach den Eltern und engsten Verwandten, die nächsten Bezugspersonen der Kinder sind, ist es besonders für sozial unsichere Kinder wichtig, dass sie zu diesen eine Beziehung aufbauen können, welche auf Vertrauen basiert, ihnen ihre Ängste nimmt und sie den Schulbesuch mit so wenig Druck wie möglich erleben lässt.
Nachfolgend werden zum besseren Verständnis einige wichtige und in dieser Arbeit häufig verwendete Begriffe wie Angst, soziale Unsicherheit und Schüchternheit beschrieben.
2.1 Begriffsbestimmungen
2.1.1 Angst
Laut Czeschlik8 gibt es eine wichtige begriffliche Unterscheidung zwischen Angst und Ängstlichkeit. Unter Angst versteht man einen Zustand, also eine emotionale Reaktion die in einer konkreten Situation auftritt. Ängstlichkeit hingegen, beschreibt die Eigenschaft einer Person über einen längeren Zeitraum in verschiedenen Situationen schneller mit Angst zu reagieren.
Von Rost und Schermer9 wird Angst als ein „phylogenetisch wie ontogenetisch früh auftretender Spezialfall eines Erregungszustandes und Spannungszustandes mit spezifischen, somatischen, psychischen und behavioralen Reaktionen und Empfindungen“ definiert. Sie wird auch als ein „unangenehmes Gefühl, das in Situationen auftritt, die als bedrohlich eingeschätzt werden“10 bezeichnet.
Da Angst viele unterschiedliche Auslöser haben kann, wird sie nach den Auslösersituationen klassifiziert. Dabei wird unterschieden ob eine Bedrohung für die körperliche Gesundheit besteht, wie zum Beispiel bei der Angst vor dem Ertrinken oder für das Selbstwertgefühl, wie sich vor anderen Menschen zu blamieren. Dabei sind Angstgefühle nicht unbedingt auf reale angstauslösende Situation beschränkt, sondern können bereits beim Erinnern an eine bedrohliche Situation oder in Erwartung einer solchen auftreten. Da Angst ein Gefühl ist, das in der subjektiven Wahrnehmung des Menschen existiert, löst eine bestimmte Situation nicht unbedingt bei allen Personen die gleiche Angstreaktion aus. Also gibt es Situationen, die ein Mensch als sehr bedrohlich einschätzt, die jedoch bei einem anderen Menschen keine Angstre- aktion hervorruft. Laut Jacobs und Strittmatter11 sind „bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und Erfahrungen des Individuums dafür verantwortlich zu machen, ob ein Angstreiz überhaupt wahrgenommen und wie er schließlich verarbeitet wird.“
2.1.2 Soziale Unsicherheit
Der Begriff .soziale Unsicherheit' wird in dieser Arbeit als Sammelbezeichnung für mehrere Verhaltensweisen verwendet. Soziale Unsicherheit beinhaltet sowohl die Trennungsangst, die soziale Ängstlichkeit, soziale Phobien und auch generalisierte Ängsten. Mit diesem Begriff wurde also eine Sammelbezeichnung gewählt die verschiedene Ängste umfasst, die in „einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit sozialen Situationen stehen.“12 Diese verschiedenen Arten der Ängstlichkeit werden im Abschnitt 2.3 genauer behandelt.
2.1.3 Schüchternheit
Schüchternheit beschreibt laut Laucken13 einerseits einen „transienten, situationsgebundenen Zustand, der in der naiven Motivations- und Gefühlspsychologie verwendet wird, andererseits eine Persönlichkeitszuschreibung der naiven Dispositionstheorie.“ Schüchternheit kommt also dann vor, wenn jemand in einer sozialen Situation handeln möchte, sich aber nicht traut, so dass die angestrebte Handlung nicht erfolgt oder es der Person erst nach langer Verzögerung möglich ist, die Handlung auszuführen. Dabei wird nicht angenommen, dass ihr die Fähigkeit zu handeln fehlt, sondern dass es an der Umsetzung der Fähigkeit in eine Handlung hapert. Somit handelt es sich um ein motivationales Problem.
Wird, wie von Laucken beschrieben, von einem transient-situationsgebundenen Problem ausgegangen, wird angenommen, dass durch .gutes Zureden' zur Überwindung der Hemmung beigetragen werden kann. Wird hingegen davon ausgegangen, dass es sich bei der Schüchternheit um eine Disposition handelt, wird davon abgesehen, da es für sinnlos gehalten wird, die Schüchternheit durch .gutes Zureden' überwinden zu können. Im deutschen Sprachraum wird Schüchternheit scheinbar häufiger zur Bezeichnung einer Disposition, also als zeitlich recht stabiles Personenmerkmal, gebraucht.
Da Schüchternheit aber vor allem zur Erklärung des Unterlassens von sozialen Routinen benutzt wird, kann davon ausgegangen werden, dass sie in den meisten Fällen ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal von sozial unsicheren Kindern darstellt. Dies zu erkennen spielt eine wichtige Rolle, bei dem Versuch, sozial unsichere Kinder in sozialen Situationen zu verstehen und eine bessere Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Laut Czeschlik14 haben schüchterne Kinder meist wenige Freunde und fühlen sich isoliert und einsam. Im Gegensatz zu aggressiven Kindern sind sie jedoch nicht unbeliebt und fallen nicht negativ auf. Die Zurückgezogenheit die schüchterne Kinder oft an den Tag legen, darf aber nicht mit ,Ungeselligkeit‘ verwechselt werden. Denn schüchterne Menschen möchten meist gerne soziale Kontakte haben, fühlen sich aber oft in sozialen Situationen, die sie überfordern, sehr unwohl und verhalten sich deshalb gehemmt. Ungesellige Menschen jedoch haben kein Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Diese ungeselligen Personen, verhalten sich, anders als schüchterne Menschen, sozial kompetent und erleben keine Angstgefühle, wenn sie sozial interagieren müssen.
2.2 Angstsymptome
Es gibt verschiedene Verhaltensweisen, durch die ängstliche Kinder und Jugendliche auffallen. Manche zeigen diese Symptome nur, wenn eine Prüfungssituation bevorsteht, andere hingegen leiden scheinbar täglich unter dem Druck, der für sie aus den sozialen Interaktionen mit Mitschülerinnen und Mitschülern und Lehrerinnen und Lehrern entsteht.
Ängstliche Schülerinnen und Schüler reden wenig und undeutlich und meist ist ihre Stimme leise und manchmal auch zittrig wenn sie aufgefordert werden zu sprechen. Sie nehmen nur selten aktiv am Unterricht teil und vermeiden dabei häufig den Blickkontakt. Man merkt ihnen ihre Nervosität durch Zappeln, Zupfen an ihrer Kleidung oder nervöses Bewegen der Finger und Hände an.
Verständlicherweise versuchen sie, die für sie unangenehme Situation, wenn sie nicht ganz vermeidbar ist, so schnell wie möglich zu beenden und sind dabei nicht selten den Tränen nahe. Ängstliche Kinder und Jugendliche neigen dazu vorsichtiger, weniger risikobereit und gehemmt zu sein.
Bei Angst lassen sich laut Czeschlik15 demnach Symptome in jeweils verschiedener Ausprägung auf drei Ebenen feststellen. Nämlich auf der
- „ körperlichen Ebene (Physiologie, Hormone)
- Kognitiven Ebene (Gedanken),
- Verhaltensebene (nervöses Herumhantieren; Meidung einer Situation).“
Strittmatter16 beschreibt Kinder die Schulangst haben wie folgt:
„Schulängstliche Schüler sind... davon überzeugt, dass Anstrengung sich nicht auszahlt, sie halten sich für ausgemachte ,Pechvögel‘; sie schätzen ihre eigene Leistungsfähigkeit - oft über den schulischen Bereich hinaus - generell negativ ein; sie machen sich ein negatives Bild von sich selbst und glauben, dass auch ihre Mitmenschen nicht viel von ihnen halten; hinzu kommen ein geringes Interesse an der Schule und ungünstige häusliche Arbeitsbedingungen.“
Eine ähnliche Beschreibung von ängstlichen Personen, findet sich auch in der Attri- butionstheorie von Maderthaner im Abschnitt 2.6.2.1 wieder.
Außerdem werden ängstlichen Kindern und Jugendlichen folgende Eigenschaften zugeschrieben:
- Bei Testungen weisen sie eher niedrigere Intelligenzwerte auf.
- Sie erhalten schlechtere Noten in der Schule.
- Ihre Meinung über sich selbst ist schlechter als bei anderen Kindern (niedriges Selbstkonzept, wenig Selbstvertrauen, große Bereitschaft, sich selbst zu kritisieren).
- Häufigeres Fehlen im Unterricht und Ausfälle aufgrund von Krankheiten. Außerdem neigen sie eher dazu psychosomatische Beschwerden zu entwickeln.
Es gibt niemanden, der in seinem Leben keine Angst erlebt. Jedoch gibt es offensichtlich Menschen, die dazu neigen in vielen Situationen häufiger mit Angst zu reagieren als andere Menschen. Bei beiden Gruppen von Menschen kann die Angst, wenn sie auftritt, auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Eine hohe Angstausprägung kann der Grund dafür sein, dass Kinder daran gehindert werden, wichtige und für sie notwendige Erfolgserlebnisse im sozialen oder im Schulleistungsbereich zu erfahren, um sich gesund entwickeln zu können.
Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Angst nicht immer als eine unerwünschte Reaktion angesehen werden sollte, denn sie erfüllt eine natürliche lebenserhaltende Funktion. Denn laut Winkel, Petermann und Petermann17 ist Angst aus biologischer Sicht eine wichtige Schutzreaktion, die uns auf Gefahrensituationen hinweist und vorbereitet. In der Schule und auch in vielen anderen Bereichen sind die Reaktionen, die durch Angst ausgelöst werden jedoch eher ungünstig.
Geschlechtsunterschiede
Laut Czeschlik18 gibt es bereits zahlreiche Studien die belegen, dass Mädchen bzw. Frauen im Durchschnitt höhere Ängstlichkeitswerte aufweisen als Buben bzw. Männer. Jedoch ist dabei noch nicht geklärt, ob dies daran liegt, dass Frauen ängstlicher sind, oder ob sie nur eher bereit sind, ihre Angst zuzugeben.
Es liegt eine Studie vor, in der Rost und Schermer19 weibliche und männliche Jugendliche, anhand einer Skala ihrer Ängstlichkeit, miteinander verglichen. In fast allen Bereichen dieser Studie erzielten die weiblichen Teilnehmer höhere Werte als die männlichen Teilnehmer. Außerdem geben die Mädchen an, schüchterner zu sein. Auch andere Studien, die sowohl in Deutschland als auch in Österreich durchgeführt wurden, berichten von Geschlechtsunterschieden in ähnlichen Größenordnungen.
Die Existenzängstlichkeit nimmt laut Schellhaas20 bei Mädchen beim Älterwerden stetig zu, während bei den Buben beim Schuleintritt und zu Beginn der Pubertät die höchste Ängstlichkeit feststellbar ist. Die Verlust- oder Trennungsängstlichkeit verliert sich für die Buben mit zunehmendem Alter. Bei den Mädchen ändert sich hier jedoch nur wenig.
2.3 Angstarten
Die verschiedenen Arten von Angst, die hier unter dem Sammelbegriff soziale Unsicherheit zusammengefasst werden, kommen bei Kindern und Jugendlichen vor Allem im Schulalltag relativ häufig vor, da in der Schule ständig soziale Situationen stattfinden. Um sich als Lehrperson ängstlichen Schülerinnen und Schülern gegenüber richtig zu verhalten und um auf sie eingehen zu können, ist es wichtig zu wissen, unter welcher Art von Angst die Kinder oder Jugendlichen leiden.
Die soziale Ängstlichkeit und die sozialen Phobien wiesen viele Überschneidungen auf, weshalb sie nachfolgend gemeinsam in einem Abschnitt vorgestellt werden. Danach folgt eine Beschreibung der verschiedenen Angststörungen jeweils getrennt hinsichtlich der Klassifikationskriterien des Klassifikationssystems ICD-10.
2.3.1 Trennungsangst
Wenn ein Kind unter Trennungsangst leidet, sorgt es sich darum, dass den Bezugspersonen, die es verlassen, oder die das Kind verlassen muss, etwas passieren könnte. Es zeigt unrealistische Sorgen darüber, dass es durch eine unglückliche Fügung von seiner Bezugsperson getrennt werden könnte. Diese Angst besteht also aus einer großen und häufig auftretenden Sorge, die dann entsteht, wenn es voraussichtlich zu einer Trennung von wichtigen Bezugspersonen und von zu Hause kommen wird. Dabei muss es sich nicht unbedingt um längere Trennungen handeln. Schon kurzfristige Situationen, wie etwa der Schulbesuch, die Berufstätigkeit von Bezugspersonen oder auch nur ein Frisörbesuch können Trennungsängste hervorrufen. Viele Kinder weigern sich alleine zu schlafen und leiden häufig unter Alpträumen mit dramatischen Trennungsszenen und auch unter körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Schwindel. Kinder die unter Trennungsangst leiden, versuchen so gut es geht, solche Trennungssituationen zu vermeiden. Sie wollen zum Beispiel ihnen vertraute Orte nicht verlassen, jedoch auch nicht alleine zu Hause bleiben.21
Aufgrund solcher Ängste kommt es in schweren Fällen zur Verweigerung des Schulbesuchs. Klarerweise kann ein solches Verhalten zu Leistungsproblemen in der Schule auf einer Seite und zu neuen Defiziten in der sozial-emotionalen Entwicklung auf der anderen Seite führen. Trennungsangst kann jedoch erst ab dem dritten bis vierten Lebensjahr diagnostisch festgestellt werden, da die Angst vor der Trennung von Bezugspersonen, bis zu einem gewissen Ausmaß, in den ersten drei Lebensjahren als vollkommen normal und nur vorübergehend zu sehen ist.22
Czeschlik23 geht davon aus, dass vor allem die Schulverweigerung im Einschulungsalter häufig mit Trennungsängsten in Zusammenhang steht. Denn gerade bei der Einschulung ist die Sorge vor dem Verlassenwerden oder die Angst vor dem Verlust einer nahen Bezugsperson sehr groß, was eine Trennungsangst hervorrufen kann. Es ist wichtig, dass die Schulanfängerinnen und Schulanfänger behutsam und langsam daran gewöhnt werden, längere Zeit von ihren Bezugspersonen getrennt zu sein.
2.3.2 Soziale Ängstlichkeit - soziale Phobie
Soziale Ängstlichkeit und soziale Phobie lassen sich nicht gänzlich voneinander trennen. Auch wenn viele Gemeinsamkeiten bestehen, handelt es sich nur zum Teil um die gleiche psychische Störung. Um sie zu beschreiben ziehen Petermann und Petermann24 zwei der wichtigsten Diagnoseklassifikationssysteme der Medizin und Psychiatrie heran, nämlich die ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und das DSM-IV-TR (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). In der ICD-10 wird die .Störung mit sozialer Ängstlichkeit' als .emotionale Störung des Kindesalters' eingeordnet während das DSM-IV-TR diese Störung im Erwachsenenteil der Klassifikation als .soziale Phobie' kodiert. Laut dem DSM-IV-TR enthält die soziale Phobie zwei Hauptaspekte:
- die Angst vor Situationen in denen man mit fremden und unbekannten Personen konfrontiert wird
- die Angst vor sozialen Situationen oder Situationen in denen Leistung erbracht werden soll und in denen man hervorgehoben wird und bewertet oder beurteilt werden könnte.
Die ICD-10 bezieht sich dabei ausschließlich auf die Angst vor Fremden Menschen.
Im Folgenden werden die Angst vor Fremden, die Bewertungsangst und speziell die Schulangst unabhängig von den Kriterien der beiden Klassifikationssysteme beschrieben. Im Abschnitt 2.4 wir noch näher auf emotionale Störungen nach ICD-10 eingegangen.
2.3.2.1 Fremdenangst
Als Fremdenangst wird laut Petermann und Petermann25 eine „durchgehende und wiederkehrende Furcht vor fremden, unvertrauten Personen“ bezeichnet. Aufgrund einer solchen Angst wird der Kontakt mit Fremden wenn möglich gemieden oder verweigert. Das Verhalten von Kindern mit Fremdenangst kann sehr unterschiedlich sein und reicht von Schweigen und passivem Verhalten über Zurückweichen und sich zurückziehen bis zum Weinen oder Wutanfällen.
Da aber eine gewisse Angst und Skepsis gegenüber Fremden völlig normal ist, muss dieses ängstliche Verhalten, um als Fremdenangst zu gelten, so intensiv ausgeprägt sein, dass es sich von einem normalen Misstrauen gegenüber fremden Menschen deutlich unterscheidet. So sind Zurückhaltung und Vorsicht bei Kontakten mit nicht vertrauten Personen, ab dem ersten Lebensjahr für die gesamte frühe Kindheit ein normales Verhalten, dass sich nur vorübergehend zeigt. Ist die soziale Ängstlichkeit jedoch übermäßig ausgeprägt, kann dies zu negativen Folgen in der sozialemotionalen Entwicklung führen. Dadurch können viele Fertigkeiten im Bereich des Sozialverhaltens nicht geübt werden.
2.3.2.2 Bewertungsangst
Unter Bewertungsangst wird eine „ausgeprägte du anhaltende Angst“ vor Leistungssituationen, und generell vor Situationen in denen man hervorgehoben und beurteilt werden könnte, verstanden. Laut Starcevic und Berle2526 haben Kinder Angst davor, sich in sozialen Situationen nicht richtig zu verhalten oder etwas zu tun, das als peinlich oder erniedrigend empfunden wird. Sie sorgen sich darüber, dass sie aufgrund eines solchen Verhaltens als ängstlich, schwach oder dumm beurteilt werden könnten.
Kinder die unter Bewertungsangst leiden werden oft fälschlicherweise für weniger Intelligent gehalten, als sie es eigentlich sind. Diese falschen Annahmen basieren auf den Verhaltensweisen, wie dem undeutlichen oder zu leisen sprechen oder ihrer Neigung dazu nicht oder erst nach einem Zögern auf Fragen zu antworten, die sie häufig zeigen.
Es kann sein, dass sich aus dieser Bewertungsangst und Angst vor Hervorhebung, aufgrund der Tatsache, dass man in der Schule oft hervorgehoben und bewertet wird, eine Schulangst entwickelt. Dies ist aber nicht der einzige Grund warum Schulangst entsteht.
2.3.2.3 Schulangst
Weil die Schulangst der Bewertungsangst sehr ähnlich ist und oft eng mit ihr im Zusammenhang steht, ist es nicht immer einfach die Beiden ganz klar zu trennen. Pe- terMann und Petermann27 haben für die Angst in schulischen Situationen drei Kennzeichen festgestellt:
- „ Leistungsmessungen und Prüfungen in der Schule können mit öffentlicher Bewertung verknüpft sein.
- Selbstbewertungen erfolgen im sozialen Vergleich mit Klassenkameraden, das Ergebnis des sozialen Vergleichs ist somit bezugsgruppenabhängig.
- Durch die öffentliche Bewertung und Selbstbewertung im sozialen Vergleich wird die soziale Stellung in der Schulklasse bestimmt. “
Diese drei Kenneichen zeigen deutlich, dass Schulsituationen, die durch Anforderungen an die Kognition und durch Bewertungen anhand von Prüfungen, Tests und Noten gekennzeichnet sind, auch immer soziale Situationen sind. Das heißt, es kommt oft vor, dass Kinder, die unter Bewertungsangst leiden auch Schulangst haben, da es in der Schule sehr häufig Situationen gibt, in denen sie sozial hervorgehoben und bewertet werden. Andersherum muss es jedoch nicht sein, dass ein Kind das unter Schulangst leidet auch unter Bewertungsangst leidet, da Schulangst auch aus anderen Gründen, entstehen kann.
Auch Czeschlik28 ist der Meinung, dass Schulangst ganz unterschiedliche Ursachen haben kann. Angst vor Versagen in einer Leistungssituation, Angst vor bestimmten Klassenkameradinnen oder Kameraden, Angst vor den Lehrpersonen, Angst vor dem Schulweg, Angst vor der Trennung von den Bezugspersonen, um nur einige mögliche Gründe für Schulangst zu nennen. Die Schulphobie, welche eine extreme Ausprägung der Schulangst ist und häufig zur Schulverweigerung führt, kommt zwar nur selten vor, kann aber negative Konsequenzen in großem Ausmaß nach sich ziehen. Die Verweigerung des Schulbesuchs führt nach Schermer29 „in Schule und Familie zu einer kritischen Lage, die sehr schnell in einer Sackgasse enden kann, wenn das Problem nicht rechtzeitig und angemessen angegangen wird.“
Laut Schermer30 gibt es drei Altersstufen, in der die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Schulverweigerung, erhöht ist.
- Im Alter der Einschulung zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr. Hier hängt die Schulverweigerung, wie schon in Abschnitt 2.3.1 beschrieben, oft mit Trennungsangst zusammen.
- Beim Wechsel von der Grundschule zur nächsten Schulform etwa mit 11 Jahren. Aufgrund der Veränderung der Schulsituation kommt es häufiger zu Ängsten und Verweigerung.
- Bei Jugendlichen ab 14 Jahren. Hier kann die Verweigerung des Schulbesuchs mit psychopathologischen Störungen im Zusammenhang stehen.
Aus einer Untersuchung von Eder und Felhofer31 geht hervor, wovor viele Kinder in der Grundschule Angst haben. Dies zeigt die folgende Tabelle:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Angstgründe in der Schule. Eder & FELHOFER 1994, S. 212 in ULICH 2001, S. 29
Diese Untersuchung zeigt einige unterschiedliche Gründe für Schulangst bei Grundschülerinnen und Grundschülern auf. Dabei ist wieder zu erkennen, dass besonders die Angst vor schlechten Noten und die Angst vor Prüfungen einen großen Teil, nämlich zwei Drittel, der Ursachen für solche Ängste ausmachen. Jedoch zeigt sich auch, dass über 80 % der Kinder keine Angst vor ihren Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern sowie vor ihren Mitschülerinnen und Mitschülern haben.
2.3.2.4 Leistungs- und Prüfungsangst
Da ein Versagen, wie zum Beispiel durch schlechte Noten oder schlechte Leistungen, bei den meisten Menschen negative Konsequenzen für das Selbstwertgefühl hat, werden Leistungsanforderungen oft als selbstbedrohend wahrgenommen. Für viele Kinder stellen Situationen, in denen ihr schulisches Wissen und ihre Fähigkei- ten auf die Probe gestellt werden, daher eine starke Belastung dar und können zu Leistungs- bzw. Prüfungsangst führen. Auch der Ehrgeiz des Kindes, der Druck von Eltern oder Bezugspersonen und ein Klassenklima, welches schlechte Leistungen besonders hervorhebt, beispielsweise durch Kommentare der Lehrkraft, können die Intensität und das Auftreten von Leistungs- oder Prüfungsangst beeinflussen.
Dabei können die Ursachen für schlechte Leistung laut Czeschlik32 ganz unterschiedlich sein:
- Es kann zu schlechten Leistungsergebnissen kommen, wenn das Kind den Lehrstoff nicht beherrscht. Dies kann daran liegen, dass die Schülerin oder der Schüler nicht oder zu wenig gelernt hat oder daran, dass der Stoff die Fähigkeiten des Kindes überschreitet.
- Schlechte Leistung kann auch daran liegen, dass „die Wiedergabe des Gelernten durch negative emotionale Merkmale der Situation (Schul- und Klassenklima) erschwert wird.“33 Besonders ängstliche Kinder reagieren sehr empfindlich auf Lehrerverhalten, Druck der Eltern oder Bezugspersonen oder auf das Verhalten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Bei ängstlichen Kindern fällt außerdem auf, dass sie bei schwierigeren Aufgaben aufgabenirrelevante kognitive Aktivitäten aufweisen, welche sie von Denk- und Handlungsweisen, die für die Bewältigung der gestellten Aufgabe notwendig wären, ablenken.
Es stellte sich heraus, dass mündliche Prüfungen für sozial ängstliche oder schüchterne Kinder besonders selbstwertbedrohlich sind, da sie dabei im sozialen Mittelpunkt stehen. Dies überschneidet sich mit ihrer Angst vor Bewertungen und sozialer Hervorhebung.
Laut Pekrun34 spielen außerdem drei situative Einschätzungen bei der Entwicklung von Prüfungsangst eine große Rolle:
1. „die Situations-Folge-Erwartung (ein Misserfolg wird sich einstellen, wenn nicht gehandelt wird)
2. die Handlungskontroll-Erwartung (die Erwartung darüber, ob man es durch geeignete Maßnahmen schaffen kann, den Misserfolg zu verhindern)
3. die Einschätzung der subjektiven Bedeutung des möglicherweise bevorstehenden Misserfolgs.“
Demnach ist es wahrscheinlicher, dass Prüfungsangst entsteht, wenn der Ausgang der Prüfung für die Schülerin oder den Schüler besonders wichtig ist, wenn sie oder er einen Misserfolg für sehr wahrscheinlich hält und wenn wenige Maßnahmen zur Vermeidung des Misserfolgs zur Verfügung stehen.
Auch Ulich35 geht davon aus, dass für die Entstehung von Leistungs- bzw. Prüfungsangst drei Zusammenhänge von Bedeutung sind:
- Genau wie P ekrun ist er der Meinung, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit von Leistungsangst dann besonders groß ist, wenn das Ergebnis einer Prüfung für die Schülerin oder den Schüler besonders wichtig ist und das Kind aber gleichzeitig Zweifel hat, ob es die bedeutsamen Ziele erreichen wird. Dabei gilt, „je höher der Stellenwert einer Leistung und je niedriger die Erfolgswahrscheinlichkeit, desto stärker wird die Leistungsangst.“36
- Außerdem schreibt er, dass die Angst zunimmt, wenn die Schülerin oder der Schüler denkt, dass ihr oder ihm keine sinnvollen Maßnahmen zur Vermeidung eines Versagens bei einer Prüfung zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: Die Angst nimmt zu, wenn vor oder während der Leistungssituation Hilflosigkeit aufkommt. Besonders wenn Kinder an den eigenen Fähigkeiten und Begabungen zweifeln, entsteht große Angst, da sie davon ausgehen, dass auch ein erhöhter Lernaufwand, diese mangelnde Begabung nicht kompensieren kann.37
- Auch dass vor Allem in unberechenbaren und unsicheren Leistungssituationen Gefühle von Bedrohung und Hilflosigkeit auftreten, ist für Ulich38 ein Zusammenhang, der bei der Entstehung von Prüfungs- bzw. Leistungsangst große Bedeutung hat. Wissen Schülerinnen und Schüler nicht genau, welche Aufgaben oder Fragen zu einer Prüfung kommen, können sie sich nicht gezielt vorbereiten und reagieren deshalb klarerweise mit Angst.
2.3.3 Generalisierte Ängste
Laut Petermann und Petermann39 gibt es auch Ängste, die sich nicht auf bestimmte Situationen oder Personen beziehen, sondern auf viele unterschiedliche und alltägliche Ereignisse. Die generalisierte Angststörung ist laut Becker und Hoyer40 eine häufig auftretende aber nur schwer zu erkennende psychische Störung, die betroffene stark belastet. Menschen mit einer generalisierten Angststörung leiden unter „anhaltender Angst, die durch häufige Sorgen bzw. ängstliche Erwartungen geprägt ist.“41 Dabei können schon im Alltag natürlicherweise auftretende Schwierigkeiten wie zum Beispiel Schulaufgaben oder Erledigungen des täglichen Lebens, wie Einkaufen, zu großer Angst führen. Kinder die unter generalisierten Ängsten leiden, gehen davon aus, dass sie die Anforderungen des Alltags nicht bewältigen können und erleben intensive Sorgen und Selbstzweifel. Sie können Misserfolgserwartungen die mit ihren Sorgen und ihrem Selbstzweifel zusammenhängen nur schwer kontrollieren oder gar stoppen. Diese Gedanken lenken ihre Aufmerksamkeit von den eigentlich ,einfach' zu bewältigenden Alltagstätigkeiten und Aufgaben ab und die Selbstaufmerksamkeit wird erhöht. Wird die Aufmerksamkeit dann von den zu erledigenden Aufgaben abgezogen, steigt die Wahrscheinlichkeit an einer solchen zu scheitern, was wiederum noch mehr Selbstzweifel auslöst.
2.4 Kriterien der emotionalen Störungen nach ICD-10
Wie bereits im Abschnitt 2.3.2 erwähnt, werden im Folgenden Teil der Arbeit die Kriterien der emotionalen Störung mit Trennungsangst, der sozialen Phobien, der Störung mit sozialer Ängstlichkeit und der generalisierten Angststörung des Kindesalters nach ICD-10 angeführt. Diese Kriterien der ICD-10 werden bei den sozialen Phobien und der generalisierten Angststörung des Kindesalters noch durch einige Merkmale und Kriterien aus dem DSM-IV-TR ergänzt.
2.4.1 Kriterien der emotionalen Störung mit Trennungsangst des Kindesalters
Das Hauptmerkmal der emotionalen Störung mit Trennungsangst im Kindesalter ist die übermäßig entwickelte Angst vor der Trennung von wichtigen Bezugspersonen wie den Eltern oder anderen Familienmitgliedern. Um in der ICD-10 als eine solche Störung zu gelten, muss diese Angst bereits vor dem sechsten Lebensjahr auftreten und mindestens vier Wochen lang andauern. Außerdem muss sie über das typische trennungsängstliche Alter hinausgehen und durch den sehr hohen Schweregrad und die lange Dauer eine Beeinträchtigung der sozial-emotionalen Entwicklung darstellen. Auch eine generalisierte Angststörung muss ausgeschlossen sein, um als emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters zu gelten. Ebenso wenig darf die Störung mit Trennungsangst im Zusammenhang mit einer „umfassenden Störung der Emotionen, des Sozialverhaltens, der Persönlichkeit einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, einer psychotischen oder substanzbedingten Störung diagnostiziert werden.“42
2.4.2 Kriterien der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters
Das Hauptmerkmal der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters ist eine anhaltende Ängstlichkeit vor unbekannten oder unvertrauten Personen, sowohl Erwachsenen als auch Gleichaltrigen. Um in der ICD-10 als eine solche Störung zu gelten, muss die Angst mindestens vier Wochen anhalten und die soziale Ängstlichkeit muss deutlich über dem üblichen Ausmaß im Kleinkind- und Kindergartenalter liegen und zur Beeinträchtigung der Sozialentwicklung führt.
Auch hier muss wie bei der Trennungsangst eine generalisierte Angststörung ausgeschlossen werden und die soziale Ängstlichkeit darf nicht im Zusammenhang mit anderen tiefgreifenden Störungen des Sozialverhaltens, der Persönlichkeit oder der Entwicklung diagnostiziert werden.43
2.4.3 Kriterien der sozialen Phobien
Das Hauptmerkmal der sozialen Phobie ist die Angst davor, der Aufmerksamkeit und Bewertung anderer ausgesetzt zu sein und/oder sich so zu verhalten, dass eine peinliche oder demütigende Situation entstehen könnte. Diese Phobien können in fast allen sozialen Situationen, die nicht innerhalb der Familie stattfinden, auftreten wie zum Beispiel im Klassenzimmer, bei Begegnungen in kleinen Gruppen oder beim Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit. Weitere Merkmale sozialer Phobien sind ein geringes Selbstwertgefühl und Angst vor Kritik. Die Symptome können so stark ausgeprägt sein, dass sie das Ausmaß von Panikattacken annehmen und werden als emotional sehr belastend erlebt. Diese deutliche Belastung im emotionalen Bereich durch die Angstsymptome oder das Vermeidungsverhalten, welches aufgrund großer Angst entstehen kann, muss gegeben sein um als soziale Phobie zu gelten. Die sozialen Phobien sind in der ICD-10 nur im Erwachsenenteil zu finden, haben ihre Anfänge jedoch häufig bereits in der Jugendzeit. Die sozialen Phobien bei Kindern müssen sich klar von der Trennungsangst und der sozialen Ängstlichkeit abgrenzen. „Die sozialen Phobien dürfen nicht besser durch eine tiefgreifende Entwicklungsstörung erklärt werden.“44
2.4.4 Kriterien der generalisierten Angststörung des Kindesalters
Das Hauptmerkmal der generalisierten Angststörung der Kindesalter ist eine „übermäßige Angst und Sorge sowie furchtsame Erwartungen im Hinblick auf mehrere Ereignisse oder Tätigkeiten, die im Alltag auftreten.“45 Generalisierte Ängste drehen sich bei Kindern meist um schulische Angelegenheiten, Aktivitäten in ihrer Freizeit oder Beziehungen zu ihren Freundinnen und Freunden.
Um als generalisierte Angststörung laut ICD-10 zu gelten müssen sie die Ängste auf mindestens zwei Alltagssituationen beziehen, die keine Trennungssituationen sind. Außerdem müssen sie sich zur sozialen Phobie dadurch abgrenzen lassen, dass bei der generalisierten Angststörung die Leistungs- und Bewertungsangst immer auftritt und bei der sozialen Phobie nur dann, wenn die Kinder beobachtet und bewertet werden können.46
2.5 Folgen - Verlauf - Häufigkeit - Komorbidität
2.5.1 Folgen und Konsequenzen der Ängstlichkeit: Relevanz für den schulischen Kontext
Wie bereits in den vorigen Abschnitten beschreiben, hat Ängstlichkeit großen Einfluss auf den Schulalltag von Kindern und Jugendlichen. Es gibt verschiedene Konsequenzen und Folgen welche für den schulischen Kontext relevant sind.
Die Ängstlichkeit beeinflusst sowohl die soziale Interaktion, die Kontaktknüpfung und das Aufbauen als auch die Pflege von sozialen Beziehungen mit Mitschülerinnen und Mitschülern und auch mit Lehrerinnen und Lehrern. Außerdem beeinflusst sie die Leistungsfähigkeit der Kinder und somit den Schulerfolg und den schulischen Lernfortschritt.47
2.5.2 Verlauf
Soziale Unsicherheiten, welche eine ungünstige Entwicklungsprognose darstellen, zeichnen sich bei Kindern häufig schon im Vorschulalter aus. Jedoch erfüllen laut Beidel, Fink und Turner48 80% der Kinder zwischen 7 und 12 Jahren, die als ängstlich diagnostiziert wurden, bereits nach drei Jahren die Kriterien, aufgrund derer die Diagnose gestellt wurde, nicht mehr. Bei genauerer Analyse dieser Ergebnisse lässt sich erkennen, dass sich aus den ursprünglich diagnostizierten Angststörungen oft andere Angststörungen entwickelt haben.
Sieht man sich langfristige Störungsverläufe bei Menschen mit sozialer Unsicherheit an, zeigt sich, dass bei einigen Angststörungen Beeinträchtigungen in ein oder mehreren Alltagsbereichen erhalten bleiben. Meistens ist dabei die Knüpfung von und der Umgang mit Sozialkontakten und persönlichen Beziehungen betroffen.
Laut Petermann und Petermann49 stellt eine Störung mit Trennungsangst ein Vorläuferproblem der Agoraphobie dar, welche im Jugendalter zu einer Panikstörung führen kann. Außerdem gibt es Belege dafür, dass Depressionen und Substanzabhängigkeiten im Jugendalter durch Angststörungen im Kindesalter begünstigt werden.
Nach einer Studie von Melfsen, Osterlow und Florin50 zeigten sich bei sozial unsicheren Kindern schon in der frühen Kindheit meist ein ruhiges Temperament und ein eher zurückgezogenes Verhalten. Außerdem weisen diese Kinder eine höhere Selbstaufmerksamkeit und eine größere Anfälligkeit für andere psychische Störungen oder Depressionen auf.
2.5.3 Häufigkeit
Nach Döpfner und Lehmkuhl51 weisen, unter Berücksichtigung der Kriterien des DSM-IV 10% bis 15% aller Kinder und Jugendlichen eine Angststörung auf. Auch Petermann und Petermann gehen davon aus, dass die Auftretenshäufigkeit aller Formen von Angststörungen im Kindes- und Jugendalter bei 15% liegt. Zu einem weiteren alarmierenden Befund kommen Übersichten, die über die Auftretenshäufigkeit von sozialen Phobien über die Lebensspanne hinweg berichten. Denn Fur- mark52 belegt eine „Auftretenshäufigkeit (über die Lebensspanne) allein für die soziale Phobie von 7 bis 13 %.“ Die soziale Phobie bildet sich schon zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr als stabile Störung heraus, die auch stabil bleibt und wahrscheinlich lebenslang andauert.
2.5.4 Komorbidität
Angststörungen und auch soziale Unsicherheiten treten häufig im Zusammenhang mit anderen Störungen auf. Laut Bach53 entwickeln rund 75% der Menschen, die an einer Sozialphobie leiden, im Laufe ihres Lebens eine oder sogar mehrere weitere psychische Störungen. Aufgrund dieser hohen Komorbiditätsrate ist eine differentialdiagnostische Abgrenzung von sozialen Phobien oder sozialer Ängstlichkeit zu anderen Störungen oft sehr schwer. Besonders Hyperaktivität und Depressionen treten gemeinsam mit Angststörungen auf. Bei einer Studie von Essau, Karpinski, Petermann und Conradt54 die in Bremen mit 1035 Schülerinnen und Schülern zwischen 12 und 17 Jahren durchgeführt wurde, wiesen 192 der Jugendlichen Angststörungen auf. Dabei wurden:
- bei 94 Schülerinnen und Schülern ein ,reine‘ Angststörung,
- bei 70 Schülerinnen und Schülern eine weitere Störung,
- bei 23 Schülerinnen und Schülern zwei weitere Störungen und
- bei 5 Schülerinnen und Schülern sogar drei weitere Störungen diagnostiziert.
Es stellte sich auch heraus, dass Kinder mit Angststörungen wenig oder keine ausgeprägten Sozialkontakte zu Gleichaltrigen besitzen und häufig Probleme in Schule und Familie haben.
Aber nicht nur Depressionen und Hyperaktivität treten häufig gemeinsam mit Angststörungen auf. Es muss auch auf einen Zusammenhang von Angst und Aggression hingewiesen werden. Denn es können sowohl sozial unsicheres Verhalten als auch aggressives Verhalten durch eine Angststörung hervorgerufen werden. Es handelt sich also nur um verschiedene Verarbeitungsformen desselben Motivs. Dies drückt sich dann in verschiedenen psychischen Störungen aus.55
2.6 Erklärungsansätze
Laut Beidel und Turner56 gibt es verschiedene Wege der Entwicklung, die zu einer Angststörung im Kindesalter und zu sozialer Unsicherheit führen können. Ein kleiner Teil der Betroffenen scheint genetische Aspekte aufzuweisen, die ihn für soziale Unsicherheiten anfälliger macht. Bei einem Großteil jedoch spielen psychologische Merkmale die wichtigste Rolle bei der Entwicklung solcher Angststörungen. Außerdem sind auch soziale Faktoren, wie zum Beispiel Verhaltensmerkmale, Erziehungskompetenz und Erwartungen der Eltern, zu berücksichtigen, wenn es um die Entwicklung von sozialer Unsicherheit geht. Dabei gibt es sehr komplexe Wechselwirkungen zwischen den biologischen, den psychischen und den sozialen Faktoren.
2.6.1 Biologische Faktoren
Durch viele Zwillingsstudien ergaben sich Hinweise darauf, dass sich soziale Unsicherheit auf biologische Faktoren zurückführen lässt. Außerdem lässt sich feststellen, dass Angststörungen in Familien gehäuft auftreten.57
Bei der Virginia Twin Study stellte sich heraus, dass für Trennungsangst genetische Faktoren keine Rolle spielen, jedoch Überängstlichkeit sehr wohl durch biologische Faktoren entstehen kann. Die Erblichkeitseinschätzung bei Überängstlichkeit liegt laut dieser Studie von Topolski58 bei 37%.
Gehemmtes Verhalten und Schüchternheit kann bei Kindern bereits ab dem neunten Lebensmonat beobachtet werden. In Längsschnittstudien wurde belegt, dass es sich hierbei um ein „stabiles Temperamentsmerkmal“59 handelt, bei welchem Kinder in neuen und ungewohnten Situationen Auffälligkeiten zeigen:
- „ein stark erhöhtes sympathisches Erregungsniveau und
- Rückzugsverhalten.“60
Kinder, die mit Rückzugsverhalten reagieren, unterbrechen die Aktivitäten die sie momentan ausführen um jegliche Kontaktaufnahme zu unbekannten Personen zu vermeiden. Außerdem klammern sie sich sehr stark an ihren Eltern oder Bezugspersonen.
2.6.2 Psychische Faktoren
Neben den biologischen Faktoren können auch verschiedene psychische Faktoren zur Entstehung von sozialer Unsicherheit und von Ängsten führen. Die kognitiven und emotionalen Aspekte um welche es sich hierbei handelt werden meist durch Lernprozesse wie sozialkognitives Lernen oder verschiedene Konditionierungsvorgänge geprägt.
Laut Bandura61 kann sozial unsicheres Verhalten schon durch die Beobachtung eines solchen Verhaltens erlernt werden. Es handelt sich also um das sogenannte Modelllernen. Das sozial unsichere, schüchterne und ängstliche Verhalten eines Kindes kann somit auf die Nachahmung dieser Verhaltensweisen bei den Eltern oder wichtigsten Bezugspersonen zurückgeführt werden.
Eine weitere Möglichkeit die zu sozial unsicherem Verhalten führt und die durch psychische Faktoren bedingt ist, ist die fehlende Gelegenheit zum sozialen Lernen. Es kommt häufig vor, dass Kinder zu viel unterstützt, verwöhnt und damit auf eine ungewollte Art verstärkt werden. Wenn einem Kind alle Probleme abgenommen werden kann es keine Fähigkeiten z*um Problemlösen entwickeln, die es in Interaktionen mit anderen Menschen brauchen würde.62
Nicht nur die falsche Verstärkung kann zur sozialen Unsicherheit führen, sondern auch ein Mangel an positiver Verstärkung. Sozial kompetentes Verhalten wird im Alltag sehr oft als selbstverständlich hingenommen. Daher wird ein solches Verhalten nicht anerkannt oder gar durch Belohnung verstärkt. Ein angemessenes, und sozial kompetentes Verhalten kann im Kindesalter laut Petermann und Petermann63 jedoch nur durch eine „schrittweise Annäherung“ an dieses und eine „entsprechende Bekräftigung“ aufgebaut werden.
[...]
1 Vgl. Digeon 2004, S. 4
2 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 5
3 Melfens & Walitza 2013, S. 28
4 Vgl. Melfens & Walitza 2013, S. 46
5 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 2
6 Schweer 2008, S. 343
7 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 2
8 Vgl. Czeschlik 2008 in Schweer 2008, S. 343
9 Rost und Schermer 2008, o . S. zit. in Schweer 2008, S. 343
10 Schwarzer 1993, S. 88, zit. in Schweer 2008, S. 343
11 Jacobs & Strittmatter 1979, S. 43 zit. in Schweer 2008, S. 344
12 Petermann & Petermann 2006, S. 3
13 Laucken 1974, o. S. zit. in Asendorpf 1989, S. 18
14 Vgl. Czeschlik 2008 in Schweer 2008, S. 348
15 Czeschlik 2008 zit. in Schweer 2008, S. 345
16 Stittmatter 1993, S. 12 zit. in Schweer 2008, S. 345
17 Vgl. Winkel, Petermann & Petermann 2006, S. 64
18 Vgl. Czeschlik 2008 in Schweer 2008, S. 346
19 Vgl. Rost & Schermer 2007, o. S. in Schweer 2008, S. 347
20 Vgl. Schellhaas 1993, o. S. in Schweer 2008, S. 347
21 Vgl. Petermann, Wiedebusch & Kroll 1994, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S.4
22 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 4
23 Vgl. Czeschlik 2008 in Schweer 2008, S. 354
24 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 4
25 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 5
26 Vgl. Starcevic und Berle 2006 o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 6
27 Petermann & Petermann 2006, S. 6
28 Vgl. Czeschlik 2008 in Schweer 2008, S. 354
29 Schermer 1982, o. S. zit. in Schweer 2008, S. 354
30 Vgl. Schermer 1982, o. S. in Schweer 2008, S. 354
31 Vgl. Eder & Felhofer 1994, S. 212 in Ulich 2001, S. 29
32 Vgl. CZESCHLIK 2008 in Schweer 2008, S. 351
33 Czeschlik 2008 zit. in Schweer 2008, S. 351
34 Pekrun 1992, o. S. in in Krapp & Weidemann 2006, S. 211
35 Vgl. Ulich 2001, S. 27
36 Ulich 2001, S. 27
37 Vgl. Ulich 2001, S. 27
38 Vgl. Ulich 2001, S. 27
39 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 6
40 Vgl. Becker & Hoyer 2005, S. 2 in Petermann & Petermann 2006, S. 6
41 Becker & Hoyer 2005, S. 2 zit. in Petermann & Petermann 2006, S. 6
42 ICD-10, Kap. V (F), WHO 2004, 2005 in Petermann & Petermann 2006, S. 15
43 Vgl. ICD-10, Kapitel V (F); WHO, 2004; 2005 - in Petermann & Petermann 2006, S.16
44 ICD-10, Kapitel V (F); WHO, 2004; 2005 - zit. in Petermann & Petermann 2006, S.16
45 Petermann & Petermann 2006, S. 16
46 Vgl. ICD-10, Kapitel V (F); WHO, 2004; 2005 - in Petermann & Petermann 2006, S.16
47 Vgl. CZESCHLIK 2008 in Schweer 2008, S. 347
48 Vgl. Beidel, Fink & Turner 1996, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 9
49 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 10
50 Vgl. Melfsen, Osterlow & Florin 1997, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 10
51 Vgl. Döpfner & Lehmkuhl 2002, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 9
52 Vgl. Furmark 2002, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 9
53 Vgl. Bach 1998, o. S. in Papoulis 2005, S. 21
54 Vgl. Essau, Krapinski, Petermann & Conradt 1998, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 10
55 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 10
56 Vgl. Beidel & Turner 1996, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 63
57 Vgl. Schmidt & Schulkin 1991, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 64
58 Vgl. Topolski et. al 1997, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 64
59 Petermann & Petermann 2006, S. 64
60 Petermann & Petermann 2006, S. 64
61 Vgl. Bandura 1997, o. S. in Petermann & Petermann 2006, S. 65
62 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 65
63 Vgl. Petermann & Petermann 2006, S. 66
- Quote paper
- BEd Petra Mahr (Author), Maßnahmen zum Angstabbau sozial unsicherer Kinder, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1316563
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