In der folgenden Ausarbeitung strebe ich einen internationalen Vergleich musikalisch basierter Fernsehformate an. Im Zuge der Betrachtungen wird zum einen auf das erste und populärste Fernsehformat der Musikgeschichte, auf das amerikanische Music Television (MTV) eingegangen, welches sich im Laufe seiner programmstrukturellen Entwicklungen konsequent zu einer Weltmarke und zu einem ausnahmslosen Global Player etablieren konnte. Zum anderen soll durch die Gegenüberstellung des weltweit erfolgreichsten Formats zu einem noch sehr jungen und alternativen österreichischen Format namens GOTV, welches sich auf die Tradition des in Amerika etablierten Musikfernsehens besinnt, aufgezeigt werden, wie sich im Laufe der Zeit innerhalb dieser begründeten Tradition zunehmend kommerzielle Zielsetzungen durchgesetzt haben und sich tendenziell auf gewisse Entwicklungen der Programmstrukturen niederschlagen konnten.
Ein abschließender Themenkomplex soll sich im Folgenden mit dem Konfliktpunkt einer idealisierten Rechtfertigung des Musikfernsehens gegenüber dem traditionell behafteten Medium der Musik sowie gegenüber dem enorm empfänglichen und konsumierenden Publikum beschäftigen.
Gibt es eine mediale Zukunft für die Mutter des Musikfernsehens MTV? Und wenn ja, wie wird diese konkret aussehen können?
Kann ein Konzept, welches einer solch eindeutigen Monopolisierung und voranschreitenden Kommerzialisierung unterliegt, auch weiterhin bestehen oder wird diese flächendeckend angelegte Markenstrategie Gegenteiliges, d. h. einen erheblichen Seriositätsverlust sowie einen Vertrauensbruch beim Konsumenten, hervorrufen?
Ist es möglich einen programmatischen Gegenpol zum kommerzialisierten Musikfernsehen von MTV innerhalb des europäischen, deutschsprachigen Raumes zu etablieren? Und durch welche Faktoren muss sich ein solches konkurrenzfähiges Programm konzeptionell, inhaltlich sowie ästhetisch definieren?
Diesen Fragestellungen gilt es in der folgenden Arbeit nachzugehen. Auf der Basis von historischen und konzeptionellen Faktoren ist es mein Ziel: Das heutige Musikfernsehen im Zuge eines internationalen Vergleichs zwischen Deutschland (MTV) und Österreich (GOTV) zu charakterisieren, zu kritisieren und folglich innerhalb der aktuell diskutierten Strukturen der Fernsehlandschaft einzuordnen sowie spezifische Wertungen vorzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines
3. MTV
3.1 Sendergeschichte
3.2 Entwicklungen und Tendenzen
4. GOTV
4.1 Sendergeschichte
4.2 Entwicklungen und Tendenzen
5. Programmanalyse
5.1 Programm – MTV
5.2 Programm – GOTV
6. Spezifische Sendeformate
6.1 Konzeptionelle Gestaltungsmerkmale
6.2 Inhaltliche Gestaltungsmerkmale
6.3 Ästhetische Gestaltungsmerkmale
6.4 Gesamtwirkung und Intentionen
7. Ausblick und Fazit
7.1 Idealisierte Rechtfertigung des Musikfernsehens?
7.2 Neue Zukunft durch Konkurrenzprogramm?
8. Literatur
9. Endnoten
1. Einleitung
In der folgenden Ausarbeitung strebe ich einen internationalen Vergleich musikalisch basierter Fernsehformate an. Im Zuge der Betrachtungen wird zum einen auf das erste und populärste Fernsehformat der Musikgeschichte, auf das amerikanische Music Television (MTV) eingegangen, welches sich im Laufe seiner programmstrukturellen Entwicklungen konsequent zu einer Weltmarke und zu einem ausnahmslosen Global Player etablieren konnte. Zum anderen soll durch die Gegenüberstellung des weltweit erfolgreichsten Formats zu einem noch sehr jungen und alternativen österreichischen Format namens GOTV, welches sich auf die Tradition des in Amerika etablierten Musikfernsehens besinnt, aufgezeigt werden, wie sich im Laufe der Zeit innerhalb dieser begründeten Tradition zunehmend kommerzielle Zielsetzungen durchgesetzt haben und sich tendenziell auf gewisse Entwicklungen der Programmstrukturen niederschlagen konnten.
Ein abschließender Themenkomplex soll sich im Folgenden mit dem Konfliktpunkt einer idealisierten Rechtfertigung des Musikfernsehens gegenüber dem traditionell behafteten Medium der Musik sowie gegenüber dem enorm empfänglichen und konsumierenden Publikum beschäftigen.
Gibt es eine mediale Zukunft für die Mutter des Musikfernsehens MTV? Und wenn ja, wie wird diese konkret aussehen können?
Kann ein Konzept, welches einer solch eindeutigen Monopolisierung und voranschreitenden Kommerzialisierung unterliegt, auch weiterhin bestehen oder wird diese flächendeckend angelegte Markenstrategie Gegenteiliges, d. h. einen erheblichen Seriositätsverlust sowie einen Vertrauensbruch beim Konsumenten, hervorrufen?
Ist es möglich einen programmatischen Gegenpol zum kommerzialisierten Musikfernsehen von MTV innerhalb des europäischen, deutschsprachigen Raumes zu etablieren? Und durch welche Faktoren muss sich ein solches konkurrenzfähiges Programm konzeptionell, inhaltlich sowie ästhetisch definieren?
Diesen Fragestellungen gilt es in der folgenden Arbeit nachzugehen. Auf der Basis von historischen und konzeptionellen Faktoren ist es mein Ziel: Das heutige Musikfernsehen im Zuge eines internationalen Vergleichs zwischen Deutschland (MTV) und Österreich (GOTV) zu charakterisieren, zu kritisieren und folglich innerhalb der aktuell diskutierten Strukturen der Fernsehlandschaft einzuordnen sowie spezifische Wertungen vorzunehmen.
2. Allgemeines
„Die Genese des Musikfernsehens präsentiert sich als Synthese kultureller, medientechnischer und wirtschaftlicher Entwicklungen. Kein anderes Medium setzt in der Mediengesellschaft so konsequent Fiktionen gegen Fakten, hat ein so großes Reichweiten- bzw. Wirkungspotential und kommt dem rasanten gesellschaftlichen Wandel der Gegenwart so konsequent entgegen. [...] Musikfernsehen verbindet die Medien TV und Popmusik auf eine Weise, bei der die Musik zum zentralen Inhalt wird.“[i]
Sollte man zumindest laut dieser Definition annehmen können, die Realität sieht jedoch anders aus. Gegenwärtige Tendenzen leiten eine konträre Entwicklung, bis hin zu einer radikalen Trendwende in Sachen Musikfernsehen, ein.
Es kann bereits vorweggenommen werden, dass es damals wie heute MTVs erklärtes Ziel ist, sukzessiv und konsequent, zum erfolgreichsten Fernsehsender des globalen Marktes zu avancieren.[ii] Nach der weltweit populären Wirtschaftsstrategie „Think global – Act local“, sollte auch das Konzept des Musikfernsehens bis ins letzte Detail ausgerichtet sein. Dies hatte zur Folge, dass MTV heute wie kaum eine andere Marke oder Institution für Internationalität und Globalität steht.[iii] Zu diesem Zweck ist neben einem verstärkten Austausch mit der Zielgruppe der Jugendlichen vor allem eine konsequente Markenpolitik existenziell. Das bedeutet konkret, dass nicht nur die eigene imagestarke Marke profiliert werden soll, sondern dass zudem, durch wechselseitige Imagetransfers im Zuge von Kooperationen (beispielsweise mit Markenartikeln), erfolgversprechenden Synergieeffekten entstehen sollen.[iv]
Einerseits erfüllt Musikfernsehen zugleich eine doppelte kommunikative Funktion, indem es Themen und Informationen liefert sowie zugleich zu einem rezipierbaren Medium avanciert. Andererseits hat sich das Musikfernsehen zur Aufgabe gemacht seinen Rezipienten aktuelle Identifikationsmuster sowie Lebensstrategien zu vermitteln. Dabei soll sich das Publikum am Programmmuster orientieren und aktiv zur eigenen Bedürfnisbefriedigung beitragen.[v]
„Werden Probleme aus der eigenen Umwelt abgebildet und in ein mit Unterhaltung und Idolen angereichertes Umfeld eingebettet, steigt das Interesse an TV-Programmen.“[vi]
Sozioökonomisch betrachtet entwickelten sich in diesen Zusammenhang bereits Anfang der 80er Jahre neue Formen von Jugendkulturen. Im Zentrum stand erstmals nicht mehr allein die Musik, sondern vor allem die visuellen und kommerziellen Bereiche der Popkultur.[vii]
Dadurch beeinflusst, bestimmen heute Synergieeffekte und Vielfachverwertung von Produktionen sowie eine stark zunehmende, jugendaffine Amerikanisierung und ein enormer Traditionsverlust das Programm des Global Players MTV. Zum zentralen Element wird die Kommerzialisierung, der die Strategie der Vermarktung „Ware Popmusik“[viii] integriert ist.
„Seine monopolartige Stellung sichert dem Programmanbieter zugleich Markenstärke bei der werbetreibenden Industrie und in vielen Verbreitungsgebieten mangels Konkurrenz
Glaubwürdigkeit bei seinen Zuschauern.“[ix]
Ob diese Glaubwürdigkeit nun seine Berechtigung findet oder sich vielleicht doch im Zuge der wachsenden sowie enorm differenzierten Zuschauerbedürfnisse neue Konzepte auf dem Markt durchsetzten können soll nun im Folgenden anhand von historischen sowie konzeptionellen Aspekten geklärt werden.
3. MTV
3.1 Sendergeschichte
MTV stellt die Abkürzung des in den USA gegründeten Music Television dar, dessen Sitz sich derzeit in New York befindet. Am 01. August 1981 startete MTV sein musikalisches Spartenprogramm zunächst nur in den USA und führte ab diesem Eintritt in die Fernsehlandschaft bald auch die weltweite Musikvideo-Revolution an. Im Jahre 1987 erfolgte bereits eine erste Expansionswelle nach Europa, sodass eine nationale Formataufspaltung stattfinden sollte, welche aufgrund der enormen sprachlichen Differenzen gewährleistet werden musste. Im Zuge dieser Entwicklung wurde MTV Central, der deutsche Ableger des US-Amerikanischen Erfolgskonzepts, als privat organisierter Sender mit seinem Hauptsitz in Köln und Zweitsitz in Berlin, gegründet und am 07. März 1997 erstausgestrahlt. Durch den Sendestart von MTV2 am 01. Mai 2001 konnte die senderspezifische Programmstruktur sowie MTVs Monopolstellung auf dem deutschen Markt weiter ausgebaut werden.[x]
3.2 Entwicklungen und Tendenzen
Zu Beginn der 80er Jahre startete das Musikfernsehen MTV mit einem Musikformat namens Popclips, einer 30 Minuten umfassenden Chartsendung, und führte ab diesem Zeitpunkt die weltweite Musikvideo-Revolution an. MTV monopolisierte mit seinem einzigartigen Spartenprogramm zunächst den heimischen und in kürzester Zeit den weltweiten Musikmarkt.[xi] Dies lässt vermuten, dass Strategie und Umsetzung des ersten weltweit etablierten Musikfernsehens bereits zu Beginn einer starken Kommerzialisierung unterworfen waren. Doch bereits im Jahre 1986, nach nur 5 Sendejahren auf dem Markt, sollte die erste Krise bei MTV auftreten:
„MTV hab become boring!“ (Tom Freston - Chief Operating Officer, ehemals Chef von MTV Networks ) [xii]
Mit dieser Aussage sollte schon bald eine enorme Auswirkung auf die gesamte Entwicklung des künftigen Musikfernsehens einhergehen. Eine weitgreifende Programmreform sowie die Expansion nach Europa hatte bereits im folgenden Jahr zu erfolgen, um nach wie vor für die Monopolstellung MTVs innerhalb des Marktgeschehens zu garantieren. Die Zielsetzung einer umfassenden Erschließung des globalen Jugendmarktes war der zentrale Bestandteil innerhalb des Entstehungsprozesses einer international (MTV) sowie national (MTV Central) angelegten Markenstrategie.[xiii] Das bedeutete natürlich zum einen die vehemente Fortsetzung der bereits etablierten Monopolstrategie und zum anderen eine zunehmende Orientierung an kommerziellen, aber nichtmusikalischen Formaten. Das Potenzial des Senders als Werbeplattform ließ das Medium Musik zudem immer weiter in den Hintergrund treten. Im Zuge der Programmreform kam es beispielsweise zur Einstellung des Senderformats MTV2. Bereits im Jahre 2005 nach nur ca. 4 ½ jähriger Sendezeit wurde dieser vom Comicsender Nick ersetzt.[xiv]
Die Verdrängung reiner Musikformate sowie eines gewissen Musikjournalismus schreitet damals wie heute immer weiter fort. Beispielhaft für diese Entwicklungen ist das Absetzen von recht populären und im musikjournalistischen Umfeld der Fernsehlandschaft anzusiedelnden Formate, wie beispielsweise Fast Forward mit der durchaus bekannten und beim Musikfreund beliebten Moderatorin Charlotte Roche (VIVA à Übernahme durch MTV à Absetzung) sowie die Sarah Kuttner Show (VIVA à MTV à Absetzung). Diese Formate mussten auf Grund der zunehmenden Amerikanisierung der Formate und Strukturen sowie der jugendkonformen Programmorientierung, mit Schwerpunktsetzung auf Dating- und Realityshows, weichen. Nicht zuletzt wird der Rentabilität sowie Gewinnmaximierung bzw. einer Profitpotenzierung innerhalb des kommerzialisierten Marktgeschehens eine immer größere Rolle zugeschrieben[xv], sodass diese Tendenzen die zunehmende Verdrängung musikalischer sowie musikjournalistischer Formate vom visuellen Musikmarkt bedingen. MTV bezeichnet sich als das Original des Musikfernsehens sowie als eine Marke mit unverwechselbar starkem Image.[xvi] Beide Aussagen sind durchaus zu bestätigen, es stellt sich jedoch die Frage in wie weit diese Zielsetzung der eigentlichen Tradition des in den USA entstandenen Musikfernsehens entspricht oder dieser Tradition entgegenwirkt. Zur Klärung dieser grundlegenden Fragestellung soll die Eigendefinition des Senders laut Viacom dienen:
[...]
[i] Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.10ff
[ii] Vgl. Echtermeyer: Das Musikfernsehen in Deutschland, 1999: S.61
[iii] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.26
[iv] Vgl. Echtermeyer: Das Musikfernsehen in Deutschland, 1999: S.82f
[v] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.7
[vi] Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.39
[vii] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.118
[viii] Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.117
[ix] Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.124
[x] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.113-133
[xi] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.113-133
[xii] Vgl. Schmidt: Viva MTV! 1999: S.107
[xiii] Vgl. Schmidt: Viva MTV! 1999
[xiv] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.113-133
[xv] Vgl. Kurp / Hauschild / Wiese: Musikfernsehen in Deutschland, 2002: S.204
[xvi] Vgl. Internet www.viacombrandsolutions.de (Zugriffsdatum: 04.03.2008)
http://www.viacombrandsolutions.de/de/sender_programme/mtv/positionierung.html
- Quote paper
- Annemarie Binkowski (Author), 2008, Musikfernsehen im 21. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131555
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