[...] Doch die Stimmung ist trotz der Feierlichkeiten getrübt. Die schlechte Lage
der Weltwirtschaft macht sich auch besonders in Deutschland bemerkbar. Aufgrund des
Zusammenbruchs der Industrieproduktionen weltweit, ist die Rede von einer
Weltwirtschaftskrise. Die Aussage „früher war alles besser“ hört man in diesen schweren
Zeiten zu Genüge. Ist sie denn berechtigt? Ist die Angst der Menschen, die Trauer um ihre
Existenz und die Ungewissheit der Zukunft denn wirklich legitim? Da stellen sich die Fragen:
War früher denn wirklich alles besser in Deutschland? Wie sah die Wirtschaft früher aus?
Drehen wir die Zeit um 64 Jahre zurück. Wir schreiben das Jahr 1945, das Ende des Zweiten
Weltkriegs. Es regierte ebenfalls eine Ungewissheit über Deutschlands Zukunft. Angst,
Trauer und Chaos spiegeln sich in den Menschen und auf den Straßen in Deutschland
wider. Wie die Menschen die Zeit nach dem Krieg empfanden vermittelt das folgende Zitat
von WEIMER sehr deutlich: „Das Leben ist hier ein wüster Kampf, wir leben von der Hand in
den Mund, aber manchmal ist die Hand leer, die dem Mund etwas geben möchte“ (WEIMER,
W. (1998): 11). Doch inmitten dieser Orientierungslosigkeit und der Verzweiflung wächst die
Hoffnung, die Hoffnung auf einen Neuanfang. In allen vier Besatzungszonen begann man mit
dem Wiederaufbau der zerstörten Städte sowie ihrer Industrie. Schritt für Schritt gelang es
den Menschen sich aus dieser schweren Zeit zu befreien und in eine schöne Zukunft zu
blicken. Zehn mühselige Jahre später war dann die Rede vom Wirtschaftswunderland
Deutschland in den Medien (SCHÄFER, J. (2009): 122).
Was war der Auslöser dieses Aufschwungs? Welche Rahmenbedingungen waren gegeben
und wurden geschaffen? Wie verlief der Wiederaufbau der Industrie in den verschiedenen
Besatzungszonen? All diese Fragen werden in der vorliegenden Arbeit zu dem Thema
„Industrie im Wiederaufbau“ beantwortet. Im ersten Teil wird der Fokus bei der Betrachtung
des Themas auf die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau der Industrie gelegt. In
diesem Kontext werden sowohl die westliche als auch die sowjetische Besatzungszone
voneinander getrennt analysiert, um Unterschiede in der Planung des Wiederaufbaus
herauskristallisieren zu können. Im zweiten und letzten Teil der Arbeit soll am Beispiel des
Ruhrgebietes, genauer am Beispiel der Krupp-Werke in Essen, verdeutlicht werden,
inwiefern die Anwendung der besagten Rahmenbedingungen in der westlichen
Besatzungszone Einzug erhielt.
Inhaltsverzeichnis
1.0 Einleitung
2.0 Die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau der Industrie in den westlichen Besatzungszonen und in der sowjetischen Besatzungszone
2.1 Rahmenbedingungen für die westliche Besatzungszone
2.1.1 Die alliierte Wirtschaftspolitik im Jahre 1945-1946
2.1.2 Der Umschwung in der alliierten Deutschlandpolitik- Der neue Weg der Amerikaner
2.1.3 Die Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen
2.2 Rahmenbedingungen für die sowjetische Besatzungszone
2.2.1 Der Ausgangszustand in der sowjetischen Besatzungszone
2.2.2 Der Wiederaufbau und die Demontage in der sowjetischen Besatzungszone
3.0 Industrie im Wiederaufbau am Beispiel des Ruhrgebiet und der Firma Krupp in
3.1 Der Wiederaufbau der Industrie im Ruhrgebiet nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1957
3.2 Wiederaufbau der Industrie am Beispiel Krupp in Essen
3.2.1 Die Unternehmensgeschichte
3.2.2 Die Demontage bei Krupp nach dem Zweiten Weltkrieg
3.2.3 Der Wiederaufbau bei Krup
4.0 Fazit
5.0 Literaturverzeichnis
6.0 Anhang
1.0 Einleitung
Wir schreiben das Jahr 2009 und die Bundesrepublik Deutschland feiert ihren 60. Geburtstag. In diesem Jahr wird es also etliche Festakte, Symposien, Podiumsdiskussionen, Interviews, Fernsehdokumentationen, Medienfeatures und Gedrucktes geben, die die Geburtsstunde der Republik und die signifikanten Ereignisse der folgenden 60 Jahren durchleuchten. Doch die Stimmung ist trotz der Feierlichkeiten getrübt. Die schlechte Lage der Weltwirtschaft macht sich auch besonders in Deutschland bemerkbar. Aufgrund des Zusammenbruchs der Industrieproduktionen weltweit, ist die Rede von einer Weltwirtschaftskrise. Die Aussage „früher war alles besser“ hört man in diesen schweren Zeiten zu Genüge. Ist sie denn berechtigt? Ist die Angst der Menschen, die Trauer um ihre Existenz und die Ungewissheit der Zukunft denn wirklich legitim? Da stellen sich die Fragen: War früher denn wirklich alles besser in Deutschland? Wie sah die Wirtschaft früher aus? Drehen wir die Zeit um 64 Jahre zurück. Wir schreiben das Jahr 1945, das Ende des Zweiten Weltkriegs. Es regierte ebenfalls eine Ungewissheit über Deutschlands Zukunft. Angst, Trauer und Chaos spiegeln sich in den Menschen und auf den Straßen in Deutschland wider. Wie die Menschen die Zeit nach dem Krieg empfanden vermittelt das folgende Zitat von WEIMER sehr deutlich: „Das Leben ist hier ein wüster Kampf, wir leben von der Hand in den Mund, aber manchmal ist die Hand leer, die dem Mund etwas geben möchte“ (WEIMER, W. (1998): 11). Doch inmitten dieser Orientierungslosigkeit und der Verzweiflung wächst die Hoffnung, die Hoffnung auf einen Neuanfang. In allen vier Besatzungszonen begann man mit dem Wiederaufbau der zerstörten Städte sowie ihrer Industrie. Schritt für Schritt gelang es den Menschen sich aus dieser schweren Zeit zu befreien und in eine schöne Zukunft zu blicken. Zehn mühselige Jahre später war dann die Rede vom Wirtschaftswunderland Deutschland in den Medien (SCHÄFER, J. (2009): 122).
Was war der Auslöser dieses Aufschwungs? Welche Rahmenbedingungen waren gegeben und wurden geschaffen? Wie verlief der Wiederaufbau der Industrie in den verschiedenen Besatzungszonen? All diese Fragen werden in der vorliegenden Arbeit zu dem Thema „Industrie im Wiederaufbau“ beantwortet. Im ersten Teil wird der Fokus bei der Betrachtung des Themas auf die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau der Industrie gelegt. In diesem Kontext werden sowohl die westliche als auch die sowjetische Besatzungszone voneinander getrennt analysiert, um Unterschiede in der Planung des Wiederaufbaus herauskristallisieren zu können. Im zweiten und letzten Teil der Arbeit soll am Beispiel des Ruhrgebietes, genauer am Beispiel der Krupp-Werke in Essen, verdeutlicht werden, inwiefern die Anwendung der besagten Rahmenbedingungen in der westlichen Besatzungszone Einzug erhielt.
2.0 Die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau der Industrie in den westlichen Besatzungszonen und in der sowjetischen Besatzungszone
Die Potsdamer Konferenz, die am 17. Juli 1945 begann und ihr Ende am 2. August 1945 fand, stellte die ersten Parameter für den Wiederaufbau der Industrie auf. Die Konferenz beinhaltete neben den wirtschaftlichen Grundsätzen auch politische Grundsätze wie Demokratisierung, Denazifizierung, Demilitarisierung, Dekartellisierung und Dezentralisierung, auf die ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen werde. Die Vertreter der Besatzungszonen in der Potsdamer Konferenz entwarfen, nach einigen Unstimmigkeiten, wirtschaftliche Leitlinien zum Wiederaufbau der Industrie. Das die „... übermäßige Konzentration der Wirtschaft vernichtet und das Hauptgewicht auf die Entwicklung der Landwirtschaft und der Friedensindustrie für den inneren Bedarf gelegt werden sollte“ (BOROWSKY, P. (1993): 16) waren einige Aspekte, bei denen sich die Vertreter der Besatzungszonen einig waren. Die gemeinsame Wirtschaftspolitik der Alliierten hatte den Fokus, die Wirtschaft zu dezentralisieren. Dies bedeutet, dass lebensnotwendige Güter über die Zonen gleichmäßig verteilt und dabei die Deutschen für die Verteilung und Kontrolle der Maßnahmen zu integrieren (BOROWSKY, P. (1993): 16-17). Trotz der Tatsache, dass Deutschland zu dem Zeitpunkt in vier Besatzungszonen geteilt war, sollte das Land als wirtschaftliche Einheit behandelt werden.
Nach der Potsdamer Konferenz gründen die Alliierten für Deutschland eine eigene Zentralverwaltung als oberstes Regierungsorgan der Besatzungsmächte: den Alliierten Kontrollrat. Dieses Projekt scheiterte jedoch aufgrund von Uneinstimmigkeiten, da jede Besatzungsmacht eigene Interessen verfolgte.
Das folgende Kapitel wird sich mit den einzelnen Besatzungszonen auseinandersetzten, wobei die britische, französische und die amerikanische Besatzungszone als westliche Besatzungszone zusammengefasst und der sowjetischen Besatzungszone gegenübergestellt wird. Der Grund für die Betrachtung einer gemeinsamen westlichen Besatzungszone besteht darin, dass sie im Wesentlichen ähnliche Ziele verfolgten.
2.1 Rahmenbedingungen für die westliche Besatzungszone
Der Fokus der Politik der westlichen Alliierten basierte von Beginn an auf den politischen Grundsätzen Demokratisierung, Denazifizierung, Demilitarisierung, Dekartellisierung und Dezentralisierung.
Die Denazifizierung spielte für die Wirtschaft zunächst eine wichtige Rolle. Mit dem Verbot der NSDAP und der Erfassung und Verhaftung hoher Nazioffiziere, -beamter und –anhänger wurde der erste Schritt zur Denazifizierung vollbracht. Die Intention der Alliierten bestand darin, die hohen Nazibeamten aus den Büros zu vertreiben. Fakt jedoch war, dass die NSDAP Mitglieder in ihren alten Positionen unverzichtbar gewesen sind, zum Schutz vor dem totalen Zusammenbruch der Verwaltung. Somit entschieden sich die Alliierten einige der alten NSDAP Mitglieder in ihren Ämtern zu behalten, um dadurch eine Sicherung der Verwaltung zu gewährleisten.
2.1.1 Die alliierte Wirtschaftspolitik im Jahre 1945-1946
In den Jahren 1945 und 1946 war die alliierte Wirtschaftspolitik durch Demontage, Reparation und Gesellschaftsreformen geprägt gewesen. Hierbei lag das Hauptaugenmerk darin, Großbetriebe soweit zu zerbrechen, dass dadurch die deutsche Wirtschaft außer Kraft gesetzt wird. Ein typisches Muster Beispiel dafür ist der Chemiegroßbetrieb I.G. Farben, der nach dem zweiten Weltkrieg auf Beschluss des Alliierten Kontrollrates, aufgrund Verstrickungen mit dem NS-Regime, aufgelöst wurde. Das Ziel war rüstungswirtschaftlich bedeutsame Unternehmen aufzuspalten bzw. durch Demontage zu eliminieren. Die Betriebe in Deutschland wurden soweit von ihren Kapazitäten heruntergefahren, so dass ein Missbrauch zu weiteren Kriegszwecken unmöglich wurde.
„Um das doppelte Ziel an Entmilitarisierung und Reparationen zu verwirklichen, begannen die Besatzungsmächte in allen vier Zonen mit der Demontage von Industriebetrieben“ (BOROWSKY, P. (1993): 26). Während das Hauptaugenmerk von Frankreich auf immensen Reparationsleistungen lag, lag die Intention der Briten und der Amerikaner eher auf einer Festigung bzw. Stabilisierung und vor allem Verselbstständigung der Wirtschaft, dies jedoch bedeutet nicht das sie keine Reparationsleistungen beansprucht haben.
Um einen gemeinsamen Nenner, in Fragen der Reparation und Kapazitätsabgrenzung, zu finden, wurde am 26. März 1946 ein Industrieniveauplan für Deutschland beschlossen (BOROWSKY, P. (1993): 27). Dieser Industrieniveauplan schreibt eine Begrenzung der Stahlproduktion auf 5,8 Mio. Tonnen, ein generelles Verbot von 14 Industr]iezweigen sowie eine Begrenzung der Produktion auf 70-80 % der Vorkriegsproduktion für weitere 12 Industriezweige vor. Die Produktion die darüberhinaus ging, sollte als Reparationsleistung an die Alliierten abgetreten werden. Nach diesem Industrieniveauplan müssten beispielsweise 1.636 Fabriken in der britischen und amerikanischen Besatzungszone demontiert werden, um den Vorgaben des Plans gerecht zu werden. Da die deutsche Wirtschaft den Vorgaben und die dazugehörigen zulässigen Quoten nicht erreichte, war der Industrieniveauplan zum Scheitern verurteilt. Demzufolge wurde im Oktober 1947 ein revidierter Industrieniveauplan vorgelegt, welcher vorschrieb, dass nur noch 682 Werke demontiert werden durften. Die Bilanz im Jahre 1949 stellt heraus das nur 342 Werke von 682 demontiert wurden.
Die Situation der deutschen Wirtschaft war aufgrund des Krieges sehr schlecht und die Ausgangsbedingungen sehr negativ, trotzdem gab es eine Basis für den Neuanfang, da das Industriepotential ungefähr bei dem aus dem Jahr 1939 lag. Aufgrund der Demontage reduzierte sich das Potential der Industrie in den ersten beiden Jahren nach dem Krieg um etwa 85%. Laut STEININGER betrugen die Reparationen im Westen nur 4 Milliarden Dollar und nur ca. 5-8% der Industrie wurde demontiert. Ferner wurden die demontierten Anlagen durch neue ersetzt, so dass der Neuanfang einen positiven Effekt hatte (STEININGER, R. (1996): 74).
2.1.2 Der Umschwung in der alliierten Deutschlandpolitik- Der neue Weg der Amerikaner
Am 6. September 1946 in Stuttgart, dem Sitz des Länderrates der amerikanischen Zone, hielt der Außenminister der USA James F. Byrnes eine Rede, die seither als die Wende der amerikanischen Deutschlandpolitik für eine bessere Zukunft bezeichnet wird (STEININGER,R. (1996): 253). In seiner Rede verkündete und kritisierte Byrnes die, „...wiederholte Nichteinhaltung der Potsdamer Beschlüsse, erteilte allen französischen Plänen für eine Abtrennung des Rheinlandes und des Ruhrgebietes eine Absage, wandte sich gegen die Entnahme von Reparationen aus der laufenden Produktion und kündigte die Vereinigung der britischen mit der amerikanischen Zone sowie die Einrichtung politisch verantwortlichen deutschen Zentralbehörden an“ (BOROWSKY, P. (1993): 53).
„Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedlebenden Nationen der Welt“ (aus: PÖTSCH, H. (1998): 50, ein Auszug aus der Rede von Byrnes vom 6. Sep. 1946).
Die Ankündigung einer Verschmelzung der Wirtschaft der amerikanischen und der britischen Besatzungszonen zu der so genannten Bizone, trat am 1. Januar 1947 in Kraft. Das Ziel dieser gemeinsamen Wirtschaftspolitik lag darin, eine „...wirtschaftliche Selbstständigkeit der Bizone bis Ende 1949 zu erreichen“ (BOROWSKY, P. (1993): 53). Deutsche Fachleute begannen im September 1946 im Auftrag der amerikanischen und britischen Militärgouverneure fünf Verwaltungsämter für die vereinigte Zone zu schaffen. Die Zuständigkeitsbereiche dieser Verwaltungsämter waren Wirtschaft, Finanzen, Ernährung & Landwirtschaft, Verkehrswesen und Post (PÖTZSCH, H. (1998): 50). Die Aufgabe der Verwaltungsämter lag unter anderem darin die Maßnahmen der Landesministerien und der beiden Besatzungsmächte zu koordinieren. Die Koordinierung allerdings erwies sich als äußerst schwierige Angelegenheit, denn aufgrund der Abhängigkeit der Militärregierung wurde sie stark behindert bzw. beeinträchtigt. Die Militärregierung behielte sich wichtige Entscheidungen vor, ferner hatte sie sogar wichtige Teile der Wirtschaft in eigener Regie übernommen, wie zum Beispiel den Außenhandel. Der Außenhandel stand unter der Kontrolle der „Joint Export-Import Agency (JEIA)“ (BOROWSKY, P. (1993): 54), welche die oberste Instanz der Besatzungsmächte war. In der britischen Besatzungszone wurden die Eisen- und Stahlindustrien von den Briten 1945 beschlagnahmt und waren unter der Obhut der „North German Iron and Steel Control“ (BOROWSKY, P. (1993): 54). Diese Institution war für die Umstrukturierung der Industrien zuständig. Aufgrund der Fusion mit den Amerikanern, zur Bizone im Jahre 1947, wurde die Institution „North German Iron and Steel Control“ zur „UK/US Coal Control Group“ erweitert und somit eine gemeinsame Kontrollbehörde erschaffen. Diese wiederum wurde dann aufgrund geplantem Involvierens der Deutschen, in die Kontrolle des Bergbaus etc. im November 1947 in die „Deutschen Kohlenbergbau Leitung“ (DKBL) umgewandelt (ERKER, P. & PIERENKEMPER, T. (1999): 85). In dem so entstandenen vereinten Wirtschaftsraum (Bizone) lebten 1947 39 Millionen Menschen, die 69% der gesamten deutschen Bevölkerung ausmachte.
Im Winter 1946/47 kam es zu einem totalen Zusammenbruch der Industrie, des Verkehrs, der Energie- und Lebensmittelversorgung. Hinzu kamen extreme klimatische Verhältnisse, die zu katastrophalen Ernteverhältnissen führten, wodurch die Versorgung der Bevölkerung gefährdet war. Ferner proklamierten auch die Briten Engpässe in der Versorgung der eigenen Bevölkerung. Die Besatzungszone wurde somit langsam zu einem Problem für Großbritannien. Aus diesem Grunde einigte man sich auf die Straffung der Wirtschaftsverwaltung und der Stärkung der politischen Entscheidungsfähigkeit Deutschlands. Die Reorganisation der bisherigen Wirtschaftspolitik sollte zur Lösung dringender wirtschaftlicher Probleme zum Aufbau des Wirtschaftslebens durch das Volk führen und verantwortliche deutsche Stellen fördern. Bei der Reorganisierung lag der Schwerpunkt bei folgenden Zielen:
1. Gründung eines Wirtschaftsrates (eine Art Parlament)
2. Bewahrung eines hauptamtlichen Koordinierungs- und Exekutivorgans, in das jede Landesregierung ein Mitglied entsendet
3. Einsetzung von Direktoren (eine Art Ministerpräsidenten) an oberster Steller der bizonalen Verwaltungsstellen
Der Wirtschaftsrat, der als Vorläufer des heutigen Bundestags gilt, des „vereinigten Wirtschaftsgebietes“(BOROWSKY, P. (1993): 57) (so der offizielle Name der Bizone) kam, mit seinen 52 Abgeordneten von den Landtagen der acht Länder, am 25. Mai 1947 in Frankfurt am Main zu seiner konsultierenden Sitzung zusammen. Er war berechtigt dazu, Gesetzte und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Ausschließlich für die Koordination der Funktionen war der Exekutivrat zuständig, der aus je einem Mitglied der Landesregierungen bestand.
Abschließend traten an die Spitze der fünf Verwaltungsämter, des vereinigten Wirtschaftsgebietes, Direktoren an (PÖTZSCH, H. (1998): 50).
Das Fundament der neuen amerikanischen Besatzungspolitik bildete die Direktive 1779 der amerikanischen Militärregierung vom Juli 1947 (BENZ, W. (1989): 44). Diese Anordnung bestimmte die ausschlaggebenden Elemente des zukünftigen Wirtschaftssystems der Bizone. Sie umfasste den „Verbot von Kartellen, Dekonzentration von Großunternehmen, staatliche Regelung von Preisen dort, wo Wettbewerb nicht möglich war, Zulässigkeiten von Genossenschaften, Gewerkschaften und Betriebsräten, von Tarifverträgen über Löhne, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen“ (BENZ, W. (1989): 45). Signifikant war auch die Tatsache, dass existierende Besitzverhältnisse nicht angetastet wurden. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Sozialisierungsversuche in den westlichen Besatzungszonen scheiterten.
2.1.3 Die Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen
Die deutsche Reichsmark wurde schon lange vor dem zweiten Weltkrieg nicht an den internationalen Börsen notiert. Der Grund dafür war die hohe Verschuldung des Deutschen Reiches. „Der Reichshaushalt schloß für das am 31. März 1945 zu Ende gegangene Haushaltsjahr 1944/45 mit einem Fehlbetrag von 240,3 Milliarden“ Bilanz (DEUERLEIN, E. (1964): 139). Infolgedessen war die Basis einer intakten Finanz- und Wirtschaftspolitik zerstört gewesen.
Dem entgegenzuwirken wurde, seitens der Besatzungsmächte, insbesondere den Vereinigten Staaten von Amerika, über eine Währungsreform nachgedacht. Mit dem Bruch der Anti-Hitler Koalition war der Weg für eine Währungsreform geebnet und es stand einem separaten Weststaat nichts mehr im Wege. Voraussetzung hierfür war jedoch, dass die französische Besatzungszone zur Bizone beitreten musste zum 8. April 1949, da sonst die Marshallhilfe verweigert worden wäre (BOROWSKY, P. (1993): 60-62).
Der amerikanische Außenminister George C. Marshall schlägt am 5. Juni 1947 das European Recovery Program (ERP) vor. Das ERP, wirtschaftliche Wiederaufbauprogramm, soll den wirtschaftlich schwachen Ländern Europas, dazu gehören auch die deutschen Besatzungszonen, eine Hilfestellung geben und darüber hinaus auch eine Ausbreitung des Kommunismus verhindern. Die einzige Voraussetzung für die Verwirklichung dieses so genannten Marshallplans war, dass sich die europäischen Länder auf einen gemeinsamen Wirtschaftsplan einigten. An der Marshallplan-Konferenz die im Juli 1947 in Paris stattfand, nahmen 16 europäische Staaten teil. Eingeladen waren ursprünglich 22 Staaten, unter anderem die osteuropäischen Länder, die allerdings ihre Teilnahme unter dem Druck der UdSSR absagen mussten.
Die Hilfsleistungen der Vereinigten Staaten von Amerika, bestanden nicht nur aus Krediten, sondern auch aus Waren, Rohstoffen und Lebensmitteln. Zwischen 1948 und 1952 wurden von den USA insgesamt rund 12,4 Milliarden Dollar im Rahmen des Marshallplans bereitgestellt. Davon flossen 1,4 Milliarden Dollar nach Westdeutschland. Somit hatte der Marshallplan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westdeutschland einen großen Einfluss, ferner gab er wichtige Impulse zum Wachstum vieler Wirtschaftszweige, insbesondere im Kohlebergbau sowie in der Energiewirtschaft (MAI, GUNTHER (1995): 279 ff). Die notwendige Reorganisation der Bizone begann am 5. Februar 1948 mit der Verdoppelung des Wirtschaftsrates von 52 zu 104 Mitgliedern sowie der Ersetzung des Exekutivrates durch den Länderrat. Zweck dieser Umgestaltung war es, eine Grundlage für den Beitritt der französischen Besatzungszone zur Bizone zu schaffen, um darauf aufbauend einen separaten Weststaat zu bilden. Mit der Gründung der Bank Deutscher Länder am 1. März 1948 in Frankfurt am Main, erhielt Deutschland einen gewissermaßen staatlichen Charakter (BOROWSKY, P. (1993): 61). Auf der in London stattgefundenen so genannten Sechs-Mächte Konferenz wurde über die Zukunft Westdeutschland beraten und der Weg für die Gründung der Bundesrepublik Deutschlands geebnet. In der Konferenz waren die drei westlichen Besatzungsmächte sowie die Benelux-Staaten (Deutschlands direkte Nachbarn) vertreten, Sowjetunion wurde in die Konferenz nicht involviert. Sie dauerte von Februar bis Juni 1948, und bestand aus zwei Sitzungsperioden. Die Grundlage für die Beteiligung eines demokratischen Deutschlands an der Völkergemeinschaft zu schaffen, kann als grobes Ziel dieser Konferenz gesehen werden (WEHNER, G. (1994): 9ff). Die Konferenz endete mit der „Einigung der Teilnehmer im Grundsatz über eine internationale Kontrolle des Ruhrgebiets und der Einbeziehung aller drei Zonen in das europäische Wiederaufbauprogramm“ (BOROWSKY, P. (1993): 61). Resultierend daraus stand der Annahme des Marshallplans nichts mehr im Wege.
Die Uneinstimmigkeiten und das zunehmende Misstrauen im Verhältnis der westlichen Besatzungsmächte und der Sowjetunion, erschwerten die Arbeit des Kontrollrats. Aus Protest gegen den Beschluss der Londoner Sechs-Mächte Konferenz, einen westdeutschen Staat zu gründen, verlässt der Vertreter der UdSSR, Marshall Sokolowski, dann am 20. März 1948 die Sitzung des Alliierten Kontrollrats, das gleichzeitig auch das Ende des Alliierten Kontrollrates einläutete.
Laut PÖTZSCH war die „wichtigste Voraussetzung für die Wiedergesundung der Wirtschaft [...] die Beseitigung des inflationären Geldüberhangs und die Einführung einer stabilen Währung“ (PÖTZSCH (1998): 63). Die Geldmenge war von 56,4 Milliarden Reichsmark zum Jahresende 1938 auf 400 Milliarden Reichsmark 1948 gestiegen, dies verdeutlicht nochmal die immense Inflationsrate der deutschen Reichsmark. So wurde die Währungsreform in den drei Westzonen sowie in den Westsektoren Berlins am 20. Juni 1948, dem so genannten
Tag X, durchgeführt. Die Grundzüge dieser Währungsreform wurden von den Amerikanern ausgearbeitet, darüberhinaus war das neue Geld in Amerika auch gedruckt worden. Die Reichsmark wurde somit durch die Deutsche Mark ersetzt. Mit Einführung der neuen Währung und des damit verbundenen Wertanstieg des Geldes, wurden über Nacht die Läden wieder gefüllt. Dem informellen Markt (dem Schwarzmarkt), der bis dato üblich war und unter anderem mit einer Zigarettenwährung Handel betrieb, wurde der Boden unter den Füßen weggezogen. „Jedermann erhielt eine „Kopfquote“ von 40 DM, [...]. Bargeld und Bankguthaben wurden im Verhältnis 100 Reichsmark : 6,50 DM umgetauscht. Schulden mussten im Verhältnis 10:1 zurückgezahlt werden“ (PÖTZSCH (1998): 63). Die Zahlungen die regelmäßig verrichtet werden mussten, wie zum Beispiel Rente, Miete und Löhne, wurden im Verhältnis 1:1 umgetauscht. „Anleihen des Reiches, der Länder, der Gemeinden und öffentlicher Anstalten wurden zu geringeren Raten aufgewertet“ (BOROWSKY, P. (1993): 63), was die logische Schlussfolgerung die Entschuldung Deutschlands bedeutete. Die im Umlauf gebrachten Geldnoten wurden auf 13 Milliarden DM festgelegt (Karlsruher Institut für Wirtschaftsforschung/ http://www.kiwifo.de).
Ein weiterer, für das deutsche Wirtschaftswunder, ausschlaggebender Aspekt war der, dass aufgrund der starken Abwertung der deutschen Währung sich der Kostenfaktor der deutschen Industrie derartig reduzierte, so „dass sie erfolgreich mit anderen Industrieländern auf dem internationalen Markt konkurrieren konnte“ (BOROWSKY, P. (1993): 63).
Ludwig Erhard, der am 2. März 1948 zum Direktor der Verwaltung der Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gewählt wurde, formulierte zwei Tage vor der Währungsreform Leitsätze zur Wirtschaftspolitik. Die Leitsätze beinhalteten im Kern eine schrittweise Ablösung der Zwangswirtschaft durch die Marktwirtschaft.
Zusammenfassend ist zu sagen: „Das Wirtschaftsleben in den westlichen Besatzungszonen war nach dem Krieg in hohen Maßen reglementiert durch Preis- und Lohnfestsetzung, Produktionsverbote und -beschränkungen, Lebensmittelkarten, Bezugsscheine, Wohnraumbewirtschaftung und Abwicklung des Außenhandels ausschließlich durch die Besatzungsmächte. An der privatwirtschaftlichen Grundlage dieses Systems wurde jedoch prinzipiell festgehalten“ (BOROWSKY, P. (1993): 29)
2.2 Rahmenbedingungen für die sowjetische Besatzungszone
Bei der Betrachtung der sowjetisch besetzten Zone, kann von vornherein gesagt werden, dass der wirtschaftliche Wiederaufbau in ganz anderen Bahnen verlief, als der Wiederaufbau in den westlichen Zonen. So lief „der Neuaufbau des staatlichen und politischen Systems in der SBZ [...] parallel mit einer tief greifenden Umstrukturierung der Gesellschaftsordnung“ (WEBER, H. (1980): 28) einher.
[...]
- Quote paper
- Erdal Erez (Author), 2009, Industrie im Wiederaufbau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131466
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