In seiner Vorlesungsreihe „Sicherheit, Territorium, Bevölkerung“ am Collège des Frances in den Studienjahren 1977-78 analysiert und prägt Michel Foucault den Begriff der „Gouvernementalität“.
Um zu verstehen, wie heute regiert wird, die Entwicklung hin zur Gouvernementalität, muss man historisch zurückblicken, führt Foucault aus. Der Blick auf die Entwicklung des Regierungssystems sei besonders notwendig, um die heutigen Zusammenhänge und Ausprägungen der Regierung analysieren und verstehen zu können. Er führt die Entwicklung des Staates und dessen Regierung ab dem 16. Jahrhundert an, zeichnet den historischen Kontext nach und bezieht sich dabei auf die damalige Literatur, die politischen Theorien zu der Frage nach der „Kunst des Regierens“ mit den Schwerpunkten „wie regiert werden, durch wen, bis zu welchem Punkt, zu welchen Zwecken, durch welche Methoden?“
Inhaltsverzeichnis
1. Michel Foucault- biographischer Überblick
2. Foucaults Gouvernementalitätsbegriff- Geschichte der Gouvernementalität
3. Bedeutung und Nachhaltigkeit der Gouvernementalität in der Politikwissenschaft im Vergleich
4. Governmentality Studies
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
1.Michel Foucault- biographischer Überblick
Michel Foucault wurde im Oktober 1926 in Poitiers in Frankreich geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums und Privatunterricht begann er 1946 das Studium der Philosophie und Psychologie an der Ecole Normale Supérieure in Paris und erwarb in seinen Studienjahren bis 1951 seine Abschlüsse in Philosophie und Psychologie. Im Jahr 1952 erwarb er zusätzlich am Psychologischen Institut in Paris das Diplom für PsychoPathologie. Sein politisches Engagement zeigte sich u.a. in seiner Mitgliedschaft der kommunistischen Partei von 1950 bis 1952. Nach und während seiner Assistenz an der faculté des lettres der Universität Lille begann er erste kleinere Aufsätze und Übersetzungen zu publizieren. In den Jahren von 1955 bis 1960 verließ Foucault Frankreich und arbeitete drei Jahre in Schweden als Lektor an der Universität Uppsala als auch dort als Leiter der Maison de France. In den weiteren zwei Jahren war er ebenfalls als Kulturvertreter Frankreichs in Warschau und Hamburg ansässig bis er 1960 nach Frankreich zurückkehrte, um an der Universität von Clermont-Ferrand zu dozieren und promovieren1966 erhielt er einen weiteren Lehrauftrag in Tunis, 1968 erhielt er die Professur für Philosophie an der Centre Universitaire expérimental de Vincennes. 1970 kehrte er nach Paris zurück und trat eine Professurstelle am Collége de Frances an. Dort beinhalteten seine Forschungsthemen die „Erforschung der Geschichte der Denksysteme“. Michel Foucault lebte ab 1963 mit seinem Lebensgefährten Daniel Defert zusammen. Michel Foucault starb am 25.06. 1984 an den Folgen des Ausbruchs einer HIV-Infektion.
Foucault Interessensschwerpunkt beschäftigte sich vor allem mit dem Verhältnis von Wissen, Wahrheit, Macht und Diskurs.[1] Er selbst wurde stark von Friedrich Nietzsche beeinflusst, welches sich in seinen Theorien und Publikationen widerspiegelt. Darüber hinaus waren ethische Themen mit besonderem Schwerpunkt auf Sexualität Gegenstand seines Interesses.
Foucault prägte und entwickelte Theorien zur „Biomacht“ bzw. „Biopolitik“, die Theorie zur „Sicherheitsdispositive“ muss in einem engen Zusammenhang zur Entwicklung seines Gouvernementalitätsbegriffs im Rahmen seines Forschungsinteresses zum Machtbegriff gesehen werden. Darüber hinaus entwickelten sich bis heute neue Forschungsthemen zu Foucaults Diskurs-Begriff, ebenso entstanden Governmentality-Studies, die sich heute auf seine Theorien stützen.
Foucault verfügte in seinem Testament darüber, dass keine posthumen Veröffentlichungen publiziert werden sollte. Erst 2004 wurden in Deutschland und Frankreich seine transkribierte Vorlesungsreihe aus den Jahren 1977 („Sicherheit, Territorium, Bevölkerung“) /1978 („Die Geburt der Biopolitik“) herausgegeben. Aufgrund seines Todes kann man seine Theorien zu dieser Thematik als fragmentarisch ansehen.
Seine wichtigsten Werke waren:
„Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks.“ (fr. Ausgabe: Naissance de la clinique - une archéologie du regard médical, 1963) „Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft.“ (fr.Ausgabe: Histoire de la folie à l'âge classique - Folie et déraison, 1961)
„Die Ordnung der Dinge.“ (fr. Ausgabe: Les mots et les choses - Une archéologie des sciences humaines, 1966, dt., 1974)
„Archäologie des Wissens.“ (fr. Ausgebe: L'archéologie du savoir, 1968) „Überwachen und Strafen.“ (fr. Ausgabe Surveiller et punir - la naissance de la prison,1975, dt., 1976)
„Sexualität und Wahrheit“, Bd.l bis III, (1976-1984, dt., 1977-1986)
2. Michel Foucaults Gouvernementalitätsbegriff - Die Geschichte der Gouvernementalität
In seiner Vorlesungsreihe „Sicherheit, Territorium, Bevölkerung“ am Collège des Frances in den Studienjahren 1977-78 analysiert und prägt Michel Foucault den Begriff der „Gouvernementalität“.
Um zu verstehen, wie heute regiert wird, die Entwicklung hin zur Gouver- nementalität, muss man historisch zurückblicken, führt Foucault aus. Der Blick auf die Entwicklung des Regierungssystems sei besonders notwendig, um die heutigen Zusammenhänge und Ausprägungen der Regierung analysieren und verstehen zu können. Er führt die Entwicklung des Staates und dessen Regierung ab dem 16. Jahrhundert an, zeichnet den historischen Kontext nach und bezieht sich dabei auf die damalige Literatur, die politischen Theorien zu der Frage nach der „Kunst des Regierens“ mit den Schwerpunkten „wie regiert werden, durch wen, bis zu welchem Punkt, zu welchen Zwecken, durch welche Methoden?“[2] Er kritisiert vor allem die Forcierung der Staatstheorie nach N. Machiavelli in seinem Werk „ll Principe“ von 1532. Machiavellis Theorie erfuhr im 16. Jahrhundert große Resonanz und wurde nach einer Phase der Ablehnung Ende des 18. Jahrhunderts bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts wieder aufgenommen und anerkannt. Foucault analysiert Machiavellis Theorie über den „Principe“, den Souverän“, als ein „synthetisches Band“, also eine künstliche Verbindung zwischen dem Oberhaupt und dem Volk des Staates:
„Es gibt keine grundsätzliche, wesentliche, natürliche und rechtliche Zusammengehörigkeit zwischen dem Fürsten und seinem Fürstentum. Exteriorität, Transzendenz des Fürsten. Das ist das Prinzip. "[3] Foucault führt weiter an, dass dieses Prinzip eine besondere Problematik in sich birgt. Eben aufgrund der Instabilität dieser Verbindung ist es empfindlich schnell angreifbar und droht schnell zu zerbrechen. Daraus ergibt sich nach Machiavelli zwangsläufig die Schlussfolgerung, dass der Statuserhalt des Staatsoberhauptes besonders gesichert werden muss. Gefahren, die auf ihn einwirken müssen erkannt werden, und Wege gefunden werden, um die Verbindung zu seinem Volk zu erhalten.
Der Souverän muss also seine Position sichern und dabei dennoch das „Gemeinwohl“ beachten. Dieses ist jedoch nach damaligem Verständnis schon erfüllt, wenn das Volk sich an die ihm vorgegebenen Gesetze hält. Das Prinzip der Unterwerfung des Volkes ist also für den Souverän, den Principe, der angestrebte Regierungszweck, um seinen Status, also seine Verbindung zu seinem Volk, vorrangig jedoch sein Territorium erhalten zu können.
Neben der Theorie Machiavellis treten jedoch auch andere Strömungen über die Theorie des Regierens auf. Nicht nur das Staatsoberhaupt, auch alle anderen gesellschaftlichen Systeme bilden eine Form der Regierung aus. In jeder Familie stellt das Familienoberhaupt eine Form eines Regenten dar, ebenso in Bereichen wie der Justiz als Richter, als auch in der Kirche als Priester lassen sich solche Abbilder eines Staatsoberhauptes finden. Das Wechselspiel und der gegenseitige Einfluss zwischen Regieren auf „kleinster“ - beispielweise die Familie-und „größter“ Ebene - der Staat- stehen hier in einem engem und unmittelbaren Zusammenhang zueinander. Das Regieren durchläuft also alle Ebenen eines gesellschaftlichen Systems und erfährt damals bereits die politikwissenschaftliche Begriffsbezeichnung „Policey“.
Im weiteren Verlauf seiner historischen Analyse bezieht sich Foucault auf den Begriff der Ökonomie, welcher von Jean- Jaques Rousseau in seinem Artikel „Économie politique“ auf Formen des Regierens übersetzt und letztendlich auf Politik überträgt. Der ursprüngliche Begriff „Ökonomie“ bezeichnet die „weise Regierung des Hauses zum gemeinschaftlichen Wohl der ganzen Familie.“[4] Rousseau bezieht dies in aller Konsequenz von dem Familienmodell auf den Staat, der ein ökonomischer Staat werden solle. Foucault ergänzt diese Begriffserweiterung hin zu einem Bedeutungswandel:
[...]
[1] vgl. Bevc, T.: Politische Theorie. Bundeszentrale für politische Bildung. Schriftenreihe Band 668. Bonn 2007. S.84
[2] Vgl.Die „Gouvernementalität“, in: Bröckling, U., Krasmann, S., Lemke, Th. (Hg.), Gou- vernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, Frankfurt/M. 2000, 41-67). S. 42
[3] Vgl. ebd. S.45
[4] Vgl. ebd. S. 49
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