Von dem, was die Weisheit für die Glückseligkeit des gesamten Lebens bereitstellt, ist das weitaus Größte der Erwerb der Freundschaft,sprach der Grieche seelenruhig.
Meine Worte können nur eine Aufforderung an euch sein, die Freundschaft über alle Dinge dieser Welt zu stellen; denn nichts ist unserem Wesen so angemessen, nichts ist so angebracht im Glück wie im Unglück,widersprach der Römer empört.
Und diese Arbeit soll ihren Streit um die Freundschaft nun näher beleuchten. Wie aus obigen Thesen zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Freundschaftsbegriffe Epikurs und Ciceros in ihren Konsequenzen kaum, trotzdem diskutiert Cicero in ‚De finibus bonorum et malorum’ mit großem Eifer die Frage, ob Luststreben die Freundschaft zerstört (seine eigene These) oder erst ermöglicht (die These seines epikureischen Dialogpartners) - ob der Nutzen die Freundschaft oder die Freundschaft den Nutzen hervorbringt. Nach einem einführenden Teil mit kurzer Vorstellung der Vertreter der konkurrierenden Theorien und des Grundlagentextes werden im dritten und vierten Kapitel zuerst die epikureische(n) Freundschaftslehre(n) und sodann Ciceros Kritik beleuchtet und ausgelegt. Die abschließende Diskussion gilt den unlösbaren Problemen der Theorie Epikurs und der Herangehensweise Ciceros.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Vorstellung der Philosophen
II.1. Epikur
II.2. Cicero
III. Epikur und seine Freunde
III.1. Epikurs Freundschaftsbegriff in ‚De finibus bonorum et malorum’
III.2. Epikurs Freundschaftsbegriff in anderen Überlieferungen
IV. Cicero und seine Freunde
IV.1. Ciceros Kritik in ‚De finibus bonorum et malorum’
IV.2. Ciceros Kritik in ‚Laelius, de amicitia’
V. Diskussion und Fazit
I. Einleitung
Von dem, was die Weisheit für die Glückseligkeit des gesamten Lebens bereitstellt, ist das weitaus Größte der Erwerb der Freundschaft,
sprach der Grieche seelenruhig.
Meine Worte können nur eine Aufforderung an euch sein, die Freundschaft über alle Dinge dieser Welt zu stellen; denn nichts ist unserem Wesen so angemessen, nichts ist so angebracht im Glück wie im Unglück,
widersprach der Römer empört.
Und diese Arbeit soll ihren Streit um die Freundschaft nun näher beleuchten. Wie aus obigen Thesen zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Freundschaftsbegriffe Epikurs und Ciceros in ihren Konsequenzen kaum, trotzdem diskutiert Cicero in ‚De finibus bonorum et malorum’ mit großem Eifer die Frage, ob Luststreben die Freundschaft zerstört (seine eigene These) oder erst ermöglicht (die These seines epikureischen Dialogpartners) – ob der Nutzen die Freundschaft oder die Freundschaft den Nutzen hervorbringt.
Nach einem einführenden Teil mit kurzer Vorstellung der Vertreter der konkurrierenden Theorien und des Grundlagentextes werden im dritten und vierten Kapitel zuerst die epikureische(n) Freundschaftslehre(n) und sodann Ciceros Kritik beleuchtet und ausgelegt. Die abschließende Diskussion gilt den unlösbaren Problemen der Theorie Epikurs und der Herangehensweise Ciceros.
II. Vorstellung der Philosophen
II.1 Epikur
Epikuros wurde 341 v. Chr. als Athener Bürger auf der Insel Samos geboren und erhielt Privatunterricht von seinem Vater, der Schullehrer war, sowie von verschiedenen Philosophen, wie dem Platoniker Pamphilos und dem Demokriteer Nausiphanes. Im Alter von 18 Jahren ging er nach Athen, um Militärdienst zu leisten, und dürfte dort die Hauptströmungen der damaligen Philosophie kennengelernt haben. Nach Lehrtätigkeiten in Kolophon und Mytilene erwarb Epikur 306 v. Chr. ein Haus und einen Garten, der seiner Schule den Namen ‚Kepos’ gab, in Athen, um sich dort endgültig niederzulassen, seine Lehren zu entwickeln und zu unterrichten. Er starb 271/70 v. Chr. nach langer Krankheit.
Von Epikurs zahlreichen Werken sind lediglich drei Lehrbriefe vollständig, diverse Sprüche und Lehrsätze, sowie einige Fragmente eines Lehrbuches erhalten. Über seine Philosophie erfährt man vieles nur aus zweiter Hand: von Schülern, Bewunderern und Kritikern – wie zum Beispiel Cicero.
II.2. Cicero
Marcus Tullius Cicero wurde im Jahre 106 v. Chr. bei Arpinum in Latium geboren und gelangte im Alter von etwa zehn Jahren nach Rom, wo er eine umfassende juristische, philosophische und rednerische Ausbildung genoss. Obwohl er eine Laufbahn als Anwalt und Politiker vor sich hatte, begeisterte er sich von Jugend an für die Philosophie und wurde von akademischen, stoischen und epikureischen Lehren und Lehrern beeinflusst. Erst im Alter musste er seine Ämter niederlegen und verfasste seine rhetorischen und philosophischen Schriften in zwei Perioden innerhalb weniger Jahre. Cicero wurde 43 v. Chr. aus politischen Gründen ermordet.
Cicero begegnete den großen Themen der [antiken] Philosophie nicht nur als Mensch, sondern darüber hinaus in einem besonderen Sinne als Römer, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, seinen Landsleuten philosophische Fragen, die bisher fast nur in griechischer Sprache behandelt worden waren, in ihrer eigenen Sprache nahezubringen und damit die Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten des Lateinischen als denen des Griechischen ebenbürtig oder gar überlegen zu erweisen. Der dritte Aspekt, unter dem die Abfassung philosophischer Schriften für Cicero Bedeutung gewann, war der politische, der ihm um so wichtiger wurde, je mehr sich seine äußeren Möglichkeiten verringerten, an der Gestaltung der römischen Politik praktisch mitzuwirken.
(Merklin 2003: 19)
‚De finibus bonorum et malorum’ entstand etwa zwischen Mai und Juni des Jahres 45 v. Chr. und behandelt in Form fingierter Gespräche die drei bzw. vier klassischen hellenistischen Philosophieschulen – die Epikureer (Buch I und II), die Stoiker (Buch III und IV) und die Peripatetiker und Akademiker (Buch V). Dabei lässt Cicero die Hauptlehren der Schulen jeweils von zeitgenössischen Anhängern darstellen und verteidigen, um sie im Gegenzug selbst zu kritisieren und zu bewerten. Der formale Aufbau der Schrift entspricht der inhaltlichen Steigerung: während Epikurs Lehre schlichtweg unannehmbar und leicht zu widerlegen erscheint, die der Stoiker bereits als anspruchsvoller aber als auf falschen Prämissen beruhend dargestellt wird, obsiegt im letzten Kapitel die peripatetisch-akademische Argumentation.
III. Epikur und seine Freunde
III.1. Epikurs Freundschaftsbegriff in ‚De finibus bonorum et malorum’
In Ciceros Schrift kommt der Behandlung des Problems der epikureischen Freundschaftsvorstellung nicht viel Raum zu – vor allem nicht im Vergleich mit der zentralen Bedeutung, die die philia für Epikur und seine Schüler in der Praxis hatte, – dafür aber eine vergleichsweise faire Darstellung und eine relativ sachliche Diskussion. Der Kepos, in dem auch interessierte Frauen und Sklaven willkommen und allen Freunden gleichgestellt waren, galt immerhin als allgemein bekannt für seinen regelrechten Freundschaftskult – und wurde sehr kontrovers diskutiert.
Gen Ende des ersten Buches (De finibus: I,65–70) lässt Cicero seinen Gesprächspartner Torquatus das „für diese Erörterung besonders wesentliche Thema“ (I,65) ansprechen und Freundschaft – die Worte seines Meisters wiedergebend – folgendermaßen beurteilen: „von allen Dingen, die die Weisheit für ein glückliches Leben aufgeboten habe, sei nichts wesentlicher, nichts ergiebiger, nichts angenehmer“ (I,65). Dabei betont er, dass Epikur diese Vorstellung nicht allein durch Worte propagiert, sondern auch bewundernswert konsequent vorgelebt habe. Bereits in diesem einführenden Satz wird die zweckdienliche, wenn auch privilegierte Funktion der Freundschaft angedeutet, wenn es heißt, sie sei für ein glückliches Leben geboten.
Auf drei Arten bzw. mit drei Gewichtungen sei Freundschaft unter (vorerst nicht genauer bezeichneten) Epikureern erörtert worden – diese drei Variationen des Freundschaftsbegriffs fasse ich im Folgenden zusammen:
1. [I,66–68] Die Lust von Freunden ist zwar nicht in dem Maße anzustreben, wie die eigene – also nicht um ihrer selbst willen –, doch ist es gerade die Freundschaft, die sowohl die eigene Lust als auch die des Freundes am verlässlichsten hervorbringt. Freundschaft ist von Lust nicht zu trennen (d.h. keine Freundschaft ohne Lust und keine Lust ohne Freundschaft), also sollte sie schon aus vernünftiger Überlegung heraus angestrebt werden. Konkret heißt es, dass Freunde in der Gegenwart vor Einsamkeit, Angst und äußerer Bedrohung schützen und zudem durch Zuversicht für die Zukunft stärken. In Epikurs Ethik, in der die höchste Lust bereits mit der Negation der Unlust erreicht ist, ist Freundschaft also ein Garant für das eigentliche und einzige Ziel des Lebens, nämlich die individuelle Lustmaximierung. Um eine Freundschaft aufrechterhalten zu können, ist es allerdings nötig, den Freund wie sich selbst zu lieben; und somit hat der Weise letztendlich in der Lebenspraxis dieselbe Einstellung seinem Freund wie sich selbst gegenüber und ist sogar bereit, gegebenenfalls Mühen für ihn auf sich zu nehmen.
2. [I,69] Obwohl die Freundschaft am Anfang einer jeden Beziehung lediglich als besonders gut geeignetes Mittel zum Zweck der eigenen Lustgewinnung angestrebt wird, entwickelt sich mit der Zeit und dem wachsenden Vertrauen echte Liebe zwischen den Freunden. Dann wird der Freund um seiner selbst willen geliebt, auch wenn die Freundschaft keinen Nutzen (mehr) bringt.
3. [I,70] Unter Weisen besteht eine Art Abkommen, sich gegenseitig in dem gleichen Maße zu lieben, wie jeder einzelne sich selbst liebt. Dieser Freundschaftsvertrag garantiert für ein möglichst lustvolles Leben der Vertragspartner. philia ist und bleibt also ein quasi vertraglich geregeltes Mittel zum Zweck.
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- Quote paper
- Eleonóra Szemerey (Author), 2005, Epikur, Cicero und ihre Freunde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54053
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