Im Alltag ertappt man sich häufig selbst dabei, dass man vorschnelle und gleichzeitig wenig fundierte Gedanken gegenüber Anderen hegt, sogenannte Vorurteile. Doch wie kommt es dazu? Als wichtigster Indikator erscheint mir hierfür die jeweilige persönliche Umgebung der Heranwachsenden. Besonders im Kindesalter, in welchem der Einfluss der Eltern wohl verständlicher Weise noch am größten ist, da diese als vorbildliche Instanzen wahrgenommen werden, erscheint eine Übertragung von Vorurteilen durchaus möglich. Dies bestätigt Allport, indem er einräumt, „[o]bgleich die Konformität mit der Atmosphäre des Elternhauses ohne Zweifel der wichtigste einzige Ursprung des Vorurteils ist, dürfen wir nicht annehmen, daß das Kind heranwächst, um zum Spiegel der Einstellungen der Eltern zu werden“, denn mit zunehmender Reife sollten solche einst übernommenen vorgefertigten Meinungen und Werte vielmehr kritisch auf ihre Richtigkeit überprüft werden, da sonst die latente Möglichkeit besteht, dass „totalitäre Bewegungen und ihre Propaganda erheblichen Umfang annehmen“ , wie die Geschichte gezeigt hat.
Somit erscheint die Auseinandersetzung der Forschung mit dieser Thematik nur als konsequent um eine „Wiederholung des Unheils“ vermeiden zu können. Dabei war die Forschung über das Vorurteil von Beginn an durch ihren interdisziplinären Charakter geprägt, dadurch wurde „in der Vergangenheit das Vorurteil oder verwandte Erscheinungen auf verschiedene Weise“ interpretiert und erklärt. Je nach Erkenntnisinteresse der verschiedenen Einzelwissenschaften fokussierte man auf die unterschiedlichsten Aspekte, weshalb „beispielsweise Historiker und Politologen die geschichtliche Entstehung und die politischen Auswirkungen des […] Antisemitismus beschrieben“, währenddessen der Fachbereich der Psychologie größeres Interesse für die „tiefenpsychologischen Mechanismen“ hegt; analog lassen sich für jede andere Forschungsrichtung die unterschiedlichsten Erkenntnisinteressen darlegen.
In der heutigen Zeit „spielt […] die Sozialpsychologie auf diesem Gebiet eine führende Rolle“. Genau diesem Milieu entspringen auch die Studien über autoritäre Charaktere des Instituts für Sozialforschung, gleichfalls wird hier der Terminus Vorurteil abgehandelt. Die Seminararbeit will nun ausgehend von dem Aufsatz in den Soziologischen Exkursen einige wichtige Erkenntnisse über das Vorurteil darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Über das Vorurteil
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Unterschied: Vorurteil vs. Ethnozentrismus
2.3 Vorurteil in Soziologische Exkurse
2.3.1 Erkenntnisinteresse des Instituts für Sozialforschung
2.3.2 Die Reize der Agitatoren
2.3.3 Das Klischee des Redners
2.3.4 Die Aufteilung der Welt in Schafe und Böcke
2.4. Der autoritäre Charakter
2.4.1 Die Studie und ihr Erkenntnisinteresse
2.4.2 Ergebnisse und Problematik
3. Gegenmaßnahmen
4. Schlussgedanke
5. Bibliographie
1. Einleitung
Im Alltag ertappt man sich häufig selbst dabei, dass man vorschnelle und gleichzeitig wenig fundierte Gedanken gegenüber Anderen hegt, sogenannte Vorurteile. Doch wie kommt es dazu? Als wichtigster Indikator erscheint mir hierfür die jeweilige persönliche Umgebung der Heranwachsenden. Besonders im Kindesalter, in welchem der Einfluss der Eltern wohl verständlicher Weise noch am größten ist, da diese als vorbildliche Instanzen wahrgenommen werden, erscheint eine Übertragung von Vorurteilen durchaus möglich. Dies bestätigt Allport, indem er einräumt, „[o]bgleich die Konformität mit der Atmosphäre des Elternhauses ohne Zweifel der wichtigste einzige Ursprung des Vorurteils ist, dürfen wir nicht annehmen, daß das Kind heranwächst, um zum Spiegel der Einstellungen der Eltern zu werden“[1], denn mit zunehmender Reife sollten solche einst übernommenen vorgefertigten Meinungen und Werte vielmehr kritisch auf ihre Richtigkeit überprüft werden, da sonst die latente Möglichkeit besteht, dass „totalitäre Bewegungen und ihre Propaganda erheblichen Umfang annehmen“[2], wie die Geschichte gezeigt hat.
Somit erscheint die Auseinandersetzung der Forschung mit dieser Thematik nur als konsequent um eine „Wiederholung des Unheils“[3] vermeiden zu können. Dabei war die Forschung über das Vorurteil von Beginn an durch ihren interdisziplinären Charakter geprägt, dadurch wurde „in der Vergangenheit das Vorurteil oder verwandte Erscheinungen auf verschiedene Weise“[4] interpretiert und erklärt. Je nach Erkenntnisinteresse der verschiedenen Einzelwissenschaften fokussierte man auf die unterschiedlichsten Aspekte, weshalb „beispielsweise Historiker und Politologen die geschichtliche Entstehung und die politischen Auswirkungen des […] Antisemitismus beschrieben“[5], währenddessen der Fachbereich der Psychologie größeres Interesse für die „tiefenpsychologischen Mechanismen“[6] hegt; analog lassen sich für jede andere Forschungsrichtung die unterschiedlichsten Erkenntnisinteressen darlegen.
In der heutigen Zeit „spielt […] die Sozialpsychologie auf diesem Gebiet eine führende Rolle“[7]. Genau diesem Milieu entspringen auch die Studien über autoritäre Charaktere des Instituts für Sozialforschung, gleichfalls wird hier der Terminus Vorurteil abgehandelt. Die Seminararbeit will nun ausgehend von dem Aufsatz in den Soziologischen Exkursen einige wichtige Erkenntnisse über das Vorurteil darstellen.
2. Über das Vorurteil
2.1 Begriffsdefinition
Zunächst soll die Begriffsgeschichte des Terminus Vorurteil kurz beleuchtet werden. Denn verfolgt man die Bedeutung des Wortes zurück bis in die Antike, so kann hier eine durchaus als erheblich zu bezeichnende Bedeutungsverschiebung attestiert werden. Unter Vorurteil verstanden die „Lateiner ein Urteil, das man auf Grund vorheriger Erwägungen gefällt hat“[8]. Es handelte sich also ursprünglich um einen juristischen Fachbegriff, der „einen Rechtsbeschluß auf Grund früherer Urteile oder Präzedenzfälle bezeichnet“[9] und sich „vom lateinischen praejudicium“[10] herleitet. Das heutige Verständnis von Vorurteil hat damit nun nicht mehr viel gemein; vielmehr lässt sich eine veritable Verkehrung in das komplette Gegenteil der antiken Bedeutung konstatieren. Folglich handelt es sich um „ein Urteil, das man zu rasch fällt“[11], also ohne vorherige Erwägungen angestellt zu haben. Als weiteres Charakteristikum für ein Vorurteil muss zudem die Absenz einer Fundierung „auf […] ausreichenden Erfahrung[en] von Tatsachen“[12] benannt werden – es handelt sich also um einen „auf Grund voreiliger Verallgemeinerungen“[13] vertretenen Standpunkt.
Auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bergneustadt formulierte Horkheimer im April 1958 den für die Forschungen des Instituts für Sozialforschung gültigen Vorurteilsbegriff. Demnach „ließe sich sagen, daß es ein Urteil sei, in dem eine Person oder eine Gruppe im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie von Menschen negativ beurteilt wird“[14] ; dies reicht nach Horkheimers Standpunkt jedoch noch nicht aus um die vollständige Dimension des Begriffs zu erschließen, denn als weiteres unabdingbares Charakteristikum eines Vorurteils muss die negative Beurteilung einer Person bzw. Gruppe zugleich „irgendeine[m] irrationalen Drang“[15] auf eine bestimmte Art und Weise eine Befriedigung verschaffen. Die Untermauerung eines Vorurteils mit Begründungen erfolgt demnach auf genau diese Befriedigung des Dranges zielgerichtet, somit erscheint die Qualität genauso wie die Richtigkeit der Gründe zweitrangig, da diese schnell fallen gelassen oder durch andere ersetzt werden können.[16] Diese Irrationalität beschreibt Horkheimer dabei illustrativ auf metaphorische Art am Beispiel des irrationalen Hass: „Bei diesen ist Mord nicht genug, man möchte den Toten aufwecken und ihn noch einmal umbringen. Es kommt nie zur wirklichen Befriedigung“[17]. Überträgt man diesen Gedanken nun auf die Thematik des Vorurteils, so ließe sich attestieren, dass sobald eine These, aus der heraus sich das Vorurteil manifestiert, entkräftet wird, sofort neue Gründe an deren Position treten.
Bei einer weiteren eingehenderen Betrachtung erscheint die für die Forschungen des Instituts bestimmende Definition eine starke Anbindung an ethische bzw. rassische Gesichtspunkte zu besitzen, wenn Horkheimer von einer Zuteilung „zu einer bestimmten Kategorie von Menschen“[18] spricht. Daher nimmt es keine Wunder, dass die Verfasser der Untersuchung über den Autoritären Charakter auch auf genau diesen Aspekt fokussieren und dabei durchaus erkennen, dass der Begriff Vorurteil bei dieser Studie durchaus auf missverständliche Art und Weise interpretiert werden kann. Adorno, Frenkel-Brunswik, Levison und Stanford verweisen einleitend: „Und doch ist der Begriff Vorurteil zu diesem Zweck nicht ganz geeignet. Es besteht die Gefahr, daß seine zahlreichen Bedeutungen und Nebenbedeutungen das eigentliche Motiv einer solchen Untersuchung aus dem Auge verlieren lassen oder verdunkeln“[19]. Als eine treffendere, unmissverständliche Alternative wird „der Begriff Ethnozentrismus“[20] vorgeschlagen, was allgemein als eine „kulturelle Beschränktheit“[21] aufgefasst werden darf, wobei „eine starre Bindung an alles das, was ihm kulturell primär gemäß ist, was seiner eigenen Haltung entspricht und eine ebenso unelastische abwehrende Reaktion gegen alles Fremdartige“[22] vorzufinden ist.
2.2 Unterschied: Vorurteil vs. Ethnozentrismus
Worin manifestiert sich aber nun genau der Unterschied zwischen Vorurteil und Ethnozentrismus? Zur besseren Verständlichkeit des Terminus, soll dieser Frage im Folgenden in aller Kürze nachgegangen werden.
[...]
[1] Allport, Gordon W.: Die Natur des Vorurteils. Hrsg. von Carl Friedrich Graumann. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1971 (=Studien-Bibliothek). S. 299.
[2] Soziologische Exkurse. Nach Vorträgen und Diskussionen. Vorurteil. Hrsg. von Institut für Sozialforschung. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt 1991 (1956). S. 151.
[3] Ebd.
[4] Elliott, James / Pelzer, Jürgen: Stationen der Vorurteilskritik. In: Stereotyp und Vorurteil in der Literatur. Hrsg. von James Elliott, J. Pelzer, C. Poore. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1978. S. 9.
[5] Ebd.
[6] Elliott, James / Pelzer, Jürgen: Stationen der Vorurteilskritik. S. 9.
[7] Ebd.
[8] Horkheimer, Max: Persönlichkeit und Vorurteil. In: Über Vorurteile. Hrsg. von Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn: 1963. S. 3.
[9] Ginsberg, Morris: Zur Psychologie und Soziologie des Vorurteils. In: Über Vorurteile. Hrsg. von Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn: 1963. S. 11.
[10] Ebd.
[11] Horkheimer, Max: Persönlichkeit und Vorurteil. S. 3.
[12] Ebd.
[13] Ebd.
[14] Horkheimer: Persönlichkeit und Vorurteil. S. 4.
[15] Ebd.
[16] Vgl. Horkheimer: Persönlichkeit und Vorurteil. S. 4.
[17] Horkheimer: Persönlichkeit und Vorurteil. S. 4.
[18] Ebd.
[19] Der Autoritäre Charakter. Band 1. Studien über Autorität und Vorurteil. Hrsg. von Institut für Sozialforschung. Frankfurt am Main: De Munter Amsterdam 1968 (=Schwarze Reihe Nr. 6). S. 89.
[20] Ebd.
[21] Ebd.
[22] Ebd.
- Quote paper
- Johannes Werner (Author), 2009, 'Soziologische Exkurse'. Erkenntnisse über das Vorurteil, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130994
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