Das 18. Jahrhundert verdient hinsichtlich der Ideale und Konflikte in Bezug auf Liebesbeziehungen eine ausführliche Untersuchung, denn hier vollziehen sich entscheidende Wendungen für weitere Entwicklungen. Die in diesem Jahrhundert behandelten Themen schufen die Basis für spätere Träume vom Liebesglück und waren wegweisend für unterschiedlichste Akzente im Liebesdiskurs.
Die folgende Arbeit behandelt die Entwicklung der Ehe- und Familienbeziehungen des 18.Jahrhunderts in Bezug auf die gesamtgesellschaftlichen Kontexte und zeichnet davon ausgehend die Emotionalisierung in den zwischenmenschlichen Paarbindungen nach.
Gliederung
1 Einleitung
2 Ehe- und Familiensoziologie des 18. Jahrhunderts
2.1 Vorindustrielle Familienformen I: Familien mit Produktionsfunktion
2.2 Vorindustrielle Familienformen II: Familien ohne Produktionsfunktion
2.3 Die Entstehung des Bürgertums und ihr Einfluss auf das Liebes- und Eheideal
2.3.1 Das bürgerliche Liebes- und Eheideal
2.3.2 Die Entwicklung von der vernünftigen zur romantischen Liebe
2.3.2.1 Die vernünftige Liebe
2.3.2.2 Die zärtliche Liebe
2.3.2.3 Die romantische Liebe
3 Zusammenfassung
1 Einleitung
In ganz Europa vollzieht sich im 18. Jahrhundert die geistige Bewegung der Aufklärung. Das Vertrauen in die Vernunft wird dabei zu wichtigsten Quelle jeder Erkenntnis erklärt, sie allein soll das menschliche Handeln bestimmen und Maßstab aller Werte sein. Vernünftiges Denken und Handeln garantierten nach Meinung der Aufklärer ein ständiges Fortschreiten der Menschheit in der Beherrschung der Naturkräfte, aber vor allem auch die Entwicklung einer gerechten sozialen Ordnung.
Die Forderung nach Emanzipation des Einzelnen und der Gesellschaft, sowie nach Toleranz und Menschlichkeit prägen das Gedankengut dieser Zeit, wobei vor allem die Kirche und der absolutistische Staat kritisiert werden.
Das entstehende Bürgertum, welches sich mit der Vorranstellung von Adel und Klerus nicht mehr abfinden wollte, war Träger jener Bestrebungen. Im Zentrum stand dabei die Vorstellung von der Freiheit des Individuums und den Menschenrechten.
In Deutschland, dessen Bürgertum aufgrund der politischen Zersplitterung vergleichsweise schwach war, wurde der Einfluss der Aufklärung ab Mitte des 18. Jahrhunderts vor allem in der Philosophie und der Literatur bemerkbar. Kant beschrieb im Zuge dessen in seiner Schrift „Was ist Aufklärung?“ diese als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“.[1]
In Folge der gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Umbrüche in diesem Jahrhundert, vollzog sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Wandlung in den Ehe- und Familienkonstruktionen, welche im Wesentlich dadurch begünstigt wurde, dass die Menschen begannen, ihre Wohn- und Lebensbereiche zu trennen.
Die damit einhergehende Herausbildung einer Privatsphäre führte zu einer Intimisierung und Intensivierung familiärer und ehelicher Beziehungen.[2]
Mit der räumlichen und zeitlichen Trennung von Erwerbsarbeit und Familienleben entwickelten sich die familiären Bindungen von Zweckverbänden hin zu Instrumenten der Bedürfnissteuerung[3], in denen sich die Emotionalisierung und Individualisierung des Liebens und Ehelebens allmählich zu offiziellen Leitideen entwickelten.[4]
2 Ehe- und Familiensoziologie des 18. Jahrhunderts
Das 18. Jahrhundert verdient hinsichtlich der Ideale und Konflikte in Bezug auf Liebesbeziehungen eine ausführliche Untersuchung, denn hier vollziehen sich entscheidende Wendungen für weitere Entwicklungen. Die in diesem Jahrhundert behandelten Themen schufen die Basis für spätere Träume vom Liebesglück und waren wegweisend für unterschiedlichste Akzente im Liebesdiskurs[5]. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Veränderungen, die mit Ehe und Familie zusammenhingen, unendlich langsam vor sich gingen.[6]
Für das gesamte 18. Jahrhundert jedoch galt, dass der Entschluss, sich als Paar zusammen zu tun, beinah zwangsläufig in der Eheschließung mündete. Die Ehe an sich war darüber hinaus nur ein kurzes Übergangsstadium zur Familie, sie verlor erst sehr viel später – Mitte des 20. Jahrhunderts – den Status, Übergang bzw. Mittel zum Zweck zu sein.[7]
Der folgende Abschnitt behandelt die Entwicklung der Ehe- und Familienbeziehungen eingebettet in ihren gesamtgesellschaftlichen Kontext.
2.1 Vorindustrielle Familienformen I: Familien mit Produktionsfunktion
Bis in die 1970er Jahre hinein ging die Familiensoziologie davon aus, dass die vorherrschende Familienform des frühen 18. Jahrhunderts dem Typus des „ganzen Hauses“ entsprach, ein Begriff, der das Zusammenleben von bis zu drei Generationen in einem Haus bezeichnet. Mittlerweile aber hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass es diese Familienform in West- und Mitteleuropa zum einen wegen des relativ späten Heiratsalters und zum anderen wegen der geringen Lebenswahrscheinlichkeit viel seltener gegeben hat, als angenommen. Im mitteleuropäischen Kulturbereich lebten tatsächlich nur dort mehrere Generationen zusammen, wo es die produktiven Vorraussetzungen – etwa der Besitz eines Bauernhofes oder Handwerksbetriebes – gab. Doch auch nicht alle produktiven Familien umfassten drei Generationen.
Die Gemeinschaft des „ganzen Hauses“ existierte zwar als ein großer Verband, dieser bestand allerdings nicht nur aus Mitgliedern der Kernfamilie, sondern wurde erweitert durch das Gesinde, welches allerdings nicht beständig in einem Verband lebte, da Lehrlinge, Gesellen, Knechte und Mägde zuweilen häufig ihre „Herrschaften“ wechselten, oft infolge wirtschaftlicher Krisen[8].
Für alle Familien mit Produktionsfunktion war charakteristisch, dass der Betrieb bzw. der Haushalt das Zentrum des gemeinschaftlichen Handelns bildete und sie patriarchalisch strukturiert waren. Das bedeutete eine nur bedingt freie Wahl des Ehepartners.[9] Die Familie bestimmte über die Ehepartnerwahl mit, sie konnte nicht einem einzelnen überlassen bleiben, weil sie Auswirkungen auf den gesamten Familienbereich hatte. In der vorindustriellen Zeit hatten Ehe und Familie immer einen instrumentellen Charakter, was nicht nur für die Ehepartner selbst, sondern auch für den erweiterten Familienverband galt. Geheiratet wurde in Hinblick auf Kinder, um Vermögen, Namen etc. weiter zu vererben und so zu garantieren, dass die Familienmitglieder im Falle von Krankheit und im Alter versorgt werden konnten.[10] In der Gemeinschaft des „ganzen Hauses“ wurde das Zusammenleben von bestimmten Vorschriften dominiert, die keinen Raum für Intimität oder für ausgeprägte Individualität ließen. Ehe und Familie hatten in dieser Zeit noch nicht den Status eines Rückzugsraums für intime Verhältnisse, sondern sie waren öffentliche Räume. Denn das „ganze Haus“ muss verstanden werden als Netzwerk von geregelten Verwandtschaftsziehungen, in welches die Ehe als vitale Komponente eingebunden war. Das Leben der Menschen war unweigerlich mit der Organisationsform der Hausgemeinschaft verbunden[11], was nicht nur unter dem Aspekt der zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern vor allem unter rein räumlichen Gesichtspunkten gesehen werden muss, denn ihre Mitglieder waren niemals allein[12].
„Die Historiker haben uns bereits seit langem darüber aufgeklärt, dass der König niemals allein blieb. In Wirklichkeit war es jedoch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts so, dass überhaupt niemand allein war. Die Intensität des sozialen Lebens verbot die Isolierung, und man pries es als seltene Leistung, wenn es irgendjemandem gelungen war, sich für einige Zeit ‚hinter dem Ofen’ oder ‚hinter seinen Studien’ zu verkriechen; all die Beziehungen zwischen Gleichgestellten, zwischen Personen desselben Standes, die jedoch voneinander abhängig waren, die Beziehungen zwischen Herren und Dienern ließen es nicht zu, dass irgendjemand jemals allein war. Diese ausgeprägte Sozialität stand der Herausbildung des Familiengefühls lange Zeit entgegen, weil keinerlei Intimität aufkommen konnte.“[13]
[...]
[1] Vgl. Aufklärung: Artikel in: dtv-Lexikon, Band 2, dtv, München, 2006, S.160-163.
[2] Vgl. Sieder Reinhard: Die bürgerliche Familie, in: Sozialgeschichte der Familie, hg. Hans-Ulrich Wehler, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1987, S. 125 f.
[3] Vgl. ebd., Klappentext.
[4] Vgl. Mahlmann, Regina: Liebe im 18. Jahrhundert, in: (dies.) Was verstehst Du unter Liebe. Ideale und Konflikte von der Frühromantik bis heute, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2003, S. 67.
[5] Vgl. ebd., S. 34.
[6] Vgl. Nave-Herz, Rosemarie: Vorindustrielle Familienformen, in: (dies.) Ehe- und Familiensoziologie. Eine Einführung in Geschichte, theoretische Ansätze und empirische Befunde, Juventa Verlag, Weinheim und München, 2004, S. 48.
[7] Vgl. Mahlmann, Regina: Liebe im 18. Jahrhundert, S. 37.
[8] Vgl. Nave-Herz, Rosemarie: Vorindustrielle Familienformen, S. 44.
[9] Vgl. ebd., S. 37/38.
[10] Vgl. ebd. S. 40.
[11] Vgl. Mahlmann, Regina: Liebe im 18. Jahrhundert, S. 37.
[12] Vgl. Nave-Herz, Rosemarie: Vorindustrielle Familienformen, S.47.
[13] Ebd.
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