Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, ein Verständnis von der Bedeutung der Digitalisierung in öffentlichen Verwaltungen als auch einen Überblick über den Weg und die Situation der Digitalisierung in den Kommunalverwaltungen des Landes Brandenburg zu bekommen. Dazu wurde, neben der Auswertung vorhandener Literatur und der Analyse aktueller Studien, auch eine eigene empirische Erhebung in Form von Expertengesprächen vorgenommen. Die Autorin erhofft sich mithilfe der Interviews, genauere Erkenntnisse über die aktuelle Situation in den Kommunen des Landes Brandenburg zu gewinnen. Diese wissenschaftliche Arbeit für sämtliche Personenkreise interessant, welche sich mit der Digitalisierung auf Kommunalebene beschäftigten.
Eine Studie des Bundesverbandes für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (kurz: Bitkom) aus dem Jahr 2020 besagt, dass die Digitalisierung durch die Corona-Pandemie massiv an Bedeutung gewonnen hat. Somit stellt sich die Frage, ob ein Ausnahmezustand, wie die Covid-19 Situation, auch positive Nebeneffekte mit sich bringt. Wären wir ohne Corona beim selben Digitalisierungsstatus, wie wir es ohne die Pandemie wären?
Vermutlich nicht. Darum soll es in dieser Arbeit auch nicht gehen. Fakt ist, dass diese besondere Situation ein zügiges Handeln erfordert hat. Plötzlich war es notwendig arbeitsplatzunabhängig arbeiten zu können, um Personenkontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Die Beschaffung von mobilen Endgeräten ist hierbei noch eine der geringsten Herausforderungen. Kritischer sieht es mit der Errichtung einer sicheren IT-Infrastruktur aus, welche neben einem umfassenden technischen Knowhow, auch hohe zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen erfordert.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition von Digitalisierung
2.2 Entwicklung des E-Governments
2.2.1 Entwicklungsstufen
2.2.2 Digitalisierungsstrategien des Bundes
2.2.3 Aktueller Digitalisierungs-Stand bei der öffentlichen Verwaltung
2.3 Digitalisierung in der Kommunalverwaltung
2.3.1 Aufgaben der Kommunalverwaltung
2.3.2 Digitalisierung in der Kommunalverwaltung
2.3.3 Beispiele für Digitale Technologien in Kommunen
2.3.4 Finanzierungsmöglichkeiten
2.3.5 Vergabeverfahren
2.4 Herausforderungen und Hindernisse
2.4.1 Altinfrastruktur
2.4.2 IT-Sicherheit
2.4.3 Breitbandversorgung
2.4.4 Demografischer Wandel
2.4.5 Akzeptanz in der Bevölkerung
2.5 Digitalisierung im Land Brandenburg
2.5.1 Zukunftsstrategie „Digitales Brandenburg“
2.5.2 Der Zweckverband Digitale Kommunen Brandenburg
3 Empirische Erhebung.
3.1 Methodik
3.2 Auswertung der Ergebnisse
3.3 Kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, ein Verständnis von der Bedeutung der Digitalisierung in öffentlichen Verwaltungen als auch einen Überblick über den Weg und die Situation der Digitalisierung in den Kommunalverwaltungen des Landes Brandenburg zu bekommen. Dazu wurde, neben der Auswertung vorhandener Literatur und der Analyse aktueller Studien, auch eine eigene empirische Erhebung in Form von Expertengesprächen vorgenommen. Die Autorin erhofft sich mithilfe der Interviews, genauere Erkenntnisse über die aktuelle Situation in den Kommunen des Landes Brandenburg zu gewinnen. Diese wissenschaftliche Arbeit für sämtliche Personenkreise interessant, welche sich mit der Digitalisierung auf Kommunalebene beschäftigten.
The aim of this bachelor thesis is to gain an understanding of the importance of digitization in public administrations as well as an overview of the path and the situation of digitization in the municipal administrations of the state of Brandenburg. For this purpose, in addition to the evaluation of existing literature and the analysis of current studies, a separate empirical survey was carried out in the form of expert interviews. With the help of the conversations, the author hopes to gain more precise information about the current situation in the municipalities of Brandenburg. This scientific work is interesting for all groups of people who deal with digitization at the municipal level.
Anlagen
Abbildung 1: Häflers Stufenmodell für die Entwicklung des Internets und World Wide Web (Heuermann, Tomenendal, & Bressem, 2018 S. 33)
Abbildung 2: Geschichtlicher Ablauf Digitalisierung im E-Government (Heuermann, Tomenendal, & Bressem, 2018, S. 39)
Abbildung 3: Übersicht fachliche Aufgaben in Kommunen (Heuermann, Tomenendal, & Bressem, 2018, S. 57)
Abbildung 4: Breitbandverfügbarkeit in Brandenburg (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2020, S. 20)
Abbildung 5: Zuwachs/Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-65) bis 2030 (eigene Darstellung in Anlehnung an Landesamt für Bauen und Verkehr, 218, Anlage 5, Blatt 1-5 und https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29509714)
Abbildung 6: Umfrageergebnisse Bitkom - Zufriedenheit mit digitalen Angeboten der Behörden (Statista, 2020)
Abbildung 7: DIVSI/Dimap Umfrage - Skepsis bei Online-Dokumenten (Statista, 2017)
Abbildung 8: Mitglieder des Zweckverbandes DIKOM (Stand April 2021) (eigene Darstellung in Anlehnung an https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29509714)
5G 5. Generation (Mobilfunkstandard)
AfS Amt für Statistik
BbgVergG Brandenburgisches Vergabsgesetz
BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
BOS Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben
BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
CD Compact Disk
CIA Central Intelligence Agency
DIKOM Zweckverband Digitale Kommunen
DIVSI Deutsches Institut für Vertrauen und sicherheit im Internet
DSGVO Datenschutzgrundverordnung
E-Akten Elektronische Akten
E-Commerce Electronic Commerce
E-Government Electronic Government
eID-Service Electronic Identificator-Service
E-Kompetenzen Elektronische Kompetenzen
E-Mail Electronic Mail
EMEA Europe, Middle East, Africa
E-Rechnung Elektronische Rechnung
EU Europäische Union
FITKO förderale IT-Kooperation
GWB Gesetze gegen Wettbewerbsbeschränkung
IoT Internet of Things
IP International Protection
IT Informationstechnik
KFZ Kraftfahrzeug
KI Künstliche Intelligenz
KoSIT Koordinierungsstelle für IT-Standards
lt laut
Mbit/s Megabit pro Sekunde
MP3 MPEG Audio Layer 3
NSA National Security Agency
OZG Onlinezugangsgesetz
PCs Personal Computer
PWC PricewaterhouseCoopers
SDG Single Digital Gateway
u.a unter anderem
UVgO Unterschwellengrundverordnung
Vitako Bundes-Arbeitsgemeinschaft kommunaler IT-Dienstleister
xÖV Standard für elektronischen Datenaustausch der öffentlichen Verwaltung
z.B zum Beispiel
1 Einleitung
Eine Studie des Bundesverbandes für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (kurz: Bitkom) aus dem Jahr 2020 besagt, dass die Digitalisierung durch die Corona- Pandemie massiv an Bedeutung gewonnen hat.1 Somit stellt sich die Frage, ob ein Ausnahmezustand, wie die Covid-19 Situation, auch positive Nebeneffekte mit sich bringt. Wären wir ohne Corona beim selben Digitalisierungsstatus, wie wir es ohne die Pandemie wären? Vermutlich nicht. Darum soll es in dieser Arbeit auch nicht gehen. Fakt ist, dass diese besondere Situation ein zügiges Handeln erfordert hat. Plötzlich war es notwendig arbeitsplatzunabhängig arbeiten zu können, um Personenkontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Die Beschaffung von mobilen Endgeräten ist hierbei noch eine der geringsten Herausforderungen. Kritischer sieht es mit der Errichtung einer sicheren IT-Infrastruktur aus, welche neben einem umfassenden technischen Knowhow, auch hohe zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen erfordert.
Aus den eigenen Erfahrungen heraus, müsste der Schritt in eine digitale Verwaltung für kommunale öffentliche Institutionen besonders schwer sein, da es diese bekanntlich mit einem erhöhten Bürokratieaufwand zu tun haben und gefühlt bisher wenig digital arbeiten. Der Weg zum Rathaus oder zu der KFZ-Zulassungsstelle und das postalische Senden von unterschriebenen Formularen, ist für die meisten Verwaltungsvorgänge bisher nach wie vor unumgänglich. Oder?
Aus diesem Gedanken heraus, entsteht die Forschungsfrage, an welchem Digitalisierungsstand sich die Kommunen im Land Brandenburg aktuell befinden. In den theoretischen Grundlagen sind sämtliche Sekundärforschungsergebnisse aufgeführt. Der Begriff Digitalisierung wird im Gesamtkontext dieser Arbeit erklärt und die Entwicklung und Notwendigkeit eben dessen in der öffentlichen Verwaltung dargelegt. Um ein besseres Verständnis für die Funktionen der kommunalen Verwaltungen zu entwickeln, werden die Aufgaben und die spezielle Rolle der Digitalisierung in der Kommunalverwaltung mit Beispielen und möglichen Maßnahmen erklärt. Anschließend werden Herausforderungen und Hindernisse aufgeführt, welche die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen verlangsamen oder erschweren können. Abschließend geht diese Arbeit auf die Digitalisierung im Land Brandenburg ein und widmet sich den lokalen Gegebenheiten. In den theoretischen Abschnitten sind Studienergebnisse bekannter und seriöser Forschungsinstitute und Unternehmen eingearbeitet, um Annahmen und Aussagen durch Zahlen zu untermauern.
In der empirischen Erhebung soll ein genauerer Fokus auf ausgewählte Gemeinden gelegt werden. Da es regional wenig aktuelle und verbindliche Literatur über den Status der Digitalisierung in einzelnen Kommunen gibt, soll dieser anhand von Expertengesprächen mit Fachleuten aus Brandenburger Gemeinden genauer definiert werden. Ziel ist es außerdem, die Sekundärforschungen zu untermauern und gegebenenfalls von weiteren Herausforderungen zu erfahren.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition von Digitalisierung
Wenige Worte werden so inflatorisch verwendet, wie das Wort Digitalisierung. Diese Bezeichnung lässt sich als ein Oberbegriff von verschiedenen digitalen Themen nur schwer auf eine Definition herunterbrechen. Um zu verstehen, was Digitalisierung im Gesamtkontext bedeutet, lohnt sich ein Blick auf die Historie.
Der Ursprung der Digitalisierung lässt sich auf die von Konrad Zuse entwickelte erste funktionsfähige Rechenmaschine in den 40er Jahren zurückführen. Diese eignete sich aufgrund ihrer Ausmaße lange Zeit nicht für die private Nutzung. Erst zum Ende der 1980er Jahre zogen die ersten Personal Computer (PC's) in private Haushalte ein. Zu Beginn wurden diese hauptsächlich für Videospiele verwendet, später kamen auch weitere Nutzungsmöglichkeiten dazu, wie die Textverarbeitung, wovon auch Unternehmen profitierten. Ebenfalls in den 80ern wurden mit der Einführung der Compact Disk (CD) erstmals Daten umgewandelt, woraus die erste Definitionen für die Digitalisierung entstand - das Umwandeln von analoge in digitale Daten.
Die private und unternehmerische Nutzung des PC's legte den Grundstein der digitalen Transformation. Mit der Einführung des öffentlichen Internets im Laufe der 1990er begann auch der erste digitale schriftliche Datenaustausch mittels E-Mail (Electronic Mail). Die Vorteile, die das Internet mit sich brachte, machten sich auch Journalisten zu Nutze. Die Zeitschrift Spiegel Online digitalisierte als erster Anbieter 1994 seine Zeitungen und Magazine. In den frühen 1990er Jahren wurde das Mobilfunknetz schrittweise ausgebaut, was das Mobiltelefon für eine breite Masse der Bevölkerung zugänglich machte. Nach der Jahrtausendwende wurden Mobiltelefone auch internetfähig. Die CD entwickelte sich in den frühen 2000ern zum moderneren MP3-Player. Der große Vorteil dieses Gerätes war, neben der kompakten Form, auch der große Speicherplatz, welcher den der herkömmlichen CD deutlich übertraf. Im Jahr 2001 revolutionierte das sogenannte Web 2.0 die Internetwelt. Dieses ermöglichte es der breiten Masse an Nutzern eigene Inhalte zu veröffentlichen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Plattform Wikipedia. Einige Jahre später entwickelten sich daraus die gängigen Social-Media-Kanäle. Mit der Einführung der Digitalkamera im Jahr 2003 wurde die analogen Fotografie revolutioniert. Etwa zur selben Zeit kam das Smartphone auf den Markt. Dieses kombinierte als erstes Gerät alle Vorteile der bisherigen digitalen Geräte und wird seither stetig technisch weiterentwickelt. Mit der Einführung und schnellen technischen Weiterentwicklung der Smartphone Dienste endete Schritt für Schritt auch die Ära von MP3-Playern und Digitalkameras. Musik wurde zunächst durch gespeicherte MP3-Da- teien und später durch Streamingdienste abgelöst. Die Qualität von Bild- und Videoaufnahmen bei Smartphones wurde Schritt für Schritt optimiert, was die Digitalkamera folglich ersetzte.2
Die Nutzung von digitalen Daten hat aber auch nicht nur Vorteile. Im Jahr 2013 enthüllte der ehemalige amerikanische CIA-Mitarbeiter Edward Snowden, die weltweite Überwachung von digitalen Daten- und Kommunikationsnetzwerke durch den Geheimdienst NSA, was international zu Protesten führte. Zeitgleich und unabhängig voneinander fanden die ersten Verhandlungen zur Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) statt. Der Politiker Jan Philipp Albrecht schlug einen datenschutzfreundlichen Reformentwurf vor, welcher zunächst für viele europäische Länder nicht überzeugend war. Als die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern standen, ging Snowden mit seinen Enthüllungen an die Öffentlichkeit und änderte somit auch die Ansicht der zunächst noch skeptischen und kritischen Teilnehmer der Verhandlung. 2018 ist die Datenschutzgrundverordnung offiziell in Kraft getreten und bestimmt seither den Umgang mit sensiblen Daten in Europa.3
Der digitale Fortschritt hat im letzten Jahrzehnt nicht aufgehört. Es begegnen weitere Be- grifflichkeiten wie Industrie 4.0, Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz (KI), BigData, Smart City, Machine Learning und Cloud Computing. Es geht um das Digitalisieren von Städten mittels Verarbeiten enorm großer Datensätze zur Steuerung von Ampelsystemen, das autonome Autofahren oder das Speichern von Daten in der Cloud.
Digitalisierung beschreibt zusammengefasst heutzutage kein spezielles Ereignis mehr, sondern einen vielschichtiger Prozess, der Investitionen und Transformationen bedingt.4 Es werden nicht mehr nur analoge Daten überführt. Vielmehr geht es darum, Kunden digitale Wege aufzuzeigen, Büroabläufe zu automatisieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, um den bestmöglichen Nutzen zu erreichen.5
2.2 Entwicklung des E-Governments
2.2.1 Entwicklungsstufen
Die frühen Entwicklungen der Internet Technologien in der 1990er Jahren veränderten auch die Arbeit in der Öffentlichen Verwaltung. Dieser Prozess wurde „Electronic Government“ (kurz E-Government) genannt und lässt sich mit einem weiteren Schritt der Digitalisierung im Öffentlichen Sektor beschreiben. Um keine Verwirrungen zwischen den mittlerweile häufig genutzten Marketingbegriffen zu schaffen, hat die Zeppelin Universität in Friedrichshafen das „Häfler-Stufenmodell für die weitere Entwicklung des Internets und des World Wide Webs“ entwickelt. Dieses Modell entwirrt die häufig genutzten Schlagwörter und strukturiert diese. Es beschreibt die einzelnen Entwicklungsschritte des Internets, welche vom andauernden Ausbau des Internetnetzes und dem sich entwickelnden Umgang mit Daten abhängig sind.6 In diesem Modell (siehe Abbildung 1) ist erkennbar, dass sich auch das ursprünglich benannte E-Government in verschiedenen Stufen weiterentwickelt hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Häflers Stufenmodell für die Entwicklung des Internets und World Wide Web (Heuermann, Tomenendal, & Bressem, 2018 S. 33)
Nach der „Speyerer“ Definition beschreibt das E-Government „die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mithilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien".7 Somit dreht es sich sowohl um Prozesse innerhalb der Institution als auch nach außen - zur Bevölkerung, Wirtschaft und dem Dritten Sektor. Es wurde damals schon angenommen, dass Prozesse vollständig elektronisch durchgeführt werden könnten. Diese ursprüngliche Definition des E-Governments beschreibt somit „das gesamte sozio-technische System“ und „die Verwaltungsstrategie, die Verwaltungsprozesse und die Verwaltungsorganisationsformen“8 und beschränkt sich nicht nur auf das Internet. Zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich das EGovernment auf den „Einsatz von World Wide Web (WWW) mit elektronischer Post (E-Mail), elektronischem Datenaustausch (EDI) und darauf abgestimmten Datenbanksystemen“9. Es war allerdings auch zu diesem Zeitpunkt bereits denkbar, weitere „elektronische Medien wie TCP/IP-Netzwerke (Internet, Intranet oder Extranet), andere elektronische Datennetze (z.B. Online Dienste, Mehrwertdienste oder interaktive Fernsehdienste, Sprachtelekommunikationsnetze (über Call Center oder Interactive-Voice-Response-Systeme) oder elektronische Offline-Lösungen (Disketten, CD-ROM oder DVD)“10 zu nutzen.
Durch die schnellen Entwicklungen des Word Wide Web wurden zahlreiche Digitalisierungsprozesse in den öffentlichen Verwaltungen ausgelöst. Somit wurde schon zeitig die Entbürokratisierung durch das Digitalisieren von Dokumenten begonnen. Diese Entwicklungen gingen mit Veränderungen des Behördenhandelns einher. Die Aufbau- und Ablauforganisationen wurden auf die neuen Gegebenheiten angepasst, Dienste und Angebote neu konzipiert und eingeführt. Der Begriff Datenschutz trat bereits im frühen Stadium des E-Governments auf.11
Daraus entwickelte sich in den nächsten Jahren das „Open Government“. Dieses setzt auf den Trend des „Internets zum Mitmachen“ (Web 2.0) und bietet der öffentlichen Verwaltung die Chance den Bürgern mehr Transparenz, Mitwirkung und Zusammenarbeit entgegenzubringen, was zur Stärkung der Demokratie und Gesellschaft beiträgt.12 Durch die Vision des Internet der Daten (Web 3.0) resultierte die „Open Government Data“ Bewegung, welche Behörden neue Möglichkeiten zur Analyse, Auswertung und Nutzung von großen Datenbeständen bietet und dadurch mit einem potentiellen zusätzlichen Wirtschaftswachstum einhergeht.13 Datenschutz und Datensicherheit sind hierbei entscheidende Herausforderungen.
Das sogenannte „Smart Government“ entstand aus der Internetbewegung des „Internets der Dinge/Internet der Dienste“(Web 4.0), ferner bekannter aus dem englischen „Internet of Things“, kurz „loT“. In dieser Phase der virtuellen Bewegung bewegen wir uns aktuell, wobei sich die Internetbewegungen nicht klar zeitlich voneinander abgrenzen lassen und fließend ineinander übergehen. Das Internet der Dinge vernetzt Alltagsgegenstände elektronisch und lässt sie ohne menschliche Eingriffe miteinander kommunizieren. Maschinen, Gegenstände und onlinebasierte Systeme lassen sich mittels eindeutiger IP-Adressen nutzen und steuern.
Das Internet der Dienste bildet Dienste und Funktionen in spezifischen Softwaremodulen ab, welche über das Internet zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang tau chen auch Begriffe, wie „Web Services“ und „Cloud Computing“ auf, welche die Software module zueinander verbinden. Für die öffentlichen Verwaltungen bedeutet dies, dass die Integration von Papierdokumenten in webbasierte Dienste mindestens gleichwertige Funktionalitäten bieten. Webbasierte Systeme können somit in Zukunft Situationen eigenständig analysieren und darauf basierend Entscheidungen treffen und umsetzen. Risiken bestehen hierbei in der möglichen Manipulation der webbasierten Sensorik, welche zu missbräuchlicher Nutzung jener führen könnte. Ferner müssen sich Behörden die Fragen stellen, welche webbasierten Systeme wirklich benötigt werden und wo sie die rechtlichen und ethischen Grenzen ziehen, um sich von einem Überwachungsstaat abzugrenzen.
Die nächste, bereits angelaufene Stufe, das „taktile Internet“ (Web 5.0) sorgt durch eine flächendeckende Nutzung Gigabit-breitbandiger Netzwerke und 5G Mobilfunknutzung für eine Netzwerkkommunikation nahezu in Echtzeit. Diese minimalen Reaktionszeiten sorgen für einen großen Innovationsschub in der Gesellschaft über alle Branchen hinweg. Es ermöglicht neue Ansätze von virtueller Realität und bietet noch unvorstellbare Möglichkeiten für die Nutzung von Eingriffen aus der Ferne mit einer Verzögerung von Millisekunden. Im Verwaltungsgenre nennt sich dieser Trend „Real-Time-Government“. Informationen und Assistenzdienste könnten automatisch generiert werden und ermöglichen somit neue Möglichkeiten und Verwaltungsverfahren. Allerdings schwebt auch hier der Risikogedanke mit, dass sich unberechtigte Akteure die Systeme manipulieren und diese als „Waffen gegen die herrschende Ordnung und die Gesellschaft“ 14 einsetzen.
2.2.2 Digitalisierungsstrategien des B undes
Die Umsetzung der oben aufgeführten Entwicklungen gestaltete sich bei der öffentlichen Verwaltung bereits zu Beginn eher zögernd. Mit dem E-Commerce Trend und der zunehmenden Nutzung des World Wide Webs Ende der 90er Jahre standen auch die Behörden unter einem zunehmenden Handlungsdruck.
2.2.2.1 BundOnline 2005
Um diese Hürde zu überwinden startete das Bundesinnenministerium zur Jahrtausendwende das Projekt „BundOnline 2005“ (siehe Abbildung 2). Dieses Projekt verfolgt die Ziele, die Leistungsfähigkeit des Staates zu steigern und Kosten zu sparen. Die Behörden wurden mit teils kostenfreier Software und Beratungsleistungen vom Bund unterstützt, um bis 2005 viele ihrer Verwaltungsverfahren online bereitzustellen. Nach Umsetzung des Projektes gab es von mehreren Seiten Kritik. Neben den neuen digitalen Wegen wurden weiterhin analoge Verfahren eingesetzt, welche zu einem Mehraufwand führten. Weiterhin wurden nur Daten digitalisiert und online zur Verfügung gestellt, anstatt auch den dazugehörigen gesamten Prozess an die neuen Gegebenheiten anzupassen.
Mit der Einsicht dessen, wurde die Initiative „Deutschland online“ gegründet, welche die positive Einstellung zum Thema Digitalisierung in den öffentlichen Verwaltungen zurück brachte, wenn auch nur kurzzeitig (siehe Abbildung 2). Vermehrt wurden auch hier die Schwächen sichtbar. Es gab, unter anderem, eine Masse an parallel laufenden Anwendungen und wenig Vernetzung zwischen den Behörden. Dieses Problem sollte durch eine Standardisierungsstrategie (xÖV-Schnittstellenstandards) gelöst werden, welche durch die Koordinierungsstelle für IT-Standard (KoSIT) betreut wurde. Bis zuletzt gab es trotz dessen auch in diesem System noch viele Lücken. Vor allem die Vernetzung unter den Behörden ging nur sehr langsam voran. Auch gab es weiterhin zu viele parallel laufenden Anwendungen, da es keinen Abnahmezwang für bestimmte Anwendungen gab. Diese Situation finden wir auch heute häufig noch vor. Die 3. Welle des E-Governments in der Abbildung wurde in der vergangenen Literatur nur abschätzend dargestellt und spiegelt die aktuelle Situation nicht real wieder. Die öffentliche Verwaltung bewegt sich allerdings aktuell in die richtige Richtung, um das Ziel eines „Smart Governements“ zu erreichen. Weiterführende Informationen dazu werden in dieser Arbeit noch beschrieben.15
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3 Welle E-Govemment
Abbildung 2: Geschichtlicher Ablauf Digitalisierung im E-Government (Heuermann, Tomenendal, & Bressem, 2018, S. 39)
2.2.2.2 Digitale Agenda 2015
Mit der „Digitalen Agenda 2015“, entwarf die Bundesregierung im Jahr 2014 ein Dokument, welches erstmalig zentrale digitalpolitische Themen- und Gestaltungsfelder aufgreift und damit die „Grundsätze der Digitalpolitik“ darlegt.16 Die Umsetzung verfolgt das Ziel, die Digitalisierung in der Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten. Mit der Herausgabe der Digitalen Agenda sieht die Bundesregierung u.a. die Chance, Deutschland als innovative Volkswirtschaft auszubauen. Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf den Städten und Kommunen, welche durch den digitalen Fortschritt Aufgaben effektiver und bürgerorientierter umsetzen könnten.17 Eines der sieben Handlungsfelder sieht die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung vor. Dieses soll u.a. das digitale Dienstleistungsangebot für Bürger und Bürgerinnen transparenter und sicherer gestalten.18 Geplante Maßnahmen waren die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung, z.B. durch die Identifizierung und Eliminierung von vermeidbaren, aber bisher verwaltungsrechtlich notwendigen, Dokumenten und die Einführung von E-Akten, die Stärkung des IT-Planungsrats, durch Verbesserung der Arbeitsstrukturen sowie die einfache und sichere Kommunikation der Bürger und Unternehmen mit der Verwaltung, z.B. mithilfe von internetbasierten Fahrzeugzulassungen sowie von Bürger- und Unternehmenskonten zur sicheren Authentifizierung. Auch die Bewahrung der Autonomie und Handlungsfähigkeit der IT des Staates, durch die Konsolidierung von IT- Netzen sowie der Schaffung von technischen Voraussetzungen für eine nachhaltige Kommunikation, sowie eine sichere Regierungskommunikation waren Ziele der Agenda.19
2.2.2.3 Onlinezugangsgesetz (OZG)
Das Onlinezugangsgesetz, welches 2017 in Kraft getreten ist, verpflichtet sämtliche Behörden Ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch und möglichst anwenderorientiert anzubieten. Da dies eine organisationsaufwändige Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bedeutet, koordiniert das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) dieses Projekt. Um eine optimale gemeinsame Strategie zu erarbeiten, wurde die föderale IT-Kooperation (FITKO) gegründet, welche die Interessengruppen vernetzt und gemeinsam an Lösungen arbeitet. Ein weiterer Bestandteil der OZG-Umsetzung ist auch die Umsetzung der EU-Verordnung zum Single Digital Gateway (SDG).20 Das SDG ist ein Anlaufpunkt für Bürger und Unternehmen, die in einem anderen EU-Land leben möchten oder dort Geschäften nachgehen wollen. Dort finden sie Informationen über natio- nale und europäische Vorschriften, Verfahren für die Einhaltung der Vorschriften, sowie Unterstützungsangebote der EU und EU-Länder. Diese Plattform baut auf der bestehenden „Your Europe“ Plattform auf und erweitert diese um die neuen Dienstleistungen und Inhalte des SDG. Die vollständige Realisierung des SDG soll bis Dezember 2023 erfolgen.21
2.2.3 Aktueller Digitalisierungs-Stand bei der öffentlichen Verwaltung
Der Bitkom befragte im Rahmen seiner „Digital Office Index 2020“-Studie mehr als 1.100 Unternehmen aller Branchen zum Thema Digitalisierung von Büro- und Verwaltungsprozessen22. In dieser Erhebung wurde erstmals auch die öffentliche Verwaltung aufgeführt. Die Studie gab an, dass von allen befragten Branchen die öffentlichen Verwaltungen mit 92% den höchsten Wert beim Thema Digitalisierungsstrategie angab23, Sie aber nur zu 53% über die erforderlichen Mitarbeiter verfügen, um die Digitalisierung voranzutreiben, womit sie wiederum das Schlusslicht bilden24. Zeitgleich sind nur 59% der Behörden bereit gezielt in digitale Fort- und Weiterbildungen ihrer Mitarbeiter zu investieren25. Mit 88%26 und 96%27 liegen die öffentlichen Verwaltungen beim Erstellen und Erhalten von elektronischen Rechnungen auf dem ersten Platz, mit 100%iger Zustimmung hat das Thema E-Rechnung eine sehr große Relevanz28. Trotz der fast papierlosen Rechnungserstellung gaben die befragten öffentlichen Verwaltungen an, dass ca. 75% der Büro- und Verwaltungsprozesse noch zu mindestens 50% papierbasiert ablaufen29. Gleichzeitig wurden mindestens 87% aller Papierakten bereits mindestens teilweise in digitale Akten umgewandelt, womit die Behörden mit einem deutlichen Vorsprung vor allen anderen befragten Branchen liegen30. Weiterhin gaben sie mit einem über 20%igen Vorsprung von 77% an, deutlich weniger Dokumente auszudrucken als noch vor einem Jahr31. Die öffentlichen Verwaltungen sehen sich heute, wie die meisten anderen Branchen, mit 2,9 von 5 möglichen Kriterienpunkten im oberen Mittelfeld des Digitalisierungsprozesses. Im Jahr 2025 planen Sie 0,8 Punkte weiter zu sein.32
2.3 Digitalisierung in der Kommunalverwaltung
2.3.1 Aufgaben der Kommunalverwaltung
Die Kommunalverwaltung erfüllt in Deutschland die öffentlichen Aufgaben (siehe Abbildung 3) und zählt zur Landesverwaltung, welche in den einzelnen Gemeindeordnungen und Kreisordnungen geregelt ist.33
All diese Aufgabenbereiche erfordern einen organisierten und datenschutzkonformen Umgang mit internen sowie externen Daten von Mitarbeitern und Bürgern (z.B. persönliche Daten, wie Namen, Adressen, Kontoinformationen, etc.). Wo Bürokratie bisher hauptsächlich in Papierform umgesetzt wurde, fördert der Digitalisierungstrend immer mehr die papierlosen Abläufe mittels IT-Verfahren, wie der elektronischen Dokumentenarchivierung, OnlineBürgerservices, Datenspeicherung in der Cloud und vielen mehr.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Übersicht fachliche Aufgaben in Kommunen (Heuermann, Tomenendal, & Bressem, 2018, S. 57)
2.3.2 Digitalisierung in der Kommunalverwaltung
Die Digitalisierung in kommunalen Einrichtungen bietet die Chancen die Standortattraktivität und Zukunftsfähigkeit einer Kommune darzustellen. Der digitale Wandel erfordert ein Verwaltungsebenen übergreifendes Handeln, um gleichzeitig die Digitalisierung anzustoßen, aber auch die rechtlichen Vorgaben des Bundes und der Länder z.B. zum Thema Datenschutz einzuhalten. Es wird erwartet, dass die Kommunalverwaltung nicht nur die Digitalisierung in ihrer Gesamtheit vorantreibt, sondern auch die Risiken erkennt und eindämmt.34
Umfragen zufolge, erkennen Kommunen die Chancen und den möglichen Nutzen der Digitalisierung. Es gibt allerdings Umsetzungshürden, da ein grundlegendes Verständnis über die Gestaltung der Digitalisierungsstrategie fehlt.35
Die meisten Kommunen werden von regionalen oder überregionalen Shared-Service-Cen- tern oder eigenen IT-Dienstleistern betreut und versorgt, wobei der Trend sich vom klassischen IT-Dienstleister mit einem eigenen Rechenzentrum entfernt.36
Die Bedürfnisse der kommunalen IT müssen über circa 70 Fachverfahren hinweg abgedeckt werden. Somit lassen sich zwar bestimmte Anwendungssoftwares ableiten, es gibt allerdings, wie bereits im Punkt 3.2 erwähnt, trotz dessen eine Vielzahl von miteinander konkurrierenden IT-Anwendungen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf die einzelnen Softwareanwendungen zu konsolidieren, was nebenbei Kosten einsparen würde. Des Weiteren gibt es eine Vielzahl von unnötigen Form- und Verfahrensanforderungen, beispielsweise in Form von vom Bürger einzureichenden Nachweisen in Papierform. Stattdessen wäre das Anbieten einer Upload-Funktion deutlich zeitsparender für den Bürger, was die Zufriedenheit und Außenwahrnehmung verbessern könnte. Noch zeitsparender wäre es, wenn die Ämter sich benötigte Nachweise von anderen Behörden selbstständig anfordern könnten.37 Da es aber, wie ebenfalls in Punkt 3.2 bereits angesprochen, wenig Vernetzung unter den Behörden gibt, gestaltet sich dieser Faktor noch schwierig.
Um die die aktuelle Qualität der IT-Services pauschal zu beurteilen, gibt es lt. Literaturrecherche zu wenige belastbare Quellen. Klar ist allerdings, dass es ein großes Spektrum an Optimierungsmöglichkeiten gibt. Neben der Möglichkeit die meisten Verfahren mit minimalem Aufwand online auszuführen, wäre auch die Vernetzung von Datenbeständen unteinander eine große Bereicherung für die Bürger und Mitarbeiter der Verwaltungen.38
2.3.3 Beispiele für Digitale Technologien in Kommunen
Es gibt zahlreiche innovative Ideen für Services und Anwendungen in den Kommunen. Der jeweilige Bedarf unterscheidet sich allerdings je nach den Bedürfnissen der Kommune. Gezielt Entscheidungen über Einzelmaßnahmen zu treffen, fällt gerade kleineren und mittleren Kommunen aufgrund fehlender zeitlicher, personeller oder finanzieller Ressourcen oft schwer. Dabei mangelt es nicht an Möglichkeiten. Von der Vernetzung von Geräten und Anlagen, über Cloud Computing und der Nutzung von digitalen Endgeräten und mobilen Anwendungen, bis zum digitalen Informationsmanagement - das Angebot ist bezogen auf die Kommunalverwaltung sehr vielfältig.
2.3.3.1 Cloud Computing
Diese Maßnahme beschreibt das Auslagern von IT-Anwendungen wie Speicherplatz, Rechenleistung oder Software an das Internet (in die „Cloud“, dt. die „Wolke“). Die Nutzung einer Cloud hat für Kommunen den Vorteil, dass es keine hohen finanziellen Mittel oder personellen Ressourcen für den Betrieb und die Betreuung benötigt. Über diese Maßnahme ließen sich z.B. Bürgerservices, wie das Beantragen von KFZ-Wunschkennzeichen oder Statusabfragen von Dokumenten, behörden- und abteilungsübergreifend anbieten. Um sicher zu agieren, kann dazu ein zertifiziertes lokales Rechenzentrum genutzt werden, wo die gespeicherten Daten den deutschen Datenschutzbestimmungen unterliegen und vor Dritten geschützt sind.39
2.3.3.2 Open Government
Mit dem Open Government können Verwaltungen ihre offenen Daten (Daten die verwendet, verarbeitet und verbreitet werden dürfen), für alle frei zugänglich zur Verfügung. Bürgerinnen und Bürger können sich somit jederzeit und ortsunabhängig selbstständig über die aktuellen Gegebenheiten ihrer Kommune informieren. Diese Maßnahme bietet den Kommunen die Möglichkeit sich als transparenter und innovativer Dienstleister zu positionieren.40
2.3.3.3 E-Government
Die digitale Verwaltung (E-Government) gibt den Bewohnern der Gemeinde oder deren Interessenten die Möglichkeit Verwaltungsdienstleistungen ortsunabhängig bearbeiten zu können. Dadurch ließen sich beispielsweise Dokumente, wie die Ausstellung eines Personalausweises, das Zulassen eines PKW oder Ummelden des Wohnortes vollständig digital beantragen. Bürgerinnern und Bürger wären unabhängig von ihren mobilen Möglichkeiten und zeitlichen Kapazitäten. Dies reduziert die Papierwirtschaft einer Verwaltung und erhöht die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger, da sie von zeitintensiven Verwaltungsbesuchen befreit werden.41
2.3.3.4 Datenplattformen
Datenplattformen stellen ein fachübergreifendes Medium dar, auf welchem verschiedene Personengruppen Daten einstellen, verarbeiten und gemeinsam nutzen können. Diese kann von verschiedenen Akteuren betrieben werden, von der Kommune selbst, über ein Rechenzentrum, bis zu einem externen Partner. Ähnlich wie bei der Cloud, bietet die Datenplattform die Möglichkeit fach-, abteilungs- und behördenübergreifend relevante Daten und Dokumente gemeinsam zu nutzen und somit die Verwaltungsprozesse und -abläufe zu verbessern. Neben einer sicheren Systemarchitektur und einer vertrauenswürdigen Plattform, sind auch Kriterien zur Datensicherheit und zum Datenschutz hierbei die Voraussetzung.42
2.3.4 Finanzierungsmöglichkeiten
Kommunen finanzieren sich über verschiedene Quellen. Neben den örtlichen Gebühren (z.B. Wasserversorgung), Beiträgen (z.B. Müllabfuhr) und Steuereinnahmen (z.B. Hundesteuer), erhalten die Kommunen ebenfalls anteilig Gewerbesteuer- (15%) und Lohn-/Ein- kommensteueranteile (ca. 2%) sowie variable Finanzzuweisungen des Bundes.43 Nach der deutschen Rechtsprechung haben Kommunen das Recht ihre Ausgaben für die örtliche Gemeinschaft selbstständig zu regeln.44
Digitalisierung kostet nachweislich viel Geld. Die Höhe der Kosten ist stark von den geplanten Maßnahmen, den bestehenden Voraussetzungen und Möglichkeiten der Kommunen abhängig. Grundsätzlich ist eine Finanzierung aus den eigenen Haushaltsmitteln möglich, es gibt allerdings auch die Möglichkeit, durch alternative Quellen, wie Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen oder der Aufnahme von Krediten, an zusätzliche Finanzmittel zu gelangen. Für die finanzschwächeren, kleineren und mittleren Kommunen ist es zudem sinnvoll mittels Fördermitteln sowohl finanzielle als auch operative Unterstützung zu erhalten.45
2.3.5 Vergabeverfahren
Öffentliche Auftraggeber sind bei ihren Beschaffungsabsichten an Vergabeverfahren gebunden. Gemäß des Brandenburgischen Vergabegesetzes (BbgVergG) sind die öffentlichen Auftraggeber in Brandenburg bei geschätzten Liefer-, Dienst- und Bauleistungen über 3.000 €46 verpflichtet, ihre Aufträge öffentlich bekanntzugeben und somit einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.47
Mit der neuen Reform Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) im Jahr 2016 wurde es Vergabestellen vereinfacht, innovative Dienstleistungen und Produkte zu beschaffen. Nach Paragraph 119 Abs. 2 Satz 1 GWB können öffentliche Auftraggeber entscheiden, ob sie ein offenes oder nichtoffenes Verfahren wählen. Weiterhin ist es möglich, während eines Verhandlungsverfahrens (oberhalb des Schwellenwerts) oder einer Verhandlungsvergabe (unterhalb eines Schwellenwerts) neue, nicht im ursprünglich berücksichtigten Leistungsverzeichnis erwähnte, konzeptionelle und innovative Lösungen zu berücksichtigen. Des Weiteren haben öffentliche Auftraggeber nun zusätzlich die Möglichkeit, sich zwischen einem Teilnahmewettbewerb oder einem wettbewerblichen Dialog zu entscheiden. Der wettbewerbliche Dialog ist sinnvoll, wenn der Auftraggeber nicht die Möglichkeiten sieht, Anforderungen, Rahmenbedingungen oder Kosten selbst festzulegen, wie es häufig bei innovativen Lösungen der Fall ist. Der Auftraggeber tritt mit den potentiellen Auftragnehmern bereits vor der Vergabe in eine Zusammenarbeit, um eine gemeinsame bedürfnisorientierte Lösung zu entwickeln und eine finale Leistungsbeschreibung festzulegen.48
Zur Entwicklung von innovativen, noch nicht auf dem Markt verfügbaren Dienstleistungen, können außerdem Innovationspartnerschaften gebildet werden. Eine Innovationspartnerschaft ist eine neue Verfahrensart, welche die Vergabe eines Entwicklungsauftrags mit der Beschaffung verbindet. Auftraggeber und -nehmer gehen eine langfristige Partnerschaft ein, um ein Produkt gänzlich zu entwickeln und einzuführen.49
2.4 Herausforderungen und Hindernisse
Umfrageergebnissen zum Thema „Hindernisse für die Digitalisierung von Dienstleistungen für Bürger und der Automatisierung von Prozessen“ der Insight Avenue gleichen sich größtenteils mit den bisherigen Literaturrecherchen und erwähnten Themen. Laut der Befragung lag das größte Hindernis mit 83% im Legen des Fokus auf andere Prioritäten oder IT-Notfall- /-Reaktionsmaßnahmen, dicht gefolgt von den notwendigen Investitionen in eine aktuellere Dateninfrastruktur mit 82%. Aber auch veraltete Prozesse und fehlende digitale Fähigkeiten und Erfahrungen stellten mit 81% eine große Hürde dar. 80% gaben an, dass digitale Visionen und Investitionen in Anwendungen fehlen. Zu guter Letzt sehen 77% der Befragten Hürden in der Vernetzung mit anderen Abteilungen und Behörden sowie der Abneigung gegenüber Veränderungen.50
2.4.1 Altinfrastruktur
Wachsende Datenmengen, Sicherheitsbedrohungen, der Bedarf an größerer Vernetzung und Erwartungen der Bürger sind die Hauptgründe für die Notwendigkeit der Infrastruktur- sanierung.51 Um den digitalen Wandel zu leben, ist die Grundvoraussetzung eine entsprechende leistungsfähig und digitale, aber auch sichere Infrastruktur aufzubauen.52 Bei einer Studie aus dem Jahr 2020 des unabhängigen Forschungsberatungsunternehmens Insight Avenue mit 511 IT-Führungskräften des öffentlichen Sektors, davon 100 in Deutschland, gaben 50% der Befragten deutschen IT-Mitarbeiter an, dass die derzeitige Infrastruktur die digitale Transformation aufhält. Daraus ergeben sich geringe Möglichkeiten zur digitalen Innovation (82%), zu zuverlässigen Services (81%) und Probleme bei den Themen Compliance und Governance (80%). Außerdem waren 85% der Befragten sehr besorgt darüber, dass die Investitionen in die Sicherheit nicht in Relation mit den Cyberbedrohungen stehen.
2.4.2 IT-Sicherheit
Am 22.01.2020 informierte der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert in einer Pressekonferenz über eine Cyber-Attacke auf das Potsdamer Rathaus. Es gab eine Schwachstelle beim Netzwerk-Dienstleister Citrix, welcher bereits im Dezember 2019 vor möglichen Problemen gewarnt hatte und den Nutzern empfahl, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Es seien zwar keine Daten von Bürgern entwendet worden, trotzdessen entschied sich die Stadt, die Server sicherheitshalber herunterzufahren und somit auch sämtliche Online-Services auf unbestimmte Zeit einzustellen. Bis auf weiteres waren die Bürger wieder auf das Telefon oder Telefax angewiesen.53 Bedingt durch die erschwerten Maßnahmen von Leistungserbringungen der IT-Dienstleister durch die Corona Pandemie, gingen die OnlineDienste erst Ende Juni wieder online.54 Die Stadt Brandenburg an der Havel war ebenfalls betroffen55 und die Gemeinde Stahnsdorf nahm ihre Online-Services vorsichtshalber ebenfalls vom Netz.56
[...]
1 Vgl . Bitkom e.V., Digitalisierung der Wirtschaft - Auswirkung der Corona-Pandemie, 2020, S. 5
2 Vgl. Segu Mediengeschichte, 2020
3 Vgl . Seemann, Meinung: Europas Datenschutz schützt nicht vor der NSA, 2017
4 Vgl. Heuermann, Tomenendal, & Bressem, Digitalisierung in Bund, Ländern und Gemeinden, 2018, S. 2
5 Vgl. ebd., S 11
6 Vgl. ebd., S. 33
7 Vgl. Reinermann & von Lucke, Speyerer Definition von Electronic Government, in Electronic Government in Deutschland, 2002, S. 1-8
8 Heuermann, Tomenendal, & Bressem, Digitalisierung in Bund, Ländern und Gemeinden, 2018, S. 34
9 Reinermann & von Lucke, Speyerer Definition von Electronic Government, in Electronic Government in Deutschland, 2002, S, S. 2
10 ebd, S. 2
11 Vgl. Heuermann, Tomenendal, & Bressem, Digitalisierung in Bund, Ländern und Gemeinden, 2018, S. 35
12 Vgl. ebd., S 35
13 Vgl. ebd., S 37
14 Vgl. ebd., S. 38f
15 Vgl. ebd., S. 40ff
16 Vgl. Brunner, Jager, Hess, & Münch, Digitalisierungsstrategien bundesdeutscher Länder, 2020, S. 11f
17 Vgl. Bundesministerium des Innern B. f., Legislaturbericht Digitale Agenda 2014-2017, 2017, S. 4ff
18 Vgl. ebd., S. 24
19 Vgl. ebd. S. 77ff
20 Vgl. Bundesministerium des Innern f. B., Onlinezugangsgesetz, 2017
21 Vgl. ebd.
22 Vgl. Bitkom e.V., Bitkom Digital Office Index 2020, 2020, S. 2)
23 Vgl. ebd., S. 26
24 Vgl. ebd. S. 31
25 Vgl. ebd. S. 33
26 Vgl. ebd. S. 63
27 Vgl. ebd. S. 66
28 Vgl. ebd. S. 69
29 Vgl. ebd. S. 72
30 Vgl. ebd. S. 74
31 Vgl. ebd. S. 76
32 Vgl. ebd. S. 78
33 Vgl. Reimer, 5 Minuten zum Verwaltungsaufbau: kleine Einführung in das Organisationsrecht von Bund und Ländern, 2018, S. 10-14
34 Vgl. Schmid A., Verwaltung, eGovernment und Digitalisierung, 2019, S. 103
35 Vgl. ebd., S. 105
36 Vgl. Heuermann, Tomenendal, & Bressem, Digitalisierung in Bund, Ländern und Gemeinden, 2018, S. 52
37 Vgl. ebd., S. 57f
38 Vgl. ebd., S. 86
39 Vgl. Heisterkamp, Lademann, Müller, Rifai, & Weinhold, Digitale Services in Kommunen, 2018, S. 7
40 Vgl. ebd., S. 9
41 Vgl. ebd., S. 8
42 Vgl. ebd., S. 13
43 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Die Steuereinnahmen der Gemeinden, 2021, S. 3
44 Vgl. Scherf & Hofmann, Die kommunale Finanzverfassung in Deutschland, 2003, S. 3
45 Vgl. Heisterkamp, Lademann, Müller, Rifai, & Weinhold, Digitale Services in Kommunen, 2018, S. 15
46 Vgl. Brandenburgisches Vergabegesetz, 2019, Teil 1, §2(1)
47 Vgl. ebd., Teil 1, §1
48 Vgl. Heisterkamp, Lademann, Müller, Rifai, & Weinhold, Digitale Services in Kommunen, 2018, S. 21f
49 Vgl . ebd., S. 23
50 Vgl. Pure Storage, Der Weg zu einem belastbaren öffentlichen Sektor, 2020
51 Vgl. Aksoy & Ehneß, Digitale Transformation in Behörden erfordert Modernisierung der Datenstruktur, 2020
52 Vgl. Schmid A., Verwaltung, eGovernment und Digitalisierung, 2019, S. 96
53 Vgl. Calvez, Kramer, & Matern, PNN, Potsdam bleibt auf unbestimmte Zeit offline, 2020
54 Vgl. Barsig, PNN, Stadt bietet Online-Dienste wieder an, 2020
55 Vgl. BRAWO, MOZ, Hacker-Angriff auf Stadtverwaltung, 2020
56 Vgl. Schmid E., PNN, Stahnsdorfer Rathaus kappt die Verbindung, 2020
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- Polina Vogler (Author), 2021, Digitale Kommunalverwaltung. Mit Fokus auf die Kommunen im Land Brandenburg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1301563
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