Was ist eine humanistische Bildung und wie sollen Menschen gebildet werden? Diese Fragen stehen für Wilhelm von Humboldt (1767–1835) als Urvater des humanistischen Bildungsideals und Vorreiter bildungstheoretischen Denkens im Zentrum seiner Überlegungen. In seiner Abhandlung, die von verschiedenen Herausgebern sowohl als "Die Bildung des Menschen" als auch "Theorie der Bildung des Menschen" betitelt wurde, werden diese von ihm dargelegt und ausführlich beschrieben.
Jenes Textfragment steht im Fokus der vorliegenden Arbeit. Mit Blick auf den geistesgeschichtlichen Entstehungskontext und unter Zuhilfenahme weiterer Schriften von und zu Humboldt wird eine Interpretation seines Textes geliefert, die es schaffen soll, die Bedeutung seines Bildungsbegriffs zu erschließen.
Spricht man heute von einem allgemeinen Bildungsbegriff und betrachtet seine Verankerung z.B. im deutschen Bildungssystem, so stellt man fest, dass in aktuellen pädagogischen Prozessen eine gesellschaftskonforme, der Gemeinschaft dienende Ausbildung von Individuen im Vordergrund steht. Zwar bleibt die Frage offen, an welcher Art von Gesellschaft es sich dabei zu orientieren gilt – schließlich gibt es eine ganze Reihe, angefangen von der Multimedia-Gesellschaft, über die Wettbewerbsgesellschaft, die Einwanderungsgesellschaft, die Konsumgesellschaft bis hin zur Erschöpfungsgesellschaft – doch soll das erstrangige Ziel sein, durch kompetenzorientierte Lehrpläne LernerInnen zu mündigen und verantwortungsbewussten BürgerInnen zu erziehen. Durch den Ausbau und Einsatz ihrer Fähigkeiten sollen sie später so in der Lage sein, die gegenwärtigen sozialen und ökonomischen Anforderungen zu erfüllen, um eine insgesamt zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten. Bildungstheoretisch entspricht dieses Verständnis von Bildung der Definition einer materialen Bildung, die Menschen lediglich als „[...] Träger gesellschaftlich wünschenswerter Eigenschaften und Qualifikationen“ (Benner 2001) begreift. Erziehungswissenschaftler und Autor Bernd Lederer erkennt einen Widerspruch und formuliert zu Recht die Frage im Titel seines Buches Was bedeutet eigentlich ,Bildung’? Mündiger Mensch oder nützlicher Idiot? Darin zeigt er auf, dass ein humanistisches Bildungsideal, wie es in pädagogischen und politischen Diskursen als Ziel postuliert wird, gerade eine materiale Bildung vehement zurückweist.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Geistesgeschichtlicher Hintergrund - Der deutsche Neuhumanismus
- 3. Humboldts Bildungsbegriff
- Der echte Geist und die Verbindung der Fächer
- Bildung als Selbstzweck
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt, einem Urvater des humanistischen Bildungsideals. Mit Blick auf den geistesgeschichtlichen Entstehungskontext und unter Zuhilfenahme weiterer Schriften von und zu Humboldt soll eine Interpretation seines Textfragmentes aus dem späten 18. Jahrhundert geliefert werden, um die Bedeutung seines Bildungsbegriffs zu erschließen.
- Geistesgeschichtlicher Kontext des deutschen Neuhumanismus
- Humboldts Verständnis von Bildung als Selbstzweck
- Die Bedeutung der Verbindung von Fachdisziplinen für eine umfassende Bildung
- Humboldts Kritik am vorherrschenden Bildungssystem
- Die Rolle des Staates im Bildungsprozess
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und beleuchtet die aktuelle Debatte um den Bildungsbegriff im Kontext der Gesellschaft. Der Autor stellt die Frage nach einem humanistischen Bildungsideal und führt den Leser zu Wilhelm von Humboldt als dessen Urvater.
2. Geistesgeschichtlicher Hintergrund - Der deutsche Neuhumanismus
Dieses Kapitel beleuchtet den historischen Kontext, in dem Humboldts bildungstheoretische Ideen entstanden. Der Autor verortet Humboldts Werk im Zeitalter des Deutschen Idealismus und stellt die Bedeutung der Aufklärung und des neu-humanistischen Gedankenguts heraus.
3. Humboldts Bildungsbegriff
Der echte Geist und die Verbindung der Fächer
Dieses Unterkapitel analysiert Humboldts Argumentation, dass eine umfassende Bildung die Verbindung verschiedener Wissenschaftsbereiche erfordert. Humboldt kritisiert die Spezialisierung in einzelnen Disziplinen und betont die Notwendigkeit eines „echten Geistes“, der alle Fächer in einen Gesamtzusammenhang stellt.
Bildung als Selbstzweck
Hier stellt der Autor Humboldts Kernaussage dar: Bildung ist kein Mittel zum Zweck, sondern ein Selbstzweck. Der Mensch strebt nach der Entfaltung seiner eigenen geistigen Kräfte und das Ausschöpfen seiner Fähigkeiten ist die „letzte Aufgabe unseres Daseyns“.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Bildung, Humanismus, Selbstzweck, Bildungstheorie, Geistesgeschichte, deutscher Neuhumanismus, Wilhelm von Humboldt, „Die Bildung des Menschen“, Spezialisierung, Wissenschaft, Fachdisziplinen, Erkenntnis, umfassende Bildung, und Wesen des Menschen.
- Quote paper
- Seda Demirkaya (Author), 2021, Der Bildungsbegriff bei Wilhelm von Humboldt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1300291