„Im Hinblick auf Weltanschauung, Ethik und Weltorientierung ist die Individualpsychologie Alfred Adlers humanistische Psychotherapie“ schreibt Kornbichler in seinem 2007 erschienenen Werk über die Individualpsychologie Alfred Adlers (S. 67).
Die humanistische Psychologie, maßgeblich geprägt durch Charlotte Bühler, Abraham Maslow, Carl R. Rogers und vielen anderen, versteht sich als dritte Kraft neben der Tiefenpsychologie und dem Behaviorismus. Sie entstand als eine Bewegung, die sich von Europa aus nach den USA und nach Europa zurück erstreckte. Ihre Blütezeit erlebte die humanistische Psychologie in den 50er und 60er Jahren in den USA.
Alfred Adler war Mitglied der „Psychoanalytischen Vereinigung“ in Österreich, distanzierte sich jedoch nach und nach von ihrem Vorsitzenden Siegmund Freud und gründete 1911 die „Gesellschaft für freie Psychoanalyse“ (später für Individualpsychologie). Aufgrund der politischen Verhältnisse in seinem Heimatland emigrierte er 1935 in die USA. An einem Institut in New York traf er unter anderen auf Carl R. Rogers, der sich wie folgt über die Zusammenarbeit äußerte: „Ich hatte das Privileg Dr. Alfred Adler zu begegnen, zuzuhören, und zu beobachten …. Da ich damals an die eher starre Freudianische Vorgehensweise des Instituts gewöhnt war … war ich schockiert über Adlers sehr direkte und trügerisch einfache Art, sofort auf das Kind und die Eltern Bezug zu nehmen. Ich brauchte einige Zeit, bis ich erkannte, wie viel ich von ihm gelernt hatte“ (Hoffman, 1997, S. 251). Carl R. Rogers wird heute zu den zentralen Gestalten der Humanistischen Psychologie gezählt (Zimbardo & Gerrig, 1999, S. 538).
Betrachtet man das Menschenbild auf der Grundlage der Individualpsychologie Adlers, so sind große Gemeinsamkeiten zu dem personenzentrierten Ansatzes Rogers erkennbar. In mancher Hinsicht wirkt die Theorie Rogers wie eine Weiterentwicklung des Adlerschen Grundgedanken. Gleichzeitig unterscheiden sie sich auch in vielen Punkten.
Diese Arbeit soll eine Einführung in die wesentlichen Gedanken und Begriffe der Ansätze nach Alfred Adler und Carl R. Rogers geben. Die zentralen Konzepte der Persönlichkeitstheorie werden sowohl in abstrakter, als auch in beispielhafter Weise erläutert und miteinander verglichen. Anhand dieser Ausführungen soll überprüft werden, inwieweit die Eingangs aufgestellte Hypothese Kornbichlers bestätigt, beziehungsweise widerlegt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vergleich der Theorien A. Adlers und C. R. Rogers
2.1. Die Menschennatur
2.2. Der Mensch als „Einheit“
2.3. Persönlichkeitsentwicklung
2.4. Annahmen zur Fehlentwicklung
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Im Hinblick auf Weltanschauung, Ethik und Weltorientierung ist die Individualpsychologie Alfred Adlers humanistische Psychotherapie“ schreibt Kornbichler in seinem 2007 erschienenen Werk über die Individualpsychologie Alfred Adlers (S. 67).
Die humanistische Psychologie, maßgeblich geprägt durch Charlotte Bühler, Abraham Maslow, Carl R. Rogers und vielen anderen, versteht sich als dritte Kraft neben der Tiefenpsychologie und dem Behaviorismus. Sie entstand als eine Bewegung, die sich von Europa aus nach den USA und nach Europa zurück erstreckte. Ihre Blütezeit erlebte die humanistische Psychologie in den 50er und 60er Jahren in den USA. Eine exakte Definition der humanistischen Psychologie gibt es nicht. Zimbardo und Gerrig charakterisieren humanistische Theorien als holistisch, dispositionell, phänomenologisch und existentialistisch. Außerdem ist sie entschieden optimistisch, was die Natur des Menschen betrifft (1999, S.538).
Alfred Adler war Mitglied der „Psychoanalytischen Vereinigung“ in Österreich, distanzierte sich jedoch nach und nach von ihrem Vorsitzenden Siegmund Freud und gründete 1911 die „Gesellschaft für freie Psychoanalyse“ (später für Individualpsychologie). Aufgrund der politischen Verhältnisse in seinem Heimatland emigrierte er 1935 in die USA. An einem Institut in New York traf er unter anderen auf Carl R. Rogers, der sich wie folgt über die Zusammenarbeit äußerte: „Ich hatte das Privileg Dr. Alfred Adler zu begegnen, zuzuhören, und zu beobachten …. Da ich damals an die eher starre Freudianische Vorgehensweise des Instituts gewöhnt war … war ich schockiert über Adlers sehr direkte und trügerisch einfache Art, sofort auf das Kind und die Eltern Bezug zu nehmen. Ich brauchte einige Zeit, bis ich erkannte, wie viel ich von ihm gelernt hatte“ (Hoffman, 1997, S. 251). Carl R. Rogers wird heute zu den zentralen Gestalten der Humanistischen Psychologie gezählt (Zimbardo & Gerrig, 1999, S. 538).
Betrachtet man das Menschenbild auf der Grundlage der Individualpsychologie Alfred Adlers, so sind große Gemeinsamkeiten zu dem personenzentrierten Ansatzes Rogers erkennbar. In mancher Hinsicht wirkt die Theorie Rogers wie eine Weiterentwicklung des Adlerschen Grundgedanken. Gleichzeitig unterscheiden sie sich auch in vielen Punkten.
Diese Arbeit soll eine Einführung in die wesentlichen Gedanken und Begriffe der Ansätze nach Alfred Adler und Carl R. Rogers geben. Die zentralen Konzepte der Persönlichkeitstheorie werden sowohl in abstrakter, als auch in beispielhafter Weise erläutert und miteinander verglichen. Anhand dieser Ausführungen soll überprüft werden, inwieweit die Eingangs aufgestellte Hypothese Kornbichlers bestätigt, beziehungsweise widerlegt werden kann.
2. Vergleich der Theorien A. Adlers und C. R. Rogers
2.1. Die Menschennatur
Im Bezug auf die alte anthropologische Frage, ob der Mensch von Grund auf „gut“ oder „böse“ ist, waren sich beide Psychologen einig: Der Mensch ist von Natur aus ein positives und soziales Wesen.
Rogers kommt in seinem 1961 erstmals veröffentlichten Werk „Entwicklung der Persönlichkeit“ zu der folgenden Erkenntnis: „Der innerste Kern der menschlichen Natur, die am tiefsten liegenden Schichten seiner Persönlichkeit, die Grundlage seiner tierischen Natur ist von Natur aus positiv – von Grund auf sozial, vorwärtsgerichtet, rational und realistisch“ (1991a, S. 99-100). Obwohl Rogers die Annahme vertrat, der Mensch sei von Natur aus konstruktiv, sah er allerdings auch seine zerstörerischen und irrationalen Kräfte:
Ich habe kein euphorisches Bild von der menschlichen Natur. Ich weiß, dass Individuen aus Abwehr und innerer Angst sich unglaublich grausam, destruktiv, unreif, regressiv, asozial und schädlich verhalten können. Es ist dennoch einer der erfrischendsten und belebensten Aspekte meiner Erfahrung, mit solchen Individuen zu arbeiten und die stärken positiven Richtungsneigungen zu entdecken, die sich auf den tiefsten Ebenen bei ihnen wie bei uns allen finden.
(Rogers, 1992; zitiert nach Hobmair, Altenthan, Dirrigl, Gotthardt, Höhlein & Ott; 1995; S. 227)
Adler distanzierte sich von den Strömungen seiner Zeit, insbesondere von Sigmund Freud und seinem deterministischem Menschenbild. Freud interpretierte die ursprüngliche Natur des Menschen als raubtierhaft (vgl. Wiegand, 1990, S. 20) und sah das menschliche Verhalten als durch Triebe und unbewusste Motive gesteuertes. Adler hingegen hatte die Idee, der Mensch sei, trotz möglichen Fehlverhaltens, im Naturzustand ein gutes Wesen: „Der Mensch ist von Natur aus nicht böse. Was auch ein Mensch an Verfehlungen begangen haben mag, verführt durch seine irrtümliche Meinung vom Leben, es braucht ihn nicht zu bedrücken; er kann sich ändern. Er ist frei, glücklich zu sein und andere zu erfreuen." (Adler; zitiert nach Dr. Arthur Brühlmeier, Das Menschenbild bei C.G. Jung und Alfred Adler, URL: http://www.bruehlmeier.info/jung-adler.htm).
Oft wird Rogers naiver Optimismus vorgeworfen, da er den Glaube an den guten Kern mit quasi religiösem Nachdruck vertrat (vgl. Schneewind, 1992, S.71). Das mag nicht zuletzt auf seine familiäre Herkunft und das frühere Theologie-Studium zurückzuführen sein. Adler dagegen ist ein wenig pessimistischer, da er von einer empfundenen Hilflosigkeit und angeborenen Schwäche ausgeht: „Denn er ist nicht stark genug, um allein leben zu können. Er kann der Natur nur geringen Widerstand bieten“ (Adler, 1966, S. 38). Aber auch er entwirft, ähnlich wie Rogers, ein optimistisches Bild, in welchem der Mensch durch seine schöpferische Einzigartigkeit charakterisiert wird (vgl. H.L. Ansbacher & R.R. Ansbacher, 1995, S. 17). Jegliches Fehlverhalten wird auf eine schlechte oder falsche Erziehung zurückgeführt, nicht auf die Menschennatur. Hier stellt sich die Frage, wodurch eine gute Erziehung gewährleistet wird. Die Unterschiede im Verhalten von Kindern, die schon von Geburt an bestehen, sind bereits eine gut dokumentierte Tatsache. So weiß man zum Beispiel, dass es Kinder gibt, die viel schreien und schwer zu beruhigen sind. Auch muss man davon ausgehen, dass Eltern eine unterschiedliche Ausprägung ihrer kognitiven Fähigkeiten, wie beispielsweise Empathiefähigkeit, mitbringen (vgl. Thomas, Chess & Birch, 1968; zitiert nach Schneewind, 1992, S. 74).
Wie sich im Folgenden zeigen wird, bauen beide Ansätze auf diesem anthropologischen Fundament auf. Streng genommen sind sie also nicht empirisch überprüfbar, sondern Glaubenssache.
2.2. Der Mensch als „Einheit“
Eine weitere Kompatibilität ist die ganzheitliche Betrachtungsweise der beiden Psychologen. Der Begriff „Ganzheitlichkeit“ bezeichnet die Auffassung, dass der Mensch im Sinne des Wortes Individuum „unteilbar“ ist. Er ist keine Zusammenstellung aus unterschiedlichen Teilen, sondern muss als Ganzes angesehen werden.
Beide Psychologen richten, im Gegensatz zu tiefenpsychologischen Methoden, ihren Blick nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Zukunft.
Adler ist überzeugt, dass das gesamte Verhalten eines Individuums von einer Leitlinie her motiviert ist. Kennt man nun diese Leitlinie bildet sie den Schlüssel zum Verständnis der Person, indem sie gestattet die den Einzelhandlungen zugrunde liegenden Motive auf ein großes Hauptmotiv zurück zu führen: „Das Material zur Bildung der Charakterzüge ist im Psychischen allenthalben vorhanden, und seine angeborene Verschiedenheit verschwindet gegenüber der einheitlichen Wirkung der leitenden Fiktion" (Adler, 1992, S. 277). Daraus abgeleitet dürfen „Einzelhandlungen im Seelenleben nie als ein für sich abgeschlossenes Ganzes“ betrachtet werden. Um ein Individuum zu verstehen, muss man versuchen „die Bewegungslinie, die Lebensschablone, den Lebensstil“ aufzudecken (Adler, 1966, S. 21).
Rogers wurde von Adler und seiner ganzheitlichen Sichtweise inspiriert. Auch er spricht von einer „holistischen Kraft“, die dem Menschen innewohnt (vgl. Rogers, 1991b, S.65). Vergleichbar ist auch die bei Rogers so genannte "Handlungslinie" mit dem "Lebensstil" bei Adler. Mit Handlungslinie meint er das Verhalten das zur Befriedigung der Bedürfnisse dient. Gleichzeitig erscheint Rogers Persönlichkeitsmodell monothematisch, denn er führt letzten Endes alle zielgerichteten Aktivitäten einer Person auf die Wirkung des Selbst-aktualisierungsmotiv, welches im nächsten Abschnitt erläutert werden soll, zurück (vgl. Schneewind, 1992, S.71).
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- Quote paper
- Claudia Thöndel (Author), 2007, Individualpsychologie und Humanismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129956
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