Thema und Fragestellung
Die CDU-Spendenaffäre nahm am vierten November 1999 mit dem Haftbefehl gegen den früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep ihren Anfang und erreichte am sechzehnten Dezember 1999 ihren vorläufigen Höhepunkt. In der ZDF-Sendung >Was nun, Herr Kohl?<
räumte der Ex-Bundeskanzler ein, im Zeitraum von 1993 bis 1998 bis zu zwei Millionen Mark an Spenden in bar angenommen zu haben. Diese Gelder sind außerhalb der Buchführung verwendet worden. Kohl weigert sich bis zum heutigen Zeitpunkt, die Namen der Geldergeber zu
nennen, da diese ihn darum gebeten hätten, nicht in einer Spenderliste aufzutauchen.
Die Affäre führte die CDU in eine neue Krise und deckte gleichzeitig eine alte, seit Jahren schwelende auf. Die neue Krise war die Finanzkrise, in welche die Partei durch die Spendenaffäre
gestürzt wurde. Die alte Krise basiert auf der strukturellen Veränderung der innerparteilichen Organisationskultur. Für Pflüger geht es dabei um „...das Herrschaftssystem Helmut Kohls, den Verlust an innerparteilicher Demokratie, in dessen Folge die Union Kompetenzen und Kreativität verlor und schließlich zur Oppositionspartei wurde. Das in 25 Jahren als Parteivorsitzender und 16 Jahren als Kanzler aufgebaute Netzwerk von persönlichen
Loyalitäten in der Wirtschaft, den Medien, den Bundesländern und vor allem in der Partei – das >System Kohl< - hielt dem Kanzler den Rücken frei, schuf Spielräume für seine Europa- und außenpolitischen Erfolge.“(1)
In bezug auf die vorliegende Arbeit ist besonders der erste Teil des Zitats von Interesse. Gegenstand der Untersuchung ist die Analyse der innerparteilichen Demokratie in der CDU im Zeitraum von 1973 bis 1998. In Art. 21, Abs. 1 des Grundgesetzes wird festgelegt, dass die
innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Diese Forderung wird mit der verfassungsmäßigen Aufgabe der Parteien, der Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes, begründet (Art. 21, Abs. 1). Schon Art. 20 des Grundgesetzes
impliziert die demokratische Verfassung der politischen Parteien. Dort wird die Bundesrepublik Deutschland als ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ausgewiesen, in dem alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Die demokratisch bestimmte Willensbildung des Volkes
würde an einem Widerspruch leiden, wenn sie im Innern der Partei keine Entsprechung fände.
[...]
______
1 Pflüger 2000, S. 10f.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Thema und Fragestellung
- Aufbau der Darstellung: Einordnung der Materialien
- Demokratietheoretische Modelle
- Das Konkurrenz-, Transmissions- und Integrationsparadigma
- Das Organisationsprinzip der deutschen Parteien
- Zusammenfassung
- Organisationsmodelle
- Parteien als homogene Gebilde mit zentraler Steuerung
- Parteien als heterogene Gebilde mit dezentraler Steuerung
- Parteiorganisationstypen
- Zusammenfassung
- Die Bundesparteitage
- Repräsentationsfunktion der Bundesparteitage
- Willensbildungs- und Werbefunktion der Bundesparteitage
- Änderungsanträge der Parteigliederungen
- Die Grundsatzprogramme der CDU
- Wortmeldungen und Redezeit der Delegierten
- Diskussionskultur auf Parteitagen
- Zusammenfassung
- Die Parteiführungsgremien (Bundesvorstand und Präsidium)
- Sitzungshäufigkeit der Parteiführungsgremien
- Aufgaben der Parteiführungsgremien
- Der Sitzungsablauf des Präsidiums
- Die personelle Zusammensetzung des Präsidiums
- Zusammenfassung
- Die Bundesgeschäftsstelle der CDU
- Die Reorganisation der Bundesgeschäftsstelle
- Die Folgen der Modernisierung für die Organisationsform der CDU
- Die Bundesgeschäftsstelle als Initiator der Programmdiskussion
- Die Generalsekretäre der CDU
- Zusammenfassung
- Das „System Kohl"
- Die Ämtervergabe im „System Kohl"
- Willensbildung und Entscheidungsfindung im „System Kohl"
- Das Verhältnis Kohls zur Basis
- Zusammenfassung
- Schluss
- Anhang
- Abkürzungen
- Tabellenverzeichnis
- Veröffentlichungen der CDU
- Zeitungen und Zeitschriften
- Gesetzestexte
- Monographien und Aufsätze
- Internetquellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die innerparteiliche Demokratie in der CDU im Zeitraum von 1973 bis 1998. Sie untersucht, ob die Parteiorgane ihren statutarischen Aufgaben während der Amtszeit Helmut Kohls als Parteivorsitzender nachkommen konnten und in welchem Umfang die innerparteiliche Demokratie in dieser Zeit verwirklicht wurde.
- Die Entwicklung des Grades der wahrgenommenen Handlungsautonomie der Parteigliederungen und Parteiorgane
- Der Einfluss der Parteiführungsgremien auf den innerparteilichen Willensbildungsprozess
- Die Rolle der Bundesgeschäftsstelle bei der Erarbeitung programmatischer Konzepte
- Die Funktionsweise des „Systems Kohl" und dessen Auswirkungen auf die innerparteiliche Demokratie
- Die Frage, ob die CDU unter Kohl eher ein homogenes oder ein pluralistisches Gebilde war
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das Thema und die Fragestellung der Arbeit definiert und den Aufbau der Darstellung erläutert. Anschließend werden verschiedene demokratietheoretische Modelle vorgestellt, die als Grundlage für die Analyse der innerparteilichen Demokratie in der CDU dienen.
Im dritten Kapitel werden die Organisationsmodelle von Parteien dargestellt und die CDU in den Kontext der Forschung über Organisationsdemokratie eingeordnet. Die Arbeit untersucht, ob die CDU unter Kohl eher ein homogenes oder ein pluralistisches Gebilde war, ob zentrale oder dezentrale Steuerungsmechanismen dominierten und welchem Parteiorganisationstyp die CDU in den verschiedenen Phasen der Amtszeit Kohls entsprach.
Das vierte Kapitel analysiert die Bundesparteitage und deren Funktionen. Es wird untersucht, ob die Bundesparteitage den ihnen obliegenden Aufgaben in ausreichenden Maße erfüllen konnten und inwieweit sie ihrer Willensbildungsfunktion gerecht werden konnten. Die Arbeit betrachtet dabei die Anzahl und Verteilung der Änderungsanträge, die von den Parteigliederungen gestellt werden, den Entstehungsprozess der Grundsatzprogramme der CDU und die Diskussionskultur auf Parteitagen.
Kapitel fünf untersucht die Parteiführungsgremien, den Bundesvorstand und das Präsidium. Es wird die Sitzungshäufigkeit der Gremien analysiert und deren Aufgaben näher betrachtet. Die Arbeit beleuchtet die Stellung Kohls im Präsidium und untersucht die personelle Zusammensetzung des Gremiums.
Im sechsten Kapitel wird die Bundesgeschäftsstelle der CDU betrachtet. Es wird untersucht, wie sich die Reorganisation der Bundesgeschäftsstelle auf die Organisationsform der CDU auswirkte und welche Rolle die Bundesgeschäftsstelle bei der Erarbeitung programmatischer Konzepte spielte. Die Arbeit betrachtet dabei die Rolle des Generalsekretärs und dessen Verhältnis zum Parteivorsitzenden Helmut Kohl.
Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit dem „System Kohl". Es wird untersucht, mit welchen Mitteln Kohl die Partei zur Loyalität gezwungen hat und wie das „System Kohl" auf die innerparteiliche Demokratie wirkte. Die Arbeit betrachtet dabei die Ämtervergabe, die Willensbildung und Entscheidungsfindung im „System Kohl" und das Verhältnis Kohls zur Basis.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die innerparteiliche Demokratie, die CDU, Helmut Kohl, Bundesparteitage, Parteiführungsgremien, Bundesgeschäftsstelle, "System Kohl", Organisationsmodelle, Demokratiemodelle, Änderungsanträge, Grundsatzprogramme, Generalsekretär, Macht, Einfluss, Loyalität, Politikformulierung, Willensbildung, Entscheidungsfindung, Struktur, Organisation, Partizipation, Konsultation, Kritik, Konflikt, Konsens, und die Entwicklung der CDU von 1973 bis 1998.
- Quote paper
- Nadine Röser (Author), 2001, Innerparteiliche Demokratie in der CDU von 1973 bis 1998, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1299
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