Einleitung
Im Sommer des Jahres 1746 vollendete Johann Elias Schlegel „Canut“, sein letztes Trauerspiel, bevor er 1749 in Sorø starb. Das Stück handelt von der Zeitenwende von der „Barbarei“ zum Zeitalter der Aufklärung. Schlegel stellt in der Hauptperson des Canut seine Idealvorstellung eines aufgeklärten Monarchen vor. Canut, der nicht mit Gewalt regiert, sondern das Herrschen als die hohe Verpflichtung gegenüber den Untertanen versteht1, war von Schlegel als Vorbildfigur für den realen König von Dänemark, Friedrich V. konzipiert2, und verkörperte seine Vorstellung vom aufgeklärten Absolutismus.
Ihm gegenüber steht Ulfo als Außenseiter der neuen Gesellschaft, der mit dem neuen Verständnis von Gemeinschaft nichts anzufangen weiß3.
In der allgemeinen Forschung wurde viel über den Gegensatz dieser Welten geschrieben und über die Bedeutung und Funktion Ulfos im Stück. Bereits die zeitgenössischen Kritiker wie Lessing und Nicolai konzentrierten sich vollends auf die Gestalt des Ulfo und ihre Wirkung auf die Zuschauer. Nicolai geht sogar so weit, das Stück ändern zu wollen und Ulfo den Canut ermorden zu lassen, welcher ihm sterbend vergeben und so seine Güte besser zum Ausdruck bringen sollte4. Die neuere Forschung und die zeitgenössische Kritik haben diese einseitige Fokussierung auf die Personen Canut und Ulfo gemeinsam, nur selten wird auf die Gestalt der Estrithe, Canuts Schwester und Ulfos Ehefrau, dezidierter eingegangen. Ihre Rolle wird meist auf den Konflikt zwischen ehelichen und verwandtschaftlichen Pflichten reduziert. Eine rühmliche Ausnahme bildet hierbei Sybille Plassmann mit ihrem im Jahr 2000 erschienenen Buch „Die humane Gesellschaft und ihre Gegner in den Dramen von J.E. Schlegel“. Sie geht darin vor allem auf die Entwicklung der Figur ein.
Diese Arbeit soll nun neben dem Aspekt der Entwicklung Estrithes auch ihre Funktion bei dem Versuch der Erziehung Ulfos zu einem den neuen gesellschaftlichen Normen angepassten Menschen eingehen, und zeigen, in wie fern Estrithe als Verkörperung des Privaten und als Vorläuferin der Heldin des bürgerlichen Trauerspiels gesehen werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Entwicklung Estrithes
- Estrithe als Erzieherin
- Der Innere Konflikt und der Aspekt des Privaten
- Estrithe als Vorläuferin der Heldin des bürgerlichen Trauerspiels
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Figur der Estrithe in Johann Elias Schlegels "Canut" und analysiert ihre Entwicklung, ihre Rolle als Erzieherin sowie ihren Einfluss auf den Konflikt zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Darüber hinaus wird die Frage beleuchtet, inwieweit Estrithe als Vorläuferin der Heldin des bürgerlichen Trauerspiels betrachtet werden kann.
- Die Entwicklung der Figur der Estrithe
- Estrithes Funktion als Erzieherin
- Der Aspekt des Privaten in Estrithes Charakter
- Die Vorläuferrolle Estrithes für die Heldin des bürgerlichen Trauerspiels
- Der Konflikt zwischen Ehe und Verwandtschaft in der Figur der Estrithe
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und beleuchtet den Kontext des Stückes "Canut" in der Zeit der Aufklärung sowie die Bedeutung der Figur des Canut als aufgeklärten Monarchen. Zudem wird auf die Rezeption des Stückes und den Fokus auf die Figuren Canut und Ulfo eingegangen. Die Arbeit will nun die Figur der Estrithe in den Vordergrund stellen und ihre Rolle im Stück untersuchen.
- Die Entwicklung Estrithes: Dieses Kapitel analysiert die Entwicklung der Figur der Estrithe, von ihrer passiven und flehenden Position gegenüber Ulfo bis hin zu ihrer wachsenden Abhängigkeit von ihm. Es wird gezeigt, wie Estrithe trotz ihrer Einsichten in Ulfos Verrat nicht in der Lage ist, sich von ihm zu distanzieren.
- Estrithe als Erzieherin: Dieses Kapitel befasst sich mit Estrithes Rolle als Erzieherin für Ulfo. Es wird untersucht, inwiefern sie versucht, ihn zu einem dem neuen gesellschaftlichen Normen angepassten Menschen zu erziehen und welchen Einfluss sie auf sein Verhalten hat.
- Der Innere Konflikt und der Aspekt des Privaten: In diesem Kapitel wird der innere Konflikt Estrithes zwischen ihren ehelichen Pflichten gegenüber Ulfo und ihren verwandtschaftlichen Pflichten gegenüber ihrem Bruder Canut beleuchtet. Dabei wird Estrithe als Verkörperung des Privaten dargestellt, die in einem Spannungsfeld zwischen öffentlichen und privaten Ansprüchen gefangen ist.
Schlüsselwörter
Estrithe, Johann Elias Schlegel, "Canut", bürgerliches Trauerspiel, Erzieherin, Privatsphäre, Konflikt, Entwicklung, Abhängigkeit, Vorläuferin, Aufklärung, Ehe, Verwandtschaft, gesellschaftliche Normen.
- Arbeit zitieren
- Daniel Brüggemann (Autor:in), 2002, Estrithe Erzieherin und Verkörperung des Privaten in Johann Elias Schlegels -Canut-, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12973