Wie entsteht Polypharmazie und vor welche Herausforderungen stellt sie uns?
Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist es, das Thema Polypharmazie in unserer immer älter werdenden Gesellschaft näher zu betrachten. Polypharmazie ist ein gegenwärtiges und viel diskutiertes Thema, das durch den demografischen Wandel und dem medizinischen sowie therapeutischen Fortschritt zunehmen wird und das deutsche Gesundheitssystem vor große Herausforderungen stellen wird. Die Ursachen der Polypharmazie liegen in vielen Faktoren begründet. Sei es die Zunahme der Lebenserwartung und damit einhergehender Multimorbidität oder die unübersichtliche Anordnung von Arzneimitteln verschiedener Fachrichtungen der Medizin. In Deutschland ist das Kommunikations- und Informationsnetz in der medizinischen Versorgung nicht optimal geregelt, sodass auch eine bestehende Medikation bei den Betroffenen nur selten hinterfragt wird.
Die Lesenden erhalten einen Einblick in die Folgen von Polypharmazie, die insbesondere die ältere Generation schwerwiegend betreffen können. Dabei wird besonders auf das Medikamentenmanagement geblickt, welches für die Entstehung von Polypharmazie und ihren Verlauf mit verantwortlich ist. Die Auswirkungen von Polypharmazie betreffen das gesamte Gesundheitssystem.
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Polypharmazie
2.1 Ursachen der Polypharmazie
2.1.1 Alter & Multimorbidität
2.1.2 Kommunikation im intra/interprofessionellen Team
2.1.3 Erwartungshaltung der Betroffenen
2.2 Folgen und Auswirkungen der Polypharmazie
2.2.1 Auswirkungen für die Betroffenen - Erhöhte Sturzgefahr
2.2.2 Einfluss auf die Complaince
2.2.3 Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die Gesellschaft
3 Bedeutung des Medikamentenmanagements
3.1 Verantwortlichkeiten im Rahmen der Medikation
3.1.1 Rechtliche Aspekte
3.1.2 Intra/interprofessionelle Kommunikation
3.2 Information und Beratung
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
eGK Elektronische Gesundheitskarte
FRID Fall risk increasing drugs
GKV Gesetzliche Krankenversicherung
ICD International Statistical Classification of Diseases and Related
Health Problems
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Wirkstoffgruppen vs. Sturzrisiko
Abb. 2: Anteil der Versicherten mit einer stationär behandelten Arzneimittelvergiftung (n=226) nach Anzahl der gleichzeitig verordneten unterschiedlichen Arzneimitteln sowie nach Altersgruppen
Abb. 3: Arzneimittelausgaben 2020 der GKV
1 Einleitung
Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist es, das Thema Polypharmazie in unserer immer älter werdenden Gesellschaft näher zu betrachten. Polypharmazie ist ein gegenwärtiges und viel diskutiertes Thema, das durch den demografischen Wandel und dem medizinischen sowie therapeutischen Fortschritt zunehmen wird und das deutsche Gesundheitssystem vor große Herausforderungen stellen wird. Die Ursachen der Polypharmazie liegen in vielen Faktoren begründet. Sei es die Zunahme der Lebenserwartung und damit einhergehender Multimorbidität oder die unübersichtliche Anordnung von Arzneimitteln verschiedener Fachrichtungen der Medizin. In Deutschland ist das Kommunikations- und Informationsnetz in der medizinischen Versorgung nicht optimal geregelt, sodass auch eine bestehende Medikation bei den Betroffenen nur selten hinterfragt wird.
Die Lesenden erhalten einen Einblick in die Folgen von Polypharmazie, die insbesondere die ältere Generation schwerwiegend betreffen können. Dabei wird besonders auf das Medikamentenmanagement geblickt, welches für die Entstehung von Polypharmazie und ihren Verlauf mit verantwortlich ist. Die Auswirkungen von Polypharmazie betreffen das gesamte Gesundheitssystem. Das Anliegen dieser Arbeit ist die Beantwortung der folgenden Forschungsfragen im Hinblick auf das deutsche Gesundheitssystem:
- Wie entsteht Polpyharmazie und vor welche Herausforderungen stellt sie uns?
Zu Beginn der Arbeit findet eine Begriffsdefinition von Polypharmazie statt, um den Lesenden ein grundlegendes Verständnis zu schaffen. Anschließend werden die Ursachen der Polypharmazie erläutert, der eine multifaktorielle Entstehung vorausgeht. Die Lesenden erhalten einen Überblick, welche Faktoren Polypharmazie begünstigen. Darauf aufbauend werden die Folgen von Polypharmazie dargestellt, die schwere Konsequenzen für die Betroffenen bedeuten können und einen Teufelskreis hervorrufen können. Wo neue Beschwerden, da neue Arzneimittel. Zudem werden die in unserer Gesellschaft mit am häufigsten auftretenden Krankheitsbilder vorgestellt sowie Wirkstoffgruppen, die in einem Zusammenhang mit einem erhöhten Sturzrisiko stehen. Kapitel 3 widmet sich der Bedeutung des Medikamentenmanagements. Es werden die grundlegenden Verantwortlichenkeiten im Rahmen des Medikamentenmanagements aufgezeigt, um den Lesenden einen Einblick in das Arzneimittelregime zu geben. In Kapitel 3.2 wird auf die Bedeutung von Information und Beratung im Hinblick auf die verordneten Arzneimittel eingegangen, um die Problematik zwischen den Schnittstellen aufzuzeigen. Ein Fazit und ein kurzer Ausblick, um den Auswirkungen von Polypharmazie entgegen zu wirken, beschließen die Arbeit.
Um eine einheitliche Begriffsdefinition zu verwenden und den Lesefluss zu erleichtern, wird für die vorliegende Hausarbeit der einheitliche Begriff „Betroffene“ verwendet. Mit dem Begriff sind alle Menschen gemeint, die von Polypharmazie betroffen sind.
2 Polypharmazie
Der Begriff der Polypharmazie ist von aktueller Bedeutung. Er wird nicht genau definiert. Gemeinsam ist den meisten Defintionen, dass mit der Polypharmazie eine auf Dauer ausgelegte Medikation mit fünf oder mehr Wirkstoffen beschrieben wird. Zahlen belegen, dass in Industriegesellschafen ca. 20 % aller Erwachsenen über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten von Polypharmazie betroffen sind (Heinrich Burkhardt, 2021, S. 15). Polypharmazie ist oft bei älteren Menschen üblich (Moßhammer, Haumann, Mörike & Joos, 2016, S. 631). Mit steigenden medizinischen und therapeutischen Kenntnissen, wachsen auch die Behandlungsmöglichkeiten. Mit den steigenden Behandlungsmöglichkeiten lassen sich auch andere Faktoren wie z. B. die Zunahme von Lebensjahren, Lebensqualität, Linderung von Symptomatik aber auch Folgen (siehe Kapitel 2.2) ableiten. Jedes neu verordnete Arzneimittel steigert das Risiko für das Auftreten von unterwünschten Arzneimittelwirkungen (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 19). Besonders die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik sind im Hinblick auf die physiologischen alterungsbedingten Veränderungen zu berücksichtigen (Thürmann, Petra, A., Holt- Noreiks, Nink & Zawinell, 2012, S. 112). Eine reduzierte Nieren-und Leberfunktion im Alter haben eine Auswirkung auf die Metabolisierung und Elimination von Arzneimitteln. Hinzu kommen die reduzierte Muskelmasse, reduzierte neuro-endo- krine Funktionen und auch Veränderungen der Rezeptor-Affinitäten im Alter (ebd.). Die Veränderungen im Alter führen dazu, dass Medikamente sehr individuell wirken und vom Körper verarbeitet werden, sodass Überdosierungen mit entsprechenden Nebenwirkungen nicht selten sind.
2.1 Ursachen der Polypharmazie
Die Ursachen der Polypharmazie sind multifaktoriell. Sei es die steigende Lebenserwartung und die damit zunehmende Multimobidität, die mangelnde Kommunikation zwischen verschiedener Professionen in der Behandlung oder die Erwartungshaltung auf Seiten der Betroffenen.
2.1.1 Alter & Multimorbidität
Eine wesentliche Ursache für die Polypharmazie ist die steigende Lebenserwartung, denn „jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre“ (Statistisches Bundesamt, 2019, o. S.). Die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren lag im Jahr 2020 bei 18,3 Millionen, waren es 1991 noch 12 Millionen (Statistisches Bundesamt, 2021, o. S.). Durch die erhöhte Lebenserwartung steigt auch das Risiko für bestimmte Krankheiten. Bestimmte Faktoren führen dazu, dass Krankheiten vermehrt im höheren Alter auftreten (Tesch- Römer & Wurm, 2009, S. 11 f.). Ein Versorgungs-Report aus dem Jahr 2012 zeigt auf, dass Polypharmazie bei den über 65-Jährigen bei 42 % und bei den über 85Jährigen bei ca. 50 % liegt (Thürmann, Petra, A. et al., 2012, S. 116). Die Zahlen deuten darauf hin, dass fast jeder zweite der Hochbetagten, mit fünf oder mehr Wirkstoffen behandelt wird. Des Weiteren lässt sich aufzeigen, dass „die mit dem Lebensalter zunehmende Multimorbidität und damit häufig assoziierte Multimedikation [...] das Risiko für eine kumulative Belastung mit anticholinerg wirksamen Arzneimitteln [erhöht]“ (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 54). Heutzutage werden multimorbide Menschen mit immer mehr Wirkstoffen gleichzeitig behandelt, um den besten Nutzen zu erzeugen. Der Nutzen kann die Reduktion von Mortalitätsrisiko meinen oder eine bestehende Symptomatik lindern (Heinrich Burkhardt, 2021, S, 15).
2.1.2 Kommunikation im intra/interprofessionellen Team
Eine weitere Ursache für Polypharmazie ist die unübersichtliche und sich überschneidende Behandlung von verschiedenen Professionen wie z. B. Allgemeinmedizinern, Neurologen oder Orthopäden. Die einzelnen Fachdisziplinen sind nicht ausreichend miteinander vernetzt und haben daher bereits laufende Verordnungen nicht im Blick (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 17). Somit kommt es zu einer unübersichtlichen Anordnung von verschiedenen Arzneimitteln unter Missachtung der Wechselwirkungen. Die Leitliniengruppe Hessen (2021) der Multimedikation beklagt zudem die mangelnde Kommunikation zwischen den Beteiligten sowie das Ansetzen von zusätzlichen Medikamenten bei dem Auftreten von Nebenwirkungen (S. 17). Viele Betroffene haben selbst den Überblick über ihre Selbstmedikation verloren, da die Medikamente oftmals in einer Schachtel unsortiert aufbewahrt werden (Marx, Püsche & Ahrens, 2009, S. 341). Eine optimale Kommunikation, zwischen dem ärztlichen Fachpersonal und den Betroffenen, mit ausreichend Zeit und Geduld könnte diesen Unsicherheiten entgegenwirken.
Darüber hinaus werden begonnende und auf einen bestimmten Zeitraum begrenzte Therapien nicht abgesetzt, beispielsweise die Einnahme von Protonenpumpenhemmern bei Refluxbeschwerden (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 17). So kann es dazu kommen, dass sich Medikamente anhäufen und ohne eine weiterhin bestehende Indikation auf Dauer verschrieben und verabreicht werden. An dieser Stelle muss ergänzt werden, dass dies besonders häufig nach Krankenhausaufenthalten auftritt. Die Therapieübernahme aus dem Krankenhausaufenthalt wird nicht kritisch hinterfragt, ob diese sich weiterhin für den häuslichen Bereich eignen, da Wirkungen und Nebenwirkungen von verschiedenen Arzneimitteln oft erst nach der Entlassung auftreten (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 18). Der in den Kliniken bestehende Pflegepersonalmangel führt auch dazu, dass die Kommunikation zwischen Pflegepersonal und ärztlichem Fachpersonal eingeschränkt ist und die Weitergabe von Informationen oder Beobachtungen ausbleibt. Dies kann sich negativ auf die Medikation der Betroffenen auswirken. Es ist fraglich ob Personal ohne die formale Qualifikation, die materielle Fähigkeit besitzt, die Medikamente zu verabreichen (Göttel, 2018, S. 9). Eine weitere Dimension ist, dass „durch wechselnde Rabattvertragsmedikation [...] die Gefahr [besteht], dass identische Substanzen von unterschiedlichen Herstellern parallel eingenommen werden“ (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 18).
2.1.3 Erwartungshaltung der Betroffenen
Darüber hinaus sollte bedacht werden, dass Verordnungen aufgrund einer Erwartungshaltung entstehen. Dies ist der Fall, wenn das ärztliches Fachpersonal denkt, dass die Betroffenen eine Verordnung erwarten (ebd.). Wie in diesem Kapitel auf- egezeigt werden konnte, entstehen die Ursachen für Polypharmazie an unterschiedlichen Stellen. Im sich anschließenden Kapitel 2.2 werden die Folgen und Auswirkungen der Polypharmazie näher betrachtet.
2.2 Folgen und Auswirkungen der Polypharmazie
Polypharmazie ist assoziiert mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen, einer erhöhten Sturzgefahr, Einschränkungen in der Kognition und Physiologie sowie einem ehöhten Risiko für Krankenhauseinweisungen. Nicht nur für die Betroffenen bedeutet dies eine Einschränkungen in der Lebensqualität, auch das Gesundheitssystem und die Gesellschaft werden werden mit den Folgen konfrontiert.
2.2.1 Auswirkungen für die Betroffenen - Erhöhte Sturzgefahr
Die veränderten Prozesse bei älteren Menschen führen häufig zu einer erhöhten Sturzgefahr. „Etwa ein Drittel der zuhause lebenden älteren Menschen stürzt einmal pro Jahr, zum Teil mit schweren Folgen wie Frakturen und Blutungen. Insbesondere für so entstandene Femurfrakturen liegt die Mortalität bei den über 80Jährigen bei 25%“ (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 57). Es werden bestimmte Arzneimittel beschrieben, die in Verbindung mit Sturzereignissen stehen. Sie werden »fall risk increasing drugs « (FRID) genannt (ebd.). Eine Multimedikation kann verschiedene weitere Beschwerden auslösen, wie z.B. Verwirrtsheitszustände, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schwindel oder Tremor (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 19).
Bei näherer Betrachtung der Abbildung 1 fällt auf, dass den Wirkstoffgruppen bestimmten Krankheiten zugeordnet werden können und somit auch besonders häufig verschrieben werden. Das Auftreten von depressiver Symptomatik bei Erwachsenen liegt in Deutschland bei 10,1 %, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (Bretschneider, Kuhnert & Hapke, 2017, S. 81). Für die Symptomlinderung werden häufig Psychopharmaka verschrieben, die oftmals starke Nebenwirkungen wie z. B. Kopfschmerzen oder Kreislaufprobleme mit sich bringen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Wirkstoffgruppen vs. Sturzrisiko (in Anlehung an Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 57)
Die kassenärztliche Vereinigung veröffentlich regelmäßig die häufigsten Krankheiten unter dem International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD). 2020 war auf Platz eins mit 36,4 % die essentielle (primäre) Hypertonie, nicht weit gefolgt auf Platz vier von Diabetes mellitus Typ II mit 13,7 % (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, 2020, S. 2). Die Zahlen bilden bereits ab, dass die oben aufgeführten Wirkstoffgruppen wie z. B. Psychopharmaka, Hyper- tensiva und Insuline häufig verschrieben werden und es somit gehäuft zu 6 unerwünschten Nebenwirkungen kommt. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind bei älteren Betroffenen in der Praxis und Klinik alltäglich. Ca. 3 % der internistischen Patienten in den Notaufnahmen besuchen diese, aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (Krause, Picksak & Junius-Walker, 2017, S. 1047) . Besonders unter Polypharmazie kommen unerwünschte Arzneimittelwirkungen häufiger vor. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass ein Absetzen oder eine nicht-Verordnung, zu einer Unterversorgung bei den Betroffenen führen können. Beispielsweise können starke Schmerzen bei einer fehlenden Schmerztherapie bei Osteroporose auftreten (ebd.). So stehen sich viele Medikamente kritisch gegenüber und es bedarf einer sorgfältig überwachten Medikamentenanordnung. Polypharmazie kann im Allgemeinen als ein ungünstiger prognostischer Faktor beschrieben werden, der sich oftmals nicht umgehen lässt. Viele Formen von Multimorbidität führen häufig in die Polypharmazie (H. Burkhardt & Wehling, 2010, S. 740). Besonders Stütze mit einhergehenden Frakturen, Schmerzen und Bettlägerigkeit binden die ältere Generation an das Bett. Zudem ließe sich eine große Anzahl von Krankenhauseinweisungen im Zusammenhang mit arzneimittelbezogenen Problemen vermeiden, wenn Informationen zur Medikation in einheitlicher Dokumentation nachgewiesen werden würden und somit ein pharmazeutisch und medizinisch korrektes Medikationsmanagement gewährleistet werden könnte“ (Göttel, 2018, S. 24 f.). Siehe auch Kapitel 3.2. Zudem ist es oftmals nicht möglich, die Betroffenen nach einem schweren Sturz nach Hause zu entlassen. Dann wird ein Platz in einem Pflegeheim benötigt. Die Lebensqualität der Betroffenen wird stark reduziert und der Allgemeinzustand verschlechtert sich. Es wird eine aufwändigere Pflege notwendig.
2.2.2 Einfluss auf die Complaince
„Die Compliance/Adhärenz der Betroffenen sinkt mit der Anzahl der Medikamente und der Komplexität der Einnahmevorschriften“ (Leitliniengruppe Hessen, 2021, S. 19). Mit sinkender Adhärenz der Betroffenen für bestimmte Medikamente, kann es besonders gefährlich für die Betroffenen werden, da diese oft nicht wissen, warum sie bestimmte Medikamente einnehmen sollen. Aus diesem Grund wird die Einnahme als weniger wichtig erachtet und führt zu einer Demotivation in der Medikamenteneinnahme auf Seiten der Betroffenen. Das Problem hierbei liegt, wie bereits in Kapitel 2.1.2 beschrieben, in der mangelnden Kommunikation. Die hausärztliche Leitlinie zur Multimedikation beschreibt zudem, dass sich die Einnahmevorschriften mit der Anzahl an Arzneimitteln verkomplizieren und die Betroffenen den Überblick und die Motivation zur Einnahme verlieren (ebd.). Eine Untersuchung in einem spanischen ambulanten Versorgungszentrum ergab, dass 75 % der über 65jährigen Patienten (n = 382), die seit mindestens fünf Jahren mehr als fünf Medikamente eingenommen haben, mindestens einen Medikationsfehler begonnen haben. Sie haben entweder die Einnahme vergessen, Tabletten verwechselt oder eine falsche Dosierung eingenommen (Moßhammer et al., 2016, S. 629). In Kapitel
2.1.2 wurde bereits darauf verwiesen, dass eine begonne Therapie mit
Protonenpumpenhemmern oftmals nicht abgesetzt wird. Dabei darf man ihren Einsatz nicht unterschätzen. So konnte in Tierversuchen nachgewiesen werden, dass eine längere Einnahme von Protonenpumpenhemmern dazu beiträgt, dass sich die Knochendichte reduziert. Eine reduzierte Knochendichte lässt das Risko für Frakturen steigen (Stiftung Warentest, 2022, o. S.). An dieser Stelle sei auch noch einmal auf die erhöhte Sturzgefahr hingewiesen, die durch die Einnahme bestimmter Wirkstoffgruppen herbeigeführt werden kann. Vor allem für Betroffenene, die bereits unter Osteoporose leiden, können Frakturen bedingt durch Stürze besonders gefährlich sein. Problematisch scheint die dauerhafte Einnahme von Protonenpumpenhemmern auch im Zusammenhang mit schweren Darminfektionen zu sein. Es gibt Hinweise darauf, dass sich das Risiko für eine Infektion mit dem Bakterium Clostridium difficile erhöhen kann, insbesondere wenn zugleich Antibiotika eingenommen werden (ebd.). Polypharmazie stellt uns vor große Herausforderungen, sei es nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen. Das Kapitel 2.2.3 bildet die Auswirkungen von Polypharmazie im Zusammenhang mit unserem Gesundheitssystem und unserer Gesellschaft ab.
2.2.3 Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die Gesellschaft
Krankenhauseinweisungen aufgrund von Polypharmazie stellen unser Gesundheitssystem vor weitere Herausforderungen, sei es dem Pflegepersonalmangel geschuldet oder den hohen Gesundheitsausgaben. Es stellt alle Beteiligten auf eine Belastungsprobe. Eine Untersuchung von der hkk Krankenkasse aus dem Jahr 2012 zeigt auf, dass die stationäre Aufnahme aufgrund von Arzneimittelvergiftungen, mit der Anzahl der verordneten Arzneimittel steigt. Eine besonders große Gruppe der von Arzneimittelvergiftungen Betroffenen, stellen die 65 Jahre alten und älteren Versicherten dar (Braun, 2012, S. 28).
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- Arbeit zitieren
- Sabine Sender (Autor:in), 2022, Multimorbidität und Polypharmazie. Wenn weniger mehr ist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1291741
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