Der österreichische Philosophiehistoriker Wolfgang Röd befasste sich in seinem Werk "Der Gott der reinen Vernunft" mit der Eigenart des ontologischen Gottesbeweises von Anselm von Canterbury. Darin untersucht er, wie er mehrmals erwähnt, nicht die Schlüssigkeit des Arguments, sondern vielmehr die Funktion beziehungsweise die Stellung des Arguments innerhalb der Metaphysik. Nach Röd ist genau diese Merkwürdigkeit der Beweisführung, die im einleitenden Zitat erwähnt wird, eine grundlegende Ursache dafür, dass Anselms Gottesbeweis noch in der heutigen Zeit moderne Rekonstruktionen erfährt.
Der vorliegende wissenschaftliche Essay geht der Forschungsfrage nach, worin genau diese Eigenart des ontologischen Gottesbeweises von Anselm liegt. Dazu werden zuerst die verschiedenen Arten von Gottesbeweisen vorgestellt, um diese von dem zu untersuchenden Beweis abzugrenzen. Anschließend wird dieser näher beleuchtet, indem zunächst seine Stellung und Funktion analysiert werden, bevor schließlich eine kurze Zusammenfassung der Beweisführung erfolgt. Um die Besonderheit des ontologischen Beweises von Anselm herausarbeiten zu können, müssen auch die Vorzüge dieser Beweisart von den anderen Arten von Gottesbeweisen unterschieden werden. Als Orientierungshilfe sollen dabei vor allem die Überlegungen Wolfgang Röds dienen. Abschließend werden in einem Fazit die Eigenart des Beweises charakterisiert und mögliche weitere Forschungsfragen angerissen, auf deren Beantwortung wegen der Kürze dieser wissenschaftlichen Arbeit verzichtet werden muss. Es sei darauf hingewiesen, dass in diesem Essay nicht beurteilt wird, wie standfest dieser Beweis ist beziehungsweise, worin seine Schwachstellen liegen. Somit werden auch die durchaus legitimen Einwände, die über die Jahre von Kritikern, wie Gaunilo von Marmoutiers, Thomas von Aquin oder Immanuel Kant, geäußert wurden, außer Acht gelassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die unterschiedlichen Arten der Gottesbeweise
3. Der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury
3.1. Stellung und Funktion des Beweises
3.2. Beweisführung
3.3. Vorzüge dieser Beweisart
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur
5.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
„Das ontologische Argument, d.h. der Versuch, allein auf Grund von Definitionen und namentlich der Definition von 'Gott' sowie gewisser ontologischer Axiome die Existenz Gottes zu beweisen, ist eines der berühmtesten philosophischen Argumente und vielleicht der merkwürdigste Beweisversuch, derje unternommen worden ist.“1
Der österreichische Philosophiehistoriker Wolfgang Röd befasste sich in seinem Werk Der Gott der reinen Vernunft mit der Eigenart des ontologischen Gottesbeweises von Anselm von Canterbury. Darin untersucht er, wie er mehrmals erwähnt, nicht die Schlüssigkeit des Arguments, sondern vielmehr die Funktion beziehungsweise die Stellung des Arguments innerhalb der Metaphysik.2 Sein Vorhaben begründet er damit, dass es einen Grund haben müsse, warum „der ontologische Beweis immer wieder angegriffen, aber nicht endgültig aus dem Felde geschlagen wurde“.3 Nach Röd ist genau diese Merkwürdigkeit der Beweisführung, die im einleitenden Zitat erwähnt wird, eine grundlegende Ursache dafür, dass Anselms Gottesbeweis noch in der heutigen Zeit moderne Rekonstruktionen erfährt.
Der vorliegende wissenschaftliche Essay geht der Forschungsfrage nach, worin genau diese Eigenart des ontologischen Gottesbeweises von Anselm liegt. Dazu werden zuerst die verschiedenen Arten von Gottesbeweisen vorgestellt, um diese von dem zu untersuchenden Beweis abzugrenzen. Anschließend wird dieser näher beleuchtet, indem zunächst seine Stellung und Funktion analysiert werden, bevor schließlich eine kurze Zusammenfassung der Beweisführung erfolgt. Um die Besonderheit des ontologischen Beweises von Anselm herausarbeiten zu können, müssen auch die Vorzüge dieser Beweisart von den anderen Arten von Gottesbeweisen unterschieden werden. Als Orientierungshilfe sollen dabei vor allem die Überlegungen Wolfgang Röds dienen. Abschließend werden in einem Fazit die Eigenart des Beweises charakterisiert und mögliche weitere Forschungsfragen angerissen, auf deren Beantwortung wegen der Kürze dieser wissenschaftlichen Arbeit verzichtet werden muss.
Es sei darauf hingewiesen, dass in diesem Essay nicht beurteilt wird, wie standfest dieser Beweis ist beziehungsweise, worin seine Schwachstellen liegen. Somit werden auch die durchaus legitimen Einwände, die über die Jahre von Kritikern, wie Gaunilo von Marmoutiers, Thomas von Aquin oder Immanuel Kant, geäußert wurden, außer Acht gelassen.
2. Die unterschiedlichen Arten der Gottesbeweise
Etwas zu beweisen, bedeutet, eine behauptete Aussage zu bestätigen und sie damit der Wirklichkeit entsprechend zu erklären. Ähnlich verhält es sich mit Gottesbeweisen, die versuchen, die Behauptung, dass Gott existiert, mit aussagekräftigen Prämissen und korrekt geschlussfolgerten Konklusionen erfolgreich zu beweisen. Dabei unterscheiden sich die Herangehensweisen und damit auch die Argumentation und die Beweisführung. Die wohl bekannteste Unterteilung der Gottesbeweise ist die in kosmologische, teleologische und ontologische Gottesbeweise.
Der kosmologische Gottesbeweis basiert auf dem Kausalitätsprinzip, das das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung beschreibt. Die Argumentation bezieht sich im Allgemeinen darauf, dass jedes Sein eine Ursache benötigt. Wenn man nun jedes Sein auf seine Ursache zurückführt, gelangt man schließlich zu einer einzigen Ursache, die man als Gott bezeichnen kann, weil sie selbst keine Wirkungsursache benötigt, jedoch alles Seiende verursacht hat.
Beim teleologischen Beweis wird angenommen, dass alle Ereignisse auf einer Zweckmäßigkeit basieren, also auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sind. Demnach werden alle Vorgänge, die wir erfahren, von einem intelligenten Wesen, nämlich Gott, gelenkt, der für die Ordnung und die Vollkommenheit aller Dinge sorgt.
„Beweise, die versuchen Gottes Existenz auf der Grundlage seiner Essenz oder seines Wesens [...] zu begründen, [werden] ontologische Beweise genannt.“4 Hierbei erfolgt die Beweisführung „unabhängig von empirischen Voraussetzungen“ und wird auf „Definitionen und ontologischefn] Axiomefn]“ gestützt.5
Innerhalb dieser drei Arten an Gottesbeweisen finden sich noch zahlreiche, verschiedene Varianten, die sich auf die erläuterten Beweise stützen, jedoch die Beweisführung anders modifizieren und dabei alternative Beweise hervorbringen. Es gibt aber auch einzelne Beweise, die sich nicht in die oben beschriebenen Gruppierungen einteilen lassen, wie beispielsweise der moralische Gottesbeweis von Immanuel Kant, der sich auf die Notwenigkeit der Moral stützt.
3. Der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury
Anselm von Canterbury (1033-1109) „wurde in Aosta geboren und trat im Alter von 27 Jahren als Mönch in die Abtei von Bec ein“.6 Als Theologe und Philosoph war er der Überzeugung, dass die Existenz Gottes allein mit den Mitteln der menschlichen Vernunft bewiesen werden kann. Den Versuch wagte er schließlich „im späten elften Jahrhundert“, indem er „in seiner Schrift Proslogion (Anrede) zum ersten Mal ein (nahezu) apriorisches Argument für die Existenz Gottes formuliert, die Urform des später von Kant so genannten ontologischen Gottesbeweises“.7
3.1. Stellung und Funktion des Beweises
Während Anselm in seiner älteren Schrift, dem Monologion, bereits mehrere Beweise der Existenz Gottes formuliert, durchbricht er bei seinem Proslogion, das er als Ergänzung zu seiner ersten Schrift auffasste, die Grenzen „der herkömmlichen Platonischen bzw. Augustinischen und Aristotelischen Beweisversuche“.8 Dadurch, dass Anselm „ein Gleichgewicht zwischen Glaubensgewissheit und vernünftiger Einsicht“ einhalten will, beginnt sein Gottesbeweis mit einem Gebet, „geht zur philosophischen Argumentation über“ und endet wieder in einem Dankgebet.9 Wenn man die Erklärung von Röd über das Ziel von Anselm einen Gottesbeweis zu formulieren, betrachtet, wird auch die Stellung und die Funktion des Beweises deutlich:
„Wenn er sich bemühte, die Existenz Gottes zu beweisen, dann wollte er weder sich selbst der Existenz Gottes vergewissern, noch wollte er andere, namentlich die Gottesleugner, von ihr überzeugen, sondern er wollte lediglich die ihm aufgrund des Glaubens unerschütterlich feststehende Gewißheit, daß Gott existiert, auch auf dem Weg des philosophischen Arguments erreichen, um deutlich zu machen, daß zwischen Glauben und Erkennen kein Gegensatz besteht.“10
Anselm geht also von vornherein davon aus, dass Gott existiert und fragt somit nicht direkt nach der Existenz Gottes, sondern vielmehr danach, inwiefern es wahr ist, dass Gott existiert.11 Der Glaube wird bei diesem Beweis zugrunde gelegt und Gott sowohl zum Objekt als auch zum Subjekt eines Erkenntnisvorgangs gemacht, der ohne ihn nicht vollzogen werden kann. Damit verbindet Anselm natürliche Theologie, die dasjenige beschreibt, „was über Gott mit der Vernunft allein erkannt werden kann“ und dogmatische Theologie, die dasjenige beschreibt, „was allein durch Offenbarung erkennbar ist“6 und kreiert schließlich keinen reinen ontologischen Gottesbeweis, sondern eher einen Gottesbeweis, der als theologisch angesehen werden kann.
3.2. Beweisführung
Der ontologische Gottesbeweis von Anselm ist in zwei Beweisschritte unterteilt, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen. Der erste Beweisschritt beginnt damit, dass Anselm Gott als „etwas über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“ definiert.7 Daraufhin nimmt er Bezug zum Toren, der die Existenz Gottes leugnet und dennoch „den Begriff von Gott versteht“.8 Das impliziert wiederum, dass alles, was man versteht, notwendigerweise im Verstand existiert.9 Schließlich kann behauptet werden, dass etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, zumindest im Verstand existiert. Anselm nimmt hier nun eine wichtige Unterscheidung als Stütze seiner Argumentation vor: Die Existenz im Verstand und die Existenz in der Wirklichkeit sind zwei verschiedene Dinge.10 Doch er führt diese Unterscheidung weiter und behauptet, dass etwas, das in der Wirklichkeit existiert, größer ist als etwas, das nur im Verstand existiert.11
[...]
1 Röd, Wolfgang: Der Gott der reinen Vernunft. Die Auseinandersetzung um den ontologischen Gottesbeweis von Anselm bis Hegel. München, 1992, S. 13.
2 Vgl. Ebd. S. 10.
3 Ebd. S. 15.
4 Bruce, Michael; Barbone, Steven (Hrsg.): Die 100 wichtigsten philosophischen Argumente. 4. Auflage. Übers. v. Michael A. Conrad. Darmstadt, 2015. S. 24.
5 Röd Wolfgang: Der Gott der reinen Vernunft, S. 21.
6 Kenny, Anthony: Mittelalter, S. 54.
7 Bromand, Joachim: Anselms Argument und seine frühen Kritiker, S. 32.
8 Ebd.
9 Vgl. Ebd. S. 35: „Bei dieser wie auch bei der [zweiten] Prämisse handelt es sich streng genommen um empirische Prämissen, wodurch der erste Beweisschritt ein aposteriorisches Element enthält.“.
10 Vgl. Bruce, Michael: Die 100 wichtigsten philosophischen Argumente, S. 25.
11 Vgl. Ebd.
- Arbeit zitieren
- Rafailia Voltsiou (Autor:in), 2021, Die Eigenart des ontologischen Gottesbeweises des Anselm von Canterbury, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1290875
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