„ (...) Ansonsten aber gilt, dass die armen Entwicklungsländer immer ärmer und die reichen Industrieländer immer reicher werden? Oder sind die internationalen Wachstumsunterschiede gar nicht unabänderlich vorgegeben?“ (GUNDLACH 2001: 174)
Das grundlegende neoklassische Modell zur Untersuchung langfristigen Wachstums lieferte der amerikanische Nationalökonom Robert M. Solow in den 1950er Jahren. Trotz einiger Defizite der Solow’schen Theorie stand die Entwicklungsökonomie lange Zeit nicht im Zentrum der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. Neue Ansätze fehlten, obgleich „die herrschende Wachstumstheorie als unbefriedigend angesehen wurde“ (GUNDLACH 2001: 175).
Erst Anfang der 1980er Jahre rückten am langfristigen Wachstum orientierte Fragestellungen wieder in den Fokus wirtschaftswissenschaftlicher Forschungen. Grund für diese „Renaissance “ waren einige Publikationen (v.a. ROMER 1986, MANKIW 1992), welche die klaren Defizite der „alten“ neoklassischen Wachstumstheorie aufgriffen und zu beseitigen versuchten. Einen nicht unwesentlichen Gunstfaktor stelle dabei die Tatsache dar, dass mit dem Beginn des Computerzeitalters nun umfangreiche Datensätze über Volkswirtschaften aus aller Welt verfügbar waren (GUNDLACH 2002: 154).
Auf Grundlage der ersten Publikation entwickelte sich in den folgenden Jahren die Forschungsrichtung der so genannten „Endogenen Wachstumstheorie“ (EWT), welche zu „einer Flut von Modellen“ (FAHRHAUER 2001: 1) geführt hat. Das wesentliche neue Merkmal der Modelle der EWT ist die Berücksichtigung eines neuen Faktors „Humankapital“, der seither fortan als zentraler „Motor der Entwicklung“ (GUNDLACH 2001: 173) verstanden wird.
In dieser Arbeit soll nun versucht werden, die entwicklungstheoretischen Implikationen der neoklassischen Wachstumstheorien und seiner Modifikationen bzw. Neuansätze der EWT heraus zu stellen. Zu diesem Zweck ist jedoch eine relativ detaillierte Darstellung der theoretischen Grundlagen der Modelle absolut notwendig, wobei vor allem das „Ursprungsmodell“ von Solow im Fokus stehen soll, da sich die „neuen Wachstumstheorien immer aus der Kritik an den alten Vorstellungen“ (FAHRHAUER 2001: 1) entwickelt haben. Dieser vorangestellt ist eine umfassende Definition des Begriffs des Humankapitals.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Begriff des Humankapitals
3 Die neoklassische Wachstumstheorie nach Solow
3.1 Entstehungsgeschichte
3.2 Das traditionelle Modell
3.3 Entwicklungstheoretische Implikationen des traditionellen Modells und Kritik
3.4 Die Einführung des technischen Fortschritts: Das Solow-Residuum
3.5 Entwicklungstheoretische Implikationen des erweiterten Modells und Kritik
4 Neue Ansätze zur neoklassischen Wachstumstheorie – die endogene Wachstumstheorie (EWT)
4.1 Die Ansätze von Romer et. al
4.2 Entwicklungstheoretische Implikationen der neuen Ansätze und Kritik
4.3 Ein neoklassisches Konsensmodell – der Ansatz von Mankiw et. al
5 Schlussfolgerungen und Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
„ (...) Ansonsten aber gilt, dass die armen Entwicklungsländer immer ärmer und die reichen Industrieländer immer reicher werden? Oder sind die internationalen Wachstumsunterschiede gar nicht unabänderlich vorgegeben?“ (G UNDLACH 2001: 174)
Das grundlegende neoklassische Modell zur Untersuchung langfristigen Wachstums lieferte der amerikanische Nationalökonom Robert M. Solow in den 1950er Jahren. Trotz einiger Defizite der Solow’schen Theorie stand die Entwicklungsökonomie lange Zeit nicht im Zentrum der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. Neue Ansätze fehlten, obgleich „die herrschende Wachstumstheorie als unbefriedigend angesehen wurde“ (GUNDLACH 2001: 175).
Erst Anfang der 1980er Jahre rückten am langfristigen Wachstum orientierte Fragestellungen wieder in den Fokus wirtschaftswissenschaftlicher Forschungen. Grund für diese „Renaissance “ waren einige Publikationen (v.a. ROMER 1986, MANKIW 1992), welche die klaren Defizite der „alten“ neoklassischen Wachstumstheorie aufgriffen und zu beseitigen versuchten. Einen nicht unwesentlichen Gunstfaktor stelle dabei die Tatsache dar, dass mit dem Beginn des Computerzeitalters nun umfangreiche Datensätze über Volkswirtschaften aus aller Welt verfügbar waren (GUNDLACH 2002: 154).
Auf Grundlage der ersten Publikation entwickelte sich in den folgenden Jahren die Forschungsrichtung der so genannten „Endogenen Wachstumstheorie“ (EWT), welche zu „einer Flut von Modellen“ (FAHRHAUER 2001: 1) geführt hat. Das wesentliche neue Merkmal der Modelle der EWT ist die Berücksichtigung eines neuen Faktors „Humankapital“, der seither fortan als zentraler „Motor der Entwicklung“ (GUNDLACH 2001: 173) verstanden wird.
In dieser Arbeit soll nun versucht werden, die entwicklungstheoretischen Implikationen der neoklassischen Wachstumstheorien und seiner Modifikationen bzw. Neuansätze der EWT heraus zu stellen. Zu diesem Zweck ist jedoch eine relativ detaillierte Darstellung der theoretischen Grundlagen der Modelle absolut notwendig, wobei vor allem das „Ursprungsmodell“ von Solow im Fokus stehen soll, da sich die „neuen Wachstumstheorien immer aus der Kritik an den alten Vorstellungen“ (FAHRHAUER 2001: 1) entwickelt haben. Dieser vorangestellt ist eine umfassende Definition des Begriffs des Humankapitals.
Seit Ende der 1970er Jahre findet der Begriff des Humankapitals immer stärkere Berücksichtigung in den Modellen und Theorien der Wirtschaftswissenschaften. Vor allem amerikanische Ökonomen forcierten ihre Studien in den Grenzbereichen zwischen den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften; das Verhältnis des materiellen Kapitals (= Sachkapital) zu immateriellen, „nicht greifbaren“ Dingen wie Begabung, Befähigung und Wissen (SCHULTZ 1986: VIII), welche fortan unter dem Sammelbegriff des so genannten Humankapitals zusammengefasst wurden, stand im Mittelpunkt der Untersuchungen.
Auf dem grundlegenden Werk von SCHULTZ (1963) entwickelte sich die Forschungsrichtung der Humankapitaltheorie, welche die Untersuchungen zur Messung gesamtwirtschaftlicher Auswirkungen eines verbesserten Bildungssystems fokussierten. Trotzdem fand erst mit der in der Einleitung angesprochenen „Wiederbelebung“ der neoklassischen Wachstumstheorie durch die EWT eine erste Symbiose von grundlegenden Wachstumsmodellen und dem Aspekt der ökonomischen Bedeutung des „immateriellen Kapitals“ statt (BLANCHARD & ILLING 2004: 807ff.).
Gemeinhin wird das „Schlagwort“ Humankapital jedoch negativ aufgefasst, wie ZAPKE- SCHAUER (2005) feststellt: Die Begrifflichkeit des Humankapitals weckt in weiten Teilen der Bevölkerung das Verständnis der „reinen Degradierung des Menschen (...) zu nur noch ökonomisch interessanten Größen“; er ruft bei den Menschen den Eindruck hervor, dass in der Ökonomie „Menschen wie Maschinen“ betrachtet werden (GUNDLACH 2001: 179). Im Jahre 2004 wurde der Begriff denn auch aufgrund dieses Verständnisses in der Bevölkerung von einer unabhängigen Expertenjury aus Sprachwissenschaftlern zum „Unwort des Jahres“ gekürt, was für Verständnislosigkeit auf Seiten der Ökonomen sorgte. Sie argumentieren, dass der Begriff des Kapitals doch einen wertvollen Besitz und den sorgfältigen Umgang mit diesem ausdrückt (ZAPKE-SCHAUER 2005). Diese Argumentation greift die wirtschaftswissenschaftliche Auslegung des Begriffs auf.
Für SCHULTZ (1986: IX) ist der Besitz von Humankapital sogar deutlich wichtiger als der von materiellem Kapital, „denn Humankapital ist die Vorraussetzung für den sachgerechten Gebrauch von materiellem Kapital“. Er geht sogar noch weiter, indem er die Gefahr aufzeigt, die besteht, wenn es versäumt wird neues Wissen zu generieren oder in neue Kenntnisse zu investieren, respektive also neues Humankapital zu bilden. Denn dann bestehe die Gefahr eines (volks-)wirtschaftlichen Stillstands, der – ein gleichzeitiges Wachstum anderer Volkswirtschaften vorausgesetzt – auf längere Sicht eine wirtschaftliche Rückständigkeit zur Folge hätte. Daraus ergibt sich die oberste Prämisse, dass zunächst in bzw. für die Menschen investiert werden müsse, um dauerhaft eine Volkswirtschaft weiterentwickeln und in der Zukunft Gewinne erzielen zu können (SCHULTZ 1986: X).
Ebenso wie bei der Investition in Sachgüter ist auch der Aufbau von Humankapital mit direkten und indirekten Investitionskosten verbunden. Von einer Volkswirtschaft zu tragende direkte Kosten sind demnach Kosten für jegliche Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Durch den Einkommensausfall während der Ausbildungszeit fallen gleichzeitig indirekte Kosten an. Am Ende der Ausbildung sollen ein größeres Wissen und vielseitige Fertig- und Fähigkeiten zu entsprechend höheren Einkommen führen, welche die entstandenen Kosten decken und sogar übertreffen sollen.
Das größte Problem des Humankapitals liegt auf der Hand: Die Transformation von subjektivem, personengebundenem in objektives, für jeden zugängliches Wissen und Können. Als Transformator dienen hier jegliche Medien, die aber nie vollends einen persönlichen Stock an Humankapital auf eine andere Person übertragen können. Materielle Güter hingegen sind ohne „Transaktionsverluste“ übertragbar (SCHULTZ 1986: IX).
In dieser Arbeit soll Humankapital nun auch der Einfachheit halber nach der eben erläuterten wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise verstanden werden. Dabei sei jedoch nochmals auf die Diskussionswürdigkeit der Begrifflichkeit hingewiesen: Seit seiner Einführung sorgt der Begriff für wissenschaftliche Diskussionen, vor allem zwischen Ökonomen und Geisteswissenschaftlern. Letztere stützen sich besonders auf die Argumentation, dass Kapital nicht nur wertvoll, sondern auch ständig verfügbar ist – wodurch die Menschen bei der Verwendung des Begriffs Humankapital zu einem „Etwas“, gewissermaßen also zu einem Faktor im wirtschaftlichen „Faktorengefüge“, herabgestuft werden. Ein großer Kritiker des wirtschaftswissenschaftlichen Humankapitalbegriffs war beispielsweise der französische Soziologie Pierre Bourdieu (ZAPKE-SCHAUER 2005).
3 Die neoklassische Wachstumstheorie nach Solow
3.1 Entstehungsgeschichte
Solow stellte in den 1950ern mit den Themen der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise und dem Nachkriegsboom zwei typische Themen dieser Zeit in den Mittelpunkt seiner Forschungen. Mit der Herausarbeitung seiner neoklassischen Wachstumstheorie sorgte Solow gewissermaßen für eine „Wachablösung“ des bis dato grundlegenden entwicklungsökonomischen Ansatzes von Harrod Domar. Das Harrod- Domar Modell findet jedoch bis heute in entwicklungstheoretischen Debatten immer wieder seine Berücksichtigung, da in diesem Modell von einem Überschussangebot von Arbeit und einem Mangel von Kapital ausgegangen wird – eine Situation, die auf viele Entwicklungsländer zutrifft. Allerdings konnte Domars Modell keine Erklärung für ein langfristig gesehen einigermaßen konstantes wirtschaftliches Wachstum (wie es in den Industrienationen über Jahrzehnte zu beobachten war) liefern, da es davon ausging, dass eine Abweichung vom Marktgleichgewicht im Falle von Inflation oder Rezession zu einem sich selbst verstärkenden Prozess führen müsse, der erst durch wirtschaftspolitische Steuerungsmaßnahmen des Staates wieder zu stoppen sei. Aufgrund der Faktenlage, die gegen die Richtigkeit des Harrod-Domar-Modells sprach, suchte Solow nach neuen Ansätzen (GUNDLACH 2002: 153).
3.2 Das traditionelle Modell
Im Zentrum des traditionellen Modells von Solow steht die so genannte aggregierte Produktionsfunktion, welche besagt, dass das Einkommen einer Volkswirtschaft (=Gesamtproduktion) von den beiden Produktionsfaktoren „Arbeit“ und „Kapital“ determiniert wird. Diese Beziehung wird beschrieben durch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Y steht dabei für die aggregierte Produktion, K für den Faktor Kapital und L für den Faktor Arbeit. Letztgenannter beschreibt nichts weiter als die Anzahl der Arbeiter in einer Volkswirtschaft; der Faktor Kapital steht vereinfacht für den Wert sämtlicher Maschinen und Bürogebäude in einer Ökonomie. Die Produktionsfunktion F gibt folglich an, wie viel bei gegebener Menge an Kapital und Arbeit produziert wird (BLANCHARD & ILLING 2004: 308), wobei das Faktoreinsatzverhältnis flexibel ist (GUNDLACH 2002: 153).
Zwei spezifische Annahmen helfen zur Bildung einer ökonomischen Theorie. Erstens wird im Modell davon ausgegangen, dass die Skalenerträge konstant sind. Einfacher ausgedrückt: Verdoppelt man alle Inputs, also die Menge an Arbeit und Kapital, so verdoppelt sich auch die Produktion (SOLOW 1956: 68):
2Y =F (2K, 2L)
Die zweite, komplexere Annahme beschreibt die Eigenschaft, dass der Produktionszuwachs mit stetiger Erhöhung des Kapitals immer kleiner wird. Man spricht auch von der Annahme der abnehmenden Grenzerträge, welche jedoch nicht nur für den Faktor Kapital, sondern auch für andere Produktionsfaktoren wie beispielsweise den Faktor Arbeit, Gültigkeit besitzt. Für den Faktor Arbeit gilt demnach äquivalent: „Wird der Arbeitseinsatz bei gegebenem Kapital erhöht, nimmt die Produktion immer weniger zu, je mehr Arbeit eingesetzt wird.“ (BLANCHARD & ILLING 2004: 309)
Die folgende Grafik (Abb. 1) soll die Annahme der abnehmenden Grenzerträge anhand des Beispiels des Faktors Kapital verdeutlichen. Vorangestellt sei dafür die Pro-Kopf- Produktionsfunktion für den Faktor Kapital:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Abnehmende Grenzerträge des Kapitals. (eigene Darstellung nach HAYO 2006: 301, SOLOW 1956: 68)
Die Variable k gibt die Kapitalintensität an, also den Kapitaleinsatz je Beschäftigten, weclher sich wiederum aus dem Quotienten der Faktoren K und L ergibt.
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