Die Arbeit untersucht die Veränderung der Stimme bei ironischen Äußerungen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich die Stimmeneigenschaften bei ironischen Äußerungen, im Gegensatz zur wörtlichen Rede, verändern. Die Veränderung der Stimmeigenschaften wird auch akustische Sprachmodulation genannt. Diese akustischen Sprachmodulationen dienen dazu, dem Empfänger das Verstehen der Ironie zu vereinfachen. Demnach sind Ironiemerkmale obligatorisch für das Verständnis von Ironie, damit sich diese von der wörtlichen Rede abheben.
Die Ironie weist drei Merkmalkategorien auf, die kontextuelle, verbale und die paralinguistische. In dieser Arbeit werden lediglich die paralinguistischen Merkmale untersucht. Zu den paralinguistischen Merkmalen gehört u.a. die Prosodie. Ironische Äußerungen werden mithilfe prosodischer Merkmale verdeutlicht. Zu den Merkmale gehören Veränderungen im Tonfall, in der Intensität, in der Sprechgeschwindigkeit und in der Betonung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Experiment
3. Diskussion
4. Schluss
5. Anhang
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich die Stimmeneigenschaften bei ironischen Äußerungen, im Gegensatz zur wörtlichen Rede, verändern. Die Veränderung der Stimmeigenschaften wird auch akustische Sprachmodulation genannt. Diese akustischen Sprachmodulationen dienen dazu, dem Empfänger das Verstehen der Ironie zu vereinfachen (Scharrer & Christmann 2011: 436, zit. n. Capelli, Nakagawa & Madden 1990). Demnach sind Ironiemerkmale obligatorisch für das Verständnis von Ironie, damit sich diese von der wörtlichen Rede abheben (Hartung 2002: 172, zit. n. Weinrich 1970). Mit dem Begriff der Ironie gehen weitere Begrifflichkeiten einher, z.B. die Satire und die Parodie. Ein Unterschied der genannten Beispiele im Gegensatz zur Ironie ist, dass eine Eigenschaft der Ironie in der versteckten Vermittlung liegt. Die Ironie wird weder offen signalisiert noch angekündigt. Demgegenüber stehen die Parodie und Satire, in denen die Vermittlung offen zu verstehen gegeben wird (Kohvakka 1996: 239). Oft wird auch der Begriff des Sarkasmus mit dem der Ironie gleichgestellt. Der Unterschied darin liegt, dass Sarkasmus eine eher negative Intention hat, dahingegen hat die Ironie nicht ausschließlich negative Absichten (Garmendia 2018: 10) Diese Unterschiede sind wichtig für die Unterscheidung der Stilgattungen und für das Verständnis des Ironiebegriffs. Da es verschiedene Auffassung des Stilmittels der Rhetorischen Frage und der Ironie gibt, werden diese beiden Stilgattungen in der vorliegenden Arbeit zusammen unter dem Begriff der Ironie gefasst.
Die Ironie weist drei Merkmalkategorien auf, die kontextuelle, verbale und die paralinguistische. In dieser Arbeit werden lediglich die paralinguistischen Merkmale untersucht. Zu den paralinguistischen Merkmalen gehört u.a. die Prosodie. Ironische Äußerungen werden mithilfe prosodischer Merkmale verdeutlicht. Zu den Merkmale gehören Veränderungen im Tonfall, in der Intensität, in der Sprechgeschwindigkeit und in der Betonung (Hancock 2004: 448). In der Literatur werden überwiegend folgende prosodische Ironiemerkmale genannt1:
- flache Intonation
- ansteigende Intonation
- tiefe Frequenz
- erhöhte Frequenz sowie extreme Frequenzen
- verlangsamte Sprechergeschwindigkeit
- Silbenverlängerung
- Pausen
Es lässt sich erkennen, dass ein paar der genannten Merkmale widersprüchlich sind (Attardo et al. 2003: 244 ff.). Es soll untersucht werden, ob zwei der dargestellten Ironiemerkmale auf die deutsche Alltagssprache zutreffen. Dafür wurde ein Perzeptionsexperiment durchgeführt. Zum einen wurde das Merkmal der erhöhten Frequenz an der akzentuierten Silbe verwendet, als Pitch Akzent, da sich dieses mit dem Merkmal der flachen Intonation bzw. tiefen widerspricht. Zum anderen wurde das Merkmal der längeren Betonung bzw. Silbenverlängerung gewählt, bei dem kein widersprüchliches Merkmal genannt wurde. Die Hypothesen, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden sollen, sind Folgende: 1. Das prosodische Merkmal der erhöhten Frequenz an der akzentuierten Silbe ist eindeutig als ironisch zu erkennen und stellt damit ein Ironiemerkmal des Deutschen dar. 2. Das prosodische Merkmal der Silbenverlängerung an der akzentuierten Silbe ist eindeutig als ironisch zu erkennen und stellt damit ein Ironiemerkmal des Deutschen dar. Außerdem soll geklärt werden, ob die beiden Ironiemerkmale sprachübergreifend und auf das Deutsche anzuwenden sind. Aufgrund der Widersprüchlichkeit wird vorausgesagt, dass das Merkmal der erhöhten Frequenz, nicht sprachübergreifend ist. Die erhöhte Frequenz in Kombination mit der rhetorischen Frage könnte ebenfalls schwer als ironisch eingestuft werden, aufgrund von Frageintonation.
2. Experiment
Bei dem Experiment handelt es sich um ein Perzeptionsexperiment, bei dem eine forced-choice 2 Identifikationsaufgabe durchgeführt wurde. Pro Stimulus gab es drei Antwortmöglichkeiten. Der Stimuliumfang beträgt 24. Pro Äußerung wurden drei Stimuli aufgenommen und zu 12 Stimuli manipuliert. Es wurden der Pitch und die Dauer der Betonungen manipuliert.
2.1 Methode
2.1.1 Gestaltung der Stimuli
Für das Experiment wurden zwei Äußerungen gewählt, die jeweils vier Mal von einer weiblichen Muttersprachlerin mit modaler Stimme in einer schallgedämpften Umgebung aufgenommen wurden. Die Stimuli wurden mit einem Over-Ear-Kopfhörer mit ausklappbaren Mikrofon von der Marke JBL aufgenommen. Als Aufnahme- und Manipulationsprogramm diente das Programm Praat (Boersma und Weenink 2021). Die erste Äußerung lautet: „Ach, wirklich?“ und die zweite Äußerung: „Überanstrenge dich nicht“. Bei der ersten Äußerung handelt es ich um eine rhetorische Frage, bei der zweiten nicht. Die rhetorische Frage: „Ach wirklich?“ wurde einmal mit erhöhter Frequenz bzw. Pitch Akzent, auf der letzten akzentuierten Silbe aufgenommen: „Ach, wirk- lich “ (L*+H), und mit einer verlängerten Betonung der ersten Silbe: „Ach, wi:rk - lich?“. Des Weiteren wurde ein Stimulus mithilfe beider Merkmale als Kombination und ein Stimulus ohne Merkmale aufgenommen, um einen Kontrast darzustellen. Die Ergebnisse der Stimuli ohne Merkmal wurden nicht für die Analyse verwendet, da diese nicht bedeutend für das Experiment waren und nur einen Kontrast darstellen sollten. Der Stimulus mit der Kombination beider Merkmale sah folgendermaßen aus: „Ach, wi:rk - lich ?“, mit erhöhter Frequenz des ganzen Wortes wirklich und der Längung auf der ersten Silbe des Wortes. Die Äußerung: „Überanstrenge dich nicht“ wurde mit einer erhöhten Frequenz auf der akzentuierten Silbe: „Über – an - strenge dich nicht“ (H+!H*), und mit einer Silbenverlängerung der zweiten Silbe: „Über - an: - strenge dich nicht“ aufgenommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Beispiel eines Sonagramms eines ungefähren Tonhöhenverlaufs des Stimulus: „Überanstrenge dich nicht“ mit dem Merkmal der steigenden Frequenz an der akzentuierten Silbe.
Auch bei dieser Äußerung wurden beide Merkmale in einem Stimulus aufgenommen: „Über – an: - strenge dich nicht“ und ein Stimulus ohne diese Ironiemerkmale. Bei dem Stimulus mit der Kombination beider Merkmale ist die erhöhte Frequenz nur auf der zweiten Silbe des Wortes überanstrenge. Damit die Stimuli nicht gleich klingen sondern variieren, wurden die aufgenommenen Rohstimuli hinsichtlich ihrer Dauer und ihrer Frequenzen mithilfe des Programmes Praat manipuliert. Die akustische Manipulation der Stimuli erfolgte durch shift pitch frequencies und durch duration manipulation. Die vier Rohstimuli wurden zu jeweils 12 Stimuli pro Äußerung manipuliert, sodass der Stimuliumfang schließlich 24 betrug. Die durchschnittliche Dauer der Längung der Silbe beträgt circa 0,36 Millisekunden und die durchschnittliche erhöhte Frequenz an der akzentuierten Silbe beträgt 425 Hz. Ein Beispiel für die manipulierten Stimuli der Äußerung: „Überanstrenge dich nicht“:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Sonagramm mit Tonhöhenverlauf bzw. Pitch (blaue linien) der Äußerung „Überanstrenge dich nicht. Die fünf Stimuli sind in der Abbildung durch eine rote Linie voneinander getrennt.
2.1.2 Durchführung
Die Datei des Experimentes wurde mit dem Programm Notepad++ erstellt und bei Praat durchgeführt (Ho 2009). Die 24 Stimuli wurden während des Experiments zwei Mal in zufälliger Reihenfolge abgespielt und konnten jeweils ein Mal bei Bedarf wiederholt angehört werden. Das bedeutet, dass 48 Stimuli während des Experiments angehört und bewertet wurden. Die Frage des Experimentes lautete: „Wie wirkt die folgende Äußerung auf Sie?“ und hatte drei Antwortmöglichkeiten: ironisch, nicht ironisch und unentschlossen. Unentschlossen bedeutet, dass sich die Teilnehmer*innen sich nicht sicher sind, ob die Äußerung ironisch oder nicht ironisch klingt.
2.1.3 Teilnehmende Personen
An dem Perzeptionsexperiment haben insgesamt acht Teilnehmer/-innen teilgenommen, drei männliche Teilnehmer und fünf weibliche Teilnehmerinnen. Zwei Personen davon sind keine Muttersprachler und im Ausland geboren, beherrschen die deutsche Sprache dennoch sehr gut. Die anderen sechs Personen sind Muttersprachler. Die Teilnehmer/-innen führten das Experiment allein an einem Laptop und in einer ruhigen Umgebung durch. Diese Bedingungen waren wichtig, um nicht beeinflusst zu werden und keine Störgeräusche zu haben. Zu Anfang des Experimentes haben sich die teilnehmenden Personen ein Informationsblatt durchgelesen, auf dem alle wichtigen Informationen für das Experiment standen. Außerdem mussten sie zwei Formulare ausfüllen, das eine Formular bezog sich auf die Erlaubnis die erhobenen Daten verwenden zu dürfen, das andere Formular erhob persönliche Daten der Teilnehmenden.
2.2 Ergebnisse
Bei dem Experiment wurden die Ironiemerkmale erhöhte Frequenz der betonten Silbe und das Merkmal der Silbenverlängerung untersucht. Aufgrund des zweifachen Abspielens jedes Stimulus wurden am Ende für das Merkmal der erhöhten Frequenz je 80 Ergebnisse für die beiden Äußerungen: „Überanstrenge dich nicht und“ und „Ach, wirklich?“ untersucht. Auch für das Merkmal der Silbenverlängerung wurden jeweils 80 Ergebnisse untersucht. Für die Kombination beider Merkmale waren es pro Äußerung 16 Ergebnisse.
Die Ergebnisse des Experiments zeigen, dass sich die Teilnehmenden bei den Stimuli mit dem Merkmal der längeren Betonung öfter für ironisch entschieden haben, als bei den Stimuli mit der erhöhten Frequenz. Ein Beispiel zeigt die Abbildung 2, eine Auswertung der Äußerung: „Ach, wirklich?“ mit den Bewertungen der beiden Ironiemerkmale im Vergleich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Auswertung der Bewertungen derTeilnehmenden der Äußerung: „Ach, wirklich?“ im Vergleich beider Ironiemerkmale. Orange: Silbenverlängerung, blau: erhöhte Frequenz.
Das Diagramm hat einen y-Achsenwertebereich von null bis zwei. Auf der x-Achse stehen die Antworten von 1-80. Für die Antwortmöglichkeiten wurden die Variablen 0, 1 und 2 gewählt. Die Variable 0 steht für die Antwort unentschlossen, die Variable 1 für ironisch und die Variable 2 steht für nicht ironisch. Die blauen Punkte stehen für die Antworten der Teilnehmenden der Stimuli mit erhöhter Frequenz als Ironiemerkmal und die orangenen Punkte stehen für die Antworten der Stimuli mit Silbenverlängerung. Anhand des Diagrammes kann man erkennen, dass die Stimuli mit der Silbenverlängerung überwiegend ironisch bewertet wurden und die Stimuli mit der erhöhten Frequenz bzw. Pitch Akzent überwiegend als nicht ironisch. Um dieses auch statistisch zu prüfen, wurde verschiedene Tests durchgeführt. Mithilfe von Excel konnten die erhobenen Ergebnisse eingetragen und für Rechnungen genutzt werden. Da keine Varianzen bekannt waren, wurde zuerst ein Zwei-Stichproben F-Test mit den Daten bei Excel durchgeführt, um zu prüfen, ob die Varianzen der beiden Stichprobenergebnisse der Aussage „Ach, wirklich?“, mit erhöhte Frequenz und Silbenverlängerung, gleich sind und Varianzhomogenität vorliegt, oder sie sich signifikant unterscheiden. Da der kritische F-Wert von 1,45 kleiner als die Prüfgröße (F) von 4,82 ist, kann man statistisch feststellen, dass sich die Varianzen signifikant unterscheiden und dementsprechend eine Varianzheterogenität vorliegt (vgl. Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Zwei-Stichproben F-Test der Äußerung „Ach, wirklich?“ mit den Stichproben zur erhöhten Frequenz und Silbenverlängerung.
Im nächsten Schritt wurde ein Zwei-Stichproben t-Test unter der Annahme mit unterschiedlichen Varianzen durchgeführt, um festzustellen, ob sich die Mittelwerte der beiden Stichproben signifikant unterscheiden oder gleich sind. Die Ergebnisse zeigen, dass der kritische t-Wert mit 1,66 kleiner ist als der berechnete t-Wert mit 7,17. Die Mittelwerte unterscheiden sich signifikant und sind nicht gleich (vgl. Abbildung 4).
[...]
1 Diese Merkmale beziehen sich nicht nur auf das Deutsche, sondern sind gesammelte Merkmale aus der Literatur und auf keine Sprache bezogen.
2 Bei einem forced-choice Experiment ist man gezwungen, sich zwischen gegebenen Antwortmöglichkeiten für eine zu entscheiden. Gegenbeispiel dazu sind multiple-choice Aufgaben, bei denen man mehrere Antwortmöglichkeiten wählen kann.
- Quote paper
- Medina Duman (Author), 2022, Akustische Sprachmodulationen bei Ironie im Deutschen. Erhöhte Frequenz und Silbenverlängerung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1284834
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