Im Rahmen dieser Examensarbeit wird ausführlich Max Brods religionsphilosophische Deutung des Werkes seines engen Freundes Franz Kafka dargestellt. Eingebettet ist die Darstellung des Deutungsansatzes in einen detaillierten Überblick über das eigene, facettenreiche Werk Brods.
Inhalt
1. Einleitung
2. Zur Person Max Brod
2.1 Biografie
2.1.1 Herkunft und Kindheit
2.1.2 Schulzeit und Studium
2.1.3 Brod als Mentor und Kritiker
2.1.4 Zionismus und politisches Engagement
2.1.5 Emigration und Leben in Israel
2.2 Literarische Entwicklung und geistige Tendenzen im Werk Brods
2.2.1 Indifferentismus und Expressionismus
2.2.2 Hinwendung zum Judentum
2.2.3 Weitere Entwicklung Brods
2.2.3.1 Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung
2.2.3.2 Diesseits und Jenseits
2.2.3.3 Historische Romane als Lebensmodelle
2.3 Brods Beziehung zu Kafka
2.3.1 Entwicklung der Beziehung zu Kafka
2.3.2 Die Beziehung zwischen Brod und Kafka in literarischen Zeugnissen
2.3.2.1 Kafka in Brods Romanen
2.3.2.2 Richard und Samuel
2.3.3 Zum Verhältnis von Brods und Kafkas Literatur
3. Brods religiöser Deutungsansatz
3.1 Relevante Literatur Brods
3.1.1 Der Dichter Franz Kafka (1921)
3.1.2 Über Franz Kafka (1926)
3.1.3 Nachwort zu Das Schloß (1926)
3.1.4 Franz Kafkas Grunderlebnis (1931)
3.1.5 Franz Kafka. Eine Biografie (1937)
3.1.6 Kierkegaard, Heidegger, Kafka (1946)
3.1.7 Franz Kafkas Glauben und Lehre. Kafka und Tolstoi. (1948)
3.1.8 Franz Kafka als wegweisende Gestalt (1951)
3.1.9 Die Ermordung einer Puppe namens Franz Kafka (1952)
3.1.10 Verzweiflung und Erlösung im Werk Franz Kafkas (1959)
3.1.11 Leben mit Franz Kafka (1960)
3.1.12 Der engere Kreis (1966)
3.2 Zusammenfassende Analyse der Grundzüge des Deutungsansatzes
3.3 Exemplarische Anwendung der Brodschen Deutung
3.3.1 Der Kübelreiter
3.3.2 Die Bäume
3.3.3 Ergebnis der Anwendungsbeispiele
3.4 Nichtreligiöse Facetten der Deutung Brods
3.5 Exkurs: Kafkas Verhältnis zur Religion
3.6 Rezeption des Deutungsansatzes
3.6.1 Einfluss auf die frühe Kafkarezeption
3.6.2 Kritik
3.6.3 Weitere Entwicklung der religiösen Deutungstradition
4. Fazit
5. Literatur:
1. Einleitung
Der Name Max Brod ist heute in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar an Franz Kafka gekoppelt. Brods eigenes, an Umfang und Facetten reiches und einst sehr populäres publizistisches Werk ist heute weitgehend vergessen. Bekannt ist er vor allem als Bewahrer und Herausgeber der Schriften Kafkas. Seine eigene, religiös geprägte Deutung dieses Werkes gilt, obgleich Wurzel eines ganzen Interpretationszweiges, als weitgehend überholt und wird heute allenfalls noch von anderen Interpreten als Kontrast zur Entwicklung eigener, davon abweichender Positionen herangezogen.
Den Kern dieser Studie bildet die detaillierte Betrachtung von Max Brods religiös-allegorischem Deutungsansatz im Zusammenhang seines Entwicklungsverlaufs. Zwei zentrale Fragen stehen im Rahmen dieser Untersuchung im Vordergrund. Einerseits soll geklärt werden, welche geistigen Hintergründe und Rahmenbedingungen der Brodschen Deutung zugrunde liegen, andererseits wird danach gefragt, ob, und wenn ja, welchen Aspekten der Brodschen Deutung in der Auseinandersetzung mit Kafka noch heute eine Bedeutung beigemessen werden kann und, damit verbunden, wie Tendenzen der von Brod angestoßenen religiösen Deutungstradition in unterschiedlicher Variation bis in die Gegenwart weiterwirken.
Brods religiöses Verständnis von Kafkas Werk ist untrennbar verknüpft mit seiner eigenen intensiven Beschäftigung mit religionsphilosophischen Fragestellungen sowie seiner subjektiven Wahrnehmung der Person seines Freundes. Zum besseren Verständnis seines Deutungsansatzes muss dieser im Kontext von Brods sozialem und kulturellem Hintergrund, seiner persönlichen Entwicklung, in der sich die religionsphilosophischen Grundlagen seiner Deutung herausbildeten, sowie seiner Freundschaft zu Kafka gesehen werden. Aus diesem Grund soll zunächst Max Brods Leben und Werk sowie seine Beziehung zu Kafka nachgezeichnet werden, um anschließend ausführlich seinen religiösen Deutungsansatz darzustellen. Hierzu werden alle relevanten zeitgenössischen Veröffentlichungen Brods zur Interpretation von Kafkas Werk in chronologischer Reihenfolge eingehend beleuchtet, um somit die Herausbildung seiner zentralen Gedanken in ihrer zeitlichen Abfolge sowie die im Laufe der Entwicklung immer wieder auftretenden Modifikationen in seiner Deutung präzise fassen zu können. Zentrale Gedanken seiner Interpretation werden anschließend nochmals zusammenführend gebündelt.
Um die mögliche heutige Relevanz des Brodschen Deutungsansatzes besser beurteilen zu können, erfolgt eine exemplarische Überprüfung anhand zweier ausgewählter Texte Kafkas. Anhand dieser praktischen Anwendungsfälle soll herausgearbeitet werden, was Brod auf Basis seines Deutungsansatzes in Kafkas Texten erfassen konnte und welche Aspekte dabei jenseits seiner Wahrnehmung lagen.
Aufgrund der zentralen Bedeutung, die Kafkas Verhältnis zum Judentum in Brods Deutungsansatz zukommt, soll dieser Themenkomplex im Rahmen eines Exkurses eingehend thematisiert werden. Nach einer ergänzenden Darstellung nicht spezifisch religiöser Beiträge Brods zur Deutung Kafkas wird zur Einordnung und Bewertung seines Interpretationsansatzes ein Überblick über die Rezeption und den anfänglichen Einfluss seines Ansatzes sowie über die weitere Entwicklung der religiös geprägten Deutungstradition in ihren zahlreichen unterschiedlichen Ausprägungsformen gegeben.
Die Grundlage der Auseinandersetzung mit Brods Deutungsansatz bildet im Rahmen dieser Arbeit vor allem dessen eigene Schriften zu Kafka. Die ausgesprochen dürftige Veröffentlichungslage zu Max Brod zeugt vom geringen wissenschaftlichen Interesse, das in den vergangenen Jahrzehnten seinem Werk wie seiner Person entgegengebracht wurde. Neben den Monografien von Magarita Pazi und Claus-Ekkehard Bärsch sowie einem umfangreichen Essay Bernd W. Wesslings ist man in der Auseinandersetzung mit der Person Max Brod auf dessen eigene biografische Schriften angewiesen. Ein nach wie vor unerlässliches Rüstzeug für die Beschäftigung mit Kafka stellen die Handbücher von Hartmut Binder dar. Zahlreiche weitere Monografien und Aufsätze flossen ergänzend in diese Arbeit ein.
2. Zur Person Max Brod
2.1 Biografie
2.1.1 Herkunft und Kindheit
Am 27. Mai des Jahres 1884 wurde Max Brod im damals zum Kaiserreich Österreich-Ungarn gehörigen Prag in eine dem jüdischen Mittelstand zuzurechnende Familie geboren. Wie die Mehrheit der Prager Juden des ausgehenden 19. Jahrhunderts war auch seine Familie deutschsprachig.[1] Hinsichtlich des Selbstverständnisses seiner kulturellen Identität beschreibt Brod sich in seinem Aufsatz Juden, Deutsche, Tschechen. Eine menschlich-politische Betrachtung von 1918 als „dem Deutschtum kulturverwandt“[2], durch „Sprache, Erziehung, Lektüre, Kultur“[3], wenn auch nicht als Deutscher, gleichzeitig als „Freund des Tschechentums und im wesentlichen dem Tschechentum kulturfremd“[4]. Sein Vater, dessen Familie seit über 300 Jahren in Prag ansässig war und unter dessen Vorfahren sich Rabbiner, Musiker und Gelehrte finden[5], hatte den Posten eines Direktorstellvertreters der dortigen Unionsbank inne, die Mutter stammte aus Nordböhmen.[6] Die Eltern gehörten zur ersten Generation, die, zumindest in rechtlicher Hinsicht, nicht mehr unter den zuvor allgemein für Juden geltenden Beschränkungen von Freizügigkeit, Berufszulassung und Familiengründung zu leiden hatte und die neu gewonnene Freiheit für ihren sozialen wie ökonomischen Aufstieg nutzten.[7] Die beiden charakterlich sehr unterschiedlichen Elternteile, der Vater von ruhigem und zurückhaltendem, die Mutter von stürmischem Gemüt[8], verband eine gemeinsame Liebe zur Musik, besonders zur Oper, die eine wesentliche Rolle im Hause Brod einnahm und somit schon früh das Interesse des jungen Max weckte.[9] Jüdische Religiosität und Tradition, besonders die Befolgung der überlieferten Sitten, Gebräuche und Regeln spielte für die Eltern, obwohl sie sich selbst als bewusste Juden verstanden[10], nur eine sehr untergeordnete Rolle. Max Brod beschreibt in seiner Autobiografie noch Überreste von religiösen Ritualen, insbesondere der Feiern der großen jüdischen Festtage, wie sie in seinem Elternhaus begangen wurden, vor allem das Pessach- und das Tempelweihefest, ebenso wie er sich an das Verlöschen des Laubhüttenfest als Feierlichkeit in seiner Familie, welches er nur einmal in früher Kindheit miterleben konnte, erinnert.[11] Das dünne Erinnerungsband, das noch die Religion, Tradition und Geschichte des Volkes Israel mit der vom aufgeklärten Humanismus geprägten jüdischen Emanzipationsgeneration der Eltern Max Brods verband, war somit niemals ganz gerissen, wenn es auch offensichtlich in Auflösung begriffen war.[12]
Noch vor Beginn der Schulzeit erkrankte Max Brod schwer an einer Kyphose, der konvexen Form der Rückgratverkrümmung. Die unter großem Aufwand gegen alle medizinischen Erwartungen erreichte Überwindung der Erkrankung kann in ihrer Auswirkung auf das Selbstbewusstseins des jungen Max Brod nicht unterschätzt werden.[13]
2.1.2 Schulzeit und Studium
Max Brod besuchte zunächst die Prager Piaristen-Volksschule, anschließend das mehrheitlich von jüdischen Schülern besuchte Stefansgymnasium. Während seiner Zeit auf dem Gymnasium vertiefte sich Brods Liebe zur Musik. In dieser Zeit setzte auch seine, nach eigener Beschreibung ans manische grenzende,[14] Schopenhauer-Lektüre ein, die ihn für die folgenden Jahre prägen sollte. Neben Schopenhauer las er während dieser Zeit vor allem die von diesem empfohlenen Autoren wie beispielsweise Kant, Platon, Goethe, Calderon und Shakespeare, darüber hinaus Nietzsche, wenn auch, nach eigenem Bekunden, mit wachsender Abneigung.[15] Wichtig für seine weitere literarische Entwicklung war auch die Freundschaft zu dem früh verstorbenen Max Bäuml, mit dem gemeinsam er Heinrich Mann, Ibsen, Schnitzler und Hamsun entdeckte, und dem er erste literarische Gehversuche vortrug. Mit einem anderen Jugendfreund, Adolf Schreiber, verband ihn vor allem das gemeinsame Interesse an der Musik.[16]
Auf Wunsch des Vaters begann Brod im Herbst 1902 an der deutschen Universität in Prag mit einem Studium der Rechtswissenschaften, das er 1907 mit seiner Promotion zum Doktor juris utriusque, also weltlichen und kanonischen Rechts, beendete.[17]
Brods Interesse während seines Studiums galt allerdings vorwiegend Vorlesungen abseits der Rechtwissenschaft, seine Vorliebe galt Veranstaltungen zur Literatur, Philosophie und Soziologie, beispielsweise bei dem zu dieser Zeit in Prag lehrenden Alfred Weber, dem Bruder Max Webers. Seine Jurastudien betrieb er, Kafka nicht unähnlich, leidenschaftslos und lediglich mit dem Ziel, sich damit die Basis für einen Brotberuf zu schaffen, der möglichst wenig Zeit des Tages in Anspruch nehmen sollte, um Raum für seine zahlreichen weiteren Interessen zu lassen.[18]
Die Freundschaft zu Kafka, auf die an anderer Stelle vertiefend eingegangen werden soll, nahm ihren Anfang mit einer ersten Begegnung nach einem von Max Brod am 23.10.1902 in der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten gehaltenen Vortrag über Schopenhauer. Brod machte Kafka bald mit Fritz Weltsch, den er seit der Volksschule kannte, bekannt, woraus sich eine intensive Dreierfreundschaft entwickelte. Gespräche Brods mit Weltsch über philosophische Probleme und Themen, wirkten offensichtlich auf die Herausbildung der Weltsicht Brods anregend, wenn nicht prägend, auch vielleicht gerade weil in einigen Punkten niemals eine Übereinstimmung erreicht werden konnte. So konnte beispielsweise weder der überzeugte Platon-Anhänger Brod noch der vehemente Aristoteles-Verfechter Weltsch den anderen vom jeweils eigenen Standpunkt überzeugen.[19] Zu dem Dreierbund aus Brod, Kafka und Weltsch stieß schließlich noch der blinde Autor Oskar Baum, dessen zentrales Thema der Kampf um Gleichberechtigung statt Mitleid war, und der vor allem durch seine kraftvolle, ungebrochene Wesensart Brods Bewunderung hervorrief.[20] Diese vier, durch Freundschaft und gegenseitige Motivation verbundene Autoren, Kafka, Weltsch, Baum und Brod, bilden innerhalb der Prager Dichtergemeinde den Zirkel, den Brod später selbst als den engeren Prager Kreis beschrieben hat, und der nach dem Tod Kafkas noch durch Ludwig Winder Ergänzung erfuhr.[21] Ins weitere literarische Umfeld, zu dem, was Brod als den weiteren Prager Kreis bezeichnet, gehören neben vielen anderen beispielsweise der später vor allem als Publizist und Kritiker hervorgetretene Willy Haas, Egon Erwin Kisch, Ernst Weiß, Ludwig Winder, Johannes Urzidil und Franz Werfel, zu dem Max Brod eine wechselhafte Freundschaft unterhielt.[22]
Brod lernte durch den gemeinsamen Bekannten Willy Haas den sechs Jahre jüngeren Werfel kennen, der ihn sowohl durch seine lyrische wie musische Begabung als auch durch seine damalige Leitlinie, das Positive und Helle statt dem vielleicht interessanter erscheinenden Bösen, zum Inhalt seiner Dichtung zu machen, beeindruckte und für sich einnahm.[23]
2.1.3 Brod als Mentor und Kritiker
Neben seinem eigenen literarischen Schaffen trat Max Brod im Umfeld des Prager Kreises vor allem als Entdecker und Förderer anderer Künstler hervor. Auf sein Engagement für die Veröffentlichung Kafkas wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch einzugehen sein. Seit 1906 verfasste Brod Musik- und Literaturbesprechungen für Zeitschriften in Deutschland sowie in der Doppelmonarchie. Für seine Tätigkeit als Kritiker war Brods Grundsatz prägend, sich vor allem mit den Vorzügen der besprochenen Künstler auseinanderzusetzen, und gleichzeitig von „seinen Mängeln nur die allernotwendigste Notiz zu nehmen“[24]. Brod verstand sich selbst dabei mehr als helfender Berater, der das Positive, das er vorfand, zum Erblühen bringen wollte.[25] In seinen Kritiken herrscht dementsprechend oft ein schwärmerischer Ton der Begeisterung vor. So schreibt Brod beispielsweise in einem Brief an Bernd W. Wessling, Bezug nehmend auf seine frühen Kritiken, er habe sie weniger geschrieben, sondern vielmehr „geglüht“[26]. Einen Eindruck vom euphorischen Engagement und seiner teilweise ekstatischen Schwärmerei für Künstler vermittelt eine Stelle seiner Autobiografie, in der Brod sich in seinem Verhältnis zum jungen Werfel als „Lehrer, der vor seinem Schüler auf den Knien lag “[27] charakterisiert.
Seit Max Brod Franz Werfels Lyrik kennen gelernt hatte, bemühte er sich um die Publikation von dessen Gedichten, wenn auch zunächst, wie beispielsweise bei einer Veröffentlichung im Feuilleton der Wiener Zeit, ohne die erhoffte Resonanz.[28] Vehement setzte sich Brod auch für die Veröffentlichung von Werfels Gedichtband Der Weltfreund bei Axel Juncker in Berlin ein. Den entscheidenden Anstoß für die erfolgreiche dichterische Laufbahn Franz Werfels gab Brod schließlich, als er im Anschluss an eine Lesung eigener Werke im Kreise Berliner Literaten und Studenten am 16. Dezember 1912 Werfels Gedicht An den Leser vortrug.[29]
Doch Brods Wirken als Förderer und Promotor beschränkte sich nicht nur auf seinen engeren Freundes- und Bekanntenkreis. Durch seinen Einsatz verhalf er auch verschiedenen tschechischen Künstlern erst zu internationaler Wahrnehmung und Anerkennung. So entdeckte er den von weiten Teilen der zeitgenössischen tschechischen Musikkritik wenig beachteten und weitgehend schlecht besprochenen[30] Komponisten Leo! Janá"ek für ein breiteres Publikum und verhalf ihm, unter Zurückstellung eigener literarischer Arbeit, durch die Übersetzung verschiedener seiner Texte ins Deutsche, zum Durchbruch auf den internationalen Opernbühnen. Seinen Einsatz für Janá"ek setzte er darüber hinaus noch durch eine 1924 veröffentlichte Biografie des Komponisten fort. Neben Werken von Janá"ek übersetzte Brod auch Operntexte anderer zeitgenössischer tschechischer Komponisten wie Förster, Novák, Weinberger und Kri"ka. Dramen tschechischer Autoren wie Antonín Dvorák und Vilém Werner machte Brod durch eine Übertragung ins Deutsche einem breiteren Publikum vertraut.[31] Auch Jaroslav Ha!eks Militärsatire Der brave Soldat Schwejk, vom tschechischen Literaturbetrieb zunächst gering geachtet, gelangte erst nach Brods öffentlicher Fürsprache, Übersetzung und der gemeinsam mit Hans Reiman umgesetzten Dramatisierung des Werkes zu allgemeiner Anerkennung im eigenen Land ebenso wie zu internationaler Bekanntheit.[32] Die Reihe der von Brod entdeckten oder protegierten Künstler ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Zu ihnen zählen beispielsweise auch der Komponist Manfred Gurlitt und der Autor Robert Walser, auf den Brod erstmals 1912 in seiner Essaysammlung Über die Schönheit hässlicher Bilder hinwies, und an dem er auch später in seiner Funktion als Redakteur des Feuilletons des Prager Tagblatts gegen den Willen seines Vorgesetzten festhielt.[33]
Betrachtet man Brods Wirken als Mentor im Überblick, so fällt die hohe Zahl an künstlerischen Entdeckungen und Empfehlungen auf, die ihre Zeit überdauerten und teilweise erst in nachfolgenden Generationen in ihrer vollen Bedeutung erkannt wurden. Charakteristisch für seine Perspektive als Kunstkritiker war dabei sein von den zeitgenössischen politischen und nationalistischen Stimmungen seiner Prager Umgebung unbeeinflusster Standpunkt.[34]
2.1.4 Zionismus und politisches Engagement
In den Jahren vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs begann sich Max Brod verstärkt dem Judentum zuzuwenden, wobei sein wachsendes Interesse sowohl dem jüdischen Glauben und der Tradition der jüdischen Kultur als auch zionistischen Bestrebungen galt. Hier sollen zunächst nur kurz die entscheidenden Anstöße für Max Brods Orientierung hin zum Judentum und Zionismus angeführt und wesentliche Etappen seiner politischen Aktivitäten aufgezeigt werden. Die geistigen Hintergründe der Entfaltung seines jüdischen Bewusstseins und des damit einhergehenden Wandels in grundlegenden Positionen Max Brods werden an entsprechender Stelle eingehender dargestellt werden.
Entscheidende Impulse für Max Brods Hinwendung zum Judentum kamen von Martin Buber, vor allem durch dessen ab 1909 vor dem Prager Studentenkreis Bar-Kochba gehaltenen Drei Reden über das Judentum, sowie durch den Kontakt mit seinem schon früh vom Zionismus überzeugten Freund Hugo Bergmann, durch den er zum ersten Mal von Theodor Herzl hörte und mit dessen Ideen in Berührung kam.[35] Einen ausgleichenden Kontrapunkt zu diesen theoretischen Begegnungen mit jüdischer Glaubenslehre und Zionismus bildete der Kontakt mit einer 1911 in Prag gastierenden, ostjüdischen Schauspielertruppe, durch die Max Brod zum ersten Mal ursprüngliche, mythische jüdische Religiosität, weit entfernt von den im Niedergang begriffenen Resten jüdischen Glaubens in seinem Umfeld, unmittelbar erleben konnte.[36] Mit seiner Hinwendung zum Zionismus erweiterte sich der Rahmen von Brods öffentlichem Engagement, der sich zuvor im wesentlichen auf die Kunst beschränkt hatte, sowohl auf Bemühungen im Rahmen der zionistischen Bewegung als auch der allgemeinen lokalen und nationalen Politik. Brod erläuterte das Motiv für seine zu dieser Zeit einsetzenden politischen Aktivitäten selbst als Konsequenz seiner persönlichen Entwicklung in einem Interview im Jahr 1968: „Ich sah meine politische Tätigkeit als Pflicht eines Juden “.[37]
Eine erste solche, in ihrem Idealismus aus heutiger Sicht regelrecht surreal anmutende politische Aktion stellte der 1914 kurz vor Ausbruch des Weltkrieges auf Initiative von Max Brod gemeinsam mit Franz Werfel und Max Wertheimer unternommene Versuch dar, den Kriegsausbruch im letzten Moment noch zu verhindern. Die Gruppe um Brod ersuchte Thomas Masaryk, den späteren ersten Präsidenten der tschechoslowakischen Republik, zu versuchen, Italien als neutrale Macht zur Intervention zu bewegen, was jedoch an dessen Ablehnung scheiterte.[38]
Gemeinsam mit Hugo Bermann gründete Max Brod den zionistischen Klub in Prag, in welchem Vorträge zu jüdischen Themen gehalten und der zionistische Gedanke propagiert wurde. Er studierte Hebräisch, trat dem zionistischen Distriktskomitee bei[39] und engagierte sich für die während des Krieges in großer Zahl nach Prag strömenden ostjüdischen Flüchtlinge, wobei er sowohl bei der Organisation von Hilfsgütern mithalf als auch selbst Unterricht in jüdischer Geschichte und europäischer Literatur an eigens für die Geflüchteten eingerichteten Schulen erteilte.[40]
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs setzte er sich in den Vorbereitungen zur Bildung der neuen Tschechoslowakischen Republik für die Gleichberechtigung des jüdischen Bevölkerungsteils, für die Anerkennung der vollen nationalen Rechte sowie für einen gewissen Grad an Autonomie für die tschechischen Juden ein. Diese Bemühungen führten schließlich zur Gründung des jüdischen Nationalrates, als dessen Vizepräsident Max Brod mehrere Jahre fungierte. Gemeinsam mit dem Präsidenten des jüdischen Nationalrates, Ludwig Singer, kämpfte Brod um die Einführung eines hebräischen Schulwesens in der Tschechoslowakei, was schließlich zur Eröffnung zweier hebräischer Gymnasien und einer jüdischen Volksschule führte.[41] Bei der ersten allgemeinen Wahl zur tschechoslowakischen Nationalversammlung im April 1920 trat Brod im in den Karpaten gelegenen Wahlkreis Eperies als Spitzenkandidat der jüdischen Partei an, zog sich aber, nachdem seine Wahl gescheitert war, aus der aktiven Politik zurück.[42]
In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren nutze Brod seine Stellung als Redakteur des Prager Tagblatts und später als Pressereferent der tschechoslowakischen Regierung, um nachdrücklich auf die Gefahren des aufziehenden Nationalsozialismus hinzuweisen, die sich auch bereits in Prag abzuzeichnen begannen. Er polemisierte gegen dessen geistige Wegbereiter wie Alfred Rosenberg und bekennende nationalsozialistische Dichter wie Heinrich Anacker und Will Vesper.[43] Als einer der ersten protestierte Brod gegen die Annäherung Gottfried Benns an die Nationalsozialisten[44] und geriet in Konflikt mit Karl Kraus und dessen Zeitschrift Die Fackel. Noch in seiner Autobiografie warf er Kraus, an dem er alle Symptome des Phänomens des „jüdischen Selbsthasses“, wie von Theodor Lessing beschrieben,[45] zu erkennen glaubte, vor, ständig „auf der falschen Seite“[46] gestanden zu haben, eindeutig von nationalsozialistischem Gedankengut geprägte Beiträgen in seiner Zeitschrift geduldet und damit dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet zu haben.[47] Auch für den Dichter Carl von Ossietzky engagierte sich Brod nach dessen Verhaftung durch die Nationalsozialisten.[48]
2.1.5 Emigration und Leben in Israel
Mit dem letzten Zug, der vor dem Einmarsch der deutschen Armee die tschechoslowakische Grenze Richtung Polen passierte, verließ Max Brod Prag.[49] Die Entscheidung zur Emigration war endgültig nach dem Abschluss des Münchner Abkommens gefallen.[50] Das Angebot Thomas Manns an Brod, „in der Mondlandschaft Kaliforniens etwas in gesicherter Umgebung zu tun“[51] schlug dieser dankend aus, als Ziel stand für ihn als erklärtem Zionisten unzweifelhaft das damals unter britischem Mandat stehende Palästina fest[52], wo er ohnehin beabsichtigt hatte, seinen Lebensabend zu verbringen.[53] Nun fand er sich allerdings im Alter von 55 Jahren in der Situation wieder, sich nochmals ein neue Existenz aufbauen zu müssen. Die anfänglichen Schwierigkeiten, beispielsweise die Notwendigkeit, sein nur lückenhaftes Hebräisch zu verbessern, wurden durch die Genugtuung gelindert, sich aktiv am Aufbau des Landes beteiligen zu können.[54] Bereits nach wenigen Wochen in Palästina trat er eine Stellung als Dramaturg an der Habimah an, eine Tätigkeit, in der er bis zu seinem Lebensende weiterwirkte.[55] Auch seine Tätigkeit als Musikkritiker nahm er im Dienste der Zeitung Jedioth Chadashoth wieder auf.[56]
Zwischen den Jahren 1938 und 1947 kam das dichterische Schaffen Max Brods beinahe vollständig zum Erliegen, lediglich das in hebräisch abgefasste und niemals veröffentlichte Drama Shaul entstand während dieser Zeit. Ursächlich für diese stumme Phase im ansonsten literarisch ungemein produktiven Leben Max Brods sind, neben den ohnehin schon zur Genüge katastrophalen Umständen des Zweiten Weltkrieges vor allem seine persönlichen Verluste während dieser Zeit. Brod verlor zahlreiche Bekannte und Familienmitglieder durch den nationalsozialistischen Massenmord, darunter sein Bruder Otto.[57] Besonders hart trafen ihn darüber hinaus der Selbstmord Stefan Zweigs im brasilianischen Exil, sowie der Tod seiner Frau im Jahr 1942.[58]
Trotz der von Deutschen begangenen Gräuel blieb Max Brod Zeit seines Lebens der deutschen Kultur verbunden und publizierte auch in seiner neuen Heimat in deutscher Sprache.[59] Eine Verbindung zu vergangenen Prager Tagen bildeten sowohl die Kulturabende in deutscher Sprache, die seine Schwägerin Nadja Taussig in Tel-Aviv veranstaltete, als auch die fortwährende Freundschaft zu dem ebenfalls nach Palästina emigrierten Felix Weltsch.[60]
Mehrfach bereiste Brod wieder Europa, 1954 zum ersten Mal auch wieder Deutschland, welches er von nun an bis zu seinem Tod regelmäßig für Vorträge und Lesungen besuchte.[61] Im letzten Kapitel seiner Autobiografie sprach Brod sich ausdrücklich für eine Aussöhnung mit Deutschland, insbesondere angesichts einer neu heranwachsenden, nicht an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligten Generation, aus.[62] Max Brod starb am 20. Dezember 1968 in Tel Aviv.[63]
2.2 Literarische Entwicklung und geistige Tendenzen im Werk Brods
Im Rahmen dieser Arbeit kann und soll kein Überblick über die reiche publizistische Tätigkeit Max Brods gegeben werden, der Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte. Vielmehr werden im Folgenden zur Illustration seiner geistigen und literarischen Entwicklung Max Brods wichtigste Veröffentlichungen vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund ihrer Entstehung sowie der für ihn prägenden Einflüsse dargestellt. Die damit nachgezeichnete Entwicklung bildet den Kontext, in dem sich seine Deutung zu Kafkas Werk entfaltete.
2.2.1 Indifferentismus und Expressionismus
Die ersten Werke Brods, vorwiegend Novellen mit psychologischer und philosophischer Tendenz, sind erkennbar beeinflusst von zeitgenössischen Strömungen des beginnenden 20. Jahrhunderts, von der Atmosphäre des im Zerfall begriffenen Kaiserreichs[64], besonders aber von der Lektüre Schopenhauers, die für Brod seit seinem 16. Lebensjahr prägend war.[65] Diese Haltung der ersten Epoche seines Schaffens, von ihm selbst als „Indifferentismus“ bezeichnet, ist geprägt von Brods Verständnis Schopenhauers, besonders von der dort beschriebenen Unfreiheit des menschlichen Willens[66], die bei ihm zu einer Haltung der Gleichgültigkeit, eines „ Allverzeihens, das in einem müden Fatalismus auslief“[67] führte. Nach Schopenhauer tut der Mensch immer das, was er tun will und tut dies doch notwendigerweise, weil er das ist, was er will.[68] Angesichts dieser scheinbaren Unfreiheit des Willens erschien es dem jungen Brod unmöglich, menschliches Handeln einer ethischen Wertung zu unterwerfen. Er gelangte zu der Einsicht, dass dem Künstler lediglich die Möglichkeit bleibe, einen gleichgültigen, indifferenten, passiven Standpunkt einzunehmen und von diesem aus die Dinge zu beschreiben.[69] Diese empfundene Unmöglichkeit, moralisch zu Urteilen, findet in deutlicher Weise ihren Niederschlag in den beiden Leitsprüchen, mit denen Brod seine erste, 1906 publizierte, Novellensammlung Tod den Toten! einrahmt: „ Nil admirari “ („Nichts bewundern “) auf der ersten und „Omnis admirari“ („ Alles bewundern “) auf der letzten Seite des Bandes.[70] Nichts lässt sich in der Weltsicht, die in diesen Texten zum Ausdruck gelangt, durch den Menschen verändern oder bestimmen. Unabhängig davon, ob man alles oder nichts bewundert, ist der Lauf der Dinge, das menschliche Handeln einem unentrinnbaren Kausalgesetz unterworfen. In den in Tod den Toten! versammelten Novellen herrscht ein teilweise ans Zynische grenzender, hoffnungsloser Ton vor, besonders ausgeprägt etwa in der Studie über das Mitleid, in der Brod das Bild einer hohlen Gesellschaft vor dem Hintergrund einer erbarmungslosen Natur zeichnet.[71] Erst im letzten Text der Sammlung, Indifferentismus, blitzt ein Funke des späteren, optimistischen Brod auf. Der Protagonist der Novelle, der durch Krankheit zur Inaktivität gezwungene Lo, charakterisiert als „wahrer Indifferentist “[72], bewältigt seine Unfreiheit, indem er seine Umgebung aus seinem passiven, ästhetischen Standpunkt heraus beobachtet und sich hieran erfreut, wobei das sich dabei auf seinem Gesicht abzeichnende Lächeln bereits als zaghafter Schritt heraus aus der völligen Passivität des Indifferentismus verstanden werden kann.[73]
Vorerst jedoch blieb Brod auch in seinen folgenden Publikationen der Passivität des Schopenhauerschen Pessimismus verhaftet. So gelangt Carus, die von Brods erstem Eindruck von Kafka inspirierte Hauptfigur[74] seiner 1907 veröffentlichten Novellensammlung Experimente, zur Überzeugung, dass jeder Kampf letztlich nur ein Ankämpfen gegen das ohnehin Unabwendbare darstelle.[75]
Zur Gleichgültigkeit gesellt sich in Brods erstem Gedichtsband Der Weg des Verliebten auch noch stellenweise das Morbide, das Schwelgen in Krankheit und Tod, allerdings in dieser Form nur als einmalige Erscheinung in seinem literarischen Schaffen. Wie eine ins Extreme gesteigerte Deklaration der Haltung des Indifferentismus liest sich das 39. Gedicht der Sammlung, Der Indifferente besinnt sich, in der die Krankheit als Erlösung von den Verpflichtungen des alltäglichen Lebens begrüßt wird, und dessen Anfangszeilen im Folgenden exemplarisch für die Einstellung Brods während dieser Phase seines Schaffens wiedergegeben werden sollen:
„Wie ist es süß, im Frühling siech zu sein...
Wenn draußen linde lichte Lüfte streifen,
lieg ich im Bett mit meiner lieben Pein
und fühle die Geschwüre reifen.
Nun bin ich nicht verpflichtet
wie in gesunden Tagen
Genüssen nachzujagen. “[76]
Erstmals in dem 1907 erschienen Roman Ein tschechisches Dienstmädchen beginnt sich ein Wandel in Brods Weltbild abzuzeichnen. Er selbst bezeichnete Jahre später dieses Werk als den „ Wendepunkt “[77] , mit dem eine Neuausrichtung seiner Einstellung ihren Anfang genommen habe. Die Liebe, die den Protagonisten des Romans, den als dumpfen Indifferenten gezeichneten William, wenigstens für kurze Zeit aus der Gleichgültigkeit seines indifferenten Dahinvegetierens erhebt, erscheint darin als möglicher Ausweg aus dem Geflecht des Schopenhauerschen Pessimismus.[78] Brod sieht den Roman in seiner Autobiografie als Einstieg in die, wie er es nennt „echte Problematik des Volks- und Glaubenswesens “[79], die seine späteren Überlegungen stark prägen sollten. Noch einmal merklich vom Geiste Schopenhauers durchdrungen ist Brods 1908 veröffentlichter Roman Schloß Nornepygge. Der Roman des Indifferenten, der von der vergeblichen Sinn- und Identitätssuche des Protagonisten Walder Nornepygge handelt, die schließlich in dessen Selbstmord endet.[80] Der Roman stieß, gerade im Rahmen des sich zu dieser Zeit entfaltenden Expressionismus, sowohl aus inhaltlichen als auch sprachlichen
Gründen,[81] auf ein breites positives Echo und verschaffte Max Brod über die Grenzen Prags hinaus Popularität. Insbesondere in den Zirkeln der jungen Berliner Autoren um Kurt Hiller wurde der Roman begeistert aufgenommen und in Brod regelrecht ein „Prophet des Expressionismus“[82] zu sehen geglaubt. Die Stellung Brods innerhalb der Epoche des Expressionismus lässt sich allerdings als ausgesprochen ambivalent charakterisieren. Einerseits trugen seine Veröffentlichungen Merkmale der Bewegung, er unterhielt Beziehungen zu den führenden Vertretern des Expressionismus und publizierte in ihren Zeitschriften.[83] Andererseits lässt sich im Lauf der Zeit bei Brod eine zunehmend kritische Haltung zum Expressionismus feststellen, insbesondere zu dem, was er als von der Geltungssucht seiner Autoren geprägten „schreienden Expressionismus“[84] sah. Dieses Misstrauen bezüglich des Antriebs vieler Autoren fand ihren Ausdruck beispielsweise auch in dem Gedicht Wüßtet ihr, was Gefühl ist... von 1920,[85] in dem es heißt:
Ihr plakatiert euer Güte-Plakat.
An allen Litfaßsäulen: Große Menschenliebe!
Verbrüderung! Umarmt euch! Sonnenstaat!
Wäre nur eure Unterschrift nicht so giftgrün,-Gern glaubt ich euch! In euren Augenwinkeln Wär eigensüchtig nicht dies Lächeln und Verblühn! [...][86]
Mit diesem etwas bitteren Fazit, das Brod am Ende des „expressionistischen Jahrzehnts“ formulierte, bezog er sich allerdings vornehmlich auf den deutschen Expressionismus.[87] Um die Zeit der Veröffentlichung des Romans „Schloss Nornepygge“ begann sich Max Brod vom Indifferentismus zu lösen. Seine im wesentlichen auf Schopenhauer fußende Weltsicht bereitete ihm, wie er selbst in seiner Autobiografie bekundet, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die ihn Antrieb, nach einem Ausweg aus dieser Haltung zu suchen. Zwischenzeitliche
Erbauung fand er in Gedichten und Erzählungen Jules Laforgue. Besonders dessen Lieblingsfigur, der Spaßmacher Pierrot, schien ihm mit seiner von ironischen, melancholischen Späßen geprägten Lebensweise einen Weg aus der Enge seines Weltbildes zu weisen.[88] Doch die Beschäftigung mit Laforge , das „Operettenhafte als Weltanschauung“[89] bildete nur eine Zwischenschritt in Brods Suche und Entwicklung, die schließlich in seine Hinwendung zur jüdischen Glaubenstradition und zum Zionismus mündete.[90]
2.2.2 Hinwendung zum Judentum
Max Brods weltanschauliche Neuorientierung in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ist eng verbunden mit der Person Martin Bubers. Buber übte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts mit seinen Vorlesungen, chassidischen Legenden und sonstigen Publikationen einen inspirierenden Einfluss auf die ihren religiösen Wurzeln weitgehend entfremdeten, assimilierten Westjuden Mitteleuropas aus, indem er ihnen eine für sie sowohl verständliche als auch annehmbare Auffassung der jüdische Religion vermittelte.[91] Die Wirkung der bereits erwähnten Drei Reden über das Judentum Bubers auf die Herausbildung von Max Brods jüdischem Bewusstsein und seine Abkehr von dem Pessimismus und der Passivität seiner von Schopenhauer geprägten „indifferenten“ Weltsicht kann kaum überschätzt werden. Buber hielt diese Reden im Jahr 1909 vor dem jüdischen Studentenverein Bar-Kochba, dem Brod zu dieser Zeit, wie er selbst bekundet, nur als „Gast und Opponent“[92] angehörte.
Thema des ersten der drei Vorträge war das Verhältnis des einzelnen Juden zu seinem Volk und die sich daraus ergebende besondere Position des Juden in der Diaspora. Im Zentrum der zweiten Rede stand das „Dualitätsbewusstsein“ des Judentums, demzufolge es die Aufgabe des jüdischen Menschen sei, die richtige Entscheidung zwischen Gut und Böse zu treffen. In seiner dritten Rede sprach sich Buber schließlich für eine Erneuerung des Judentums, nicht im Sinne einer Verjüngung oder Neubelebung, sondern als völlige Neuwerdung aus. Nach Buber stellt das Judentum einen fortwährenden Geisteskampf um eine immer vollkommenere Verwirklichung der Ideen von Einheit, Tat und Zukunft dar. Die Sehnsucht und das Streben nach Einheit resultiert in der Auslegung Bubers aus der angesprochenen Polarität von Gut und Böse und wird vom gläubigen Juden in der Einheit seines Gottes gefunden. Im Mittelpunkt der jüdischen Religiosität steht nach Buber die Tat, nicht der Glauben. Gemäß dieses Verständnisses ist jede Tat, unabhängig davon wie bedeutend oder unbedeutend, dann heilig, also im Sinne Gottes, wenn sie auf das Heil, auf die Erlösung gerichtet ist. Dabei ist einzig die Seele dessen, der die Tat vollzieht, also allein ihre Weihung, nicht der Verlauf oder Ausgang ihrer realen Umsetzung bestimmend für das Wesen der Tat.[93]
Die Reden Bubers, besonders seine Ausführungen über die zentrale Bedeutung der Tat im Judentum, wiesen Brod den seit langem gesuchten Ausweg aus der Passivität seiner „indifferenten“ Haltung hin zu einem von eigener Aktivität bestimmten Leben.[94] Auch stand für Brod nach den Reden Bubers hinsichtlich seines Selbstverständnisses endgültig fest, dass er sich als Jude verstand. Zwischen Buber und Brod entspann sich in den folgenden Jahren ein stetiger Briefwechsel, der sich bis zum Tod Bubers 1965 fortsetzte, und in dem Brod seine Auseinandersetzung mit religionsphilosophischen Themen und Fragen des jüdischen Volkstums vertiefte.[95]
Ein weiterer Punkt, der nach Brods eigener Darstellung nach einer Phase der Unentschiedenheit die Entscheidung für das brachte, was er selbst als seine „jüdische Entwicklung“[96] bezeichnete, war die Begegnung mit der lebendigen Glaubenswelt des Ostjudentums, die er im Kontakt mit einer Lemberger Theatertruppe,[97] die sich 1910 und 1911 in Prag aufhielt, kennen lernte. Brod beschreibt, wie er erst im Kontakt mit dieser Schauspielertruppe einen tieferen Einblick in authentisches jüdisches Volkstum erhalten habe, „erschreckend, abstoßend, zugleich magisch anziehend, sternhaft“.[98] Insbesondere beeindruckte ihn bei dieser Begegnung das von der Kraft des Glaubens getragene, fürsorgliche Miteinander dieser Menschen. Brods Respekt und Interesse für das Ostjudentum vertiefte sich weiter während des Ersten Weltkriegs im alltäglichen Umgang mit ostjüdischen Flüchtlingen.[99]
Ein weiterer, für die Entwicklung Brods nicht unerheblicher Aspekt waren die ersten direkten zionistischen Einflüsse, mit denen er in Kontakt kam. Angeregt durch seinen Freund Hugo Bermann begann Brod sich mit Theodor Herzl und dessen Ideen bezüglich der Realisation eines Judenstaates auseinanderzusetzen. Bergmann machte Brod ebenfalls mit den in Opposition zu Herzls politischem Zionismus stehenden Ideen Achad Ha´ams vertraut. Ha´am vertrat die Konzeption eines kulturellen Zionismus, der statt der Staatsgründung als primäres Ziel die Etablierung eines geistigen Zentrums des Judentums durch die Sammlung einer jüdischen Elite in Palästina anstrebte.[100]
Brod, der Passivität seiner „indifferenten“ Phase überdrüssig, fühlte sich durch Bergmanns Essay Kiddush Hashem, in dem dieser dem Menschen eine aktive Rolle an der Seite Gottes bei der Erhaltung der Welt zuschreibt, zusätzlich in seiner Entwicklung bestärkt.[101] Aus all diesen neuen Eindrücken, insbesondere aber aus der zuletzt angesprochenen Schrift Bergmanns schöpfte Brod ein neues, in der jüdischen Religion verankertes Freiheitsgefühl, als Mensch aktiv an der Gestaltung der Welt mitarbeiten zu können.[102] Brods Durchbruch zu diesem neuen Erlebnis der Freiheit fand ihren Ausdruck auch in seiner Lyrik, etwa in dem Gedicht Kosmos, welches 1917 im Sammelband Das gelobte Land veröffentlicht wurde. Während in den ersten beiden Zeilen noch die Schatten alter Hoffnungslosigkeit und Zweifel zu erahnen sind, bricht ab der dritten Zeile die neue Haltung geradezu triumphierend hervor:
„Kleine Schatten auf der kleinen Erde,
Sterben wir und sind wie nichts vergessen.
Doch uns ist gegeben: mitzuwirken !
Wenn du, Mensch, dich gut zu sein, entscheidest,
Wirst den Weltenlauf du umgebären.
Fabel war es, daß du sinnlos leidest.
Gib dein Herz, - dir geben sich die Sphären“[103]
Auch in Brods Romanen schlug sich sein wachsendes Interesse an jüdischer Religion und Identität nieder, so erstmals in dem 1911 veröffentlichten Werk Jüdinnen, in dem er sich allerdings noch rein deskriptiv mit dem Thema Judentum auseinandersetzte. Magarita Pazi charakterisierte den Roman als von „künstlerische[r] Beschaulichkeit“[104] geprägt. Der Schwerpunkt dieses Romans liegt eindeutig auf der Ästhetik der Beschreibungen, Details jüdischen Lebens stehen im Fokus der Betrachtung. Es kann angenommen werden, dass Brod bei dieser Annäherung über die Oberfläche seinen Blick für spezifisch Jüdisches in seinem Alltagsleben, dass er bisher in dieser Form nicht wahrgenommen hatte, schärfte.[105] Mit seinem folgenden Roman, Arnold Beer. Schicksal eines Juden verließ Brod diese rein ästhetische Ebene und befasste sich mit der Problematik jüdischer Existenz. Die Titelfigur des Romans, Arnold Beer, ein assimilierter, seinen religiösen und traditionellen Wurzeln entfremdeter und trotz seiner Talente und seines Verstandes ziellos vor sich hin lebender Jude, der erst durch den Besuch bei seiner Großmutter Orientierung und Sinn in seinem Leben findet[106], weißt deutlich autobiografische Züge Brods auf. Verstärkt wird die Nähe zur eigenen Biografie noch durch die Figur der Großmutter, die im Roman die Ahnen, das kulturelle und religiöse jüdische Erbe verkörpert, und mit der Brod, wie er in seiner Autobiografie darlegt, seine eigene Großmutter literarisch verewigte.[107]
In seinem 1915 veröffentlichten, ersten großen historischen Roman, Tycho Brahes Weg zu Gott entfaltete Max Brod seine nach Überwindung des Indifferentismus neu gewonnene Haltung, in der jüdischen Religion auf Grund der Möglichkeit einer aktiven Mitarbeit am Werk Gottes die höchste Ausprägungsform der Freiheit zu sehen. Die Hauptfigur des Romans, der als Astronom und Mathematiker am kaiserlichen Hof Rudolf II. im Prag des anbrechenden 17. Jahrhunderts angestellte Tycho Brahe, beschreitet im Verlauf der Handlung einen mühevollen Weg zu sittlichem Verhalten, freier Entscheidung des Willens und zum freudigen Mitwirken am Werk Gottes. Die Handlung kulminiert schließlich in einer Begegnung mit dem mythenumrankten Rabbi Löw, der Tycho Brahe anweist, seinen Teil zur Schöpfung beizutragen.[108]
In den dargestellten Romanen wie auch in zahlreichen zeitgenössischen Essays und Kontroversen, in denen sich Brod mit Zionismus, jüdischer Identität sowie zunehmend auch ethischen Fragen auseinandersetzte, bereitete sich bereits seine erste umfangreiche religionsphilosophische Schrift vor, die 1921 unter dem Titel Heidentum, Christentum, Judentum. Ein Bekenntnisbuch erschien. In dem zweibändigen Werk versucht Brod, das „Wesen“ des Judentums zu bestimmen, indem er es mit Christentum und Heidentum[109] kontrastiert und gegen diese abgrenzt.[110] Zur Charakterisierung von Christentum, Heidentum und Judentum vergleicht Brod, in welchem Verhältnis das Diesseits, also unsere materielle Welt und das Jenseits, die göttliche Sphäre, in den drei geistigen Haltungen zu einander stehen. Brod kommt dabei zu dem Schluss, dass im Heidentum das Jenseits, die göttliche Sphäre, lediglich eine kaum sich unterscheidende Fortsetzung des Diesseits darstelle. Götter verkörpern in dieser Auffassung lediglich in ihrer Ausprägung übermäßig gesteigerte Erscheinungsformen von Phänomenen des Diesseits, aber keine die Natur überwindende Prinzipien. Das Heidentum kennt nach Brods Darstellung keine Eigengesetzlichkeit des Geistes, der Geist bleibt in letzter Konsequenz immer der Materie unterworfen.[111] Im Christentum mit seiner von der Abkehr von allen natürlichen Trieben geprägten Verneinung des Diesseits und der darin vertretenen, absoluten Ausrichtung auf eine jenseitige Welt, verbunden mit der Forderung, in Erwartung dieser Welt alles diesseitige Unheil passiv zu ertragen, sah Brod den äußersten denkbaren Gegensatz zum Heidentum.[112] Das Judentum verortete Brod nun zwischen diesen beiden äußersten Polen, dem diesseitsbetonten Heidentum und dem jenseitszentrierten Christentum. In diesem Zusammenhang entwickelt Brod den Begriff des „Diesseitswunders“, den er für die im Judentum hergestellte Verbindung zwischen der weltlichen und der göttlichen Sphäre verwendet.[113]
Als Prüfstein für diese Positionsbestimmung entfaltete Brod in Heidentum, Christentum, Judentum seine Theorie vom edlen und unedlen Unglück, in der er das Unglück in der Welt zwei unterschiedlichen Kategorien zuordnete. Dem edlen Unglück zugehörig ist gemäß dieser These jegliches außerhalb der menschlichen Einflusssphäre stehende Unglück. Die Antriebskraft dieses Unglücks ist nach Brod die Leidenschaft, weshalb die Sexualität den zentralen Bereich des edlen Unglücks bildet. Gegen hierzu gehörige Formen von Unglück, die in absoluten, unabänderbar Faktoren, der triebhaften Natur und der Endlichkeit menschlicher Existenz wurzeln, ist der Mensch machtlos. In diesem Bereich bleibt nach Brod dem Mensch nur Demut und die Hoffnung auf die Gnade Gottes, „tatschnaubende Selbstgewissheit“[114] sei angesichts unabänderlicher Umstände unangebracht. Die Möglichkeit menschlicher Einflussnahme beschränkt sich, so Brod, auf das Gebiet des unedlen Unglücks, zu dem alle Arten von Unglück gehören, die nicht metaphysischen, sondern menschlichen Ursprungs sind. Hierzu zählt er beispielsweise Krieg, die Verfolgung und Unterdrückung von Minderheiten oder soziale Ungerechtigkeit. Diesen Formen von unedlem Unglück entgegenzuwirken, aktiv einzugreifen, „nützliche Einrichtungen“[115] zu stiften ist nach Brod dem Menschen nicht nur möglich, sondern seine ausdrückliche Aufgabe innerhalb der Schöpfung.[116]
In dieser nach Brod dem Judentum eigenen Unterscheidung zwischen edlem und unedlem Unglück, zwischen Bereichen, in denen menschliche Einflussnahme möglich und solchen, in denen sie unmöglich ist, sieht dieser nun das entscheidende Unterscheidungskriterium zum Heidentum und Christentum. Judentum ist demnach eine „Grundhaltung der Seele, die beide Bereiche anerkennt, edles und unedles Unglück“[117]. Der Mensch ist gemäß dieser Auffassung Geschöpf Gottes und zugleich, zumindest in bestimmten Bereichen, auch Schöpfer. Die christliche Auffassung unterscheidet sich nach Brods Ansicht dadurch von der jüdischen, dass hier, ausgehend von der Erbsünde, nicht zwischen abwendbarem und unabwendbarem Unglück unterschieden wird[118] sowie dadurch, dass auf Grund der Jenseitsausrichtung des Christentums an die Stelle des aktiven Einsatzes zur Überwindung von Menschen verantworteter Übel deren passive Erduldung im Diesseits tritt. Das Heidentum unterscheidet sich von Judentum und Christentum nach Brod dadurch, dass auf Basis einer heidnischen Auffassung erst gar keine Unterscheidung zwischen edlem Unglück und unedlem Unglück getroffen werden kann, da im Heidentum, wie bereits angesprochen, göttliche Macht immer nur eine gesteigerte Form natürlicher Kraft darstellt und somit keine Grenze zwischen göttlicher und weltlicher, menschlicher Sphäre gezogen werden kann.[119]
Seine Theorie vom edlen und unedlen Unglück nahm eine zentrale Position im Gedankengebäude Max Brods ein, er selbst sah darin „das Bleibende“[120], eine der entscheidenden Früchte seiner religionsphilosophischen Überlegungen.[121]
2.2.3 Weitere Entwicklung Brods
Die Veröffentlichung von Heidentum, Christentum, Judentum markierte gewissermaßen den Abschluss, das vorübergehende Fazit in Brods Entwicklung von der „indifferenten“ Haltung seiner frühen Schaffenszeit hin zum Judentum. Max Brod hat nach seiner Hinwendung zur Religion das Judentum als zentralen Bezugspunkt seines Denkens und Arbeitens nie wieder aufgegeben, seine religionsphilosophischen und ethischen Gedanken und Positionen aber immer wieder modifiziert, diese Überlegungen in theoretischen Schriften niedergelegt und in seinem literarischen Schaffen einfließen lassen. Im Folgenden soll an Hand der wichtigsten Werke nach Heidentum, Christentum, Judentum ein Überblick über das weitere literarische und religionstheoretische Schaffen Brods gegeben werden.
2.2.3.1 Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung
Die Thematik des edlen und unedlen Unglücks griff Brod erneut 1931 in seinem Bildungs- und Entwicklungsroman Stefan Rott oder Das Jahr der Entscheidung auf. Die Handlung des Romans entfaltet sich vor dem Hintergrund des im Zerfall begriffenen Vielvölkerstaates Österreich im Prag des Jahres 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.[122] Der Protagonist des Romans, der siebzehnjährige Stefan Rott, befindet sich auf der Suche nach geistigen Werten und findet sich wieder zwischen den Extrempositionen der alles ertragen wollenden, christlichen Passivität, verkörpert in der Gestalt seines Religionslehrers sowie der materialistischen, sozialistischen Haltung eines engen Freundes, der zu einem übertriebenen, oft ins zerstörerisch reichenden Aktivismus neigt.[123] Schwankend zwischen diesen beiden Haltungen gelangt Stefan Rott durch die Liebe und das Studium Platons schließlich zu einer Philosophie der „schönen Stellen“, in der sich ihm durch das Erlebnis perfekter Momente, beispielsweise beim Anblick von etwas vollendet Schönem oder dem Hören einer vollkommen schönen Melodie, das Eins-Sein mit Gott offenbart. Durch diese Erkenntnis kommt Stefan Rott zu einer Synthese der beiden angesprochenen Positionen, die Brods Theorie von edlem und unedlem Unglück widerspiegelt. In seiner Vorstellung sollte der Mensch in materiellen Dingen streng materialistisch denken, also aktiv eingreifen und auf Besserung hinwirken, gleichzeitig sich in metaphysischen Sphären auf eine ehrfürchtige Haltung beschränken.[124] Die Zweigleisigkeit dieses Konzepts ist zusammengefasst in Stefan Rotts Erkenntnis: „Verehren und Helfen – das ,und‘ ist das wichtigste Wort der Welt“[125].
2.2.3.2 Diesseits und Jenseits
In der Zeit zwischen dem Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei und dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam Max Brods literarische Tätigkeit fast vollständig zum Erliegen.[126] Angesichts des vielfachen persönlichen Leids dieser Jahre geriet das Fundament seiner religiösen und philosophischen Überzeugungen ins Wanken.[127] Als Auslöser seiner erneuten religiösen Überlegungen führte Brod in seiner Autobiografie vornehmlich zwei elementare Fragen an, die angesichts seiner persönlichen Umstände einer Klärung bedurften:
„Ist die Seele unsterblich – und zwar nicht im Sinne des Averröes unsterblich, der die Einzelseele im Licht der allgemeinen Weltseele sich auflösen lä ß t, sondern im ganz wörtlichen Sinne: als individuelle Seele unsterblich? [...] Wie lä ß t sich das Leiden der Welt mit dem Glauben an einen allmächtigen Gott vereinbaren?“[128]
Seine Antworten auf diese und sowie einige weitere grundlegende Fragen legte Max Brod in seinem religionsphilosophischen Hauptwerk, Diesseits und Jenseits nieder, dass 1946 und 1947 in zwei Bänden, Von der Krisis der Seelen und vom Weltbild der neuen Wissenschaft und Von der Unsterblichkeit der Seele, der Gerechtigkeit Gottes und einer neuen Politik, erschien. Verunsichert durch die Schrecken der Zeit und die persönlichen Verluste setzte Brod darin mit seinen Überlegungen wieder am Ausgangspunkt seiner eigenen religiösen Überzeugung an. Dieser Ursprung, aus dem er seine Gewissheit über die Existenz Gottes gewann, lag in dem „Erlebnis des Vollkommenen“. Dem Menschen, in jedem Moment seines Lebens schon von einer Masse an Eindrücken überfordert, ist es im Prinzip unmöglich, eine Vorstellung von der Unendlichkeit, der Sphäre Gottes, zu gewinnen, solange nicht ein Wunder eintritt. Das Wunder einer solchen Erkenntnis kann dem Mensch nach Brods Ansicht in der Form eines „abgekürzten Verfahrens“[129] begegnen, vergleichbar der Idee der „schönen Stellen“, wie Brod sie zuvor bereits in Stefan Rott beschrieben hatte. Indem der Mensch die gesamte Unendlichkeit in einem Punkt zusammengefasst erlebt, erfährt er dadurch die Zugehörigkeit des Unendlichen zur Natur des Menschen.[130]
Die Ursachen für Zerstörungen und Ungerechtigkeiten in der Welt sah Brod in den in ihr herrschenden Kausalstrukturen, nach denen immer und ohne Ausnahme das Recht des Stärkeren gelte, ausgehend von den Urgewalten im Universum, über die Tier- und Pflanzenwelt bis hin zum Menschen, in dem der Gipfel der Grausamkeit erreicht worden sei.[131] Unabhängig davon ist es dem Menschen auf Grund seiner Sonderstellung, die Brod am „Rande der Natur“[132] verortet, möglich, aus der grausamen Kausalstruktur der Welt herauszutreten: „Der Mensch kann gerecht sein, gegen den eigenen Egoismus sich entscheiden.“[133] Diese Möglichkeit einer Durchbrechung des Kausalgefüges der Welt, durch die bewusste Entscheidung zur ethischen Tat, zum Verzicht, zur Zurückstellung eigener Interessen zu Gunsten anderer, steht in Form der Lehre der „ diruptio structurae causarum “[134] im Zentrum aller Überlegungen Brods in Diesseits und Jenseits. Nur durch die „diruptio structurae causarum“, kann dem Menschen der Durchbruch zum „Erlebnis des Vollkommenen“, zum „Unzerstörbaren“[135], gelingen.[136]
Hinsichtlich einer möglichen Unsterblichkeit der Seele zeigte Brod sich in Diesseits und Jenseits davon überzeugt, dass der menschlichen Seele eine individuelle Weiterexistenz nach dem Tode beschieden sei, ohne dies jedoch abschließend mit mehr als seiner gefühlsbedingten Überzeugung belegen zu können: „Nur die Tatsache, daß das geschieht, steht für mich fest – nichts über das Wie.“[137]
[...]
[1] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S. 6f.
[2] Zitiert nach: Brod, M: Juden, Deutsche, Tschechen. S.15.
[3] Zitiert nach: ebd.
[4] Zitiert nach: ebd.
[5] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.23.
[6] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.5.
[7] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.23f.
[8] Vgl. Wessling, B.W.: Max Brod. S.31f.
[9] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S. 121f.
[10] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.35.
[11] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.222ff.
[12] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.35f.
[13] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.118ff. Zu Brods Selbstbewusstsein vgl. auch Fußnote 168 dieser Arbeit.
[14] Vgl. Brod, M.: Prager Kreis. S.155.
[15] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.160.
[16] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.7.
[17] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.42.
[18] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.7.
[19] Trotz ihrer teilweise kontroversen Positionen veröffentlichten die beiden Freunde 1913 die gemeinsam erarbeitete philosophische Abhandlung Anschauung und Begriff. (Vgl. Pazi, M.: Max Brod S.170.)
[20] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.8f.
[21] Vgl. Brod, M.: Prager Kreis. S.99ff.
[22] Vgl. Brod, M.: Prager Kreis. S.169ff.
[23] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.16f. Die Freundschaft litt allerdings sowohl unter Werfels späterer Zuwendung zum Katholizismus, die Brod offenbar nie ganz verzeihen konnte, (Vgl. Kesten, H.: Max Brod. S.229f.) als auch unter Werfels zeitweiliger Begeisterung für Karl Kraus, mit dem Brod zuvor bereits in Konflikt geraten war und den er aus diversen Gründen, insbesondere aber wegen der genussvoll-polemischen, destruktiven Form seiner Kritik ablehnte. Trotz Werfels nach kurzer Zeit vollzogenen Abkehr von Kraus konnte die Zerrüttung in der Beziehung zu Brod nie wieder ganz bereinigt werden.( Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S. 16f.)
[24] Zitiert nach: Pazi, M.: Max Brod. S.18.
[25] Vgl. ebd.
[26] Zitiert nach: Wessling, B.W.: Max Brod. S.91.
[27] Zitiert nach: Brod, M.: Streitbares Leben. S.13.
[28] Vgl. ebd. S.15.
[29] Vgl. Kesten, H.: Max Brod. S.229. Brods Vortrag von An den Leser wird verschiedentlich als einer der zentralen Impulse für die Herausbildung des Expressionismus als literarischer Epoche angeführt, so zum Beispiel von Walter H. Sokel. (vgl. Pazi, M: Max Brod. S. 39)
[30] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.267ff.
[31] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.18.
[32] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.264ff.
[33] Vgl. Wessling, B.W.: Max Brod. S.53.
[34] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.19.
[35] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.47ff.
[36] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.60.
[37] Zitiert nach: ebd. S.19.
[38] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.52.
[39] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.20.
[40] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.55.
[41] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S. 21f.
[42] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.58.
[43] Vgl. Wessling, B.W.: Max Brod. S. 67.
[44] Vgl. ebd. S. 68.
[45] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.65.
[46] Zitiert nach: ebd. S.65. Brod bezog sich insbesondere auf die Affäre Dreyfuss.
[47] Vgl. Wessling, B.W.: Max Brod. S.66f.
[48] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.75.
[49] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.22.
[50] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.281.
[51] Zitiert nach: Wessling, B.W.: Max Brod. S.81.
[52] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.281.
[53] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.22.
[54] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S. 80.
[55] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.22.
[56] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.85.
[57] Vgl. ebd. S.80.
[58] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.23.
[59] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.86.
[60] Vgl. Brod, M.: Prager Kreis. S. 223f.
[61] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.85f.
[62] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.327f. 20 Jahre zuvor, unter dem unvermittelten Eindruck der Gräuel der Kriegsjahre äußerte sich Brod in einem Brief an Hans-Joachim Schoeps vom 4. Juni 1946 noch ausgesprochen ungehalten angesichts dessen Überlegung, zurück nach Deutschland zu gehen, um dort, wie Brod es ausdrückt „inmitten dieses verruchten Volkes [zu] leben“. (Vgl. Schoeps:H.-J.: Im Streit um Kafka und das Judentum. S.113f.)
[63] Vgl. Wessling, B.W.: Max Brod. S.21.
[64] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.25.
[65] Vgl. Brod, M.: Prager Kreis. S.155.
[66] Der menschliche Wille ist nach Schopenhauer nicht wirklich unfrei. Das menschliche Handeln ist allerdings einer strengen Notwendigkeit unterworfen. Der Handelnde ist durch seinen Charakter auf eine bestimmte Handlungsweise festgelegt. Dennoch ist der Mensch nach Schopenhauer für sein Handeln dahingehend verantwortlich, das er sich irgendwann einmal für seinen Charakter entschieden haben muss. (Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.99.)
[67] Zitiert nach: Brod, M.: Streitbares Leben. S.160.
[68] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.99.
[69] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.25.
[70] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.42f.
[71] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.26f.
[72] Zitiert nach: Pazi, M.: Max Brod. S.28.
[73] Vgl. ebd.. S.28.
[74] Vgl. Kafka, F.: Briefe 1902-1924. S.498.
[75] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.44.
[76] Zitiert nach: Brod, M.: Der Weg des Verliebten. S.19.
[77] Zitiert nach: Brod, M.: Prager Kreis. S.156.
[78] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.33f.
[79] Zitiert nach: Brod, M.: Streitbares Leben. S.222.
[80] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.44f.
[81] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.36f.
[82] Zitiert nach: ebd.. S.40.
[83] Vgl. ebd. S.56.
[84] Zitiert nach: ebd.
[85] Vgl. Wessling, B.W.: Max Brod. S.43. Anders: Pazi, M.: Max Brod. S.56. Pazi gibt als Jahr der Publikation 1919 an, weißt aber auf Unsicherheit der Datierung der Erstveröffentlichung hin.
[86] Zitiert nach: Brod, M.: Gesang einer Giftschlange. S. 51.
[87] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.43. Der Hauptunterschied des Prager Kreises zur deutschen Ausprägung des Expressionismus bestand nach Brod in der Klarheit der Forderung der Prager Autoren nach absolutem Realismus in der Darstellung gegenüber der Verwirrung und Eitelkeit, die seiner Ansicht nach bei vielen Autoren in Deutschland vorherrschte.
[88] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.39f.
[89] Zitiert nach: ebd. S.53.
[90] Vgl. ebd.
[91] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.58.
[92] Zitiert nach: Brod, M.: Streitbares Leben. S.48.
[93] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.58f.
[94] Vgl. ebd. S.60.
[95] Vgl. ebd.
[96] Zitiert nach: Brod, M.: Streitbares Leben. S.47.
[97] Vgl. ebd.
[98] Zitiert nach: ebd.
[99] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.60.
[100] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.49.
[101] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.61. Bergmann bezieht seine Ansicht über die aktive Rolle des Menschen aus der Interpretation einer Stelle im dritten Buch Moses, in der es um die „Heiligung des Namens“ (hebr. „Kiddush Hashem“) geht, wobei „Namen“ stellvertretend für Gott steht. Gemäß dieser Auslegung erschafft Gott als die primäre Kraft die Welt, und der Mensch erhält sie sowohl durch Taten im Sinne des Sittengesetzes als auch dadurch, dass er durch sein Leben Zeuge für die Existenz Gottes ist. Durch Tat und Zeugnis ehrt er Gott und handelt in seinem Sinne.
[102] Vgl. ebd. S.61.
[103] Zitiert nach: Brod, M.: Das gelobte Land. S.5.
[104] Zitiert nach: Pazi, M.: Max Brod. S.50.
[105] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.49f.
[106] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.105f. Brod unterstützt den autobiografischen Bezug selbst in einem Brief an Kafka im Jahr 1918, in dem er bezüglich einer Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und Oskar Baum äußert, Arnold Beer sei eben noch in ihm.
[107] Vgl. Brod, M.: Prager Kreis. S.112.
[108] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.90.
[109] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.68. Mit dem subjektiv gebrauchten Begriff „Heidentum“ bezieht sich Brod dabei nicht auf eine konkrete Religion, sondern auf eine Weltanschauung, die die Ordnung des Diesseits „ohne Eingriffsversuche anerkennt“.
[110] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.111. Bärsch weißt darauf hin, dass Brods Betrachtungen zu den einzelnen Glaubensauffassungen sowohl hinsichtlich ihrer Objektivität als auch im Bezug auf seine ontologischen Herangehensweise durchaus kritisch gesehen werden müssen.
[111] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.67f.
[112] Brods Sicht auf das Christentum ist stark geprägt von seiner Lektüre Kierkegaards.
[113] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.112.
[114] Zitiert nach: Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.113.
[115] Zitiert nach: Brod, M.: Streitbares Leben. S.339. Mit den „nützlichen Einrichtungen“, die es nach Brod zu stiften gilt, nimmt er Bezug auf die Legende vom Rabbi Shimon Bar Jochai zurück, in deren Auslegung Brods Überlegungen zum edlen und unedlen Unglück wurzeln. (Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S. 68f.) Rabbi Shimon Bar Jochai beschließt in dieser Legende, nachdem er durch die Einwirkung Gottes gelernt hat, sein Wirken nicht nur auf die metaphysische Welt sondern auch auf die Bewahrung der diesseitigen Welt auszurichten, eine „gute Einrichtung [zu] treffen“ (Zitiert nach: ebd.).
[116] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.66ff.
[117] Zitiert nach: Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.114.
[118] Vgl. ebd.. S.114.
[119] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.67f.
[120] So der bezeichnende Titel des letzten, resümierenden Kapitels seiner Autobiografie, in der Brod seine These vom edlen und unedlen Unglück nochmals als zentral für sein Schaffen hervorhebt.
[121] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.113.
[122] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S. 73f.
[123] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S. 70f.
[124] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.74f.
[125] Zitiert nach: ebd. S.75.
[126] Vgl. ebd. S.23.
[127] Vgl. Brod, M.: Streitbares Leben. S.323.
[128] Zitiert nach: ebd.
[129] Zitiert nach: Pazi, M.: Max Brod. S.81.
[130] Vgl. ebd. S.80f.
[131] Vgl. Bärsch, C.-E.: Max Brod. S.127f.
[132] Zitiert nach: ebd. S.128.
[133] Zitiert nach: ebd.
[134] Zitiert nach: ebd.
[135] Brod verwendet den Begriff in Anlehnung an die Aphorismen Kafkas.
[136] Vgl. Pazi, M.: Max Brod. S.81f.
[137] Zitiert nach: Pazi, M.: Max Brod. S.83.
- Quote paper
- Thomas Kauf (Author), 2008, Eine Studie zu Max Brods Verständnis von Franz Kafka - "Das Unzerstörbare in sich befreien", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128278
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