Im Zusammenhang mit der EU-Agrarpolitik war in der Vergangenheit von "Butterbergen und Milchseen" die Rede. In dieser Arbeit wird nachvollzogen inwieweit sich trotz des suboptimalen Resultat alle Akteure rational verhalten.
Theoretische Grundlage für die Argumentation stellt der rationale Institutionalismus dar. In der Folge werden die verschiedenen Ebenen die für EU-Entscheidungen relevant sind betrachtet.
Zunächst wird gezeigt wie es dem Deutschen Bauernverband (DBV) gelingt als Alleinvertreter der deutschen Bauern wahrgenommen zu werden. Es folgt eine Betrachtung die zeigt wie allein durch rationales Verhalten aller beteiligten Akteure auf Bundesebene, die Agrarinteressen überrepräsentiert werden. Abschließend wird dargestellt wie es dem DBV. bzw der deutschen Politik gelingen kann auf EU-Ebene die Fortsetzung einer "subventionierten Unvernunft" durchzusetzen. Falls trotzdem Reformen zu Stande kommen, sind selbige selten mehr als "alter Wein in neuen Schläuchen".
Gliederung
1. Einfuhrung und Erlauterung des Aufbaus
2. Theorie: rationaler (utilitaristischer) Institutionalismus
3. Die Einflussnahme des DBV auf die EU-Agrarpolitik
3.1 Der Deutsche Bauernverband als Vertreter der Bauerninteressen
3.2 Grande fur die Uberreprasentation der DBV-Interessen durch die deutsche Politik
3.3 Ausbleiben von radikalen Reformen auf EU-Ebene trotz „subventionierter Unvernunft“
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einfuhrung und Erlauterung des Aufbaus
„Ohne RUcksicht auf Verluste. Bauernfunktionare schropfen einen Staat, den sie fest in der
Hand halten“(Die Zeit v. 1.11.1991).
Das einfuhrende Zitat verdeutlicht die Brisanz, die mit dem Thema Agrarsubventionen verbunden ist. Diese Hausarbeit stellt den offensichtlich irrationalen Auswuchsen der Gemeinsamen Agrarpolitik (im Folgenden: GAP) auf der EU-Ebene rationale Grunde und Vorgehensweisen einzelner Institutionen entgegen, die das schleppende Reformtempo der EU die GAP betreffend erklaren. Da die EU-Strukturpolitik zu einem GroBteil ebenfalls der Landwirtschaft zu gute kommt, gelten viele der nachfolgenden Aussagen ebenfalls fur die Strukturpolitik, obwohl die Hausarbeit sich vordergrundig mit der GAP auseinandersetzt.
Die EU-Agrarpolitik beeinflusst, bzw. wird von einer Reihe von Institutionen beeinflusst. Hier sind die nationalen Regierungen, sowie betroffene Verbande zu nennen. Um zu zeigen wie das Einzelinteresse eines Verbandes auf Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen der EU Einfluss nehmen kann, gilt es Einflussmoglichkeiten zu nationalen sowie EU-Institutionen aufzuzeigen. Exemplarisch fur das mogliche Vorgehen von Verbanden wird im Folgenden das Beispiel des Deutschen Bauernverbandes (kurz: DBV) naher analysiert. Zunachst gilt es jedoch einen theoretischen Hintergrund fur das Verhalten von Institutionen zu schaffen. Da der DBV nach nachfolgender Definition eine Institution ist und zudem im hochsten MaBe rational handelt, lasst sich anhand des rationalen Institutionalismus das Vorgehen des DBV am besten nachvollziehen. Das theoretische Kapitel (Kapitel 2) soll fur die nachfolgende Untersuchung lediglich einen theoretischen Rahmen geben. Allgemeine Vor- und Nachteile von Institutionen, welche an Einzelfallen beleuchtet werden, sind somit bekannt.
Den theoretischen Ausfuhrungen folgt eine Analyse der verschiedenen am Entscheidungsprozess indirekt, bzw. direkt beteiligten Institutionen (Kapitel 3). Ausgehend vom Vorgehen des DBV (Kapitel 3.1), wird die Ebene der deutschen Politik (3.2), sowie die EU-Ebene (Kapitel 3.3) beim Zustandekommen der GAP naher beleuchtet. Es gilt Wege der Einflussnahme auf eine hierarchisch ubergeordnete, weil mit groBerem direktem Einfluss auf Entscheidungen ausgestattete Institution, aufzuzeigen.
Von Arne Michel Mittasch
Die sich abzeichnenden bzw. in nahe zuruckliegender Vergangenheit stattgefundenen Reformen, welche den folgenden Ausfuhrungen scheinbar widersprechen, lassen sich mit der EU-Osterweiterung der letzten Jahre erklaren. Da die Zahlungen fur die GAP ohne drastische Reformen den finanziellen Bankrott der EU bedeuten wurden, war und ist die europaische Gemeinschaft zum Handeln gezwungen. Diese Notwendigkeit bestand in derlei MaB bisher nicht.
2. Theorie: rationaler (utilitaristischer) Institutionalismus
Im Rahmen der Internationalen Beziehungen ist mit der institutionellen Theorie die Hoffnung verbunden „Kooperationshindernisse... “ mit Hilfe von „Mikroinstitutionen fur verschiedene Politikfelder...“ (Krell 2004: 239) zu beheben. Unter Institution soll hier, ein Satz von Gewohnheiten und Praktiken, die auf die Verwirklichung gemeinsamer Ziele ausgerichtet ist, verstanden werden (vgl. Bull 1995: 71). Erhoffte positive Effekte, die mit Institutionen im Bereich der Internationalen Beziehungen assoziiert werden, konnen wie folgt zusammengefasst werden:
„Institutions can provide information, reduce transaction costs, make commitments more credible, establish focal points for coordination, and in general facilitate the operation of reciprocity" (Keohane/Martin 1995: 45).
Somit kann im Falle eines Marktversagens versucht werden, durch die Koordination der Reaktion auf dieses Versagen, die resultierenden negativen Folgen auszugleichen (vgl. Krell 2004: 246). Eine notwendige Reaktion kann jedoch durch ungleiche oder ungleich empfundene Kosten-Nutzenverteilung, sowie Uneinigkeit uber die Art der Zusammenarbeit ausbleiben (vgl. Keohane/Martin 1995: 42; Krell 2004: 247).
Eine alternative Theorie zum Institutionalismus, im Kontext der IB, ist der Realismus. Beiden Theorien ist die Annahme gemein, dass das internationale Staatensystem anarchisch gepragt ist (vgl. Krell 2004: 240). Ebenso teilen die Theorien das Bild von Staaten als „einheitliche, rationale Egoisten...“(Krell 2004: 256; vgl. Keohane/Martin 1995: 39). Gegensatzliche Strategien verfolgen die Theorien bei der Pravention von suboptimalen Ergebnissen. Der Realismus geht davon aus, dass divergierende Interessen und/oder Uberzeugungen in letzter Konsequenz in eine kriegerische Auseinandersetzung munden, falls keine ,,Balance of Power“ aufrechterhalten wird. Der Institutionalismus stellt dieser Konfliktlosung eine Verregelung und Verrechtlichung der Internationalen Beziehungen im Rahmen von Institutionen entgegen (nach Krell 2004: 260). Durch die entstehenden Abhangigkeiten im Rahmen der Institutionen, ist eine Eskalation eines Konfliktes fur alle Beteiligten auf Grund resultierender Kosten nicht wunschenswert. Des Weiteren bieten die Institutionen einen Rahmen zur fruhzeitigen Beilegung von Konflikten.
Wahrend die Akteure im Rahmen des rationalen Institutionalismus ausschlieBlich vom eigenen Interessenkalkul geleitet werden, findet nach dem normativen Institutionalismus eine Sozialisation in den Institutionen statt. Neben dem ausschlieBlich utilitaristischen Interesse, gewinnen „Moral, Recht und Gesetz ihr eigenes Interesse.und stabilisieren somit „die Erwartungssicherheit“ (Krell 2004: 257 f.).
Wahrend die bisher gemachten theoretischen Ausfuhrungen Aussagen uber die Beziehungen zwischen Staaten machen, lassen sich auch Elemente des Institutionalismus bei der Betrachtung von innerstaatlichen Institutionen anwenden. So sind die folgenden Aussagen uber rational-institutionalistisches Vorgehen, auch bei der Betrachtung von nationalen Institutionen hilfreich:
“In general, they posit that the relevant actors have a fixed set of preferences or tastes., behave entirely instrumentally so as to maximize the attainment of these preferences, and do so in highly strategic manner that presumes extensive calculation" (Hall/Taylor 1996: 12).
“...when individuals acting to maximize the attainment of their own preferences are likely to produce an outcome that is collectively suboptimal..."(Hall/Taylor 1996: 12).
Das zweite Zitat weist auf negative Folgen von rational-institutionalistischem Handeln, im Bezug auf das „Gefangenendilemma” nach Tsebelis, hin.
3. Die Einflussnahme des DBV auf die EU-Agrarpolitik
Im Folgenden wird ausgehend vom DBV aufgezeigt, wie ein gesamtgesellschaftlich irrationales Ergebnis aus dem rationalen Verhalten von Institutionen resultieren kann. Uber die Irrationalitat der GAP besteht in der Fachliteratur kaum ein Zweifel, so bezeichnet Heinze die EU-Agrarpolitik als „subventionierte Unvernunft“(Heinze 1992: 28). Interessant ist nicht nur die Intention der Institutionen, sondern vielmehr das Vorgehen, mit welchem sie ihre Ziele, zuwider dem Gemeinwohl, durchsetzen. Ausgehend vom Handeln des DBV, werden rationale Argumente und Handlungsweisen der politischen Entscheidungstrager auf Bundes- und EU-Ebene aufgezeigt, welche die GAP nachvollziehbar machen.
3.1 Der Deutsche Bauernverband als Vertreter der Bauerninteressen
Die starke Stellung des DBV im deutschen Verbandssystem hat mehrere Grunde. Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland der drittgroBte Agrarproduzent in der EU (vgl. DBV 2007: 145). Zudem verfugt der DBV mit einem Organisationsgrad von uber 90 % nahezu uber ein „Reprasentationsmonopol“ (Heinze 2003; Maisack 1995: 10), bei der Vertretung deutscher Bauerninteressen. Ebenso starkt die hierarchische Organisation des DBV die „gtinstige Position im Verbandssystem...“ (Heinze 1992: 78), bei einer auf Grund ihrer diffusen Interessen schwachen Verbrauchervertretung als moglichen Gegenspieler. Auch die Uberreprasentation der Interessen der GroBbauern zu Lasten der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe mag dieser starken Stellung nichts anhaben (vgl. Ribbe 2001: 32). Diese starke Position nutzt der DBV an mehreren Verbindungspunkten mit der Politik. Besonders haufig betreibt der DBV Lobbyarbeit, indem der Verband Abgeordnete beeinflusst, Parteien personell durchdringt und bei politischen Beratungen Expertise bereitstellt (vgl. Alemann 1996: 36). Neben der beschriebenen starken Position im Verbandssystem, bedient sich der DBV bekannten Druckmitteln von Verbanden. Als „entscheidende(s) Druckmittel“(Heinze 1992: 83) gilt die Drohung mit den Wahlerstimmen von Mitgliedern und Solidierenden (vgl. Alemann 1996: 36). Zudem gelten Demonstrationen und Boykotte als effektive Druckmittel. Zuletzt gilt es noch die medialen Anstrengungen des DBV zu erwahnen. Neben eigenen Veroffentlichungen, wie dem jahrlich erscheinenden „Situationsbericht“, sucht der DBV auch gezieltjournalistische Fursprecher. Durch das aktive Vorgehen des DBV werden immer wieder berechtigte Vorwurfe laut, dass die „Agrarlobby...“ massiv ihren Einfluss nutze „um Pfrtinde zu wahren und gegen eine Agrarwende anzukampfen“(Ribbe 2001: 30).
Um die Verbandsinteressen moglichst gut vertreten zu konnen, arbeitet der DBV mit unterschiedlichen Partnern auf der institutionellen Ebene zusammen.
Den direkten Kontakt zur deutschen Politik stellt der DBV uber den Kontakt zur staatlichen Verwaltung her. Hierbei bestimmt „freiwillige Kooperation das Zusammenwirken“(Alemann 1996: 39). Zum einen konnen die „Staatsinstanzen (hier: Regierung und Verwaltung) bei Reformen nicht auf die Untersttitzung und den Rat des Bauernverbandes verzichten“ (Mandle 1972: 74). Auf der anderen Seite kann der DBV diese beratende Position gut nutzen, um Einfluss auf die Politikformulierung zu nehmen (vgl. Heinze 1992: 81).
Auch der Kontakt des DBV mit den im Bundestag vertretenden Parteien ist keinesfalls einseitiger Natur. Vielmehr suchen die Parteien eine enge Verbindung mit dem DBV, um assoziiertes Wahlerpotenzial auszuschopfen (vgl. Maisack 1995: 16). Besonders erwahnt werden muss die besondere Verbindung des DBV mit der CDU/CSU-Fraktion. Die traditionell enge Kooperation zwischen dem DBV und der CDU/CSU wird daran deutlich, dass die eindeutige Mehrheit des DBV-Prasidiums im Besitz des Parteibuches der CDU oder CSU ist (vgl. Heinze 1992: 69). Des Weiteren halt der DBV auch den Kontakt zu den Agrarexperten von SPD und FDP (vgl. Heinze 1992: 79). Besonders aktiv nutzt der DBV seine Kontakte zu den Parteien zu Zeiten von Regierungsneubildungen, um im Zuge der Regierungsumbildung eine moglichst starke Stellung zu wahren, bzw. einzunehmen (vgl. Heinze 1992: 82).
Dem DBV gelingt es ebenso, wenn auch deutlich eingeschrankter, auf der EU-Ebene seine Interessen zu vertreten. Neben der indirekten Vertretung uber die nationalen Parteien findet der DBV auch direkt bei der Entwicklung von Policy-Vorschlagen Gehor (vgl. Krell 2004: 206). Dies geschieht, indem der DBV versucht „Initiativen und Vorschlage der Kommission durch das Bereitstellen von Information und Expertise in (seinem) Sinne zu beeinflussen“(Krell 2004: 204).
Neben den Kontakten zu politischen Institutionen existieren auch Kontakte zur Industrie. Hierbei verfolgt der DBV eine Doppelstrategie. Zum einen sucht der DBV Kontakte zu „vor- und nachgelagerten Industriebereichen...“(Heinze 1992: 72). Zum anderen „verschworen sich...“ Gewerkschaften und Bauernverbande, „um auf Kosten anderer Vorteile fur sich selbst zu erreichen...“(Schultz 1976: 31). So argumentierten DBV, Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) und Gesamtverband des deutschen Stahlkohlebergbaus (GvST), dass „keine verantwortliche Regierung.auf Produktion von Nahrungsmitteln und Energierohstoffen im eigenen Land verzichten (konne)... “ (DBV 1991).
Wie im vorangegangenen Beispiel verdeutlicht, verwendet der DBV implizite Drohungen und Populismus zur Verwirklichung der Verbandsinteressen. So werden beispielsweise „okologisch ausgerichtete Wissenschaftler.als Ideologen verunglimpft...“ (Heinze 1992: 113). Noch deutlicher wird der teils populistische Ton des DBV durch ein Zitat des damaligen DBV-Prasidenten Heereman: „Aufgabe des deutschen Bauernverbandes ...(sei es)...dem ganzen deutschen Volk zu dienen“(Heereman 1975: 39).
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