Ziel dieser Arbeit ist die Betrachtung des Einsatzes und der Wirkungsweise von Hunden im schulischen Kontext, wobei zu Beginn die Theorie und im Anschluss daran die praktischen Einsatzmöglichkeiten des Hundes in der Schule dargelegt werden. Dazu wird erörtert, was die Tier- und vor allem hundgestützte Pädagogik ausrichten kann, welche Voraussetzungen für den Einsatz erfüllt werden müssen und wie der Hund schlussendlich in den schulischen Alltag mit eingebunden werden kann.
Dazu wird zu Beginn der Arbeit die Mensch-Tier-Beziehung anhand von geschichtlichen Aspekten und Erklärungsmodellen in den Blick genommen, bevor ein kurzer Einblick in den Stand der Forschung dargeboten wird. Im Anschluss daran werden die Tiergestützten Interventionen fokussiert. Dieser Betrachtung schließt sich die Darstellung der verschiedenen hundgestützten Interventionen an, bevor die Effekte von Hunden auf den Menschen mit Hilfe des Forschungsstandes und einem Modell dargelegt werden.
Folgend konzentriert sich die Arbeit auf den Hund im schulischen Kontext, wobei die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Hundes aufgezeigt werden. Anknüpfend daran folgen die Einsatzbereiche, Dauer und Frequenzen der Einsätze, sowie die Voraussetzungen für den Einsatz des Hundes in der Schule. Des Weiteren werden die allgemeinen Richtlinien, sowie die Herausforderungen, Grenzen und Risiken der hundgestützten Interventionen aufgezeigt. Schlussendlich kommt es zu einer Darstellung ausgewählter pädagogischer Einsatzmöglichkeiten des Hundes. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Schlussbetrachtung.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1. Die Mensch-Tier-Beziehung
1.1 Geschichtliche Aspekte
1.2 Erklärungsmodelle
1.2.1 Biophilie-Hypothese
1.2.2 Spiegelneuronen und Oxytocin
1.2.3 Bindungstheorie und Du-Evidenz
1.3 Forschungsstand
2. Tiergestützte Interventionen
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Definition
3. Hundgestützte Interventionen
4. Wirkungen von Hunden auf den Menschen
4.1 Forschungsstand
4.2 Drei-Faktoren-Modell der Wirkung von Hunden in der Pädagogik
5. Hunde im schulischen Kontext
5.1 Einsatzarten des Hundes
5.1.1 Schulbesuchshund
5.1.2 Schulhund
5.1.3 Klassenhund
5.2 Einsatzbereiche
5.3 Dauer und Frequenz der Einsätze
5.4 Voraussetzungen für den Einsatz in der Schule
5.4.2 Voraussetzungen des Pädagogen
5.4.3 Ausbildung des Hund-Mensch-Teams
5.4.4 Voraussetzungen der Schule
5.5 Staatliche Vorgaben
6. Herausforderungen und Grenzen der Hundgestützten Interventionen
7. Risiken
8. Pädagogische Einsatzmöglichkeiten des Hundes
8.1.1 Einsatz im Klassenverband
8.1.2 Einsatz in der Kleingruppe
8.1.3 Einsatz in der Einzelförderung
9. Schlussbetrachtung
II. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Das Drei-Faktoren-Modell der positiven Wirkung von Schulhunden
Abb. 2: Drei-Stufen-Modell der Schulhundausbildung
Abb. 3: Grund-Voraussetzungen für den Einsatz eines Schulbegleithundes
I. Einleitung
„Ein Hund in der Schule? Lenkt der nicht nur ab? Was sollen die Schüler von ihm lernen? Etwa das Bellen?“ All dies sind Aussagen, die mir begegnet sind, wenn ich mein Thema dieser Arbeit nannte.
Wenn im Alltag über den Einsatz von Hunden in der Schule gesprochen wird, dann kommt es oft zu Skepsis von Seiten der Gesprächspartner, die sich (noch) nicht mit den Einsatzmöglichkeiten, wie auch den Wirkungsweisen von Tieren im pädagogischen Kontext auseinandergesetzt haben. Überwiegend wird pauschal davon ausgegangen, dass Tiere in der Pädagogik und vor allem in einem schulischen Setting nichts zu suchen haben. Dass verschiedene Tierarten beispielsweise im Biologieunterricht thematisiert werden ist verständlich, aber dass diese auch als Co-Pädagogen eingesetzt werden können, trifft auf Unverständnis. Berichtet man allerdings von den verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes und vor allem von den positiven Effekten der Tiere auf die Psyche und das Wohlbefinden des Menschen, dann erfolgt ein Umschwung. „Das ist ja spannend, das wusste ich ja gar nicht. Aber wenn ich so darüber nachdenke. Jeder streichelt gern den Nachbarshund oder erfreut sich an einem Schaf, einer Katze oder einem Lama.“ So die Aussagen von Bekannten.
Im deutschsprachigen Raum haben tiergestützte Interventionen bis heute nicht den Stellenwert, wie auch nicht die Anerkennung, die sie verdient hätten. Der Einsatz von Tieren wird von Außenstehenden häufig belächelt und nicht für ernst genommen. Wer jedoch selbst in Kontakt mit Tieren, vor allem im pädagogischen oder therapeutischen Setting, kommt, kann schnell den positiven Effekt von Tieren auf das Wohlbefinden und ähnliches erkennen.
Der Hund wird häufig auch bester Freund des Menschen genannt. Vor allem in der Corona- Pandemie haben sich viele Menschen dazu entschieden einen Vierbeiner bei sich aufzunehmen. Der Stellenwert des Hundes in den deutschen Familien ist gestiegen. Er wird als vollständiges Familienmitglied gesehen und begleitet seinen Besitzer in vielen Lebenssituationen.1
Aber der Hund erfreut sich nicht nur als Haustier großer Beliebtheit. Bis zur Jahrtausendwende gab es nur einige wenige Ausnahmen unter den Lehrern, die ihren Hund den Unterricht besuchen und vor allem aber auch begleiten ließen. Seither entwickelt sich der Einsatz des Hundes im deutschsprachigen Raum im schulischen Einsatzfeld und vor allem im Unterricht stark weiter.2
In meiner eigenen Schulzeit durfte ich bereits erste Erfahrungen mit den tierischen Einsätzen vor allem von Hunden im Unterricht machen. Sei es der „Bring-dein-Haustier- mit-in-die-Schule-Tag“ oder die Hunde der Biologielehrerin, die als Anschauungsmaterial im Unterricht dienten, wie aber auch Vogelspinnen oder das Schaf des Hausmeisters. Der Einsatz von Tieren als pädagogische Begleiter war mir allerdings bis vor einiger Zeit noch nicht bekannt.
Erste Berührungspunkte ereigneten sich im Zuge des Orientierungspraktikums an meinem alten Gymnasium, an dem nun ein Hund eine Lehrkraft in ausgewählten Stunden in den Unterricht begleitet und unterstützt. Auch im Zuge meines Parallelstudiums in der Sonderpädagogik war ich stets begeistert von dem tierischen Begleiter meines Dozenten Henri Julius. Seine Vorlesungen und Seminare werden prinzipiell immer von seinem Hund Toto begleitet. Dieser ist ein speziell ausgebildeter Therapiehund, der nicht nur auf Kinder, sondern auch auf uns Studenten eine besondere und vor allem beruhigende Wirkung hat.
Ziel dieser Arbeit ist die Betrachtung des Einsatzes und der Wirkungsweise von Hunden im schulischen Kontext, wobei zu Beginn die Theorie und im Anschluss daran die praktischen Einsatzmöglichkeiten des Hundes in der Schule dargelegt werden. Dazu wird erörtert, was die Tier- und vor allem Hundgestützte Pädagogik ausrichten kann, welche Voraussetzungen für den Einsatz erfüllt werden müssen und wie der Hund schlussendlich in den schulischen Alltag mit eingebunden werden kann.
Dazu wird zu Beginn der Arbeit die Mensch-Tier-Beziehung anhand von geschichtlichen Aspekten und Erklärungsmodellen in den Blick genommen, bevor ein kurzer Einblick in den Stand der Forschung dargeboten wird. Im Anschluss daran werden die Tiergestützten Interventionen fokussiert. Dieser Betrachtung schließt sich die Darstellung der verschiedenen Hundgestützten Interventionen an, bevor die Effekte von Hunden auf den Menschen mit Hilfe des Forschungsstandes und einem Modell dargelegt werden. Folgend konzentriert sich die Arbeit auf den Hund im schulischen Kontext, wobei die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Hundes aufgezeigt werden. Anknüpfend daran folgen die Einsatzbereiche, Dauer und Frequenzen der Einsätze, sowie die Voraussetzungen für den Einsatz des Hundes in der Schule. Des Weiteren werden die allgemeinen Richtlinien, sowie die Herausforderungen, Grenzen und Risiken der Hundgestützten Interventionen aufgezeigt. Schlussendlich kommt es zu einer Darstellung ausgewählter pädagogischer Einsatzmöglichkeiten des Hundes. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Schlussbetrachtung.
Aus den Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der folgenden Arbeit nicht gegendert, sondern stets das generische Maskulinum verwendet. Dies schließt die weibliche, wie auch andere Geschlechteridentitäten mit ein.
1.Die Mensch-Tier-Beziehung
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte der Mensch-Tier-Beziehung. In Ergänzung werden verschiedene Erklärungsmodelle für die spezielle Art der Beziehung zwischen Mensch und Tier betrachtet. Daran anknüpfend wird der Forschungsstand dargelegt.
1.1 Geschichtliche Aspekte
Hunde und Menschen begleiten sich gegenseitig bereits seit über 15.000 Jahren, wobei der Hund für den Menschen eine vielfältige Bedeutung hat, die wiederum stark von den kulturellen Bedingungen abhängig ist. Dabei ermöglicht die gute Kooperationsfähigkeit des Hundes die Koevolution der beiden genannten Spezies, die einen besonderen Unterschied in der Beziehung des Menschen zu anderen Tieren ausmacht. Darüber hinaus gelingt es den Hunden mit ihrer ausgezeichneten Interpretationsfähigkeit die Körpersprache des Menschen zu lesen, diese zu verstehen und resultierend daraus den Menschen zu unterstützen.3
Diese Hund-Mensch-Beziehung unterscheidet sich deutlich von den Beziehungen des Menschen zu anderen Tieren. Vom heutigen Standpunkt aus kann darauf geschlossen werden, dass die Beziehung zwischen Hund und Mensch von Beginn an eine wechselseitige war und somit auch die Domestikation des Hundes deutlich früher ihren Ursprung findet als die anderer Tiere.
Dabei gestaltete sich die Beziehung des Hundes zum Menschen im Zuge der Jahrtausende unterschiedlich und erlebte vor allem in den letzten Jahrzehnten in Deutschland einen starken Wandel.4
Die Unterstützung des Menschen bei der Jagd, zählt zu den ältesten Funktionen des Hundes, wodurch das lange Bestehen von bestimmten Jagdhunderassen erklärt werden kann. Darüber hinaus unterstützen Hunde den Menschen beim Hüten der Schafe, wie auch als Schlittenhund schon seit vielen Jahrhunderten. Dennoch bleibt zu betonen, dass die Großzahl der heutigen über 400 verschiedenen Hunderassen erst in den letzten 150 Jahren gezüchtet wurden. Dazu zählen auch die verschiedenen Rassen, die in Deutschland Anfang des letzten Jahrhunderts speziell als Blindenführ-, Polizei- oder Rettungshunde ausgebildet wurden.5
Auch die Rolle des Hundes in der deutschen Gesellschaft erlebte in den letzten Jahrzehnten einen Wandel. Wurden diese vor einiger Zeit noch als Zwinger- oder Kettenhunde gehalten, so stellen sie heutzutage ein vollwertiges Familienmitglied dar und leben überwiegend als Familienhund.6 Einen wahren Boom in der Hundezucht ereignete sich auch während der Corona-Pandemie, denn immer mehr Familien tendierten dazu einen Hund als Haustier zu halten. Somit ergab es sich, dass in insgesamt 47% der deutschen Haushalte mindestens ein Hund lebt und summa summarum 10,7 Millionen Hunde in den deutschen Familien ein Zuhause gefunden haben.7
Die Veränderung der Stellung und Rolle des Hundes in Deutschland beeinflusst auch die hundgestützten Interventionen, wie auch auf die in der Schule zu findende hundgestützte Pädagogik.
1.2 Erklärungsmodelle
Die folgenden Unterkapitel stellen die verschiedenen Erklärungsmodelle und Ansätze der Mensch-Tier-Beziehung genauer dar. Vor allem in den vergangenen Jahrzehnten wurden verschiedene Versuche angestellt, um die außergewöhnliche und vor allem überwiegend positive Mensch-Tier-Beziehung anhand von Hypothesen und Modellen zu erklären. Dabei schließen sich die verschiedenen Ansätze nicht aus, sondern ergänzen einander. Dazu wurden der soziologische Ansatz der Biophilie-Hypothese, der psychologische Ansatz mit der Du-Evidenz, wie auch der Bindungstheorie, und der biologische Ansatz mit dem Konzept der Spiegelneuronen und der damit verbundenen Wirkungsweise des Hormons Oxytocin erarbeitet. Diese gilt es im Folgenden darzustellen.
1.2.1 Biophilie-Hypothese
Die Biophilie-Hypothese bildet den soziologischen Erklärungsansatz der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Zurückzuführen ist sie auf den Soziobiologen Edward O. Wilson, der diese in seinem Buch „Biophilia: The Human Bond with other Species“ 1984 veröffentlichte. Dabei führte er aus, dass sich der Mensch und andere Lebewesen in der Evolution fortwährend gemeinsam entwickelten, woraus sich über mehrere Millionen Jahre „eine biologisch fundierte Affinität zum Leben und zur Natur“8 auf Seiten des Menschen ausgebildet hat. Biophilie stellt einen biologisch belegten Prozess dar, der seine Entwicklung innerhalb der Stammesgeschichte erfuhr. 9
Dabei beschreibt der Begriff Biophilie die Ermöglichung der Entwicklung von Leben auf der Grundlage der Affinität des Menschen zu ökologischen Settings und einem Spektrum von Lebewesen in ihrer nahen Umgebung. In der gemeinsamen Veröffentlichung eines Sammelwerkes 1993 belegen die Autoren Wilson und Kellert, das Bedürfnis des Menschen nach einer Verbindung mit anderen Lebensformen. Dabei beziehen sie sich auf die Vielfalt von Lebewesen, wie auch auf verschiedene Landschaften, Ökosysteme und Habitaten. Diese werden vom Menschen häufig mit animistischen Qualitäten versehen und ermöglichen Leben.10
Die Verbundenheit des Menschen ist zum einen auf Verwandtschaft, Neugierde und angstvolle Beachtung des Lebens der Anderen zurückzuführen, kann darüber hinaus dennoch auch auf ein Ausnutzen anderer Lebewesen oder auf Bindung abzielen. Darüber hinaus kann sie auch das Erleben von Empathie und einer geistigen Einheit mit sich bringen. Darauf basierend wird die Biophilie von Kellert „als eine physische, emotionale und kognitive Hinwendung zu Leben und zu Natur“11 definiert. Dabei betont er die grundlegende Bedeutung für die Entwicklung der Person. 12
Als ersten Aspekt nennt er den utilitaristischen Aspekt, der die Nützlichkeit der Verbindung herausstellt, beispielsweise in Bezug auf die Nahrung und Ähnliches. Der naturalistische Aspekt wird als Zweites genannt und bezieht sich auf eine natürliche Verbundenheit, die beispielsweise zu einer Entspannung führt. In Addition dazu kann durch den ökologischwissenschaftlichen Aspekt Wissen durch eine Analyse der Strukturen geschaffen werden. Darüber hinaus erwähnt Kellert einen ästhetischen, symbolischen, humanistischen, negativistischen und Dominanz-Aspekt, die hier nicht weiter erläutert werden sollen. Demnach lässt sich herausstellen, dass Tiere vor allem eine positive wie auch eine vielfältig gesundheitsfördernde Wirkung auf den Menschen haben.13
Zusammenfassend bleibt herauszustellen, dass die Biophilie-Hypothese herangezogen wird, um die durchaus positiven Wirkungen von Tieren auf Menschen zu erklären. Tiere bereichern und stärken die Beziehungsgefüge der Menschen mit ihrer Umwelt und führen zu einer Verbesserung der psychischen Prozesse innerhalb des Menschen.
Sie vervollständigen den Menschen und wirken sich positiv aus. Dadrüber hinaus ermöglichen sie das Erschaffen einer durch die Evolution bekannten Situation, die den Menschen etwas Heilsames erleben lässt. Dabei sind die starken Effekte, die aus der Anwesenheit von Tieren hervorgehen, sozialer Natur. Tiere können an dieser Stelle als ein „sozialer Katalysator“14 gedeutet werden, die den sozialen Kontakt zu anderen Menschen oder Lebewesen erleichtern oder auch erst ermöglichen. In Anwesenheit von Tieren kann beobachtet werden, dass das Verhalten von Menschen kooperativer, freundlicher, sozialer und vor allem weniger aggressiv und gewalttätig wird. Somit kommt es auf der Basis der Anwesenheit von Tieren zu einem Wandel ganzer Situationen und Institutionen, sodass alle Beteiligten sozial attraktiver erscheinen.15
Biophilie stellt die Hinwendung zu und das Interesse an Lebendigem, wie beispielsweise den Tieren dar. Daraus lässt sich schließen, dass es im Verlauf der Evolution von Vorteil war, die Tiere in der nahen Umgebung zu beobachten, denn sie konnten zum einen effektiv genutzt werden oder aber Gefahr bedeuten. Durch unterbewusste Mechanismen werden ruhende und vor allem entspannte Tiere als Hinweis auf eine sichere Umgebung gedeutet. Somit geht von einem entspannten Tier auch eine entspannende Wirkung auf den Menschen aus. Daraus kann geschlossen werden, dass ein ruhendes Tier rein durch seine Anwesenheit zur einer Stressreduktion auf Seiten des Menschen beitragen kann.16
1.2.2 Spiegelneuronen und Oxytocin
Der zweite Erklärungsansatz bezieht sich auf den Bereich der Biologie. Zu diesem zählen das Konzept der Spiegelneuronen und die Wirkung von Oxytocin in der Mensch-TierBeziehung.
Spiegelneuronen
Das Konzept der Spiegelneuronen bezeichnet das, was Verhaltensbiologen schon seit einiger Zeit als „Stimmungsübertragung“ definieren.
Diese Übertragung oder Ansteckung basiert überwiegend auf einer sogenannten „affektiven Ansteckung“, die auf der Basis der Spiegelneuronen zustande kommt. In Addition dazu bilden diese speziellen Neuronen die Grundlage für die Fähigkeit des motorischen Nachahmens des Handelns anderer Personen und des Erkennens der Absichten der Mitmenschen. Darüber hinaus befähigen diese den Menschen sich in andere hineinzuversetzen, sodass eine affektive Empathie ermöglicht wird. 17
Die auf den Spiegelneuronen basierenden Verhaltenssysteme des Menschen bildeten sich aus, „um bestimmte visuelle Reize, ausgehend vom Verhalten eines anderen Individuums im Empfängerindividuum reflexartig in eine motorische und möglicherweise affektive Antwort umzusetzen.“18 Diese Antwort spiegelt das Verhalten und den Affektzustand des Senders wieder. Dieser Mechanismus stellt die Grundlage der Synchronisation zwischen verschiedenen Individuen innerhalb von Gruppen dar. Die Synchronisation trägt zum Erhalt von Gruppen bei, indem sie im Dienste einer Verbindung zwischen Individuen steht.19
Ermöglicht wird die Decodierung motorischer Muster der Individuen durch ein recht basales und kaum kognitiv angebundenes Gehirnsystem. Darüber hinaus kann das Konzept der Spiegelneuronen auch zwischen verschiedenen Arten angewandt werden. Es basiert auf einem gemeinsamen Grundprinzip und ermöglicht somit eine affektive Kommunikation zwischen verschiedenen Arten. Des Weiteren können die Absichten anderer erkannt werden und eine Stimmungsübertragung veranlassen.20
Da sich Spiegelneuronen nicht nur bei Menschen, sondern auch bei anderen Säugetieren und darüber hinaus auch bei Vögeln finden lassen, kann darauf geschlossen werden, dass ein gemeinsamer Urahne vor circa 230 Millionen Jahren basale reflexive Aktionssysteme gegenüber anderen Artgenossen einsetzte, die auf den Spiegelneuronen basieren.21 Zusammenfassend kann herausgestellt werden, dass die Spiegelneuronen in der MenschTier-Beziehung zu einer unbewussten und willkürlichen Spiegelung der Emotionen und Verhaltensweisen führen. Dabei reagieren sie bereits beim Beobachten oder Nachahmen eines Vorgangs, sodass ein nahezu gleiches Potential ausgelöst wird, als wenn die Aktion eigenständig durchgeführt wird. Somit können Emotionen und Gefühle des Gegenübers wahrgenommen, vor allem aber nachempfunden werden. Möglicherweise können durch das Vorhandensein der Spiegelneuronen bei Menschen, wie auch bei vielen Tieren die überwiegend positiven Effekte der Tiere auf den Menschen erklärt werden.
Oxytocin
Die Ausschüttung und Wirkungsweise des Hormons Oxytocin nimmt auch in der Erklärung der Mensch-Tier-Beziehung eine wichtige Stellung ein. Diese steht seit Anfang der 2010er Jahre verstärkt im Fokus.
Das Hormon Oxytocin, umgangssprachlich auch bekannt als Bindungs- oder Kuschelhormon, weist in der Forschung über die sozialen Beziehungen des Menschen beachtliche Ergebnisse auf. So kommt es mit der Ausschüttung zu einer Reduzierung von Stress, einer Förderung des Sozialverhaltens und positiven Effekten auf die Gesundheit des Menschen.22
Produziert wird das Hormon im Hypothalamus, dem basalen Zwischenhirn, und findet seinen Weg zu der Hypophyse über die Nervenbahnen. Von dort aus beginnt schlussendlich die Freisetzung in den Blutkreislauf, wie auch in das Gehirn. Die Aktivierung dieses Systems und die damit verbundene Freisetzung erfolgt beispielsweise über direkten Hautkontakt in einer vertrauensvollen Beziehung. Große Mengen an Oxytocin werden beispielsweise während des Stillens, des Geburtsvorganges oder aber durch Wärme und Berührungen wie Streicheln freigesetzt. Dabei hat das Hormon verschiedenste physio- wie auch psychologische Effekte auf den Menschen. Beispiele dafür wären die Verringerung des Stresshormons Kortisol, eine Regulierung des Blutdrucks, wie auch der Herzfrequenz, entzündungshemmende Wirkung, verminderte Angst, Förderung von Beziehungen und Beziehungsoffenheit und vieles mehr.23 Auf einzelne Effekte wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit genauer eingegangen. Allerdings ruft Oxytocin nicht immer und nicht bei allen Menschen die gleichen Effekte hervor, denn diese stehen in Abhängigkeit von der sensorischen Stimulation und variieren je nach Art und Intensität dieser. Darüber hinaus gilt es die Umstände und den Kontext, wie beispielsweise die Bedingungen der Umwelt und den aktuellen Stress- wie auch Sexualhormonspiegel zu berücksichtigen.24
Henri Julius et al. konnten in ihren Forschungen herausstellen, dass eine gute Beziehung zu einem Kumpantier eine Verbesserung der sozialen Interaktionen, Gesundheit, emphatische Fähigkeiten, Angst und viele weitere positive Effekte auf den menschlichen Körper nach sich zieht. Da die Effekte des Tieres auf den Menschen stark denen des körpereigenen Oxytocins ähneln, kann geschlussfolgert werden, dass die Mensch-Tier-Beziehung eine „wahre“ Beziehung darstellt und es den Tieren möglich ist die Ausschüttung des Hormons im menschlichen Körper anzuregen. Somit konnte bewiesen werden, dass „das OxytocinSystem auch die zentrale neurobiologische Struktur hinter den beziehungsfördernden und stress- und angstreduzierenden Effekten bildet, die mit Mensch-Tier-Interaktionen assoziiert sind.“25
Diese Annahme wird auch von weiteren empirischen Untersuchungen gestützt. Odendaal und Meintjes belegten 2003, dass sowohl beim Menschen, als auch beim Hund der Oxytocin-Spiegel nach einer fünf bis 24 minütigen Streicheleinheit signifikant ansteigt.26 Somit profitiert nicht nur der Mensch von der Interaktion mit dem Tier, sondern auch das Tier selbst. Wichtig herauszustellen ist, dass diese Effekte nicht nur durch und bei den Menschen beliebten Haustierarten hervorgerufen werden können, sondern dies auch durch und bei landwirtschaftlichen Nutztieren der Fall ist. Die heilsamen Effekte einer positiven Beziehung zwischen dem Besitzer und dem Nutztier konnten von Waiblinger et al. 2006 nachgewiesen werden.27
Zusammenfassend kann herausgestellt werden, dass Oxytocin einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Faktor in der Mensch-Tier-Beziehung darstellt. Wie auch in der zwischenmenschlichen Beziehung sind an dieser Stelle eine positive Bindung, wie auch der körperliche Kontakt zum Tier die zentralen Merkmale.
Aus den Ergebnissen kann geschlossen werden, dass in einer guten Mensch-TierBeziehung dieselben Mechanismen wirksam werden, wie in einer guten Mensch-Mensch- Beziehung.28
1.2.3 Bindungstheorie und Du-Evidenz
Die Bindungstheorie und die Du-Evidenz bilden den psychologischen Erklärungsansatz der Mensch-Tier-Beziehung.
Bindungstheorie
Die im vorherigen Kapitel beschriebene Freisetzung von Oxytocin basiert auf einer spezifischen Qualität von Beziehungen. Diese Beziehungsqualität lässt sich mit Hilfe des Konzeptes von Bindung und Fürsorge beschreiben.
Die Bindungstheorie geht auf den Wissenschaftler John Bowlby zurück, der 1969 als erster Wissenschaftler eine Beschreibung der Bindung zwischen Kindern und ihren primären Bindungspersonen veröffentlichte. Sein Konzept der Bindung beschreibt diese als ein enges emotionales Band zwischen Kindern und ihren Eltern. Nach seiner Auffassung stellt die „Bindung ein essenzielles, lebenslanges menschliches Bedürfnis“29 dar, dass in jeder engen, emotionalen Beziehung der Menschen eine entscheidende Rolle spielt, sodass ein Bedürfnis nach dieser vom ersten bis zum letzten Tag des Lebens besteht.30 Er beschreibt diese genauer als ein
„jegliches Verhalten}..in dessen Folge ein Individuum die Nähe zu einer anderen Person herstellt bzw. aufrechterhält, die eindeutig als kompetent wahrgenommen wird, Situationen zu bewältigen. Bindungsbedürfnisse sind am offensichtlichsten, wenn ein Individuum verängstigt, müde oder krank ist, und werden durch Trost und Fürsorge befriedigt.“31
In der Bindungstheorie unterscheidet man vier Bindungsarten. Zum einen das sichere Bindungsmuster (B), das unsicher-ambivalente Bindungsmuster (A), das unsichervermeidende Bindungsmuster (C) und das desorganisierte Bindungsmuster (D).32
Die Entwicklung einer sicheren Bindung geht mit einem verlässlichen und feinfühligen Verhalten der Bindungsperson einher. Diese werden vom Kind als sicher und verlässlich eingestuft, sodass sicher gebundene Kinder in von ihnen als stressig empfundenen oder mit Angst verbundenen Situationen aktiv die Nähe zur Bindungsperson suchen und einfordern. Von ihnen erhalten die Kinder Trost und Zuneigung, sodass mit dem Kontakt der Stress gemindert und das Explorationsverhalten erneut aktiviert wird. Kinder, die sicher gebunden sind, können sich auf die Verfügbarkeit und Unterstützung Seitens ihrer Bindungsperson verlassen. Durch diese Sicherheit kommt es zu einer angstfreien Exploration der Umwelt, die unterbewusst ein sicheres Gefühl ausstrahlt. 33
Eine sichere Bindung wirkt sich darüber hinaus auch positiv auf Lernprozesse und die emotionale Entwicklung aus. Des Weiteren zeichnen sich sicher gebundene Kinder von feinfühligen Eltern durch eine große Bandbreite an Emotionen aus, zu denen diese Zugang haben.34
Ein unsicher-ambivalent gebundenes Kind nimmt im Gegensatz dazu seine Bindungsperson in belastenden Situationen als unzuverlässig wahr. Es kann sich nicht auf ihre Verfügbarkeit verlassen, sodass diese Person als unberechenbar identifiziert wird. Dem Kind gelingt keine Vorhersage über das Verhalten, da die Bindungsperson in manchen Situationen zurückweisend und in anderen Situationen als fürsorglich wahrgenommen wird. Aufgrund dieses Verhaltens suchen unsicher-ambivalent gebundene Kinder fortwährend Nähe, was sie in ihrem Explorationsverhalten massiv einschränkt. Darüber hinaus zeigen sie Aggressionen und Ärger gegenüber ihrer Fürsorgepersonen. Der Stress kann von dieser, anders als bei sicher gebundenen Kindern, nicht adäquat reguliert werden.35
Ein weiteres unsicheres Bindungsmuster stellt die unsicher-vermeidende Bindung dar. Kinder mit diesem Bindungsmuster erfahren von ihrer Fürsorgeperson chronische Zurückweisung und ein Minimum an Unterstützung. Somit kommt es in den von dem Kind als stressig empfundenen Situationen zu einem Vermeidungsverhalten. Sie zeigen keinerlei offensichtliches Bindungsverhalten. Ganz im Gegensatz zu den vorherigen Mustern versuchen sie sich über eine fortlaufende Exploration abzulenken. Obwohl sie in stressigen Situationen kaum Bindungsverhalten, wie Weinen, Klammern oder Ähnliches zeigen, weisen diese Kinder einen permanent erhöhten Kortisolspiegel auf, der deutlich eine physiologische Stressreaktion belegt.36
Neben den drei organisierten Bindungssystemen existiert die desorganisierte Bindung. Organisiert werden Bindungssysteme genannt, wenn Personen über organisierte Strategien verfügen, mit Hilfe derer sie gelernt haben ihre Angst oder ihren Stress zu regulieren.
Die desorganisierte Bindung stellt einen Zusammenbruch dieser erlernten Strukturen dar, sodass der Name desorganisiert zustande kommt. Ein Beispiel für einen derartigen Zusammenbruch stellen psychisch belastende Situationen dar, wie beispielsweise sexueller Missbrauch oder physische Misshandlung, die von der Bindungsperson ausgeführt werden. In diesen Situationen erfährt das Kind einen Appetenz-Aversions-Konflikt, denn der starke Wunsch nach Nähe zur Fürsorgeperson steht im Konflikt zu der großen Angst vor der Fürsorgeperson, denn diese bildet die Quelle des Stresses. Der unlösbare Konflikt führt zu einem Zusammenbruch der organisierten Strategien. Um der traumatischen Situation trotzdem zu entfliehen und diese zu verkraften, versuchen die Kinder negative Erfahrungen bewusst zu verdrängen. Dies stellt eine psychische Abwehr dar, die bewusst darauf abzielt traumatische Reize nicht wahrzunehmen. So verfallen viele Kinder mit diesem Bindungsmuster während einer Stresssituation in einen hypnoseähnlichen Zustand.37 In Bezug auf Tiere wird davon ausgegangen, dass der Mensch eine bindungsartige Beziehung zu einem Tier aufbauen kann. Allerdings kommen dabei nicht alle Tiere als mögliche Bindungsfigur in Frage. Besonders gut eignen sich Tiere, die in der Lage sind Emotionen des Menschen zu lesen und adäquat auf diese zu reagieren. Dies steht in Abhängigkeit zur genetischen Ausstattung und der frühen Sozialisation der Tiere. Folgend eignen sich domestizierte Tiere, wie Hunde, Katzen und Pferde am besten, da diese seit einigen tausend Jahren in einer Gemeinschaft mit den Menschen leben und somit eine Anpassung an dieses Leben stattgefunden hat.38
Dabei werden die Bindungserfahrungen und -muster des Menschen nicht auf das Tier übertragen, wie es sonst bei zwischenmenschlichen Beziehungen der Fall ist. Dies konnte von einigen Studien belegt werden. Demnach kommt es zu einer Unterbrechung des Übertragungszyklus unsicherer Bindungen in Mensch-Tier-Beziehungen.39
Du-Evidenz
Der Begriff Du-Evidenz geht auf den Sprachpsychologen Karl Bühler zurück, der ihn im Jahre 1922 einführte. Nach Greiffenhagen wird diese Evidenz als „die Tatsache, dass zwischen Menschen und höheren Tieren Beziehungen möglich sind, die denen entsprechen, die Menschen unter sich bzw. Tiere unter sich kennen.“40 definiert. Bühler führte den Begriff zu Beginn lediglich für die zwischenmenschlichen Beziehungen ein. Das Wort Evidenz bedeutet so viel wie Deutlichkeit oder vollständige Gewissheit, sodass etwas evident genannt werden kann, das keine weiteren Beweise benötigt. Dabei verstand Bühler die Du-Evidenz als die Fähigkeit sein Gegenüber, eine andere Person, als Individuum und damit verbunden als „Du“ anzusehen und auch zu respektieren.41
Die Übertragung dieser Theorie auf die Mensch-Tier-Beziehung erfolgte 1931 durch den dänischen Soziologen Theodor Geiger. Einen besonderen Faktor für die Entwicklung der Du-Evidenz bilden nach ihm „die persönlichen Erlebnisse, die subjektiven Einstellungen und die authentischen Gefühle“42. Um diese zu kontrollieren bedarf es eines erheblichen Aufwands, denn dieser ist autonom, wie auch gefühlsbegleitet. Ihre Basis bildet eine gemeinsame Grundlage, aus der eine Beziehung hervorgehen kann. Für diesen Aufbau einer Beziehung können die zahlreichen Identifikationsmöglichkeiten mit den Tieren vor allem in den Tiergestützten Interventionen gewinnbringend vom Menschen, wie auch vom Tier genutzt werden.43
Vorwiegend geht der Mensch diese Du-Beziehung mit sozial lebenden Tieren, wie beispielsweise Hunden und Pferden ein. Diese besitzen ähnliche emotionale, wie auch soziale Grundbedürfnisse und sind in ihrer Körpersprache und den Ausdrucksformen dem Menschen ähnlich und in Folge dessen auch für diesen verstehbar. Darüber hinaus bieten sie dem Menschen viele Identifikationsmöglichkeiten, die besonders für Mensch, wie auch Tier in den Tiergestützten Interventionen besonders gewinnbringend genutzt werden können. Schlussendlich profitieren in dieser Beziehung beide Akteure auf der emotionalen und sozialen Ebene. Der Mensch sieht also schlussendlich bestimmte Tiere als Vertraute oder Partner die über personale Eigenschaften und Qualitäten verfügen, sodass er sich diesen verbunden fühlt.44
Für einen gewinnbringenden Einsatz bildet die Du-Evidenz nach Sylvia Greiffenhagen „die unumgängliche Voraussetzung dafür, dass Tiere therapeutisch und pädagogisch helfen können. Dabei reicht die Breite der durch die Du-Evidenz nahe gelegten Zuwendung von Betrachten und Füttern der Aquarienfische bis zu einer Partnerschaft, welche kaum noch Unterschiede zwischenmenschlichen Beziehungen erkennen lässt.“45
1.3 Forschungsstand
Die positiven Effekte, die in der Mensch-Tier-Beziehung auf Grundlage der vorab genannten Modelle erzielt werden können, wurden bereits in verschiedenen Studien bestätigt. Darüber hinaus werden diese von verschiedenen Tiergestützten Interventionen genutzt, die in den folgenden Kapiteln genauer definiert und betrachtet werden.
Was alle Studien mit großer Übereinstimmung herausstellen konnten, ist der Fakt, dass es bestimmte Gruppen gibt, die signifikant von dem Kontakt zu und Umgang mit Tieren profitieren. Dazu gehören: „Kinder, Alte, Benachteilige, d.h. Kranke, Behinderte, Straffällige, Süchtige“46. Darüber hinaus konnte bewiesen werden, dass Tiere dem Menschen schlicht und ergreifend gut tun. Allerdings kann nicht prinzipiell davon ausgegangen werden, dass ein Haustier günstige Wirkungen bei jedem Menschen in allen Lebenssituationen erzielen kann. Bei dem einen wirkt der Besitz eines Tieres Wunder, bei anderen führt er zu einer Dysfunktion oder erzielt keine Effekte. Dabei kann allerdings herausgestellt werden, dass Menschen, die als Kind mit einem Tier aufwuchsen als Erwachsene eher von den Effekten des Tieres profitieren. Dies gilt vor allem bei älteren Menschen, bei denen vom Tier eine heilsame Wirkung ausgeht. Menschen, die in ihrer Kindheit nie in Kontakt mit einem Tier standen, werden diese meist auch im Erwachsenenalter fremd bleiben.47
In Bezug auf den biologisch-physischen Bereich konnten Katcher 1980, Friedmann et al. 1983 und Baun et al. 1984 konnten in ihren Studien deutlich machen, dass Tiere cardiovasculäre Veränderungen im Menschen bedingen, wie beispielsweise das Senken des Blutdruckes während des Streichelns eines Tieres. Darüber hinaus beobachteten sie eine Stabilisierung des Kreislaufes sowie die Reduzierung von Stress, die die Regulierung der Nebennierenfunktion demnach eine Adrenalinreduktion bedeutet.48
Darüber hinaus konnte Katcher 1980 sechs Gesundheitsfunktionen von Tieren ausmachen. Als erstes nennt er die Gefährteneigenschaft, die zur Reduzierung von Einsamkeit führt. Zweitens das Tier als Pflegeobjekt, das Aktivitäten fördert und signalisiert, dass man gebraucht wird. Drittens das Tier als Kontakt- und Berührungsobjekt, sowie viertens das Tier als Bewegungsmotor, das aufgrund des benötigten Auslaufes zur Bewegung motiviert. Als fünfte Gesundheitsfunktion nennt er das Emotions- und Aufmerksamkeitsobjekt das den Lebensinhalt und Lebensaspekt bildet. Als letztes führt er die Funktion des Sicherheitsgaranten, die dem Wachhund zugeschrieben wird, der Sicherheit schenkt.49 Soziale und emotionale Wirkeffekte konnten Levinson 1962, 1968, 1969, 1972, 1975, Corson und Corson 1975, 1977, 1979 sowie Salmon und Salmon 1982 herausstellen.
Dazu gehört die Katalysatorfunktion, die zwischenmenschliche Kommunikation, wie auch Interaktion bedingt und somit eine Art Dreiecksbeziehung zwischen zwei Menschen und einem Tier darstellt. Darüber hinaus konnte den Tieren eine Übertragungsfunktion zugeschrieben werden, da sie bei Konfliktbearbeitungen halfen. Des Weiteren nahmen die Tiere eine Brückenfunktion ein und verhalfen als Kontaktanbahner vor allem kontaktgestörten und isolierten Menschen Kontakt zu ihren Mitmenschen aufzunehmen. Außerdem konnte belegt werden, dass Tiere eine Emotionen ansprechende Wirkung haben und somit eine positive Atmosphäre herstellen.50
Auch Lee konnte in seinem Therapieprogramm, das auf geistig abnorme Rechtsbrecher ausgerichtet war 1978 die positiven Effekte auf den sozialen und emotionalen Bereich belegen. Somit konnten durch den gezielten Einsatz gewalttätige Vorfälle gegenüber Mitmenschen verringert, die Suizidgefährung reduziert und die Medikationsintensität verringert werden. All dies sind durchweg positive Effekte, die mit Hilfe von Tieren erzielt werden konnten.51
In weiteren Studien beispielsweise von Breitenbach et al. 2006 konnten die Überwindung von Einsamkeit und sozialer Isolation, die kurzfristige Verbesserung sozio-emotionaler Kompetenzen von Kinder mit verschiedenen Behinderungen, wie auch eine Anregung für Freude, Spiel im Leben und Humor durch Tiere erzielt werden.52
Zusammenfassend kann mit Bezug auf den sozialen, emotionalen Bereich eine Verbesserung der Kontaktfähigkeit und emotionalen Befindlichkeit im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tieren als sicher angesehen werden. Darauf deuten auch die Ergebnisse der Studie von Lee hin, der mit diesen belegte, dass die Probanden seiner Studie im emotionalen und sozialen Bereich die Kompetenz der Selbststeuerung deutlich verbesserten und emotional deutlich ausgeglichener waren.53
[...]
1 Vgl. Agsten, Lydia: Schulbegleithunde im Einsatz. Das multifaktorielle System der Hundgestützten Pädagogik in der Schule, Basel 2020, S. 20.
2 Vgl. Beetz, Andrea: Hunde im Schulalltag. Grundlagen und Praxis, München 20153, S. 9.
3 Vgl. Agsten, Lydia: HuPäSch. Hunde in die Schule -und alles wird gut !?, Norderstedt 2009, S. 18.
4 Vgl. Agsten, HuPäSch, S. 11.
5 Vgl. Agsten, HuPäSch, S. 18.
6 Vgl. Agsten, HuPäSch, S. 19.
7 Vgl. o.V: Eine Million mehr Haustiere in der Pandemie. 2021, verfügbar unter: https://www.zeit.de/news/ 2021-03/22/eine-million-mehrhaustiere-in-der-pandemie?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com. letzter Zugriff: 15. April 2022.
8 Olbrich, Erhard: Biophilie: Die archaischen Wurzeln der Mensch-Tier-Beziehung. In: Olbrich, Erhard/ Otterstedt, Carola: Menschen brauchen Tiere. Grundlagen und Praxis der tiergestützten Pädagogik und Therapie, Stuttgart 2003, S. 69.
9 Vgl. Olbrich, Biophilie, S. 69.
10 Vgl. Olbrich, Biophilie, S. 69f.
11 vgl. Olbrich, Biophilie, S. 70.
12 Vgl. Olbrich, Biophilie, S. 70.
13 Vgl. Agsten, Lydia: HuPäSch, S. 29f.
14 Olbrich, Biophilie, S. 76.
15 Vgl. Olbrich, Biophilie, S. 76.
16 Vgl. Beetz, Andrea: Tiergestützte Interventionen. Effekte, Mechanismen, Perspektiven, In: Lernen konkret. Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, Der Schulhund, Grundlagen und Praxistipps, 1- 2022, S. 4f.
17 Vgl. Beetz, Andrea/ Julius, Henri et al: Bindung zu Tieren. Psychologische und neurobiologische Grundlagen tiergestützter Interventionen, Göttingen 2014, S. 37.
18 Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 37.
19 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 37.
20 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 37.
21 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 39.
22 Vgl. Beetz, Hunde im Schulalltag, S. 77.
23 Vgl. Beetz, Hunde im Schulalltag, S. 78.
24 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 95.
25 Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 104.
26 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 104.
27 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 176.
28 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 105.
29 Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 107.
30 Vgl. Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 107.
31 Beetz/ Julius et al., Bindung zu Tieren, S. 107.
32 Vgl. Julius, Henri/ Uvnas-Moberg, Kerstin et al.: Am Du zum Ich. Bindungsgeleitete Pädagogik: Das Care Programm, Kerlingarholl 2020, S. 70.
33 Vgl. Beetz, Hunde im Schulalltag, S. 86.
34 Vgl. Julius/ Uvnas-Moberg et al., Am Du zum Ich, S. 66.
35 Vgl. Beetz, Hunde im Schulalltag, S. 86.
36 Vgl. Beetz, Hunde im Schulalltag, S. 86.
37 Vgl. Julius/ Uvnas-Moberg et al., Am Du zum Ich, S. 73f.
38 Vgl. Beetz/ Julius, Bindung zu Tieren, S. 168.
39 Vgl. Beetz/ Julius, Bindung zu Tieren, S. 167.
40 Buck-Werner, Oliver N./ Greiffenhagen, Sylvia: Tiere als Therapie. Neue Wege in Erziehung und Heilung, Nerdlen5 2015, S. 22.
41 Vgl. Vernooij, Monika A./ Schneider, Silke: Handbuch der Tiergestützten Interventionen. Grundlagen, Konzepte, Praxisfelder, Wiebelsheim2 2010, S. 7.
42 Vgl. Agsten, HuPäSch, S. 30.
43 Vgl. Agsten, HuPäSch, S. 30.
44 Vgl. Vernooij/ Schneider, Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 8f.
45 Vgl. Buck-Werner/ Greiffenhagen, Tiere als Therapie, S. 24.
46 Vgl. Buck-Werner/ Greiffenhagen, Tiere als Therapie, S. 67.
47 Vgl. Buck-Werner/ Greiffenhagen, Tiere als Therapie, S. 67.
48 Vgl. Vernooij/ Schneider, Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 140.
49 Vgl. Vernooij/ Schneider, Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 140.
50 Vgl. Vernooji/ Schneider, Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 141.
51 Vgl. Vernooji/ Schneider, Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 141.
52 Vgl. Vernooji/ Schneider: Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 141.
53 Vgl. Vernooji/ Schneider: Handbuch der Tiergestützten Interventionen, S. 141f.
- Arbeit zitieren
- M. Stammer (Autor:in), 2022, Das Hund-Mensch-Team. Die Umsetzung tiergestützter Pädagogik in Schulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1278548
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.