Was bewirken die Plansequenzen in "Game of Thrones" und wie werden sie realisiert?

Eine Analyse und ein Vergleich von drei Beispielen mit Fokus auf die Funktion und Ausführung der ungeschnittenen Einstellung


Term Paper, 2022

20 Pages, Grade: 12


Excerpt

Abbildungsverzeichnis

I. Einleitung

II. Einordnung

1. Annäherung an eine Definition der ungeschnittenen Einstellung:

2. Beispiele in Game of Thrones:

III. Analyse der ungeschnittenen Einstellungen in Game of Thrones

1. Beispiel aus The Long Night:

2. Beispiel aus Battle of the Bastards:

3. Beispiel aus The Bells:

IV. Vergleich der analysierten ungeschnittenen Einstellungen:

V. Fazit:

VI. Abbildungsverzeichnis:

VII. Literaturverzeichnis:


I. Einleitung

 

Filmschnitte und kurze Einstellungen lassen sich seit der Entwicklung der Montage, die durch David Ward Griffith etabliert wurde, in den heutigen visuellen Medien häufig erkennen. Die Montage besitzt viele Charakteristiken, die primär Filmemacher*innen seit Jahrzehnten dazu bewegen, sie als Mittel zu benutzen. Vor allem in Actionszenen lässt sich normalerweise ein schneller Schnittrhythmus finden, der die Zuschauer*innen in die gesamte, rasante Situation platziert. Im Gegensatz dazu steht die lange, kontinuierliche Einstellung oder auch die Plansequenz oder der Long Take. Diese werden oft mit Arthousefilmen assoziiert, wo sie auch heutzutage noch Verwendung finden. Aber ungeschnittene Einstellungen lassen sich auch in Blockbustern finden, so wie in Serien. Die vorliegende Hausarbeit behandelt drei Beispiele von ungeschnittenen Einstellungen aus der Fantasy- und Dramaserie Game of Thrones. Die drei Beispiele sind Einstellungen aus Schlachten, jedoch insofern voneinander zu unterscheiden, dass sie jeweils die Vorbereitung auf den Kampf, das Ereignis des Kampfes und die Flucht vor dem Kampf, beziehungsweise dessen Auswirkungen zeigt. Die Analyse bezieht sich auf diese drei Sequenzen, dabei wird der Fokus auf die Wirkung der Einstellung und wie diese Wirkung entsteht gesetzt. Hier wird der Bezug zum Seminar hergestellt, die Einstellungen werden auf Kamerabewegung, Kamerafokus, Positionierung der Figuren und der Kamera, Raumeröffnung und performative Aspekte untersucht und was sie für das Publikum bewirken. So soll ein analytischer Blick auf die Sequenzen geschaffen werden. Anschließend an die tiefergehende Analyse werden die drei ungeschnittenen Einstellungen auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Ausführung und Wirkung verglichen. Das erarbeitete Material wird in einem Fazit nochmal zusammengetragen und resümiert.

II. Einordnung

 

1. Annäherung an eine Definition der ungeschnittenen Einstellung:

 

Eine eindeutige Definition lässt sich zu ungeschnittenen Einstellungen nicht festlegen. Zunächst kann festgehalten werden, dass sich die ungeschnittene oder lange Einstellung von den kurzen, geschnittenen Einstellungen abgrenzen lässt. Thomas Rothschild beschreibt den Unterschied folgendermaßen:

 

Wenn über den Zusammenhang von Bildkomposition und Dauer im Film die Rede ist, muss also außer der Länge einer Einstellung auch berücksichtigt werden, ob deren Inhalt unverändert, also starr bleibt wie eine für eine gewisse Dauer projizierte Fotografie, oder ob er sich zwischen zwei Schnitten oder Blenden wandelt. (52)

 

Zudem benennt er die unterschiedlichen Wirkungsweisen. Seiner Ansicht nach überrumpelt die kurze Einstellung die Zuschauer*innen, während die lange Einstellung einen „eigenständigen, kritischen, distanzierten Blick“ ermöglicht (Rothschild 58). Unter der langen, oder auch ungeschnittenen Einstellung, kann man die Plansequenz oder den Long Take verstehen. Plansequenz bedeutet grob übersetzt die „zusammenhängende Fläche“ (Böttcher 114). Sie ist eine autonome Einstellung, eine Handlungseinheit, die den Status einer Sequenz besitzt (Beller 29). Dabei werden die „einzelnen Kamerapositionen und Handlungsebenen im Raum mit aufwendigen Kamerabewegungen oder durch Verlagerung der Tiefenschärfe verbunden“ (Korte 48). Sie wird als Mittel verwendet, um „die visuelle, sprachliche, räumliche und zeitliche Kontinuität eines Handlungsablaufs hervorzuheben“ (ebd.). Hans Beller vergleicht zudem die Plansequenz mit dem Long Take, indem er sagt, dass beide Begriffe sich meist so definieren lassen, dass die Bewegung in der ununterbrochenen Einstellung und Dynamik nicht durch die Montage erzeugt werden (29). Der Long Take lässt sich so definieren, dass eine Szene in Echtzeit, an einem Stück, gefilmt wird und die Handlungen oftmals in dieser ungeschnittenen Szene abgeschlossen sind („Filmlexikon – was ist ein Long Take?“). Klassische Schnitte werden beispielsweise durch Szenenänderung ersetzt und der Long Take unterstützt die Atmosphäre einer Filmszene „ohne jedoch unbedingt eine bestimmte Dramaturgie zu inszenieren“ (ebd.). Plansequenz, ungeschnittene oder lange Einstellung und Long Take lassen sich so ähnlich definieren, haben gewisse Überschneidungen aber eben auch Unterschiede, sodass sie nicht eindeutig als Synonyme gelten, beziehungsweise auch unterschiedlich definiert werden können.

 

In dieser Hausarbeit aber werden aufgrund der eben herausgearbeiteten, sich überschneidenden Definitionen und der Einfachheit halber die Begriffe als Synonyme füreinander verwendet.

 

2. Beispiele in Game of Thrones:

 

Um lange Einstellungen analysieren zu können, werden drei Beispielsequenzen aus Game of Thrones verwendet. Die Serie lässt sich in die Genres Fantasy, Drama und Action einordnen. Sie wurde für den Sender HBO entwickelt und umfasst 8 Staffeln, die im Zeitraum von 2011 bis 2019 ausgestrahlt wurden. Entwickler der Serie sind David Benioff und D. B. Weiss. Sie basiert auf der Bücherreihe Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin und gilt als eine der erfolgreichsten und berühmtesten Serien aller Zeiten (Hottes, „Game of Thrones: Staffeln und Episodenguide“). Es werden im Laufe der Serie, neben zahlreichen schnell geschnittenen Einstellungen und preisgekrönten Actionszenen, auch einige ungeschnittene Einstellungen verwendet. Drei Beispiele werden im Folgenden auf ihre Wirkung und Ausführung analysiert.

III. Analyse der ungeschnittenen Einstellungen in Game of Thrones

 

1. Beispiel aus The Long Night:

 

The Long Night ist die dritte Folge der 8. Staffel. Sie wurde am 28. April 2019 auf HBO ausgestrahlt (ebd.). Inhaltlich befasst sie sich mit dem Kampf gegen die weißen Wanderer. Die ungeschnittene Einstellung eröffnet die Folge. Sie geht 1 Minute und 22 Sekunden.

 

Sie beginnt mit einer Großaufnahme der nervös zitternden Hände von Samwell Tarly, ein Kameraschwenk nach oben zeigt sein Gesicht, indem sich ebenfalls die Nervosität vor dem bevorstehendem Kampf ablesen lässt. Nachdem er dazu aufgefordert wird, läuft die Figur durch einen Gang, die Kamera folgt ihm dabei. Durch den dunklen Gang und die Menschen, die ihm entgegenkommen, wirkt der Bildausschnitt zunächst beengt, die Figur ist der Bildmittelpunkt (Siehe Abb. 1). Am Ende des Ganges ist der Hof zu sehen, wo sich schon von weitem die Bewegung der Truppen erschließen lässt. Dadurch gewinnt der Raum an Tiefe (Siehe Abb. 1). Auf dem Hof angekommen, ziehen weitere Truppen an der Figur vorbei, sowie Menschen, die umherlaufen, um sich auf die Schlacht vorzubereiten. Die Kamera fährt um 90 Grad um die Figur herum, diese ist nun von der Seite zu erkennen, wie sie den vorbeiziehenden Kämpfern hinterherschaut. Der Fokus der Kamera verlagert sich, durch die sich verlagernde Tiefenschärfe wird die Aufmerksamkeit des Publikums auf den verletzten Mann gelenkt (Siehe Abb. 2). Zudem wird dadurch der Raum weiter eröffnet. Sam geht weiter, diesmal auf die Kamera zu, diese fährt weiter nach hinten und ermöglicht so, den Hof mit den Menschen darzustellen. Diese rennen an der Figur vorbei, während er im stetigen Schritttempo weitergeht. Die Kamera verlagert ihren Bildmittelpunkt auf Tyrion Lannister durch einen Schwenk, Samwell Tarly verlässt den Bildausschnitt. Nun folgt die Kamera diesem Hauptcharakter, der ebenfalls zunächst auf die Kamera zuläuft. Sie wendet sich während des stetigen Weiterlaufens um 180 Grad, sodass Tyrion nun von hinten im Fokus der Kamera steht. Dadurch wird der Hof, beziehungsweise der Raum der Kamera, erneut weiter sichtbar gemacht. Die maschierenden Truppen kommen nun frontal auf die Kamera zu, an Tyrion vorbei. Die Kamera folgt ihm weiter, während er sich eine Waffe und eine Tasche holt. Durch einen Schwenk der Kamera werden weitere Hauptcharaktere, Bran Stark und Theon Greyjoy, die den Truppen hinterherlaufen, in das Bildzentrum gesetzt. Während sie vorbeiziehen, schwenkt die Kamera zurück auf Tyrion und richtet sich so aus, dass er sich im linken Drittel des Bildes befindet, während in den anderen zwei Dritteln der Hof erkennbar ist (Siehe Abb. 3). Damit endet die ungeschnittene Einstellung.

 

Die gesamte Sequenz ist von Dynamik geprägt. Wie Hans Beller schon anmerkte, wird bei der ungeschnittenen Einstellung die Dynamik nicht durch die Montage erzeugt (29). Die Dynamik entsteht hier durch das ungeschnittene, jedoch wird weiterführend durch das Fortbewegen, sowohl von den Truppen und Kämpfern als auch von den Figuren selbst, ein dynamischer Fluss erzeugt. Die Kamera ist nicht statisch, die Figuren nicht starr, sondern durchgehend in Bewegung. Auch der Hintergrund ist ständig in Bewegung, durch die rennenden Menschen. Wenn man das auf den Kontext der Folge, beziehungsweise der Sequenz bezieht, ist diese Darstellungsweise der Bewegung passend, da so die Panik und die Eile verdeutlicht wird. Durch die ruhige Kameraführung lässt sich aber erkennen, dass es sich noch nicht um die akute Situation handelt, sondern eben nur um die Vorbereitung darauf.

 

Ein weiterer Aspekt, der zu beachten ist, ist der Raum. Der Ort der Handlung dieser ungeschnittene Einstellung ist Winterfell, im Laufe der Einstellung wird den Zuschauer*innen der gesamte Hof sowie der Weg dahin eröffnet. Nach dem beengendem Gang, wo nur Samwell Tarly im Fokus der Kamera steht (Siehe Abb. 1), entfaltet sich der Raum durch beispielsweise Verlagerung der Tiefenschärfe und durch Positionierung der Charaktere. Die Aufmerksamkeit des Publikums wird ebenfalls durch die Fokussetzung der Kamera in essentiellen Momenten verlagert (Siehe Abb. 2). Der Raum wird geöffnet und dargestellt, bleibt allerdings kontinuierlich. Dies ist charakteristisch für ungeschnittene Einstellungen, da räumlicher und zeitlicher Wechsel eher durch Montage funktioniert. Nach Böttcher wollen in einer ungeschnittenen Einstellung „[z]wei Komponenten des Filmbilds […] also intakt, ungeschnitten bleiben: Der Raum und die Zeit.“ (115). Hier wird der Ort eröffnet, bleibt aber derselbe, die Sequenz läuft in Echtzeit ab. Das bildet einen kontinuierlichen Handlungsfluss und lässt das Publikum die Sequenz in realer Zeit nachempfinden. Diese Echtzeit und filmische Realität sind weitere Charakteristiken der Plansequenz. Die Einstellung zeigt durch die Kontinuität die Anspannung, Unruhe und die Furcht, die die gesamten Figuren antreibt. Vor allem durch den Wechsel der zentralen Figur, vom ängstlichen Samwell Tarly zu Tyrion, der angespannt aber gesammelt wirkt (Siehe Abb. 3), wird in einer einzigen Einstellung die Bandbreite der Emotionen vor dem Krieg dargestellt. Die Plansequenz zeigt konkret und in voller Präsenz das, was der bevorstehende Krieg mit den Menschen und den Hauptcharakteren macht. Als Anfangssequenz, die eine Folge mit vielen, schnellen Schnitten in den Kampfszenen einleitet, bildet sie somit einen Kontrast und zeigt die filmische Wirklichkeit.

 

Um diese ungeschnittene Einstellung zu kreieren, ist ein hohes Maß an Performativität ausschlaggebend. Es wird mit zahlreichen Menschen im Hintergrund gearbeitet, die alle auf ihrer bestimmten Position sein müssen, um diese Sequenz zu bilden. Da die Kamera durchgehend in Bewegung ist, müssen die einzelnen Figuren, Truppen und rennenden Menschen genau positioniert sein, sodass sie nicht zur falschen Zeit in oder aus dem Bild laufen, beispielsweise auch bei dem Figurenwechsel von Sam zu Tyrion. Da die gesamte Sequenz fortgängig abläuft, darf es kein unbeabsichtigtes Stocken bei den Truppen, den Menschen oder Hauptfiguren geben, da dies den Fluss stören würde. Sobald also ein Fehler passiert, was bei dieser Anzahl an Menschen schnell passieren kann, verliert die Einstellung an Dynamik und Wirksamkeit. Somit ist hohes, performatives Niveau essentiell.

 

Abschließend lässt sich die Szene noch auf André Bazins Grundsatz beziehen „[w]enn das Wesentliche eines Ereignisses von der gleichzeitigen Anwesenheit zweier oder mehrerer Handlungsfaktoren abhängt, ist es verboten zu schneiden“ (Fischer 84). Da hier die Emotionen beziehungsweise die Vorbereitungen der Hauptcharaktere Sam und Tyrion, sowie der gleichzeitigen Vorbereitung der anderen Kämpfer im Vergleich dazu dargestellt werden soll, ist es laut Bazin hier verboten zu schneiden. Das Wesentliche, die Vorbereitung auf den Krieg von allen Parteien, wird durch das Ungeschnittene verstärkt und hätte nicht die gleiche Wirksamkeit, wenn hier Montage stattgefunden hätte.

 

2. Beispiel aus Battle of the Bastards:

 

Die Folge Battle of the Bastards ist die neunte Folge der 6. Staffel und wurde am 19. Juni 2016 ausgestrahlt (Hottes, „Game of Thrones: Staffeln und Episodenguide“). Sie thematisiert die Schlacht um Winterfell zwischen Jon Snow und Ramsey Bolton. Die ungeschnittene Einstellung lässt sich zu Beginn der Schlacht finden und geht 59 Sekunden.

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Was bewirken die Plansequenzen in "Game of Thrones" und wie werden sie realisiert?
Subtitle
Eine Analyse und ein Vergleich von drei Beispielen mit Fokus auf die Funktion und Ausführung der ungeschnittenen Einstellung
College
University of Marburg
Course
Theorie, Geschichte und Ästhetik der ungeschnittenen Einstellung im narrativen Kinofilm
Grade
12
Author
Year
2022
Pages
20
Catalog Number
V1275784
ISBN (eBook)
9783346724915
ISBN (eBook)
9783346724915
ISBN (eBook)
9783346724915
ISBN (Book)
9783346724922
Language
German
Keywords
plansequenzen, game, thrones, eine, analyse, vergleich, beispielen, fokus, funktion, ausführung, einstellung
Quote paper
Svenja Cremers (Author), 2022, Was bewirken die Plansequenzen in "Game of Thrones" und wie werden sie realisiert?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1275784

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