In der vorliegenden Hausarbeit soll Marshall McLuhans Dualismus zwischen Technik und Wahrnehmung auf die Konvergenz zwischen Filmtechnik, hier besonders die Einführung von Kranaufnehmen, und der Filmtheorie angewandt werden.
In diesem Sinne soll zuerst die Ausgangslage, das Selbstverständnis des jungen Mediums Film am Anfang des 20. Jahrhunderts dargestellt werden, welches vor allem durch ein narratives Paradigma vorbestimmt zu sein schien.
In einem zweiten Schritt wird die Entwicklung einer Bildsprache und die Aufwertung derselben sowohl bei der Produktion, als auch bei der Rezeption von Filmen nachvollzogen werden. Eine besondere Gewichtung soll hier auf den Möglichkeiten der Kranfahrt liegen und wie sie die Bedürfnisse einer filmischen Bildsprache bedient. In einem letzten Schritt werden zwei berühmte Kranfahrten aus der Filmgeschichte auf ihre Wirkung im Sinne einer Filmsprache hin analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Das narrative Paradigma
III. Eine ästhetische Bildsprache
IV. Die Kranaufnahme
V. Zwei Filmbeispiele
A Citizen Kane
B La nuit américaine
VI. Resumée
I. Einleitung
Der kanadische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan pflegt einen äußerst weit gefassten Medienbegriff.
Zum einen nähert er sich dem Medialen über die Technik.
Das Rad, die Dampfmaschine oder das elektrische Licht: All dies sind in seinem Sinne Medien.
Zum anderen verwendet McLuhan die Kategorie Medien auch bei nichttechnischen Dingen: Geld, Mode, Straßen, um nur drei Beispiele zu nennen, sind für ihn ebenso Medien.
Für McLuhan ist die soziale und psychologische Wirkung eines Mediums auf den Menschen von besonderer Wichtigkeit, was seine Medientheorie auch zu einer Wahrnehmungstheorie macht.
„Denn die >>Botschaft<< jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt.“1
Die Wahrnehmung des Menschen wird von diesem demnach nicht willkürlich beeinflusst, sondern ist medial, und nach McLuhan somit vor allem technisch vorbestimmt. Somit ist Mediengeschichte in diesem Sinne auch immer Technikgeschichte.
In keiner anderen Kunstform treffen Technik und Wahrnehmung ähnlich wirkmächtig aufeinander wie in der Filmherstellung.
In der vorliegenden Hausarbeit soll McLuhans Dualismus zwischen Technik und Wahrnehmung auf die Konvergenz zwischen Filmtechnik, hier besonders die Einführung von Kranaufnehmen, und der Filmtheorie angewandt werden.
In diesem Sinne soll zuerst die Ausgangslage, das Selbstverständnis des jungen Mediums Film am Anfang des 20. Jahrhunderts dargestellt werden, welches vor allem durch ein narratives Paradigma vorbestimmt zu sein schien.
In einem zweiten Schritt wird die Entwicklung einer Bildsprache und die Aufwertung derselben sowohl bei der Produktion, als auch bei der Rezeption von Filmen nachvollzogen werden. Eine besondere Gewichtung soll hier auf den Möglichkeiten der Kranfahrt liegen und wie sie die Bedürfnisse einer filmischen Bildsprache bedient.
In einem letzten Schritt werden zwei berühmte Kranfahrten aus der Filmgeschichte auf ihre Wirkung im Sinne einer Filmsprache hin analysiert werden.
II. Das narrative Paradigma
In den Anfangszeiten des Kinos, als sich der Film vom bloßen Spektakel hin zu einer eigenen Kunstform entwickelte, wurde das Potential dieses jungen Mediums meist von der Literatur und dem Theater abgeleitet.
Dieses Gefüge dominiert trotz mehrfacher ikonischer Wende immer noch den Filmdiskurs und die Filmproduktion. David Bordwell beschreibt im Kapitel „Beyond the Blockbuster“ seiner Monografie „The Way Hollywood Tells It“ die stereotype Habhaftwerdung von Filmstoffen durch die großen Studios:
„The narrative techniques (...) are astonishingly robust. They have engaged millions of viewers for over eighty years, and they have formed a lingua franca for worldwide filmmaking.“2
Das Zustandekommen eines solchen kulturellen Pidgins lässt sich direkt aus dem oben beschriebenen McLuhan´schen Verhältnis von Technik und Wahrnehmung ableiten. Karl Prümm schreibt in seinem Plädoyer „Von der Mise en scène zur Mise en images“ :
„Als das zunächst noch offene Medium sich um 1910 dem Kinodrama verschrieben hatte, wurden innerhalb des sich konstituierenden Produktionssystems so übermächtige Handlungsrollen wie die des literarischen Autors und des Regisseurs dominant. Gleichzeitig erlebte das moderne Regietheater einen ersten Höhepunkt und griff vereinnahmend auf das Nachbarmedium aus. (...) Während bereits längst etablierte und gesamtkulturelle anerkannte Handlungsmuster das neue, das industrielle Medium überformten, mussten die Kameraleute mit der widerspenstigen und unfertigen Technik kämpfen, waren sie in erster Linie als technische Pioniere gefordert, als Tüftler, als Verbesserer der eigenen Ausrüstung. In der Frühzeit des Kinos lastete also eine doppelte Verantwortung auf den Kameraleuten, denn sie verkauften nicht nur ihre künstlerischen Gestaltungsleistungen, sondern brachten auch ihr eigenes Equipment in die einzelnen Produktionen mit ein. Sie selbst mussten also ihre Apparaturen pflegen und auf dem neusten Stand halten.“3
Diese neue Technik musste also erst entwickelt und beherrscht werden, bevor eine künstlerische Auseinandersetzung mit derselben beginnen konnte. Gerade an diesem Prozess lässt sich die Gültigkeit des McLuhanschen Slogans
"We shape our tools and thereafter our tools shape us"4 ablesen. Nachdem die Zunft der Kameraleute die Kameratechnik beherrschbar machte, konnte sie dem Kinodrama eine eigene, bildhafte Ebene hinzufügen. Neben dem beschrieben narrativen Paradigma und seiner Manifestation in der Produktionsrealität stand einer bildhaften, transnarrativen Sprache das Fehlen einer Tradition des bewegten Bildes in der Kunstgeschichte im Wege, welche sich stets auf das statische Bild konzentrierte. Joachim Paesch bemerkt in diesem Sinne in seinem Aufsatz „Was ist ein kinematographisches Bewegungsbild?“:
„Bewegungsbilder (...) sind jenseits kunstgeschichtlicher Wahrnehmung geblieben; so enthält Gottfried Boehms einflussreiche Textanthologie >>Was ist ein Bild?<< keinerlei Hinweis auf den Zusammenhang von Bild und Bewegung.“5
Im folgenden wird das konkrete ästhetische Potential des bewegten Bildes nur in Ansätzen besprochen werden. Interessanter erscheint im Kontext des Blickes von oben vor allem die Schaffung einer transnarrativen Filmtheorie aus der Praxis heraus und eine genauere Betrachtung der Beeinflussung dieser Theorie durch die Kamera- und Bühnentechnik.
III. Eine ästhetische Bildsprache
Nachdem die bildproduzierende Kameratechnik beherrschbar war, kam es zu einer doppelten Befreiung der Kamera. Zum einen kam es in den 1920ern zur Schaffung einer originären, kinematographischen Bildsprache.
Zum anderen emanzipierten sich die Kameraleute mit Hilfe dieses ästhetischen Hintergrunds vom Status des bloßen Bildgenerators und fanden ihren Platz in einem „Amalgamieren der Blicke“ 6, welches zwischen ihnen und dem Regisseur stattfindet.
Die neue ästhetische Sprache des Kinos geht vor allem auf die Operateure der Kamera zurück:
„Es ist bezeichnend, dass die wesentlichsten Einsichten über Kamera und Kamerahandeln im Experimentalfilm und im Bereich des Dokumentarfilms zu finden sind. Die nicht explizite Arbeitsteilung zwischen Regie und Kamera und die beständige Berührung mit der Technik und dem Material erzeugen ganz offenbar einen Überschuss an Reflexion. Maya Deren spricht über die Kamera in einem ganz selbstverständlichen intermedialen Kontext mit der Malerei und der Fotografie. Jena Rosch und Johann van der Keuken äußern sich einprägsam über die Kameramaschine, weil sie selber in ihren Dokumentarfilmen die Kamera führen, weil sie so eine Erfahrung machen, die Bildherstellung direkt erleben und ein Wissen erwerben, das sie nicht abkapseln, sondern oft lustvoll mitteilen.“7
Am eindrucksvollsten erscheint im Kontext der Schaffung einer ästhetischen Bildsprache aber der Experimentalfilm „Der Mann mit der Kamera“8 des Filmkollektivs der Kinoki, welches sich aus dem Regisseur Dsiga Vertov, dem Kameramann Michail Kaufman und der Schnittmeisterin Jelisaweta Swilowa zusammensetzte.
[...]
1 McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, Understanding Media, Basel 1994, S. 22f
2 David Bordwell, „The Way Hollywood Tells It“, Berkeley and Los Angeles 2006, S.1
3 Karl Prümm, „Von der Mise en scène zur Mise en images“ in: Bildtheorie und Film, Koebner und Meder (Hrsg.), München 2006, S. 24
4 Vgl. McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle, Understanding Media, Basel 1994, Teil II, S. 122ff
5 Joachim Paesch, „Was ist ein kinematographisches Bewegungsbild?“ in: Bildtheorie und Film, Koebner und Meder (Hrsg.), München 2006, S. 93
6 Karl Prümm, „Von der Mise en scène zur Mise en images“ in: Bildtheorie und Film, Koebner und Meder (Hrsg.), München 2006, S. 26
7 ibidem
8 Der Mann mit der Kamera, UdSSR 1929
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