Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, warum gerade berufstätige, alleinerziehende Elternteile in die Burnout-Falle geraten und welche Faktoren eine wesentliche Rolle spielen. Zunächst werden, im folgenden Kapitel, aufgrund unzähliger Publikationen zum Thema Burnout, ausgewählte, theoretische und empirische Grundlagen, zu den Punkten Definition, Prävalenzen, Symptomatik, Verlauf und Ätiologie, beschrieben. In Bezug auf die berufstätigen, alleinerziehenden Eltern erfolgt eine Recherche über status-spezifische Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Corona-Lockdown in Verbindung stehen.
Es folgt im Anschluss die Erläuterung der Mikroanalyse, auch funktionales Bedingungsmodell oder SORKC-Modell genannt, das es Therapeuten möglich macht, dem Betroffenen die Zusammenhänge ihres Problemverhaltens näher zu bringen und als sehr gut funktionierendes Therapieinstrument genutzt werden kann, um in den speziellen Zeiten der Ausgangssperre und Kontaktbeschränkungen, über digitale Medien zu intervenieren. Im dritten Kapitel wird anhand eines Fallbeispiels, einer ‚ausgebrannten‘ Mutter, aufgezeigt, wie sich das Erschöpfungssyndrom, im Zuge ihrer Corona-bedingten Mehrbelastungen, entwickelt hat.
Es erfolgt eine Analyse der Störungsdynamik mittels des SORKC-Modells in einem psychotherapeutischen Video-Chat-Setting. Der Therapeut exploriert alle notwendigen biografischen Daten sowie alle hypothetischen Bedingungen, die für das Problemverhalten verantwortlich sind. Eine ausführliche Ausführung der Biografischen Anamnese ist in Anlagen 1, für den interessierten Leser, im Anhang zu finden. Im Anschluss werden mögliche Handlungsempfehlungen erläutert. Im vierten und letzten Kapitel werden die Ergebnisse, in Bezug auf die Fragestellung, diskutiert und es folgen, in einem Unterkapitel, mögliche präventive Empfehlungen. Die Arbeit schließt mit einem kurzen Ausblick über die Thematik ab.
2.2 Prävalenzstudien in der Allgemeinbevölkerung
2.6 Corona-bedingte Mehrbelastungen von Eltern
2.7 Verhaltens- bzw. Mikroanalyse
2.7.2 Schritte der Analysedurchführung
Kapitel 3
3 Der Corona-bedingte Burnout-Fall Frau S.
3.1 Die Fallschilderung von Frau S.
3.2 Validierung des Problemverhaltens
3.3 Erarbeitung der Verhaltensanalyse
3.3.1 Prädisponierende und auslösende Faktoren
3.3.2 Analyse nach dem SORKC-Modell
3.3.3 Aufrechterhaltende Faktoren und O-Variable
3.3.4 Zusammenfassung
3.4 Handlungsempfehlungen
Kapitel 4
4 Diskussion
4.1 Präventive Empfehlungen
4.2 Fazit
Literaturverzeichnis
Anlage 1
Abkürzungsverzeichnis
ACT-H Adrenocorticotropin-Hormon
BMI Body-Mass-Index
CRH Corticotropes Releasing Hormon
HHNA Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse
ICD-11 Internationale Klassifikation der Krankheiten
RKI Robert-Koch-Institut
WHO Weltgesundheitsorganisation
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2: Belastungen und Corona-bedingte Mehrbelastungen der Eltern (Quelle: Eigene Darstellung)
Abbildung 3: SORKC-Modell nach Kanfer & Saslow (1969) (Quelle: Eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Innere und äußere, ätiologische Faktoren (Quelle: Eigene Darstellung)
Kapitel 1
1 Einleitung
Die Corona oder auch SAR-Covid-19- Maßnahmen haben den Alltag vieler Familien weitreichend verändert. Die Schließungen von Kindergärten und Schulen stellen erwerbstätige Eltern vor große Herausforderungen. Besonders alleinerziehende Mütter verlangt, der Lockdown der Corona-Pandemie, viel ab, da sie nun den Spagat zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling, Haushalt, Arbeit, u.v.m. leisten müssen. Diese außergewöhnlichen Belastungen führen für Personen, die bereits einen straff organisierten Alltag haben schnell zu Überforderung und können leicht ein sogenanntes Burnout-Syndrom entwickeln (Müller; Samtleben; Schmieder, Wrohlich 2020, S.332-336).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der Fragestellung, warum gerade berufstätige, alleinerziehende Elternteile in die Burnout-Falle geraten und welche Faktoren eine wesentliche Rolle spielen. Zunächst werden, im folgenden Kapitel, aufgrund unzähliger Publikationen zum Thema Burnout, ausgewählte, theoretische und empirische Grundlagen, zu den Punkten Definition, Prävalenzen, Symptomatik, Verlauf und Ätiologie, beschrieben. In Bezug auf die berufstätigen, alleinerziehenden Eltern erfolgt eine Recherche über status-spezifische Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Corona-Lockdown in Verbindung stehen. Es folgt im Anschluss die Erläuterung der Mikroanalyse, auch funktionales Bedingungsmodell oder SORKC-Modell genannt, das es Therapeuten möglich macht, dem Betroffenen die Zusammenhänge ihres Problemverhaltens näher zu bringen und als sehr gut funktionierendes Therapieinstrument genutzt werden kann, um in den speziellen Zeiten der Ausgangssperre und Kontaktbeschränkungen, über digitale Medien zu intervenieren. Im dritten Kapitel wird anhand eines Fallbeispiels, einer ‚ausgebrannten‘ Mutter, aufgezeigt, wie sich das Erschöpfungssyndrom, im Zuge ihrer Corona-bedingten Mehrbelastungen, entwickelt hat. Es erfolgt eine Analyse der Störungsdynamik mittels des SORKC-Modells in einem psychotherapeutischen Video-Chat-Setting. Der Therapeut exploriert alle notwendigen biografischen Daten sowie alle hypothetischen Bedingungen, die für das Problemverhalten verantwortlich sind. Eine ausführliche Ausführung der Biografischen Anamnese ist in Anlagen 1, für den interessierten Leser, im Anhang zu finden. Im Anschluss werden mögliche Handlungsempfehlungen erläutert. Im vierten und letzten Kapitel werden die Ergebnisse, in Bezug auf die Fragestellung, diskutiert und es folgen, in einem Unterkapitel, mögliche präventive Empfehlungen. Die Arbeit schließt mit einem kurzen Ausblick über die Thematik ab.
Kapitel 2
2 Burnout- Syndrom
Das Burnout- Phänomen wurde erstmalig durch den Psychoanalytiker Freudenberger (1974) in einem Artikel im Journal of Social Issues beschrieben und bekannt. Durch den zweifellosen Gebrauch des Burnout-Begriffs, entsteht der verbreitete Irrglaube, das Burnout eine anerkannte Krankheit sei. Das ist aber nicht so (Kowarowsky, 2017, S.14-21). Auch in der Vorstellung der 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), von Juni 2018, durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde das Syndrom nicht unter den psychischen Störungen kategorisiert und ist stattdessen unter der Rubrik „sonstige Faktoren, welche die Gesundheit beeinflussen“, im Kapitel 24 der ICD-11 zu finden. Es wird im Abschnitt QD8-„Probleme in Verbindung mit Arbeit oder Arbeitslosigkeit“ und als Unterkapitel „QD85 Burn-out“ dargestellt. Somit bleibt Burnout „ […] lediglich ein Einflussfaktor [für] die Gesundheit […]“ und kann als Risikozustand für die Entstehung späterer psychischer und somatischer Krankheiten gesehen werden (BDA, 2019, S.1).
2.1 Definition
Die einschlägige, wissenschaftliche Literatur bietet eine große Auswahl an Definitionsvorschlägen, die sehr deskriptiv sind. Inhaltlich decken sich häufig die Übereinstimmungen, das Burnout durch chronischen Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird, der durch besondere Herausforderungen, wie multiple, psychische und physische Beschwerden, bishin zur Arbeitsunfähigkeit, mit sich bringt (Burisch, 2014, S.22-23). Enzmann und Schaufeli (1998) fassen das Syndrom in einer arbeitswissenschaftlichen Definition zusammen, wonach Burnout „[…] ein dauerhafter negativer arbeitsbezogener Seelenzustand ‚normaler‘ Individuen [ist]. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung, einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit. Diese psychische Verfassung entsteht nach und nach, kann jedoch für die betroffene Person lange unbemerkt bleiben. Sie resultiert aus einer Fehlanpassung von Intentionen und Berufsrealität. Burnout erhält sich wegen der ungünstigen Bewältigungsstrategien, die mit dem Syndrom zusammenhängen, oft selbst aufrecht.“ (S.36).
2.2 Prävalenzstudien in der Allgemeinbevölkerung
Nach Blossfeld, Bos, Daniel, Hannover, Lenzen, Prenzel, Roßbach, Tippelt und Wößmann (2014, S.49-55) sind die einzigen repräsentativen Studien in Deutschland, der Gesundheitssurvey (BGS98) aus den Jahren 1997-1999 und die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des Robert Koch- Institutes (RKI) aus den Jahren 2008-2012, die, Prävalenzdaten zu psychischen Störungen und Burnout erhoben haben.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233475/umfrage/praevalenz-von-burn-out-nach-geschlecht-alter-und-sozialem-status/#:~:text=Pr%C3%A4valenz%20von%20Burn-out%20in%20Deutschland%20nach%20Geschlecht%2C%20Alter,rund%204%2C2%20Prozent%20der%20Erwachsenbev%C3%B6lkerung%20unter%20einem%20Burn-out-Syndrom.
Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt.
Abbildung 1: Prävalenz von Burnout der DEGS1-Studie (Quelle: Robert Koch- Institut (2018), Statista (2019))
Die Studienergebnissen der DEGS1 (s. Abb. 1) zeigen eine Gesamtlebenszeitprävalenz von 4,2% und eine Zwölfmonatsprävalenz von 1,5%. Frauen (5,2%) sind insgesamt häufiger betroffen als Männer (3,3%). Eine Burnout-Diagnose ist bei der Altersgruppe der 50-59- jährigen (6,6%) und bei Personen mit hohen sozioökonomischen Status (5,8%) am häufigsten diagnostiziert worden.
2.3 Symptome
Die Literatur bietet unzählige Symptomsammlungen. Burisch (2014, S.26) extrahiert insgesamt 130 verschiedene Symptome und ordnet diese in sieben, systematische, nicht-chronologisch, geordnete Kategorien. Maslach, Schaufeli und Leiter (2001) beschränken sich auf die Beschreibung von fünf Kernsymptomen (s. Schaukasten):
› Erschöpfungssymptome
› Körperliche Symptome
› Leistungseinbußen
› Bezug zur Arbeit
› Auftreten bei vorher psychopathologisch- unauffälligen Personen
Grundsätzlich zeigt sich ein Burnout mit der Unfähigkeit Abschalten oder Entspannen zu können, es entfacht eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Job und den Menschen in der Umgebung, es wird begleitet von Angst, Verbitterung und Unruhe sowie von diffusen Schmerzen und psychosomatischen Beschwerden. Außerdem können noch weitere Beschwerden auftreten, wie Lustlosigkeit, innere Leere, sinkende Motivation, Antriebslosigkeit, Anspannung, Gereiztheit u.v.m. Besonders schwere Verläufe können auch suizidale Gedanken entwickeln (Burisch, 2014, S. 26-29). Obwohl Burnout meist in Verbindung mit Arbeit definiert wird, kann es jedoch in jeder Lebenslage auftreten, sogar in der Arbeitslosigkeit (Burisch, 2015, S.20-21). Nicht selten werden die Probleme, Ängste und Symptome mit Substanzen, wie Alkohol oder Medikamenten versucht zu bewältigen. Zudem kommen ergänzend noch Begleit- und Folgeerkrankungen, wie Depression, Angst und Probleme im privaten Bereich dazu (Fürst, 2018, S.8).
2.4 Verlauf und Phasen
Burnout entsteht in Form eines Entwicklungsprozesses und wird meist in Phasen unterteilt. Maslach, Jackson und Leiter (1996) teilen Burnout in ihrem Modell in vier Phasen ein, die im nachfolgend erläutert werden:
1. Phase: Emotionale Erschöpfung
Die erste Phase zeigt sich häufig mit erhöhtem Leistungs- und Arbeitseinsatz, das meist durch eine beginnende emotionale Erschöpfung gekennzeichnet wird. Es stellen sich versagens-, depressive- und ängstliche Gefühle ein.
2. Phase: Physiologische Erschöpfung
In der zweiten Phase kommt eine physiologische Erschöpfung hinzu, da die Betroffenen ihr erhöhtes Engagement nicht mit ausreichend Pausen belohnen, sondern mit verstärktem Leistungseinsatz reagieren, das sehr an den körperlichen Kräften zerrt. Es stellen sich chronische Müdigkeit und somatische Schmerzen ein.
3. Phase: Dehumanisierung
Die dritte Phase ist von Dehumanisierung gekennzeichnet, da Lob, Dank und Anerkennung für das aufopfernde Arbeitsverhalten ausbleibt. Die Betroffenen ärgern sich und sind enttäuscht. Dadurch stellt sich ein Wertverlust der Arbeit gegenüber ein und die Betroffenen resignieren. Die Dehumanisierung drückt sich durch Zynismus, Aggression und sozialer Distanzierung aus. Soziale Kontakte werden als Energiesauger empfunden und gelten als eher unwichtig.
1. Phase: Terminale Phase
In der letzten Phase des Entwicklungsprozesses angekommen, entwickelt der Ausbrenner nahezu eine Aversion gegen z.B. den Arbeitsplatz oder Kunden gegenüber u.v.m. Das Endstadium „zeigt sich im körperlichen, im geistig-mentalen, im emotionalen und auch im sozialen Bereich.“ (Kaluza, 2018, S.35). In besonders schweren Fällen können auch Suchterkrankungen oder Suizidgedanken auftreten.
2.5 Ätiologie
Laut WHO dürfen nur Erwerbstätige ein Burnout zeigen und auch die ICD-11 nennt ausschließlich chronischen Stress bei der Arbeit als Ursache für ein Burnout-Outcome. Jedoch konnte eine Studienübersicht von Bianchi, Truchot, Laurent, Brisson und Schonfeld (2014, S.357-361) zeigen, das Burnout nicht nur mit arbeitsspezifischen Faktoren zusammenhängt. Die Autoren identifizieren eine ganze Reihe individueller Faktoren, wie z.B. Erfahrungswerte, Gesundheitszustand, Ernährung, fehlende Erholung, Perfektionismus, mangelnde Qualifikation und Verlust von Ressourcen, weshalb ein Burnout entstehen kann. Die einschlägige, wissenschaftliche Literatur bietet außerdem divergierende Entwicklungstheorien, wie beispielsweise soziale-, persönlichkeits-, arbeits- und organisatorische Ansätze. Grundsätzlich wird jedoch von einem multifaktoriellen Prozess gesprochen, der durch innere und äußere Faktoren gekennzeichnet ist (Fürst, 2018, S.23).
In Tabelle 1 werden Beispiele für innere sowie äußere Faktoren dargestellt:
Tabelle 1: Innere und äußere, ätiologische Faktoren (Quelle: Eigene Darstellung)
Häufig wird Stress als verallgemeinernde Ursache für Burnout angesehen. Die Verursachung liegt jedoch mehr im falschen Umgang mit Stress, da die Zustände ständiger Anspannung die vorhandenen Energiereserven dauerhaft reduzieren und die minimalen Erholungen nicht ausreichen. Besonders belastet scheinen zudem Personen, die bereits durch z.B. chronische Krankheit, schwierige Familienzustände u.v.m., vorbelastet sind (BDA, 2019, S.2). Im Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPP, 2012) postuliert, das „bei Personen mit einer genetischen Veranlagung und/oder durch frühere Belastungen erworbene Disposition z.B. zu einer depressiven Erkrankung kann der Stress eines Burnout den Krankheitsauslöser darstellen. Besonders gefährdet sind Menschen mit entsprechenden Erkrankungsphasen in der Vorgeschichte.“(S.5).
2.6 Corona-bedingte Mehrbelastungen von Eltern
So wunderbar das Elterndasein einerseits sein mag, stellt es andererseits auch eine große Belastung dar. Eltern unterliegen, im Vergleich zu kinderlosen Paaren oder Personen, einer Vielzahl von zusätzlichen Herausforderungen, wie z.B. die Vereinbarkeit von Kind und Beruf, die Organisation des gemeinschaftlichen Familienlebens, die Realisierung der Kinderbetreuung u.v.m. Zudem sind Eltern zeitlich meist unter starkem Druck und sehr eingeschränkt, wenig flexibel und müssen oft auf Hobbys oder Freizeitaktivitäten verzichten. Eltern sein bedeutet auch Opfer bringen und zurückstecken, das auf Dauer auch sehr zermürbt, wenn die Kinder es einem täglich, mit Diskussionen, unaufgeräumten Zimmern und Frechheiten, danken. Außerdem zwingen sich Eltern häufig zu Aktivitäten den Kindern zu liebe, obwohl sie ihnen gar keinen Spaß machen (Mikolajczak; Roskam, 2017, S.39-40).
Corona und der damit verbundene Lockdown machen das Elterndasein schnell zur Qual. Fitte, dynamische und unausgelastete Kinder in einer Wohnung zu bändigen, sie zu virtuellem Schulsport zu bewegen und zum Homeschooling mit Mama als Lehrerin zu motivieren, kann, besonders für Alleinerziehende, neben allen anderen Verpflichtungen, schnell zum nervlichen Balanceakt werden. Die Abbildung 2 zeigt was durch die Corona-Krise an Mehrbelastungen an einem Tag auf einen Elternteil wirkt.
Abbildung 2: Belastungen und Corona-bedingte Mehrbelastungen der Eltern (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Corona-Maßnahmen, wie Homeschooling, Homeoffice, erhöhte Verbrauchskosten im Haushalt durch die auferlegte Ausgangssperre, Kurzarbeit oder plötzliche Arbeitslosigkeit, Finanzprobleme, permanenter Kontakt zu den Kindern oder anderen Familienmitgliedern, Angst vor der Virusansteckung, Überdosierung der digitalen Medien, zu viel Essen und der gleichzeitige Mangel an gesunder Bewegung, führen bei vielen Familien und besonders bei Einzelkämpfern, wie Alleinerziehenden zu gravierender Überforderung und Problemen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit bis solche Familiensysteme kollabieren und nichts mehr geht.
2.7 Verhaltens- bzw. Mikroanalyse
Die sogenannte Verhaltensanalyse ist ein sehr gängiges Verfahren in der Verhaltenstherapie, die durch das funktionale Bedingungsmodell (S-O-R-K-C) ein störungsanalytisches Schema vorgibt, um problematisches Verhalten eines Patienten zu explorieren. Die Verhaltensanalyse, mithilfe des SORKC-Modells, wird auch Mikroanalyse oder horizontale Verhaltensanalyse bezeichnet und stellt ein valides Therapieinstrument dar, um gerade in der Corona-Pandemie, Betroffenen eine Methode zu vermitteln, um ihr Problemverhalten zu verstehen und Auslöser sowie aufrechterhaltende Bedingungen zu identifizieren und durch Selbstanalyse und Introspektion, eigenständig, zu verbessern. Sie verfolgt das Ziel für ein vorher definiertes Verhalten, die auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen zu identifizieren, um anschließend die passenden Interventionen zu finden (Reinecker, 2015, S.56-57).
In engem Zusammenhang mit der Mikroanalyse ist die von Grawe (1982) eingeführte vertikale Verhaltensanalyse, auch Makroanalyse, genannt, die die verhaltenstherapeutische Diagnostik erweitert. Sie geht davon aus, dass das Problemverhalten als Funktion von individuelle, überdauernden Zielen und Plänen abhängt. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch keine ausführliche Ausarbeitung einer Makroanalyse oder Fallkonzeption erfolgen, da dies den vorgegebenen Umfang überschreiten würde. Die Konzentration liegt auf der Analyse mittels des SORKC-Modells, dem schrittweisen Vorgehen und einer ausführlichen Darstellung und dem Umgang mit den Ergebnissen.
2.7.1 Das SORKC-Modell
Historisch betrachtet, bestand das funktionale Bedingungsmodell aus der Skinner`schen Verhaltensformel S-R-C und beinhaltete, zunächst das Problemverhalten (R) das unmittelbar dem situativen Stimuli (S) vorausgeht und eine nachfolgende Konsequenz (C) mit sich bringt. Lindsley (1964, S.62-81) führte dazu die Kontingenzvariable (K) ein und Kanfer und Saslow (1969) ergänzten das Modell um die Organismusvariable (O), wonach aus dem ursprünglichen S-R-C, das S-O-R-K-C Modell wurde (Knappe; Härtling, 2017, S. 131-132).
Abbildung 3: SORKC-Modell nach Kanfer & Saslow (1969) (Quelle: Eigene Darstellung)
In den 80er Jahren erweiterten Bartling, Echelmeyer und Engberding (1980) die O-Variable. Die Autoren gehen davon aus, das dem Problemverhalten implizite Informationsverarbeitungsprozesse vorausgehen und diese durch individuelle Wahrnehmung und innere Reizverarbeitung beeinflusst werden. Das SORKC-Modell ist folglich ein diagnostisches Instrument der verhaltenstherapeutischen Praxis, das exemplarisch für ein konkretes Problemverhalten, in einer konkreten Situation auf einem zeitlichen Kontinuum angewendet werden kann (Knappe; Härtling, 2017, S.137-138). Im Folgenden werden die möglichen Konsequenzen anhand einer Tabelle 2 dargestellt.
Tabelle 2: Erläuterung der möglichen Konsequenzen (Quelle: In Anlehnung an: Knappe; Härtling, 2017, S.133)
Die Analysen dienen in der Therapie dazu, dem Patient die Zusammenhänge zu erläutern und das Problemverhalten sukzessive aufzudecken und danach eine adäquate Behandlungsstrategie zu erarbeiten. Da die Dynamiken immer dieselben sind und die Problemstrukturen sich überschaubar halten, kann der Patient das Modell leicht auf alle Probleme anwenden. Wichtig ist, das der Patient versteht, dass das beliebte Vermeidungsverhalten zwar kurzfristig zu einer Besserung führt, jedoch langfristig zur Verstärkung seiner Problematik beiträgt (Born, 2015, S.124).
2.7.2 Schritte der Analysedurchführung
Die Durchführung der Analyse wird nachfolgend, in vier Schritten, erläutert (Mattejat; Quaschner, 2019, S.36).
1. Schritt: Verhaltensvariable (R)
Im ersten Schritt soll das unerwünschte Problemverhalten, möglichst präzise, formuliert werden. Dazu hinterfragt der Therapeut die kognitive, emotionale, physiologische und motorische Ebene.
Beispielsweise wie folgt:
Kognitiv: Was haben Sie in der Situation konkret gedacht?
Emotional: Wie haben Sie sich genau gefühlt?
Physiologisch: Welche körperlichen Reaktionen haben Sie an sich wahrgenommen?
Motorisch: Was haben Sie konkret gemacht? Wie haben Sie konkret gehandelt?
2. Schritt: Situationsvariable (S)
Im zweiten Analyseschritt werden die interne und externe S-Variable erhoben, die dem Problemverhalten vorausgehen und im funktionalen Zusammenhang damit stehen. Als externe Bedingungen gelten z.B. Umgebungsbedingungen (Kälte, Hitze), soziale Komponenten (Kommentare anwesender Personen) und als interne Bedingungen zählen z.B. Gedanken („Ich muss alles perfekt machen“), Gefühle (depressiv, ängstlich, aggressiv) sowie somatische Veränderungen (Anspannung). Die Analyse der S-Variable sollte möglichst detailliert erfolgen. Die Beziehung von (S) und (R) kann klassisch konditioniert oder unkonditioniert (z.B. reflektorisch) sein sowie durch Reizdiskrimination getriggert sein.
3.Schritte: Konsequenzvariable (C) und Kontingenzvariable (K)
Das Verhalten bringt verschiedene Konsequenzen mit sich. Sie unterscheiden sich im Zeitpunkt, der Frequenz, der Intensität, der Dauer und der Stabilität. Das Ziel der C-Variablen-Analyse soll die Ereignisse herauszufiltern, die in Form operanter Lernprozesse eine verhaltenssteuernde Funktion ausüben.
Die Beschreibung der Konsequenzen erfolgt in drei Dimensionen:
1. Dimension: Zeitpunkt
Die Konsequenzen können kurzfristig (d.h. unmittelbar) oder langfristig (d.h. zeitlich verzögert) eintreten.
2. Dimension: Entstehungsort
Die Konsequenzen können intern (z.B. Selbstbewertung) oder extern (z.B. Aufmerksamkeit von außen erhalten) sein.
3. Dimension: Qualität
Die Konsequenzen können positiv (z.B. Lob, Anerkennung) oder negativ (z.B. Anspannung lässt nach) ausfallen. Es kann eine direkte Bestrafung (z.B. Strafarbeit) oder eine indirekte Bestrafung (z.B. Reduktion von Anerkennung) erfolgen.
In den Forschungsstudien des operanten Konditionierens von Evans, Rozelle, Mittelmark, Hansen, Bane und Havis (1978, S.126-135) und Lundberg, Wright, Frankenhabuser und Olson (1975, S.2-6) konnte belegt werden, das kurzfristige Konsequenzen im Vergleich zu langfristigen Konsequenzen verhaltenswirksamer sind. Entsprechend sollte die Analyse den Fokus auf die Identifikation von kurzfristigen Konsequenzen legen. Im gleichen Schritt soll die Analyse der K-Variable erfolgen, die über die Regelmäßigkeit einer Konsequenz für ein bestimmtes Problemverhalten Auskunft gibt. Es kann gesagt werden, das je öfter eine Konsequenz auftritt, desto höher ist die Kontingenz. Die Kontingenz gibt Aufschluss über die Stabilität bzw. den Löschwiderstand eines Problemverhaltens.
4. Schritt: Organismusvariable (O)
Die O-Variable ist die vermittelnde Bedingung zwischen vorausgehender Situation (S) und dem Problemverhalten (R). Sie wird als Bindeglied oder Schnittstelle zwischen vertikaler und horizontaler Verhaltensanalyse gesehen. Sie umfasst alle biologischen, genetischen, physiologisch und psychosozialen Faktoren einer Person sowie Persönlichkeitseigenschaften, die relevant für das Problemverhalten sind (z.B. somatische Erkrankungen, genetische Prädisposition, Grundüberzeugungen, Einstellungen, Intelligenz u.v.m.) (Mattejat; Quaschner, 2019, S.36).
- Quote paper
- Anonymous,, 2020, Burnout bei berufstätigen, alleinerziehenden Eltern. Status-spezifische Belastungen in Zusammenhang mit dem Corona-Lockdown und SORKC-Modell, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1273737
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