John Rawls: Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten im Vergleich zur Theorie der Gerechtigkeit


Hausarbeit, 2002

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EinLeitung

1. Die „Theorie der Gerechtigkeit“
1.1 Rawls` Legitimation seiner Gerechtigkeitskonzeption – seine Sicht der Rolle der Gerechtigkeit
1.2 Grundriss der „Theorie der Gerechtigkeit“
1.3. Kapitel 7 der „Theorie der Gerechtigkeit“
1.4. Der moralphilosophische Aspekt der „Theorie der Gerechtigkeit“

2. “Die Idee des politischen Liberalismus“
2.1 Gerechtigkeit als Fairness - Rawls` politisch liberale Gerechtigkeitskonzeption
2.2 Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten
2.3 Die Grenzen des Politischen in „Die Idee des politischen Liberalismus“

SCHLUSS

Literaturverzeichnis

EINLEITUNG

John Rawls gilt als Neubegründer der politischen Philosophie in der Gegenwart[1]. Mit der „Theorie der Gerechtigkeit“ (1971) fasste er sein Lebenswerk in literarische Form. Dabei hatte er sich zum Ziel gesetzt, eine Gerechtigkeitskonzeption zu entwerfen, die eine gerechte Gesellschaft bilden könne. Das Ergebnis – eine Art „realistische Utopie“[2] – wurde nicht nur aufgrund seines Umfangs mit „dem gewaltigen Unternehmen der Platonischen Politeia oder der Nikomachischen Ethik des Aristoteles“ verglichen[3], sondern auch aufgrund seiner inhaltlichen Komplexität, die besonders durch die moralphilosophische Komponente in der ansonsten nach vertragstheoretischen Mustern entworfenen Theorie bewirkt wird: so kann eine rechtsphilosophische und eine moralphilosophische Untersuchungsweise nachgewiesen werden, womit eine Trennung aufgehoben ist, die für die neuzeitliche Philosophie als charakteristisch gilt[4]. Das moralphilosophische Element der „Theorie der Gerechtigkeit“ wird insbesondere im dritten Teil deutlich – bewirkt durch Rawls`„Ausdehnung des Argumentationsansatzes auf die ethische Thematik“[5]. Diese Vorgehensweise wurde oft kritisiert und als weniger überzeugend dargestellt, als die vertragstheoretische Ableitung der Gerechtigkeitsprinzipien im ersten Teil.

Rawls führte später[6] selbst an, dass er innerhalb der „Theorie der Gerechtigkeit“ keinen Unterschied zwischen Moralphilosophie und politischer Philosophie[7] macht und dass somit „eine in ihrem Anwendungsbereich allgemeine moralische Gerechtigkeitslehre nicht von einer im strengen Sinne politischen Gerechtigkeitskonzeption unterschieden“[8] wird. Auch aus diesem Grund präzisierte er seine Theorie mehrmals in verschiedenen Aufsätzen, die schließlich 1993 in gesammelter Form als „Political Liberalism“ („Die Idee des politischen Liberalismus“ in der deutschen Übersetzung) erschienen. Rawls präsentierte hiermit seine Theorie in systematisch abgewandelter Form als politisch liberale Gerechtigkeitskonzeption, wobei er sie von „umfassenden philosophischen und moralischen Lehren“[9] abzugrenzen versuchte.

Dass er sich dabei mit seiner explizit „politischen“ Gerechtigkeitskonzeption ausdrücklich auf den Bereich des Politischen beschränkt, kann auch als Bezugnahme auf Kritik gewertet werden, die die moralphilosophische Tendenz bzw. Auslegung seines Werkes hervorrief. Inwieweit dies tatsächlich der Fall ist - Rawls also durch Abänderung seiner ursprünglichen Theorie solche offengelegten Mängel zu beheben versucht, oder aber einfach nur „Missverständnisse“ ausräumen will, muss hier offen bleiben. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Darstellung wesentlicher Merkmale der ursprünglichen „Theorie der Gerechtigkeit“ sowie ihrer Neuform. Ein besonderes Augenmerk soll auf den moralphilosophischen Aspekt der ursprünglichen Form im Vergleich zu ihrer politischen Variante gelegt werden, wobei die Arbeit besonders auf das siebte Kapitel der „Theorie der Gerechtigkeit“ eingeht, in dem Rawls eine „Theorie des Guten“ entwirft. Zum Vergleich mit der abgeänderten Theorie dient zusätzlich der Aufsatz „Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten“, in dem Rawls im Rahmen seiner „Idee des politischen Liberalismus“ einen der drei Hauptgedanken seiner Theorie im Einzelnen vorstellt.[10]

1. Die Theorie der Gerechtigkeit

1.1 Rawls Legitimation seiner Gerechtigkeitskonzeption – seine Sicht der Rolle der Gerechtigkeit

Bei Rawls` „Theorie der Gerechtigkeit“ handelt es sich um den Entwurf einer Gerechtigkeitskonzeption, auf deren Grundlage er eine optimale „Grundordnung“ (basic structure) für eine Gesellschaft realisierbar hält. Unter „Grundordnung“ versteht Rawls dabei die sozialen Institutionen, die einen großen Einfluss auf das Leben der Gesellschaftsmitglieder ausüben.[11] Nur eine Gesellschaft mit einer solchen optimalen Grundordnung ist für Rawls gerecht. Wenn er in Bezug auf eine solche, nach seinen Vorstellungen „ideal“ verfasste Gesellschaft von einer „wohlgeordneten Gesellschaft“ spricht, so meint er damit „eine Gesellschaft, in der (1) jeder die gleichen Gerechtigkeitsgrundsätze anerkennt und weiß, dass das auch die anderen tun, und 2) die grundlegenden gesellschaftlichen Institutionen bekanntermaßen diesen Grundsätzen genügen.“[12]

Rawls` Gerechtigkeitskonzeption ist also in Bezug auf ihr Potential konzipiert, eine optimale Grundordnung für eine Gesellschaft fördern zu können. Gerechtigkeit stellt für Rawls „die erste Tugend sozialer Institutionen“[13] dar. Ihre Festlegung in Form von „Gerechtigkeitsgrundsätzen“ hält er für essentiell, da „auf der Gerechtigkeit beruhende Rechte“[14] nicht „Gegenstand politischer Verhandlungen oder sozialer Interessenabwägungen“[15] sein dürfen. Gerechtigkeitsgrundsätze – als Voraussetzung für ein geregeltes Zusammenleben und – bilden Rawls zufolge das Fundament einer „wohlgeordneten Gesellschaft“. Dabei bezeichnet er Gerechtigkeit (neben der Wahrheit) als Haupttugend für menschliches Handeln[16]. Hieraus leitet er seine Auffassung ab, dass der Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft absolute Priorität zukommt, was er mit dem „Vorrang der Gerechtigkeit“ auszudrücken versucht. Dieser Leitsatz ist innerhalb der „Theorie der Gerechtigkeit“ grundlegend für Rawls. Da er diese Annahme allerdings als zunächst noch „intuitiv“ bezeichnet, ergibt sich für ihn die Notwendigkeit einer theoretischen Untermauerung. Eine Gerechtigkeitstheorie soll diesen Zweck erfüllen und zeigen, inwieweit diese Annahme der Priorität der Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft auch theoretisch begründet werden kann.[17]

1.2. Grundriss der „Theorie der Gerechtigkeit“

Einer der Hauptgedanken der Rawls`schen Theorie bezieht sich auf die These, dass Gerechtigkeitsgrundsätze nicht auf bloßer Intuition beruhen. Andrerseits wendet sich Rawls aber auch gegen teleologische Theorien, denen zufolge Gerechtigkeitsgrundsätze auf der Grundlage einer bestimmten (festlegbaren) Form des Guten abgeleitet werden können. So distanziert er sich besonders auch vom Utilitarismus, dessen Bewertungsmaßstab der Glückseeligkeit Rawls für nicht plausibel genug hält[18]. Dagegen geht er davon aus, dass diejenigen Prinzipien als Gerechtigkeitsgrundsätze gelten können, auf die sich unter ganz bestimmten Bedingungen geeinigt würde.

Die „Theorie der Gerechtigkeit“ umfasst drei Teile, wobei im ersten Teil, in dem die Theorie entworfen wird, diese speziellen Bedingungen erläutert werden: sie stellen den Rahmen für die Wahl der Gerechtigkeitsgrundsätze dar.

Der erste Teil der „Theorie der Gerechtigkeit“ enthält also die theoretischen Grundlagen der Gerechtigkeitskonzeption und umfasst die Ableitung der beiden grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien. Die Grundsätze dieser Gerechtigkeitsprinzipien werden im zweiten Teil näher erläutert, indem Rawls die Struktur einer „Grundordnung“ analysiert, die solchen Prinzipien gerecht werden kann. Im dritten (und letzten) Teil weitet er seine Theorie auf den Bereich der Ethik aus, indem er mit Hilfe der Gerechtigkeitsprinzipien eine „umfassende Theorie des Guten“ aufstellt.

Rawls Argumentationsweise kann als vertragstheoretisch bezeichnet werden, da er eine hypothetische Vertragsssituation, den sogenannten „Urzustand“ („original position“), kreiert, in dem die an der Wahl Beteiligten bestimmte Gerechtigkeitsgrundsätze wählen. Die speziellen Bedingungen, unter denen diese Wahl statt findet, werden von Rawls anhand eines “Schleier des Nichtwissens” bildhaft dargestellt: der Begriff symbolisiert die Wissensbeschränkung, die Rawls den Vertragsparteien auferlegt. Ihnen stehen zwar „allgemeine“ Informationen zur Verfügung, andere, „spezifischere“ Informationen aber werden ihnen bei der Wahl des Gerechtigkeitskriteriums vorenthalten. Hierzu gehört zum Beispiel das Wissen um die eigenen Fähigkeiten, um die eigenen Vorstellungen vom Guten, oder die „spätere“ (nach Festlegung der Gerechtigkeitsprinzipien) gesellschaftliche Stellung.

[...]


[1] Pogge, John Rawls, 1994, S.177

[2] Pogge, John Rawls, 1994, S.35

[3] Kersting, Die Gerechtigkeit zieht die Grenze, S. 209

[4] Kersting, Die Gerechtigkeit zieht die Grenze, S. 210

[5] Kersting, Die Gerechtigkeit zieht die Grenze, S.211

[6] Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung, 1992)

[7] Vgl. Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung 1992)

[8] Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung, 1992)

[9] Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.11 (Einleitung, 1992)

[10] Rawls, Die Idee des Politischen Liberalismus, S.10 (Einleitung, 1992)

[11] Vgl. Pogge, John Rawls, 1994, S. 49

[12] Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S.21

[13] Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S.19

[14] Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S.20

[15] Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S.20

[16] Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S.20

[17] Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S.20

[18] Pogge, John Rawls, 1994, S. 38

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
John Rawls: Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten im Vergleich zur Theorie der Gerechtigkeit
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister Scholl Institut für Politische Wissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V12700
ISBN (eBook)
9783638185158
Dateigröße
376 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
John, Rawls, Vorrang, Rechten, Ideen, Guten, Vergleich, Theorie, Gerechtigkeit
Arbeit zitieren
Anja Rössner (Autor:in), 2002, John Rawls: Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten im Vergleich zur Theorie der Gerechtigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12700

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